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I.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 2. Oktober 2012 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 236/99 – wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen des Vorwurfs ärztlicher Behandlungsfehler und unzureichender Aufklärung im Zusammenhang mit zahnärztlichen Behandlungen im Jahre 1995 auf Schadensersatz in Anspruch.
4Die Klägerin befand sich ab November 1994 bei dem Beklagten in zahnärztlicher Behandlung. Der Anamnesebogen vom 28. November 1994 weist neben den Personalien der Klägerin und der Angabe zur Krankenkasse noch Informationen über die letzten Röntgenuntersuchungen, Krankheiten, Allergien sowie die Einnahme von Medikamenten auf. Als Krankheiten wurde von der Klägerin „Rheuma“ angegeben sowie die Einnahme eines Rheumamittels als regelmäßige Medikation. Die Frage nach Allergien wurde mit „Nein“ beantwortet. Im Sommer 1995 suchte die Klägerin u. a. aufgrund bestehender starker Gelenkschmerzen sowie aufgrund verschiedener gesundheitlicher Beschwerden wie etwa deutlich erhöhter Ermüdbarkeit, subfibrilen Temperaturschüben und gehäuften Infekten, deren Ursache sich nicht bestimmen ließ, die Ärztin für Innere Medizin und Psychotherapie Dr. I auf, die sie von August bis November 1995 u. a. wegen des Verdachts auf das Bestehen eines Fibromyalgie-Syndroms (chronisches Faser-Muskel-Schmerz-Syndrom) ärztlich behandelte. Am 24. Oktober 1995 suchte die Klägerin die Zahnarztpraxis des Beklagten auf. Sie ließ die Füllung des Zahnes 47 entfernen und von dem Beklagten wurde eine Aufbaufüllung gefertigt. Bei einem letzten Besuch der Klägerin bei der behandelnden Ärztin Frau Dr. I am 30. Oktober 1995 ist notiert: „Beratung, Muskelschmerzen gebessert, Darm gebessert, Kein Fieber mehr“. Am 31. Oktober 1995 suchte die Klägerin erneut die Praxisräume des Beklagten auf und es wurde der Zahn 47 bei dem Beklagten mit einer ¾ - Krone versorgt. Am 30. November 1995 wurden die Füllungen der Zähne 15 und 17 von dem Beklagten entfernt und erneuert. Der Beklagte verwendete – seinen unbestrittenen Angaben in dem erstinstanzlichen Termin vom 4. Juli 2012 zufolge – bei der Entfernung der Füllungen eine hochtourige Turbine unter gleichzeitiger Wasserkühlung und einen Rosenbohrer. Außerdem wurde ein Standard-Amalgam-Absauger verwendet, mit dem feste und flüssige Körper abgesaugt wurden. Vor der umstrittenen Behandlung waren bei der Klägerin zuletzt im Mai 1987 von dem die Klägerin in den Jahren 1986 – 1994 behandelnden Zahnarzt Dr. L in C Amalgam-Füllungen entfernt worden. Zwei Jahre nach der umstrittenen Behandlung, im November 1997, wurde bei einer Probe von Zahnfleischgewebe („Gewebe Gingiva Zahn 47“, klägerseits auch als „Amalgam-Splitter“ bezeichnet) der Klägerin durch Dr. med. T, C2, eine Quecksilberkonzentration von 5.700 Mikrogramm pro Kilogramm bei einem in dem Arztbrief angegebenen Normalwert von „unter 25 Mikrogramm pro Kilogramm“ festgestellt, wobei für eine Kontrolle dieser Werte das Material nicht ausreichte. Die Klägerin ist seit 1998 dauerhaft erwerbsunfähig.
5Die Klägerin hat behauptet, dass es sich bei den von dem Beklagten entfernten Füllungen um Amalgam-Füllungen gehandelt habe. Sie hat dem Beklagten Behandlungsfehler bei der Entfernung dieser Füllungen vorgeworfen und eine unzureichende Aufklärung über die Risiken der Entfernung dieses Materials gerügt. Hierzu hat sie behauptet, der Beklagte habe behandlungsfehlerhaft Schutzvorkehrungen bei der Entfernung des Amalgams unterlassen. So habe er keinen Kofferdam zur Absperrung des Mund- und Rachenraumes verwendet. Die Gabe eines lokalen Antidots, eines schwermetallbindenden Medikaments, das nach dem Ausbohren die Quecksilberteilchen neutralisiere, sei bei der Klägerin von dem Beklagten ebenso wenig verabreicht worden wie ein systemisches Antidot über einen längeren Zeitraum für die Zeit nach der Behandlung. Auch hätte der Beklagte die Klägerin über die Möglichkeit einer anschließenden Schwermetall-Ausleitungstherapie informieren müssen. Schließlich hätte die Entfernung gleich mehrerer Amalgam-Füllungen nur in bestimmten zeitlichen Abständen erfolgen dürfen. Die Aufklärungsrüge hat die Klägerin mit der Behauptung erhoben, der Beklagte habe sie nicht über das hohe Risiko aufgeklärt, dass beim Ausbohren des Amalgam-Füllmaterials freiwerdende Schwermetall-Partikel und Dämpfe in den Körper gelangen und Gesundheitsschäden hervorrufen könnten. Diese Gefahr bestehe insbesondere bei Vorliegen einer Amalgam-Allergie, die indes zum Zeitpunkt der Entfernung der Füllungen bei ihr noch nicht bekannt gewesen sei. Der Beklagte habe die Aufklärung unterlassen, obwohl sie den Beklagten darauf hingewiesen habe, dass sie den Verdacht hege, die Amalgam-Füllungen könnten eine Ursache ihrer Gesundheitsbeeinträchtigungen sein. Wäre die Klägerin aufgeklärt worden, so hätte sie die Entfernung des Amalgams weiter gewünscht, ihr jedoch ohne die geforderte Schutzmaßnahme nicht zugestimmt. Aufgrund der Entfernung des Amalgams ohne die genannten Schutzmaßnahmen sei es zu einer Quecksilbervergiftung gekommen, die zu hirnorganischen Schäden mit Auswirkungen auf Mobilität der Augen, Gleichgewicht, Durchblutung des Gehirns, kognitive Fähigkeiten, Lungensystem, Gelenke, Darm und die peripheren Nerven gekommen sei. Auch die hierdurch eingetretene Erwerbsunfähigkeit sei letztlich auf die zahnärztliche Behandlung des Beklagten zurückzuführen.
6Die Klägerin hat neben einem Schmerzensgeld materiellen Schadensersatz für die entstandenen Heilbehandlungskosten, Ausgleich des Verdienstausfalls für Vergangenheit und Zukunft, sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden insbesondere der zu erwartenden Heilbehandlungskosten geltend gemacht und nach Umstellung der Klageforderung von der DM-Währung auf die Euro-Währung beantragt,
71. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 157.184,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % auf jeweils 4.348,98 Euro seit dem 1. November 1995, 1. Dezember 1995, 1. Januar , 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 1996, 1. Januar , 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli und 1. August 1997, auf jeweils 3.504,92 Euro seit dem 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 1997, 1. Januar , 1. Februar, 1. März, 1. April, 1. Mai, 1. Juni, 1. Juli, 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 1998 und im Übrigen seit Klagezustellung zu zahlen;
2. an die Klägerin ab dem 1. Dezember 1999 eine monatliche Rente von 3.504,92 Euro monatlich nebst gesetzlicher Zinsen zu zahlen;
3. an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 204.516,75 Euro nebst 7 % Zinsen seit Klagezustelllung zu zahlen,
4. und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Kläger alle weiteren Schäden, die ihr durch die fehlerhafte Behandlung am 24. Oktober 1995 und am 30. November 1995 entstanden sind und entstehen werden, zu ersetzen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und ist den Vorwürfen der Klägerin entgegengetreten.
16Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
17Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten sowie durch Vernehmung des Zeugen M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Zeugenaussage des Zeugen M vom 17. April 2006 [Bl. 526 d. A.], auf das schriftliche Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. H vom 10. November 2005 [Bl. 481 ff. d. A.] nebst Ergänzung vom 7. April 2006 [Bl. 523 d. A.], auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T2 vom 22. Mai 2009 [Bl. 699 ff. d. A.] nebst Ergänzungen vom 18. Mai 2010 [Bl. 817 ff. d. A.] und 28. Oktober 2011 [Bl. 972 ff. d. A.] sowie auf die Protokolle der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmetermine vom 15. Dezember 1999 [Bl. 87 d. A.], 22. Juni 2005 [Bl. 452 ff. d. A.], 10. Mai 2006 [Bl. 545 ff. d. A.] und vom 4. Juli 2012 [Bl. 1083 ff. d. A.] verwiesen.
18In dieser Weise sachverständig beraten hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach der durchgeführten Beweisaufnahme schadensursächliche Behandlungsfehler nicht festgestellt werden könnten, und dass auch die Aufklärungsrüge nicht begründet sei.
19Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie beantragt,
201. das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. Oktober 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts Köln zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens aber in Höhe von 20.000,00 Euro nebst gesetzlicher Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen
3. und im Falle der Zurückweisung der Berufung die Revision zuzulassen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzliches Vorbringen insbesondere vor, dass das angefochtene Urteil schon deshalb aufgehoben werden müsse, weil die amtierenden Richter VRiLG R, RinLG N und RinLG N2 der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt würden, und weil die 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln im Hinblick darauf nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Die Umstände, die zu dieser Besorgnis geführt hätten, seien erst mit dem angefochtenen Urteil offenbar geworden, das auf Unwahrheiten, groben Rechts- und Verfahrensfehlern sowie schwerwiegenden Gehörsverletzungen beruhe und damit bei der Klägerin die schwere Besorgnis der Befangenheit der an diesem Urteil beteiligten Richter begründe. Denn das Landgericht habe sein Urteil im Kern darauf gestützt, dass nach dem Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 davon auszugehen sei, dass der Beklagte vor der Entfernung der Amalgam-Füllungen im Jahre 1995 nicht zur Aufklärung der Klägerin darüber verpflichtet gewesen sei, dass bei der Entfernung der Amalgam-Füllungen wegen des dabei freiwerdenden Quecksilbers Gefahren für ihre Gesundheit bestanden hätten, und dass es bereits im Jahre 1995 wissenschaftlich gesicherte und amtlich bestätigte Ratschläge für Maßnahmen zur Verminderung solcher Gefahren gegeben habe. Dabei hätten die abgelehnten Richter der 25. Zivilkammer zur Kenntnis genommen, dass der Gerichtssachverständige eine Auseinandersetzung mit den Gesundheitsrisiken aufgrund des freiwerdenden Quecksilbers und mit der Frage der Wahrnehmung der zahnärztlichen Verantwortung des Beklagten gegenüber der Klägerin verweigert habe. Die abgelehnten Richter hätten gleichwohl und wider besseres Wissen das Gutachten des Gerichtssachverständigen als vollständig, objektiv und unparteiisch bewertet und zum Gegenstand ihres Urteils gemacht. Die Kammer habe sich entgegen dem eindeutigen Inhalt ihrer Beweisbeschlüsse auf den Standpunkt gestellt, dass die Auseinandersetzung mit den Gesundheitsrisiken aufgrund des freiwerdenden Quecksilbers nicht Gegenstand des Gutachtenauftrages gewesen sei, und dass die Kammer wahrheitswidrig behauptet habe, dass sie hierauf wiederholt hingewiesen habe. Die Kammer habe auch keine Fragen des Klägervertreters zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Quecksilber und anderen Amalgam-Bestandteilen, die bei der Amalgam-Entfernung im Mund des betroffenen Patienten freiwerden, zugelassen, ohne dabei zu erkennen zu geben, dass sie die Weigerung des Sachverständigen, sich mit den Auswirkungen von freigesetztem Amalgam auf die Gesundheit zu befassen, akzeptiere und trotz dieses Umstandes ihr Urteil auf das Gutachten des Gerichtssachverständigen stützen werde. Der Sachverständige hätte jedenfalls im Zusammenhang mit der Frage, über welche Risiken vor der Entfernung von Zahnamalgam hinzuweisen ist, auf die Frage eingehen müssen, welche Gesundheitsrisiken insoweit bestehen, weil im Grundsatz über alle entsprechenden Gesundheitsrisiken aufzuklären sei. Das Landgericht habe sich auch über sämtliche von der Klägerin unter Vorlage von Parteigutachten aufgezeigten Widersprüchlichkeiten in den Ausführungen des Gerichtssachverständigen hinweggesetzt und damit gröblich gegen die höchstrichterlich festgeschriebenen Grundsätze zum Verfahren in Arzthaftungsprozessen verstoßen, so dass die floskelhafte Aussage in dem angefochtenen Urteil, dass das Gutachten des Gerichtssachverständigen widerspruchsfrei sei, bewusst wahrheitswidrig erfolgt sei. Gleiches gelte für die floskelhafte Aussage in dem angefochtenen Urteil, dass der Gutachter sich sorgfältig mit den Behandlungsunterlagen und dass er sich im Rahmen seines Gutachterauftrages mit den Parteigutachten der Klägerin auseinandergesetzt habe, und dass er nur einzelne von der Klägerseite vorgelegte Literaturstellen unbeachtet gelassen habe und im Übrigen mit größter Sorgfalt und Unparteilichkeit vorgegangen sei. Das Landgericht habe zu Unrecht den Einwand der Klägerin gegen den ausgewählten Gerichtsgutachter nicht beachtet, dass dieser als ausgewiesener Amalgam-Lobbyist nicht hinreichend unparteiisch sei. Es hätte einen anderen Sachverständigen beauftragen müssen.
27Die abgelehnten Richter hätten sich auch wahrheitswidrig auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin die Angaben in dem im Termin vorgelegten Anamnesebogen nicht bestritten habe. Ferner hätten sie sich über die Aussage des Zeugen M hinweggesetzt, der ausgesagt habe, dass er die entfernten Amalgam-Füllungen gesehen habe, weil die Klägerin ihm diese gezeigt habe. Aus Letzterem zeige sich auch trotz des Umstandes, dass diese Frage unerheblich ist, das parteiische Vorgehen der abgelehnten Richter.
28Das angefochtene Urteil beruhe zudem auf zahlreichen Verletzungen des rechtlichen Gehörs der Klägerin, die unter Beantragung der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich gerügt worden seien.
29Das Landgericht habe zu Unrecht die Frage der Indikation für die umstrittene Behandlung nicht geprüft. Die Indikation sei nicht gegeben gewesen. Dies habe die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen und der Beklagte habe dem nicht widersprochen. Aus seinen Behandlungsunterlagen ergebe sich weder eine Diagnostik noch eine Indikation. Und der Beklagte habe bei seiner persönlichen Anhörung durch die Kammer zugestanden, dass er die Füllungen auf Wunsch der Klägerin entfernt habe, und dass er sich an besondere Defekte nicht erinnern könne. Auch der Gerichtssachverständige habe eine zahnmedizinische Indikation nicht feststellen können. Somit habe der Beklagte die bei der Klägerin noch vorhanden gewesenen drei Amalgam-Füllungen ohne jegliche zahnmedizinische Indikation entfernt. Dies sei als grober Behandlungsfehler zu bewerten. Gleichwohl habe sich das Landgericht mit der Frage nach der fehlenden Indikation in keiner Weise auseinandergesetzt, was einen schweren Rechtsfehler darstelle. Ferner habe das Landgericht übersehen, dass die fehlende medizinische Indikation Auswirkungen auf die Frage habe, welches Maß an Aufklärung von dem Arzt geschuldet sei. Geschuldet sei insoweit ein Höchstmaß an Aufklärung bis hin zu dem Rat, von einer Entfernung der Amalgam-Füllungen ganz abzusehen.
30Das Landgericht habe zu Unrecht auch nicht berücksichtigt, dass der Beklagte pflichtwidrig eine erforderliche Anamnese unterlassen habe. Das Landgericht hätte seiner Entscheidung zugrunde legen müssen, dass dem Beklagten vor Beginn der ersten Behandlung und vor dem Entfernen der Amalgam-Füllungen bekannt gewesen sei, dass die Klägerin gesundheitliche Beschwerden beklagt habe, die sie mit dem Quecksilber in ihren Amagam-Füllungen in Zusammenhang gebracht habe, und dass sie diese habe entfernen lassen wollen, um diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu reduzieren. Denn dies habe sie dem Beklagten vor dem Eingriff mitgeteilt. Im Hinblick darauf hätte der Beklagte zumindest nachfragen müssen, um welche gesundheitlichen Probleme es sich insoweit gehandelt habe. Soweit das Landgericht auf den Anamnesebogen abstelle, übersehe es, dass dieser im Herbst 1994 ausgefüllt worden sei, während es hier um eine Behandlung im Oktober 1995 gehe.
31Die Aufklärungsrüge bleibe aufrecht erhalten. Der Beklagte habe die Klägerin zu keiner Zeit darüber aufgeklärt, dass bei dem Ausbohren der Amalgam-Füllungen Giftstoffe und Allergene frei würden, die von ihrem Organismus aufgenommen und gespeichert würden, und die Schäden auslösen könnten. Auch über Schutzmaßnahmen, die zu einer erheblichen Verminderung der Gift- und Allergen-Entwicklung führen könnten, habe der Beklagte sie nicht aufgeklärt. Zu Unrecht habe der Sachverständige sich auf den Standpunkt gestellt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin über diese Gefahren und über Schutzmaßnahmen dagegen aufzuklären. Entgegen der Auffassung des Gerichtssachverständigen, der sich das Landgericht in grob rechtsfehlerhafter und willkürlicher Weise angeschlossen habe, hänge die Aufklärungspflicht nicht von der Frage ab, ob die Standesorganisation die Zahnärzte im Jahre 1995 aufgefordert hat, die Patienten vor dem Entfernen einer Amalgam-Füllung aufzuklären. Vielmehr habe jeder Patient vor jeder Behandlung einen Anspruch darauf, über alle relevanten Umständen und insbesondere über Art, Umfang und Folgen der vorgesehenen Behandlung aufgeklärt zu werden. Dies gelte auch für das Entfernen von Amalgam-Füllungen. So habe etwa die zuständige Bundesbehörde [nämlich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)] in einem Bescheid im Jahre 1995 auf die erforderliche Aufklärung von Amalgam-Patienten hingewiesen, wobei sich der Bescheid nicht nur auf das Legen von Amalgam, sondern auch auf das Entfernen von Amalgam-Füllungen und die diesbezüglichen besonderen Schutzvorschriften bezogen habe. Als grob rechtsfehlerhaft und willkürlich sei es auch zu bewerten, dass das Landgericht sich der Auffassung des Gerichtssachverständigen angeschlossen habe, dass zwar vor dem Legen von Amalgam-Füllungen über das dabei mögliche Freiwerden von Quecksilber und die damit verbundenen Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden müsse, dass aber eine Aufklärung hier-über vor dem Entfernen von Amalgam-Füllungen nicht erforderlich sei, obwohl es dabei genauso zu einem Freiwerden von Quecksilber kommen könne. Diese Auffassung des Sachverständigen sei offensichtlich unsinnig. Sie blende zudem aus, dass die Gefahr des Freiwerdens von Quecksilber bei dem Entfernen von Amalgam-Füllungen größer sei als beim Legen dieser Füllungen, was der Gerichtssachverständige außergerichtlich in einer seiner Fachpublikationen ausdrücklich eingeräumt habe. Das Landgericht habe auch dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass eine Aufklärung umso dringlicher sei, je höher das medizinische Risiko des fraglichen Eingriffs ist. Und Quecksilber gelte als das giftigste nicht-radioaktive Element und wegen der seit langer Zeit bekannten Gefahren dieses Elementes für den menschlichen Organismus und insbesondere für das Nerven- und Immunsystem würden Zahnärzte in den Amalgam-Sicherheitsdatenblättern und Amalgam-Gebrauchsinformationen nachdrücklich vor diesen Gefahren gewarnt und zu strikten Vorsichtsmaßnahmen angehalten. Es gebe keinen Wirkungsschwellenwert, unterhalb dessen eine Belastung mit Quecksilber als sicher bzw. unschädlich angesehen werden könne mit der Folge, dass möglichst jede Quecksilberbelastung vermieden werden müsse. Bekannt sei insbesondere auch das spezifische Risiko der Amalgam-Entfernung, das gravierend sei, weil es zu schweren und unter Umständen irreversiblen Beeinträchtigungen in der Lebensführung des betroffenen Patienten führen könne. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es für das Maß der geschuldeten Aufklärung auch ohne Relevanz, ob der betroffene Arzt bei der fraglichen Behandlung unter Einhaltung der Standards vorgegangen ist. Denn es gebe keine auf den Standard beschränkte Aufklärung. Maßgeblich für den Inhalt der Aufklärung seien vielmehr die bekannten Risiken des Eingriffs und die Frage, welche Maßnahmen zur Vermeidung oder Verringerung dieser Risiken geeignet sind.
32Die Beweisfrage nach den mit der Entfernung von Almagam-Füllungen verbundenen Risiken habe der Gerichtssachverständige aber in keiner Weise beantwortet. Die Klägerin habe aber in erster Instanz ausführlich zu den im Jahre 1995 bereits bekannt gewesenen Risiken des Entfernens von Amalgam-Füllungen sowie auf die Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken hingewiesen. Hierüber habe sich das Landgericht zu Unrecht hinweggesetzt. Da der umstrittene Eingriff nicht indiziert gewesen sei, habe der Beklagte eine Aufklärung nicht nur über die dem Standard entsprechenden Schutzmaßnahmen, sondern darüber hinaus über alle Schutzmaßnahmen aufzuklären, die im Jahre 1995 bereits bekannt und zur Eindämmung der Risiken geeignet gewesen sind. Dazu gehöre sicherlich auch eine Aufklärung über die Schutzmaßnahme Kofferdam, die zudem spätestens seit dem bereits genannten Bescheid der zuständigen Bundesbehörde [Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)] im Jahre 1995 zum zahnmedizinischen Standard gehöre, worauf die Zahnärzte im April/Mai durch die zahnärztliche Standesvertretung und im Juli 1995 durch die geänderte Amalgam-Gebrauchsinformation hingewiesen worden seien. Das Landgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass es zu dem vorgenommenen Entfernen der Amalgam-Füllungen keine Behandlungsalternative gegeben habe, über die aufzuklären gewesen wäre. Denn als Behandlungsalternativen hätten zur Verfügung gestanden insbesondere das vollständige Absehen von dem Entfernen der Amalgam-Füllungen, ein vorübergehendes Absehen von dieser Maßnahme, um zunächst eine Verbesserung des Zustandes der vorerkrankten Patientin abzuwarten, ein mehrzeitiges Vorgehen dahin, dass die drei Füllungen einzeln und in größeren Zeitabständen entfernt werden, oder ein Vorgehen unter Ergreifen weiterer Vorsichtsmaßnahmen. Auch hierzu habe die Klägerin in erster Instanz ausführlich vorgetragen. Das Landgericht sei aber auch über diesen Vortrag zu Unrecht hinweggegangen. Das Landgericht übersehe ferner, dass der Beklagte unstreitig keinerlei Aufklärung geleistet habe, dass dies für sich genommen bereits einen groben Behandlungsfehler darstelle und zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs sowie zu einer Umkehr der Beweislast dahin führe, dass der Beklagte beweisen müsse, dass die eingetretenen Schäden nicht auf seine Behandlung zurückzuführen seien.
33Das Landgericht habe einen Entscheidungskonflikt der Klägerin zu Unrecht verneint. Denn die Klägerin habe in erster Instanz mehrfach vorgetragen, dass sie trotz eventueller Zuzahlungen mindestens die Anwendung aller möglichen Schutzmaßnahmen und insoweit alle technische und alle biochemischen Hilfsmittel zum Schutz gegen die Gifteinwirkung verlangt hätte, wenn sie über die möglichen Risiken, die möglichen Schutzmaßnahmen und die möglichen Zusatzkosten aufgeklärt worden wäre. Ebenfalls habe sie erstinstanzlich bereits vorgetragen, dass sie auch ein Aufschieben der Entfernung der Amalgam-Füllungen oder eine Verteilung auf mehrere Termine in Betracht gezogen hätte. Vor diesem Hintergrund sei die Bewertung in dem angefochtenen Urteil, dass ein Entscheidungskonflikt nicht hinreichend vorgetragen worden sei, unvertretbar, willkürlich und als Versuch anzusehen, die Gehörsverletzung gegenüber der Klägerin zu ummänteln. Entgegen der Darstellung des Landgerichts habe die Klägerin nicht vorgetragen, dass sie das Entfernen der Amalgam-Füllungen unter allen Umständen gewollt habe, und dass sie dem ohne weitere Überlegung und ohne Bestehen auf äußerste Vorsicht zugestimmt hätte. Im Übrigen habe das Landgericht nicht beachtet, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Entscheidungskonflikt nicht ohne persönliche Anhörung der betroffenen Partei hierzu verneint werden könne, und dass die Klägerin hierzu nicht persönlich angehört worden sei.
34Das angefochtene Urteil beruhe auf falscher Tatsachenbewertung und unzureichender Sachaufklärung. Spätestens nach Klärung der Frage, ob sich vor der umstrittenen Behandlung in den Zähnen 15, 17 und 47 Amalgam-Füllungen befunden haben, habe sich die Beweislast zu Lasten des Beklagten umgekehrt und müsse dieser beweisen, dass seine Behandlungen für die bei der Klägerin eingetretenen Gesundheitsschäden nicht ursächlich waren. Denn der Gerichtssachverständige habe zugestanden, dass bereits lange vor 1995 eine Vorstellung darüber bestanden habe, dass bei dem Entfernen von Amalgam-Füllungen feste Bestandteile oder auch Dämpfe von Amalgam freigesetzt und von dem Organismus des Patienten aufgenommen würden. Und spätestens seit der Studie von Nimmo et al. und damit spätestens seit 1990 sei in der Zahnmedizin bekannt gewesen, dass bei der Amalgamentfernung gesundheitliche Risiken bestünden. Der Gerichtssachverständige habe ohne überzeugende Argumente versucht, die Bedeutung dieser Feststellung unter Hinweis darauf, dass es sich lediglich um in-vitro-Versuche gehandelt habe, abzuschwächen. Dem hätte das Landgericht nicht folgen dürfen. Zumindest hätte das Landgericht den Sachverständigen hierzu ergänzend befragen müssen.
35Aufgrund der Ausführungen des Beklagten persönlich zu seinem Vorgehen bei dem Entfernen der Amalgam-Füllungen stehe fest, dass er weder einen Kofferdam noch geeignete Medikamente zum Schutz gegen die schädliche Wirkungen des freiwerdenden Quecksilbers angewandt und auch keine Schutzmaßnahmen ergriffen hat, um die Klägerin vor den freiwerden Amalgam-Dämpfen zu schützen. Diese Maßnahmen sowie die Gefährlichkeit von Amalgam-Dämpfen seien aber bereits 1995 in der Zahnmedizin bekannt gewesen. Damit stehe fest, dass der Beklagte diese Maßnahmen hätte ergreifen und über diese Maßnahmen hätte aufklären müssen. Der Sachverständige und diesem folgend das Landgericht hätten zu Unrecht darauf abgestellt, dass diese Maßnahmen nicht hätten ergriffen müssen, weil es im Jahre 1995 keine Anweisungen der Standesorganisationen der Zahnärzte gegeben habe, die entsprechende Schutzmaßnahmen bzw. das Einhalten längerer Zeiträume zwischen dem Anbohren von Amalgam-Füllungen gefordert hätten. Es komme ausschließlich darauf an, welche Gefahren und welche geeigneten Schutzmaßnahmen dagegen damals einem niedergelassenen Arzt bekannt sein mussten. Hierzu hat der Gerichtssachverständige aber nicht hinreichend Stellung genommen. Unzutreffend sei zudem die Feststellung des Sachverständigen, die Verwendung der Turbine bei dem Entfernen der Amalgam-Füllungen sei standardgerecht. Der Umstand, dass die Nachbehandlerin im Bereich der behandelten Zähne einen Amalgam-Splitter gefunden habe, belege, dass der Beklagte das von ihm behauptete Absaugen entweder gar nicht oder völlig unzureichend vorgenommen habe. Zugleich sei damit nachgewiesen, dass die Klägerin Amalgam-Dämpfe habe einatmen müssen, was zugleich die Schwere ihrer Vergiftung erkläre. Vorstehendes habe das Landgericht nicht hinreichend gewürdigt.
36Der Gerichtssachverständige und diesem folgend das Landgericht hätten den Stand der Wissenschaft im Jahre 1995 ermitteln und der Beurteilung des Verhaltens des Beklagten zugrunde legen müssen. Denn dies sei der maßgebliche Standard. Dieser Standard werde demgegenüber entgegen der offenbar beim Sachverständigen und beim Landgericht bestehenden Vorstellung nicht durch den „möglicherweise herrschenden allgemeinen Schlendrian in der Zahnärzteschaft“ bestimmt.
37Das Landgericht habe die Widersprüchlichkeiten des Gerichtsgutachtens trotz der zahlreichen diesbezüglichen Hinweise der Klägerin ignoriert. So habe der Sachverständige sich widersprüchlich und insgesamt unzutreffend über die Größe der Füllungen geäußert. Entgegen eigener Äußerungen des Sachverständigen in außergerichtlichen Fachpublikationen habe der Sachverständige sich ohne plausible Erklärung auf den Standpunkt gestellt, dass es nicht zu seinem Gutachtenauftrag gehöre, sich zu den Fragen der Gesundheitsgefährdungen durch Amalgam zu äußern. Erst auf Intervention seitens der Klägerin habe der Sachverständige eingeräumt, dass die Schutzwirkung des Kofferdam bereits vor 1995 bekannt gewesen sei, was er zuvor geleugnet habe. Auch ansonsten habe der Sachverständige zunächst versucht, das Bekanntsein der Gefährlichkeit von Amalgam für die Gesundheit und entsprechende Schutzmaßnahmen bereits vor 1995 zu leugnen; erst nach Vorlegen einer Vielzahl von Literaturstellen seitens der Klägerin habe er so nach und nach zugegeben, dass diese Gefahren und Schutzmaßnahmen dagegen bereits vor 1995 bekannt gewesen seien. Auch zu der Frage, ob Quecksilber chemisch gebunden sei, habe der Sachverständige sich widersprüchlich geäußert. Willkürlich sei auch die Bewertung des Sachverständigen, dass heute eine Aufklärung über die Verwendung von Kofferdam erforderlich sei, dass dies aber im Jahre 1995 noch nicht der Fall gewesen sei. Soweit der Sachverständige darauf verwiesen habe, dass in dem BfArM-Bescheid aus dem Jahre 1995 formuliert worden sei, dass Kofferdam als Schutz gegen die Gefahren des freiwerdenden Quecksilbers verwendet werden „solle“, nicht verwendet werden „müsse“, unterschlage er, dass in der medizinischen Fachliteratur und in entsprechenden Bescheiden häufig aus Höflichkeit die Formulierung „soll“ verwendet werde, wenn „muss“ gemeint ist. Auch die Formulierung in dem genannten Bescheid, dass Kofferdam die fraglichen Gefahren eindämmen „könne“, habe der Sachverständige und diesem folgend das Landgericht zu Unrecht als entscheidungserheblich bewertet. Denn zu den auch nach seiner Meinung zwingend anzuwendenden Schutzmaßnahmen sei die Formulierung „kann verhindern“ gewählt worden.
38Zu Unrecht habe der Sachverständige sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Klägerin trotz ihrer Amalgam-Allergie nicht besonders zu schützen gewesen sei.
39Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und tritt dem gesamten Berufungsvorbringen der Klägerin im Einzelnen mit ausführlicher Begründung entgegen.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen einschließlich des Schriftsatzes der Klägerin vom 30. September 2013 [Bl. 1374 - 1403 d. A.] sowie auf das Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2013 [Protokoll, Bl. 1371/1372 d. A.] Bezug genommen.
41II.
42Die Berufung der Klägerin, mit der sie einen Teil ihrer erstinstanzlichen Klaganträge weiterverfolgt, ist zulässig. In der Sache hat die Berufung indes keinen Erfolg. Der Senat hat hierauf bereits in der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2013 unter dem Vorbehalt neuer Erkenntnisse aus der Erörterung in diesem Termin und aus der von der Klägerin angekündigten und mit Schriftsatz vom 30. September 2013 zu den Akten gereichten Stellungnahme mit ausführlicher Begründung, auf die hier ergänzend Bezug genommen wird, hingewiesen. Der Schriftsatz der Klägerin vom 30. September 2013 erschöpft sich im Wesentlichen wenn auch mit etwas veränderter Pointierung – in einer zusammenfassenden Wiederholung eines Teils des außergewöhnlich umfangreichen bisherigen Vorbringens der Klägerin in erster und zweiter Instanz. Im Hinblick darauf sowie im Hinblick auf die dort neu angesprochenen Gesichtspunkte besteht für den Senat auch nach erneuter eingehender Beratung sämtlicher durch den vorliegenden Streitfall aufgeworfenen Fragen auch im Lichte der Erörterung mit den Parteien in dem Verhandlungstermin am 11. September 2013 und im Lichte des Schriftsatzes der Klägerin vom 30. September 2013 keine Veranlassung für eine von seiner in dem Verhandlungstermin dargelegten vorläufigen Bewertung im Ergebnis abweichende, für die Klägerin günstigere Beurteilung.
43Der in zweiter Instanz in Höhe eines Betrages von 20.000,00 Euro weiterhin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Ersatz für immaterielle Schäden wegen ärztlicher Behandlungsfehler steht der Klägerin gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Denn der Klägerin ist der ihr obliegende Beweis dafür, dass dem Beklagten bei der umstrittenen Behandlung schadensursächliche Behandlungsfehler unterlaufen sind, nicht gelungen und auch ihre Aufklärungsrüge ist unbegründet.
441.
45Der Senat folgt bei dieser Beurteilung ebenso wie das Landgericht dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T2 [Gutachten vom 22. Mai 2009 (Bl. 699 – 730 i. V. m. 731 – 734 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 18. Mai 2010 (Bl. 817 – 825 i. V. m. 826 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 28. Oktober 2011 (Bl. 972 – 991 d. A.) nebst mündlicher Erläuterung am 4. Juli 2012 (S. 1, 3 – 15 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 4. Juli 2012, Bl. 1083 ff., 1083, 1084 – 1090 d. A. i.V.m. der vom Sachverständigen als Anlage zum Sitzungsprotokoll überreichten Literaturliste, Bl. 1092 a – 1092 q d. A.)]. Dieses Gutachten überzeugt den Senat nicht zuletzt deshalb, weil es unter angemessen sorgfältiger Berücksichtigung des Akteninhalts einschließlich des Gutachtens des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. H [zu der Frage, ob es sich bei den vom Beklagten bei der Klägerin entfernten Füllungen um Amalgam-Füllungen handelt; Gutachten vom 11. Mai 2015 (Bl. 482 d. A.) nebst schriftlicher Ergänzung vom 7. April 2006 (Bl. 523/524 d. A.) nebst mündlicher Erläuterung am 10. Mai 2006 (S. 1 – 3 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 10. Mai 2006, Bl. 545 ff., 545 – 547 d. A.] und des Gutachtens der Parteisachverständigen der Klägerin Dr. N3 und Dr. L2 [Gutachten von August 2009 (nicht genauer datiert; AH IV 2, 1) nebst schriftlicher Ergänzung von Juli 2010 (nicht genauer datiert; AH IV 2, 2) nebst schriftlicher Ergänzung von März 2012 (nicht genauer datiert; AH VI, Bl. 28 - 80)] sowie der Ärztlichen Stellungnahme der Parteisachverständigen der Klägerin Dr. W [„Bestätigung“ vom 17. Mai 1999, Bl. 282 d. A.] und des Gutachtens des Parteisachverständigen der Klägerin Prof. Dr. Dres. h. c. T3 [Gutachten vom 20. Februar 2001 (Bl. 283/284 d. A.)] sowie unter eingehender Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Parteien in Bezug auf die für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Streitfalles entscheidungsrelevanten Fragen umfassend, in sich schlüssig und insgesamt gut nachvollziehbar begründet ist.
46Es besteht für den Senat Veranlassung weder für eine ergänzende Anhörung des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 noch für die Beauftragung eines anderen Sachverständigen.
47a)
48Entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung ist es nicht Aufgabe dieses Gerichtsverfahrens, zu allen Fragen im Zusammenhang mit dem Entfernen von Amalgam-Füllungen unter umfassender Auswertung der mittlerweile wohl unstreitig deutlich mehr als 10.000 Publikationen und unter Abwägung aller Argumente und Gegenargumente mit den jeweils zugehörigen Belegstellen jeweils die eine allein richtige Auffassung herauszuarbeiten und der Bewertung des Verhaltens des Beklagten zugrunde zu legen. Dies dürfte im Übrigen schlechterdings nicht möglich sein – weder für einen einzelnen Sachverständigen noch für das Gericht und auch nicht für einen einzelnen niedergelassenen Zahnarzt.
49Vielmehr ist es Aufgabe dieses Prozesses herauszufinden, welche der bis zum Jahre 1995 vertretenen Auffassungen sich in der zahnärztlichen Praxis in einer Weise durchgesetzt hat, dass diese Auffassung und die daraus resultierenden Verhaltensmaßregeln unter den Zahnärzten als maßgebliche Grundlage ihrer Arbeit und damit als ihr Standard anerkannt waren. Nur an diesem Standard ist das Verhalten des Beklagten zu messen.
50Dementsprechend müsste die Klägerin beweisen, dass die von ihr geforderten Verhaltensmaßregeln sich im Jahre 1995 in dem vorgenannten Sinne als Standard für die zahnärztliche Praxis durchgesetzt haben. Und dieser Beweis ist ihr nicht gelungen. Entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung reicht es für die ihr obliegende Beweisführung nicht aus, aus der Fülle von Literaturstellen diejenigen herauszugreifen, die für ihre Meinung streiten, wobei davon auszugehen ist, dass es über die von der Klägerin ohnehin bereits in großer Zahl zitierten Stellen hinaus eine Fülle weiterer Literatur- und sonstiger Nachweisstellen für ihre Auffassung gibt. Vielmehr kommt es darauf an, ob diese Auffassung allgemeine Anerkennung unter den Zahnärzten gefunden hat.
51b)
52Entscheidend ist dementsprechend das Ermitteln des im Jahre 1995 maßgeblich gewesenen Standards zu den hier streitigen Fragen im Zusammenhang mit dem Entfernen von Amalgam-Füllungen. Und diesen Standard hat der Gerichtssachverständige Prof. Dr. T2 in überzeugender Weise ermittelt. Denn er hat hierzu alle diejenigen Erkenntnisquellen ausgewertet, die damals für Zahnärzte mit zu forderndem Aufwand zugänglich waren und von denen zu unterstellen ist, dass Zahnärzte diese zur Kenntnis genommen und als Grundlage ihrer Arbeit beachtet haben. Als Erkenntnisquellen in diesem Sinne hat der Sachverständige Prof. Dr. T2 ausweislich seines Gutachtens vom 22. Mai 2009 [Bl. 699 ff. d. A.; dort insb. S. 16 – 28, Bl. 714 – 726 d. A.] insbesondere ausgewertet die einschlägigen Verlautbarungen der DGZMK und der DGZ, der Bundeszahnärztekammer und der kassenärztlichen Vereinigung sowie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die einschlägigen Gebrauchsinformationen der Arzneimittelindustrie, die grundlegenden in den Universitäten verwendeten Lehrbücher, die Auswertungen der wissenschaftlichen Literatur durch nationale und internationale fachlich anerkannte Gremien sowie weitere Fachliteratur – u. a. auch die von der Klägerin zitierten Beiträge. Ferner hat Prof. Dr. T2 systematisch die Jahrgänge 1991 bis 1995 der Zeitschrift „Zahnärztliche Mitteilungen“ auf einschlägige Artikel und sonstige Verlautbarungen durchgesehen, weil es sich seiner Angabe nach bei dieser Zeitschrift gewissermaßen um das „offizielle Informationsorgan der deutschen Zahnärzteschaft“ handelt, in dem alle für die zahnärztliche Arbeit wichtigen Informationen gebündelt sind, das von jedem Zahnarzt bezogen wird und von dem erwartet werden kann, dass jeder Zahnarzt es regelmäßig inhaltlich zur Kenntnis nimmt und bei seiner Arbeit berücksichtigt.
53Zu den maßgeblichen Quellen gehören demgegenüber entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung nicht einzelne der inzwischen mehr als 10.000 Veröffentlichungen egal welchen Lagers. Denn es kann von einem niedergelassenen Zahnarzt nicht erwartet werden, dass er diese auch nur annähernd vollständig kennt und auf ihre Maßgeblichkeit für seine Arbeit auswertet. Er darf sich vielmehr auf das Ergebnis einer Auswertung der Erkenntnisse zu den Fragen im Zusammenhang mit dem Entfernen von Amalgam verlassen, die von anerkannten Fachgremien vorgenommen werden.
54c)
55Aus der Gesamtschau der in dem vorgenannten Sinne maßgeblichen Erkenntnisquellen hat Prof. Dr. T2 in einer ebenso vorbildlichen wie überzeugenden Weise als Standard der zahnärztlichen Arbeit in Bezug auf das Entfernen von Amalgam-Füllungen folgendes herausgefiltert:
56- die potentielle Gefahr des in Amalgam-Füllungen enthaltenen Quecksilbers für den menschlichen Organismus war damals bereits bekannt;
57- diese Erkenntnis hat aber nicht dazu geführt, dass generell oder weitgehend auf Amalgam als Füllmaterial verzichtet worden wäre;
58- vielmehr war Amalgam gleichwohl als das regelmäßig anzuwendende Füllmaterial anerkannt;
59- es war darüber hinaus im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung verpflichtend mit der Folge, dass nur Amalgam-Füllungen erstattet wurden und teureres Füllmaterial nur gegen entsprechende Zuzahlung durch den betroffenen Patienten Verwendung gefunden hat;
60- die Gefahren durch Quecksilber, das beim Entfernen von Amalgam-Füllungen freigesetzt wird, wurde zwar gesehen;
61- dabei stand damals noch nicht in erster Linie der Schutz des Patienten, sondern eher der des zahnärztlichen Personals im Vordergrund;
62- es bestand damals die Vorstellung, dass dieser Gefahr durch die Maßnahmen
63= Entfernen in möglichst großen Stücken,
64= Wasserkühlung und
65= Absaugen
66hinreichend Rechnung getragen werden kann;
67- im Jahre 1995 war bereits bekannt, dass in der Wissenschaft auch weitere Vorsichtsmaßnahmen diskutiert wurden;
68- insbesondere war bekannt, dass die Verwendung von Kofferdam als entsprechende Vorsichtsmaßnahme beim Entfernen von Amalgam-Füllungen in Betracht kam;
69- das Beachten anderer Vorsichtsmaßnahmen und insbesondere die Verwendung von Kofferdam hat sich aber damals nicht als Standard durchgesetzt;
70- in Bezug auf Kofferdam hat beginnend mit einer Studie im Jahre 1996 und weiter nach einer Studie im Jahre 1999 ein Umdenken eingesetzt, das zu vereinzelten Empfehlungen für die Verwendung von Kofferdam beim Entfernen von Amalgam-Füllungen geführt hat; Standard ist dies indes auch heute noch nicht; auch unter ausgewiesenen Amalgam-Gegnern ist diese Maßnahme nicht unumstritten;
71- die anderen von der Klägerin bzw. von ausgewiesenen Amalgam-Gegnern angesprochenen Vorsichtsmaßnahmen, nämlich
72= Clean-up-System,
73= Atemmaske mit Luftzufuhr über die Nase,
74= prophylaktische Gabe von Entgiftungsmedikamenten
75= Einhalten großer zeitlicher Abstände zwischen dem Entfernen der einzel-
76nen Füllungen
77werden demgegenüber auch heute – wie damals – nicht empfohlen;
78- als Risikogruppe wurden im Jahre 1995 ausschließlich Schwangere gesehen, für die vereinzelt die Empfehlung ausgesprochen worden sei, während der Schwangerschaft Amalgam-Füllungen nur dann zu entfernen, wenn sie defekt sind;
79- als Risikogruppe hinsichtlich des Entfernens von Amalgam-Füllungen wurden demgegenüber Patienten mit einer Amalgam-Allergie nicht angesehen; deshalb gab es im Jahre 1995 für diese Patienten auch keine gesonderten Empfehlungen.
80Diese Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 überzeugen den Senat und stellen eine hinreichende Entscheidungsgrundlage dar.
81d)
82Die Angriffe der Klägerin gegen das Gerichtsgutachten verfangen nicht und bieten Veranlassung weder für eine ergänzende Anhörung des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 noch für die Beauftragung eines neuen Sachverständigen:
83Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Auswahl des Sachverständigen Prof. Dr. T2 nicht zu beanstanden. Vielmehr ist der Sachverständige nicht zuletzt aus den Gründen von S. 11 der angefochtenen Entscheidung zur Begutachtung der hier zur Entscheidung anstehenden medizinischen Streitfrage, nämlich zu der Frage nach dem im Jahre 1995 maßgeblich gewesenen Standard für das Entfernen von Amalgam-Füllungen, in besonderem Maße qualifiziert und erfahren. Und sein Gutachten lässt nicht erkennen, dass er sich von einer – von der Klägerin behaupteten – einseitig amalgam-freundlichen Sicht hätte leiten lassen. Vielmehr erweckt das Gutachten den Eindruck, als habe der Sachverständige mit bemerkenswerter Sorgfalt und Ausführlichkeit die maßgeblichen Quellen ausgewertet, um die genannte Beweisfrage fundiert zu beantworten. Wie ergebnisoffen und verantwortungsbewusst der Sachverständige an Fragen im Zusammenhang mit Amalgam herangeht, zeigen nicht zuletzt seine Ausführungen zu dem Kofferdam und den Gründen dafür, dass er im Jahre 1999 für sich persönlich die Entscheidung getroffen hat, fortan die Verwendung von Kofferdam für das Entfernen von Amalgam-Füllungen bei Schwangeren und bei Patienten mit Amalgam-Allergie zu empfehlen. Allein der Umstand, dass Prof. Dr. T2 im Ergebnis zu der im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Beweisfrage eine andere Auffassung vertritt als die Klägerin, rechtfertigt den Vorwurf der Einseitigkeit und Parteilichkeit nicht.
84Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige sich im Rahmen seiner Begutachtung in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht allgemein zu der Frage nach möglichen Gesundheitsgefährdungen durch Amalgam geäußert hat. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kam es auf diese Frage nicht entscheidend an.
85Die Klägerin greift das Gutachten des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 ohne Erfolg mit dem Vorbringen an, dass bereits lange vor 1995 eine Vorstellung darüber bestanden habe, dass bei dem Entfernen von Amalgam-Füllungen feste Bestandteile oder auch Dämpfe von Amalgam freigesetzt und von dem Organismus des Patienten aufgenommen würden. Denn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass dieser Umstand nicht zu der allgemein als Behandlungsstandard anerkannten Auffassung geführt hat, dass das Entfernen von Amalgam-Füllungen als generell so gefährlich anzusehen ist, dass davon vollständig Abstand genommen werden müsste, dass das Entfernen von dem Vorliegen besonderer Voraussetzungen – etwa Defekte an der fraglichen Füllung – abhängig gemacht werden müsste, oder dass bei dem Entfernen über das Absaugen, die Wasserkühlung und das Abtragen in möglichst großen Stücken hinaus weitere Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten wären.
86Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Auffassung, dass über die von Prof. Dr. T2 als Standard festgestellten Schutzmaßnahmen – Wasserkühlung, Absaugen und Abtragen in möglichst großen Stücken – hinaus bereits im Jahre 1995 weitere Schutzmaßnahmen hätten angewandt werden müssen, auch ohne Erfolg auf die Studie von Nimmo et al. und darauf, dass mit dieser Studie spätestens seit 1990 in der Zahnmedizin bekannt gewesen sei, dass bei der Amalgam-Entfernung gesundheitliche Risiken bestünden. Denn der Sachverständige ist in seinem Gutachten auf diese Studie eingegangen und hat ausgeführt, dass die Erkenntnisse aus dieser Studie sich nicht in der Weise durchgesetzt hätten, dass der allgemein anerkannte Standard für das Entfernen von Amalgam-Füllungen abgeändert worden wäre. Insbesondere sei das in dieser Studie zwar nicht geforderte, aber doch befürwortete Verwenden des Kofferdams beim Entfernen von Amalgam-Füllungen nicht zum allgemein anerkannten Standard geworden. Allerdings seien – so hat Prof. Dr. T2 ergänzend ausgeführt – im Nachgang zu der Studie von Nimmo et al., die lediglich auf in-vitro-Versuchen basiere, in den Jahren 1996 und 1999 Versuchsreihen mit Menschen durchgeführt worden, bei denen festgestellt worden sei, dass sich bei den Probanden Veränderungen im Blut ergeben hätten, je nach dem, ob sie mit oder ohne Kofferdam behandelt worden wären. Dies habe bei einigen Fachleuten und auch bei dem Sachverständigen Prof. Dr. T2 selbst zu einem Umdenken hinsichtlich des Kofferdam und dazu geführt, dass Prof. Dr. T2 ab 1999 empfohlen habe, bei Patienten mit Amalgam-Allergie und bei schwangeren Frauen Amalgam-Füllungen unter Verwendung eines Kofferdams zu entfernen. Dies stelle aber lediglich eine persönliche Empfehlung des Sachverständigen dar. In den allgemein anerkannten Behandlungsstandard habe die Verwendung des Kofferdams auch bis heute keinen Eingang gefunden.
87Soweit die Klägerin dem Sachverständigen Prof. Dr. T2 vorwirft, dass er sich widersprüchlich und insgesamt unzutreffend über die Größe der Füllungen geäußert habe, bedarf es keines näheren Eingehens hierauf. Denn zum einen sind die Ausführungen des Sachverständigen für seine Begutachtung nicht tragend und zum anderen ist ohnehin aus den Gründen von S. 8 der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass es sich bei den umstrittenen Füllungen um Amalgam-Füllungen gehandelt hat.
88Soweit die Klägerin dem Sachverständigen vorwirft, dass er sich zu der Frage, ob Quecksilber chemisch gebunden sei, widersprüchlich geäußert habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat darauf, dass das Quecksilber chemisch gebunden ist, im Zusammenhang mit seinen Erläuterungen zu der unterschiedlichen Bewertung des Legens und des Entfernens von Amalgam-Füllungen hingewiesen; in diesem Zusammenhang hat er darauf hingewiesen, dass das Quecksilber anders als beim Legen der Füllung beim Entfernen festgebunden sei, was eine gänzlich andere Konstellation und Bewertung der Gefahrensituation bedeute, wobei dies bei Kunststoff-Füllungen genau umgekehrt sei; bei diesen sei das Entfernen problematischer als das Legen. Inwiefern diese Ausführungen, die ohnehin für die Kernaussagen des Gutachtens des Prof. Dr. T2 nicht tragend sind, in sich widersprüchlich sein könnten, erschließt sich nicht.
89Die Klägerin greift das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T2 auch ohne Erfolg mit dem Vorbringen an, der Sachverständige unterschlage bei seinem Hinweis, dass in dem BfArM-Bescheid aus dem Jahre 1995 formuliert worden sei, dass Kofferdam als Schutz gegen die Gefahren des freiwerdenden Quecksilbers verwendet werden „solle“, nicht verwendet werden „müsse“, dass in der medizinischen Fachliteratur und in entsprechenden Bescheiden häufig aus Höflichkeit die Formulierung „soll“ verwendet werde, wenn „muss“ gemeint ist, und dass er auch die Formulierung in dem genannten Bescheid, dass Kofferdam die fraglichen Gefahren eindämmen „könne“, zu Unrecht als entscheidungserheblich bewertet habe, weil auch zu den nach seiner Meinung zwingend anzuwendenden Schutzmaßnahmen die Formulierung „kann verhindern“ gewählt worden sei. Denn in dem fraglichen Bescheid vom 31. März 1995 [von der Klägerin in Kopie als Anlage K 65 vorgelegt (AH III)] sind keine Schutzmaßnahmen zur Eindämmung eventueller Gefahren von freiwerdendem Quecksilber zwingend vorgeschrieben. Es wird vielmehr lediglich darauf hingewiesen, dass durch eine Reihe konkret benannter und auch durch weitere lediglich durch den Zusatz „u. a.“ erfasste, nicht konkret benannte Maßnahmen die Belastung für den Patienten und für das Personal reduzieren werden können [vgl. S. 5 dieses Bescheides]. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. T2 erläutert, dass er bei der Abfassung dieses Bescheides zugegen bzw. involviert gewesen sei, dass mit der Formulierung „kann…reduziert werden“ weder eine Verpflichtung noch eine Indikation habe formuliert werden sollen, dass die Formulierung „kann“ vielmehr bewusst gewählt worden sei, um ohne qualitatives Werten die damals so eingeschätzten, denkbaren Möglichkeiten aufzuzählen. Dies überzeugt den Senat.
902.
91Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme können auch unter den folgenden von der Klägerin behaupteten Gesichtspunkten schadensursächlichen Behandlungsfehler nicht festgestellt werden:
92a)
93Die Klägerin beruft sich insbesondere ohne Erfolg darauf, dass das umstrittene Entfernen der Amalgam-Füllungen der Zähne 15, 17 und 47 medizinisch nicht wegen besonderer Defekte an den Füllungen oder aus sonstigen materialunabhängigen Gründen indiziert gewesen sei. Denn unstreitig hat die Klägerin die Füllungen allein wegen des für die Füllungen verwendeten Materials entfernen lassen wollen. Insoweit ist eine zumindest elektive medizinische Indikation gegeben. Ein Grund, der für den Beklagten Veranlassung oder Rechtfertigung hätte bieten könnte, diesem Wunsch der Klägerin nicht zu entsprechen, ist weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
94Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Entfernen von Amalgam-Füllungen auf entsprechenden ausdrücklichen Wunsch des Patienten einen Behandlungsfehler darstellen könnte. Erst recht die Bewertung als grober Fehler kommt ersichtlich nicht in Betracht. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Senats vom 23. August 2006 [5 U 22/04, MedR 2008, 46]. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Streitfall spielte zwar auch der von der Klägerin des dortigen Verfahrens gewünschte Austausch von Amalgam-Füllungen eine Rolle. Die dort umstritten gewesene Behandlung hatte aber darüber hinaus andere Fragen und insbesondere Kiefergelenksprobleme der dortigen Klägerin zum Gegenstand. Einen im Rechtssinne groben Behandlungsfehler hat der Senat in der zitierten Entscheidung ausschließlich deshalb angenommen, weil der beklagte Zahnarzt vor Beginn der prothetischen Versorgung keine hinreichende Diagnostik in Bezug auf die von der Klägerin geschilderten Kiefergelenksprobleme betrieben habe, und weil nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen sei, dass der in diesem Streitfall durchgeführten irreversiblen restaurativen Therapie durch das Fehlen einer funktionellen Befunderhebung zu den Kiefergelenkproblemen der dortigen Klägerin jegliche medizinisch verantwortbare Grundlage gefehlt habe [vgl. hierzu Senat, a. a. O., Juris-Rn. 1, 2, 21 u. 22]. Hieraus lassen sich Rückschlüsse auf den in dem vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilenden Streitfall nicht ziehen.
95Auf die Frage, ob und ggf. welche Auswirkungen der Umstand, dass das Entfernen der Amalgam-Füllungen nicht wegen besonderer Defekte indiziert war, auf die Aufklärung haben kann, wird unten zu 3. b) näher einzugehen sein.
96b)
97Die Klägerin rügt auch ohne Erfolg, dass der Beklagte pflichtwidrig eine erforderliche Anamnese unterlassen habe. Denn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen zu dem im Jahre 1995 maßgeblich gewesenen Standard ist davon auszugehen, dass spezielle anamnestische Erhebungen seitens des Beklagten vor dem umstrittenen Entfernen der Amalgam-Füllungen in Bezug auf die Zähne 15, 17 und 47 nicht erforderlich waren. Für das Entfernen von Amalgam-Füllungen gab es vielmehr nach den Feststellungen des Sachverständigen über den entsprechenden Wunsch des Patienten hinaus weder besondere Voraussetzungen noch – mit Ausnahme der hier im vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten Einschränkungen bei schwangeren Frauen – besondere Risikogruppen, bei denen das Entfernen von Amalgam-Füllungen überhaupt nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen medizinisch vertretbar gewesen wäre. Dies galt auch für Patienten mit einer Amalgam-Allergie. Nach dem damals maßgeblich gewesene Standard war auch für diese Patienten weder das vollständige Absehen von dem Entfernen von Amalgam-Füllungen noch die Anwendung besonderer Schutzmaßnahmen insoweit gefordert. Im Hinblick darauf bedurfte es seitens des Beklagten allein für das im vorliegenden Rechtsstreit umstrittene Entfernen der Amalgam-Füllungen in Bezug auf die Zähne 15, 17 und 47 keiner weiteren anamnestischen Erhebungen. Vor diesem Hintergrund ist es für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Relevanz, ob dem Beklagten die Motivation der Klägerin für ihren Wunsch, die restlichen in ihrem Mund verbliebenen Amalgam-Füllungen auch entfernen zu lassen [nachdem sie sich die übrigen Amalgam-Füllungen bereits zuvor bis Mai 1987 hatte entfernen lassen], bekannt war. Dass sich hieraus etwa eine Kontraindikation gegen diese Maßnahme hätte ergeben können, trägt die Klägerin selbst nicht vor. Im Hinblick auf Vorstehendes bedarf es auch keines näheren Eingehens auf die Behauptung der Klägerin, dass nicht alle Angaben auf dem vom Beklagten in dem Verhandlungstermin am 4. Juli 2012 als Anlage zum Sitzungsprotokoll zu den Akten gereichten Anamnesebogen vom 28. November 1994 [Kopie, Bl. 1091 a d. A.] von ihr stammen.
98c)
99In Bezug auf die Verwendung einer Turbine bei dem Entfernen der Amalgam-Füllungen kann ein Behandlungsfehler ebenfalls nicht festgestellt werden. Zwar hat der Gerichtssachverständige Prof. Dr. T2 die Verwendung der Turbine nicht ausdrücklich als ordnungsgemäß bewertet. Er war aber anwesend, als der Beklagte persönlich in dem Termin am 4. Juli 2012 seine Vorgehensweise bei dem Entfernen von Amalgam-Füllungen beschrieben und bekundet hat, dass er für die Entfernung der gröberen Teile eine Turbine verwende. Und der Sachverständige ist ausweislich des Protokolls auf die an ihn gerichtete Frage hin, „ob die hier vom Beklagten dargestellten Umstände der Entfernung dass den Anforderungen genügen“ [S. 3 des Protokolls vom 4. Juli 2012, Bl. 1083 ff. 1084 d. A.] ohne eine Einschränkung betreffend die Turbine zu der Feststellung gelangt, dass das Vorgehen des Beklagten als ordnungsgemäß anzusehen sei. Damit hat der Sachverständige hinreichend deutlich bestätigt, dass die Verwendung einer Turbine für das Entfernen der gröberen Teile der Amalgam-Füllung aus seiner medizinisch-sachverständigen Sicht nicht zu beanstanden sei.
100d)
101Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Forderungen auch ohne Erfolg auf den Umstand, dass die Nachbehandlerin im Bereich der behandelten Zähne einen von der Klägerin so genannten „Amalgam-Splitter“ gefunden habe, und dass dieser Umstand belege, dass der Beklagte das von ihm behauptete Absaugen entweder gar nicht oder völlig unzureichend vorgenommen habe. Zwar ist ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Befundberichtes der Dres. T u. a. vom 11. November 1997 [Anlage K 9, AH I] davon auszugehen, dass in dem im November 1997 bei der Klägerin entnommenen Gingiva-Gewebe aus der Region des Zahnes 47 ein „Amalgam-Splitter“ festgestellt worden ist, wobei das fragliche Material ausweislich des genannten Berichtes allerdings für eine Kontrolluntersuchung nicht ausgereicht hat. Der Umstand allein, dass die Nachbehandlerin in dem Gingiva-Gewebe in der Region des Zahnes 47 einen „Amalgam-Splitter“ gefunden hat, rechtfertigt aber die Annahme eines Behandlungsfehlers des Beklagten – etwa durch unzureichendes Absaugen – nicht. Denn es kann schon nicht festgestellt werden, seit wann sich dieser „Amalgam-Splitter“ in der Gingiva in der Region des Zahnes 47 befunden hat und woher er stammt. Es ist zwar durchaus denkbar, dass er von der umstrittenen Behandlung des Beklagten herrührt; zwingend ist dies indes keineswegs. Der Splitter könnte ebenso auf die früheren Entfernungen der übrigen Amalgamfüllungen zuletzt im Mai 1987 zurückzuführen sein. Aber auch wenn der „Amalgam-Splitter“ auf die umstrittene Behandlung durch den Beklagten zurückzuführen sein sollte, bedeutete dies nicht gewissermaßen automatisch, dass dies auf einem haftungsbegründenden Behandlungsfehler beruhen muss. Denn es kann auch bei sorgfältigem Vorgehen durchaus vorkommen, dass einzelne Kleinstpartikel von dem Absaugen nicht mit erfasst werden und sich in der Gingiva festsetzen. Dass es sich bei dem hier fraglichen „Amalgam-Splitter“ lediglich um einen Kleinstpartikel handeln kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass das fragliche Material ausweislich des bereits zitierten Befundberichtes der Dres. T u. a. vom 11. November 1997 für eine Kontrolluntersuchung nicht ausreichte.
1023.
103Die Aufklärungsrüge der Klägerin ist nach wie vor nicht begründet.
104a)
105Bei dieser Beurteilung steht dem Senat vor Augen, dass der Beklagte die Klägerin vor der umstrittenen Behandlung unstreitig nicht aufgeklärt hat. Dies bedeutet, dass er sie insbesondere auch nicht über die mit dem Entfernen von Amalgam-Füllungen möglicherweise verbundenen Risiken und über die Möglichkeiten zu Vermeidung bzw. Verringerung dieser eventuellen Risiken aufgeklärt hat. Eine Aufklärung insoweit war aber entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung zum Zeitpunkt der hier umstrittenen Behandlung nicht geschuldet. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen davon auszugehen, dass im Jahre 1995 vor dem Entfernen einer Amalgam-Füllung eine besondere Aufklärung durch den Zahnarzt aus medizinisch-sachverständiger Sicht nicht erfolgen musste:
106Nach den überzeugend begründeten Feststellungen des Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 ist davon auszugehen, dass es zwar auch schon im Jahre 1995 bekannt gewesen ist, dass von Amalgam wegen des darin enthaltenen Quecksilbers Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgehen können. Gleichwohl war es aber anerkannt, dass Amalgam als Material für Zahnfüllungen Verwendung findet, obwohl es schon damals in der wissenschaftlichen Literatur und auch darüber hinaus zahlreiche Gegner der Verwendung von Amalgam in der Zahnmedizin gab. Die Gefahren des im Amalgam enthaltenen Quecksilbers für die Gesundheit des betroffenen Patienten wurden von den maßgeblichen Stimmen in der zahnmedizinischen Wissenschaft und Praxis nicht als so groß eingestuft, dass dies zu einer Ablehnung der Verwendung dieses Materials geführt hätte. Ist aber Amalgam als Material für Zahnfüllungen anerkannt, so sind vom Ansatz her sowohl das Legen von Amalgam-Füllungen als auch deren Entfernung grundsätzlich nicht zu beanstanden.
107Für die Aufklärung beim Legen von Amalgam-Füllungen bedeutet dies, dass in erster Linie darüber aufzuklären ist, welche verschiedenen Füllmaterialien es gibt und welche Vor- und Nachteile sie aufweisen. Denn vor dem Legen einer Amalgam-Füllung muss dem jeweils betroffenen Patienten die Möglichkeit eingeräumt werden, eigenverantwortlich zu entscheiden, aus welchem Material die von ihm benötigten Füllungen gefertigt werden sollen – nicht zuletzt aus Kostengründen.
108Anders verhält es sich bei dem Wunsch eines Patienten, eine Amalgam-Füllung gegen eine andere Versorgung des fraglichen Zahnes auszutauschen.
109Denn wenn sich in einem Zahn eines Patienten eine Amalgam-Füllung befindet und der betroffene Patient diese Füllung entfernt haben will, gibt es letztlich keine andere Möglichkeit, als diese Füllung zu entfernen.
110Die Aufklärung könnte sich in dem Falle ausschließlich darauf beschränken, den Vorgang des Entfernens der Füllung zu beschreiben und darauf hinzuweisen, welche Maßnahmen zum Schutz vor eventuellen Gesundheitsgefährdungen durch freiwerdendes Quecksilber ergriffen werden können.
111Aufklärungspflichtig können insoweit indes nur diejenigen Schutzmaßnahmen sein, die nach dem in der Behandlungszeit maßgeblichen Standard von dem Zahnarzt geschuldet waren. Dies sind aber aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung und den oben dargelegten Gründen lediglich das Entfernen der Amalgam-Füllung in möglichst großen Stücken, die Wasserkühlung und das Absaugen. Ob die Klägerin hierüber hätte aufgeklärt werden müssen, kann letztlich dahinstehen. Denn ggf. könnte die Klägerin sich gleichwohl nicht mit der Folge einer Haftung des Beklagten darauf berufen, dass eine Aufklärung der Klägerin insoweit vor der umstrittenen Behandlung unterblieben ist, weil der Beklagte diese Schutzmaßnahmen angewandt hat, was als unstreitig anzusehen ist.
112b)
113Vor dem Hintergrund des soeben zu a) Ausgeführten verfangen sämtliche Argumente, die die Klägerin zur Stützung ihrer Aufklärungsrüge vorgebracht hat, nicht.
114Die Klägerin beruft sich insbesondere ohne Erfolg darauf, dass grundsätzlich jeder Patient vor jeder Behandlung einen Anspruch darauf habe, über alle relevanten Umständen und insbesondere über Art, Umfang und Folgen der vorgesehenen Behandlung aufgeklärt zu werden. Das mag zwar zutreffen, besagt aber nichts Konkretes zu der Frage, ob und in welcher Weise im Jahre 1995 vor dem Entfernen von Amalgam-Füllungen aufzuklären war. Und auch im Zusammenhang mit dieser Frage spielen entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung der damals allgemein als Grundlage für die zahnärztliche Arbeit anerkannte Standard und – im Zusammenhang mit der Ermittlung dieses Standards neben vielen anderen Erkenntnisquellen – auch die diesbezüglichen Verlautbarungen der Standesorganisationen der Zahnärzten im Jahre 1995 eine Rolle.
115Der Verweis der Klägerin auf die Bescheide des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte [BfArM] im Jahre 1995 verfängt schon deshalb nicht, weil dieser Bescheid sich schon vom Ansatz her nicht auf die Aufklärung eines Zahnarztes gegenüber seinem Patient bezieht und hierfür Empfehlungen ausspricht, sondern weil dieser Bescheid lediglich Anordnungen zu der Frage trifft, welche inhaltlichen Änderungen in den Gebrauchsinformationen, d. h. in den Beipackzetteln des jeweils betroffenen Medizinproduktes – hier: Gamma–2–freie Amalgame – vorzunehmen sind.
116Soweit die Klägerin die Unterscheidung hinsichtlich der Aufklärung zwischen dem Legen und dem Entfernen von Amalgam-Füllungen mit der Begründung als offensichtlich unsinnig kritisiert, dass bei dem Entfernen von Amalgam-Füllungen genauso wie beim Legen dieser Füllungen Quecksilber freigesetzt werden könne, verfängt dies aus zwei Gründen nicht. Zum einen blendet sie aus, dass es vor dem Legen der Amalgam-Füllung durchaus Behandlungsalternativen gibt, nämlich insbesondere das Legen einer Füllung aus einem anderen Material, während der Wunsch eines Patienten nach Entfernen einer Amalgam-Füllung letztlich nicht anders als durch Entfernen der fraglichen Füllung erfüllt werden kann. Zum anderen blendet die Klägerin aus, dass der Sachverständige überzeugend erläutert hat, dass und warum das Entfernen einer Amalgam-Füllung weniger gefährlich ist als das Legen, und dass dies etwa bei Kunststoff-Füllungen genau anders herum ist.
117Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass eine Aufklärung umso dringlicher sei, je höher das medizinische Risiko des fraglichen Eingriffs ist, dass Quecksilber wegen der seit langer Zeit bekannten Gefahren dieses Elementes für den menschlichen Organismus und insbesondere für das Nerven- und Immunsystem als das giftigste nicht-radioaktive Element gelte, und dass Zahnärzte in den Amalgam-Sicherheitsdatenblättern und -gebrauchsinformationen nachdrücklich vor diesen Gefahren gewarnt und zu strikten Vorsichtsmaßnahmen angehalten würden. Denn die Klägerin blendet insoweit aus, dass im Jahre 1995 die Sensibilität für die von Quecksilber für den menschlichen Organismus ausgehenden Gefahren noch nicht so ausgeprägt war, wie dies inzwischen der Fall ist. Im Übrigen stand damals der Schutz des zahnärztlichen Personals mindestens ebenso – nach den aus den Akten ersichtlichen Quellen sogar mehr – im Focus als der Schutz des jeweils betroffenen Patienten. Im Jahre 1995 wurden für das Entfernen von Amalgam-Füllungen für den Fall, dass die Vorsichtsmaßnahmen des Entfernens in möglichst großen Stücken, der Wasserkühlung und des Absaugens ergriffen werden, die insgesamt als sehr wirksam angesehen wurden, keine besonderen Gefahren gesehen, die durch weitergehende Maßnahmen weiter hätten verringert werden müssen. Die Frage, inwiefern vor dem Entfernen von Amalgam-Füllungen aufzuklären ist, kann entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung nicht losgelöst von dieser Anschauung, die damals das allgemein anerkannte und übliche Vorgehen in der zahnärztlichen Praxis beherrscht hat, und den dadurch naturgemäß mit beeinflussten Standard für das Entfernen von Amalgam-Füllungen beantwortet werden.
118Im Hinblick auf Vorstehendes vermisst die Klägerin auch zu Unrecht allgemeine Ausführungen des Sachverständigen zu den Risiken, die mit dem beim Entfernen von Amalgam-Füllungen freiwerdenden Quecksilber für den menschlichen Organismus verbunden sein können. Entscheidend ist insoweit, dass im Jahre 1995 hinsichtlich dieser Risiken noch nicht die Sensibilität vorhanden war wie heute. Im Hinblick darauf konnte von einem Zahnarzt im Jahre 1995 entgegen der Vorstellung der Klägerin nicht verlangt werden, dass er den jeweils betroffenen Patienten darüber aufklärt, dass bei dem Ausbohren der Amalgam-Füllungen Giftstoffe und Allergene frei werden, die von ihrem Organismus aufgenommen und gespeichert werden, und die Schäden auslösen können. Denn diese Gefahr wurde damals unter der Voraussetzung, dass die damals geforderten Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, als hinreichend verringert angesehen. Hinzukommt, dass auch in den Jahren nach 1995 zwar die damals schon geforderten Vorsichtsmaßnahmen weiterhin gefordert werden, es aber keine verbindlichen Empfehlungen für eine allgemeine Anwendung weiterer Vorsichtsmaßnahmen für alle Patientengruppen gab. Lediglich für Schwangere und Patienten mit Amalgam-Allergie wird etwa seit dem Jahr 1999 von einigen namhaften Wissenschaftlern – so auch von dem Gerichtssachverständigen Prof. Dr. T2 – zusätzlich die Anwendung von Kofferdam empfohlen.
119Schließlich beruft sich die Klägerin auch ohne Erfolg darauf, dass der umstrittene Eingriff nicht indiziert gewesen sei, und dass der Beklagte eine Aufklärung nicht nur über die dem Standard entsprechenden Schutzmaßnahmen, sondern darüber hinaus über alle Schutzmaßnahmen hätte durchführen müssen, die im Jahre 1995 bereits bekannt und zur Eindämmung der Risiken geeignet gewesen sind, wozu sicherlich auch die Verwendung des Kofferdam gehöre. Zwar trifft es im Allgemeinen zu, dass medizinisch nicht indizierte Eingriffe – wie etwa Schönheitsoperationen – eine besonders eindringliche Risikoaufklärung erfordern. Hiermit ist die Situation vor dem allein wegen des Materials – und nicht etwa wegen eines Defektes – gewünschten Entfernen einer Amalgam-Füllung indes nicht zu vergleichen. Denn zum einen ist auch ein ausschließlich aus diesem Grund gewünschtes Entfernen von Amalgam-Füllungen zumindest elektiv medizinisch indiziert. Und zum anderen war diese Maßnahme damals ohne Weiteres als vertretbare Behandlungsmaßnahme anerkannt und wurde bei Anwendung der drei bereits wiederholt genannten, damals anerkannten und geforderten Vorsichtsmaßnahmen nicht als in besonderem Maße gefährlich angesehen. Allein schon im Hinblick darauf bestand in dieser Situation im Jahre 1995 für den Zahnarzt keine Veranlassung für ein gesteigertes Maß an Aufklärung. Im Übrigen ist der behandelnde Arzt in Fällen der hier in Rede stehenden Art entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung auch nicht verpflichtet, über die Möglichkeit selbst zu zahlender Schutzmaßnahmen von sich aus und ungefragt aufzuklären. Die Grundsätze über die Aufklärung über echte Behandlungsalternativen zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten in dem Falle, dass für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die zu unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten, der Patient dementsprechend eine echte Wahlmöglichkeit hat, greifen hier – abgesehen von der Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich – schon deshalb nicht, weil die gegenüber dem Nichtanwenden der fraglichen Schutzmaßnahmen in Betracht kommende Möglichkeit, die fragliche Schutzmaßnahme anzuwenden, keine gleichwertige Behandlungsmethode in dem genannten Sinne darstellt, sondern eine zusätzliche und nach dem damals maßgeblich gewesenen fachärztlichen Standard nicht gebotene Schutzmaßnahme. In Fällen dieser Art hat der behandelnde Arzt den Patienten im Allgemeinen ungefragt und ohne medizinischen Anlass nicht darüber zu belehren, welche weiteren Schutzmaßnahmen theoretisch in Betracht kommen und verfügbar sind [vgl. zu einem im wesentlichen Kern vergleichbaren Fall einer theoretisch möglichen weiteren Untersuchung im Rahmen einer Schwangerschaftsbetreuung etwa: inzwischen rechtskräftiges Urteil des OLG Köln, 5 U 11/11, MedR 2012, 527, Juris-Rn. 20 ff., 22].
1204.
121Auch wenn es im Hinblick auf das soeben zu 3. Ausgeführte nicht darauf ankommt, sei hier gleichwohl angemerkt, dass die Klägerin einen Entscheidungskonflikt nach wie vor nicht plausibel dargelegt hat – im Gegenteil:
122Nach wie vor trägt die Klägerin trotz ihrer inzwischen erworbenen Kenntnisse über die Fragen im Zusammenhang mit Amalgam und trotz ihrer Überzeugung, dass das Entfernen von Amalgam-Füllungen wegen der dadurch verursachten Gesundheitsgefahren durch dabei freigesetztes Quecksilber in massiver Weise gefährlich sei, eindeutig vor, dass sie sich gleichwohl für das Entfernen der drei in ihrem Mund verbliebenen Amalgam-Füllungen entschieden hätte. Auch jetzt und vor dem Hintergrund ihrer derzeitigen Kenntnisse zieht sie ein Belassen der Füllungen im Mund gar nicht in Erwägung.
123Ihre Erwägungen beziehen sich vielmehr ausschließlich darauf, dass sie ein insgesamt vorübergehendes Abwarten, ein mehrzeitiges Vorgehen pro Füllung mit großen zeitlichen Abständen sowie technische und biochemische Vorsichtsmaßnahmen erwogen bzw. darauf bestanden hätte. Bei den von ihr angesprochenen Vorsichtsmaßnahmen handelt es sich aber sämtlich um solche, die entweder die eventuelle Gefahr weder positiv noch negativ beeinflusst hätten und deshalb nicht aufklärungspflichtig waren, oder um solche, die im Jahre 1995 nicht zum anerkannten Standard der zahnärztlichen Praxis gehörten und über die sie aus diesem Grund nicht hätte aufgeklärt werden müssen. Letzteres bedeutet aber, dass bei der Prüfung des Entscheidungskonflikts nicht unterstellt werden kann, dass die Klägerin von diesen Vorsichtsmaßnahmen bei ordnungsgemäßer Aufklärung Kenntnis gehabt hätte und entsprechende Maßnahmen hätte erwägen bzw. einfordern können.
124Entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung kann ein Entscheidungskonflikt im vorliegenden Streitfall auch ohne persönliche Anhörung der Klägerin verneint werden. Es trifft zwar zu, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ein Entscheidungskonflikt nicht ohne persönliche Anhörung der betroffenen Partei hierzu verneint werden kann. Dies setzt aber voraus, dass der betroffene Patient zuvor einen echten Entscheidungskonflikt [im Zweifel schriftsätzlich] vorgetragen hat. Auf einen solchen Vortrag hin ist alsdann die betroffene Partei persönlich anzuhören, damit das Gericht sich einen authentischen Eindruck von der Plausibilität bzw. Nicht-Plausibilität des Entscheidungskonfliktes verschaffen kann. An dem vorgreiflich erforderlichen Vortrag fehlt es hier indes aus den bereits angesprochenen Gründen.
1255.
126Auch die weiteren Berufungsangriffe der Klägerin rechtfertigen eine für die Klägerin günstigere Beurteilung nicht:
127a)
128Dies gilt insbesondere für die außergewöhnlich vielfältig gerügten Gehörsverletzungen und sonstigen Verfahrensrügen. Denn die gerügten Gehörsverletzungen und sonstigen Verfahrensfehler sind – auch wenn sie entsprechend dem Vorbringen der Klägerin vorgefallen sein sollten – jedenfalls durch das vorliegende Berufungsverfahren geheilt. Im Hinblick darauf sei hier zu den vielen Rügen der Klägerin insoweit lediglich in der gebotenen Kürze folgendes angemerkt:
129Soweit die Klägerin es als Verfahrensfehler rügt, dass das Landgericht ihrem Antrag, die Stellungnahmefrist zu dem Beweisergebnis vom 4. Juli 2012 über den 22. August 2012 hinaus in angemessener Weise zu verlängern, nicht entsprochen habe, obwohl dieser Antrag mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf gestellt worden sei, dass das Protokoll vom 4. Juli 2012 bei ihrem Prozessbevollmächtigten erst am 13. August 2012 eingegangen sei, und dass die gewährten Fristverlängerungen letztlich bis zum 17. September 2012 nicht ausreichend gewesen seien, weil ein erforderliches Parteigutachten des Parteisachverständigen Dr. L2 in dieser kurzen Zeit nicht habe eingeholt werden können, ist auch dies durch das vorliegende Berufungsverfahren überholt und zudem unverständlich. Denn es hätte der Klägerin freigestanden, in der Berufungsinstanz das angesprochene weitere Gutachten ihrer Parteisachverständigen vorzulegen, und sie hat gleichwohl und trotz ausreichender Zeit und Gelegenheit hierfür ein entsprechendes weiteres Parteigutachten nicht vorgelegt.
130Die Klägerin beruft sich im Rahmen ihrer Verfahrensrügen auch ohne Erfolg darauf, dass das Landgericht sie nicht darüber informiert habe, dass die Krankenunterlagen der Frau Dr. I, die anfänglich nicht vorgelegen hätten, zwischenzeitlich zu den Akten gelangt seien, und dass das Landgericht im Hinblick darauf seine Entscheidung in keiner Weise auf diese Akte hätte stützen dürfen. Denn die Behandlungsunterlagen der Frau Dr. I sind ausweislich des Eingangsstempels auf dem Umschlag, mit dem diese ihre Behandlungsunterlagen an das Landgericht übersandt hat, im Oktober 1999 zu den Akten gelangt [AH II]. Jedenfalls und spätestens – wenn nicht bereits zuvor durch die ungewöhnlich zahlreichen sonstigen Akteneinsichtnahmen – durch die Akteneinsichtnahmen, die der Prozessbevollmächtigte Dr. U der Klägerin für die Terminstage 10. Mai 2006 und 4. Juli 2012 jeweils in den Stunden vor den Verhandlungsterminen beantragt und gewährt bekommen hat [vgl. Bl. 530, 1070, 1082 a d. A.], hatte er Kenntnis und Gelegenheit, diese Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen. Dass die Zeit vor den Verhandlungsterminen hierfür nicht ausgereicht hätte, hat die Klägerin nicht vorgetragen.
131b)
132Die Klägerin beruft sich zudem ohne Erfolg darauf, dass das Landgericht bei der Auswertung der Behandlungsunterlagen der Frau Dr. I einem Irrtum zu der Frage der Besserung ihres Zustandes erlegen sei, den die Klägerin bei Gewährung rechtlichen Gehörs hätte ausräumen können. Denn das Zitat in dem Tatbestand auf S. 3 des angefochtenen Urteils ist zutreffend. Gleiches dürfte auch für die Feststellung des Landgerichts auf S. 10 der angefochtenen Entscheidung zutreffen, dass sich aus den Behandlungsunterlagen der Frau Dr. I keine Hinweise auf einen vermuteten Zusammenhang zwischen dem Zahn-Amalgam und den Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin ergeben, die dafür sprechen könnten, dass die Klägerin den Beklagten auf eine Amalgam-Problematik hingewiesen hätte. Dies kann indes letztlich dahinstehen, weil es sich hierbei nicht um tragende Gründe der angefochtenen Entscheidung handelt, und weil zugunsten der Klägerin als wahr unterstellt werden kann, dass sie den Beklagten vor der umstrittenen Behandlung auf den von ihr angeblich bereits damals vermuteten Zusammenhang zwischen dem Zahn-Amalgam und ihren Gesundheitsbeeinträchtigungen hingewiesen hat, ohne dass sich hieraus eine für sie günstigere Beurteilung ergäbe.
133c)
134Ohne Erfolg rügt die Klägerin schließlich, dass zu den von ihr behaupteten fehlerbedingten Schäden kein Beweis erhoben worden sei. Denn die zwischen den Parteien streitige Frage, welche Folgen die umstrittene Behandlung für die Klägerin gehabt hat bzw. heute noch hat, und ob die Klägerin insbesondere entsprechend ihrer Behauptung infolge der Behandlung eine Quecksilbervergiftung erlitten hat, die zu gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zu einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit sowie zu einschneidenden Beschränkungen in ihrer privaten Lebensgestaltung geführt hat, bedarf keiner Klärung, weil aus den oben ausgeführten Gründen sowie den Gründen der angefochtenen Entscheidung ein haftungsbegründender Behandlungsfehler des Beklagten nicht festgestellt werden kann und auch die Aufklärungsrüge der Klägerin unbegründet ist.
135Warum sich spätestens nach Klärung der Frage, ob sich vor der umstrittenen Behandlung in den Zähnen 15, 17 und 47 Amalgam-Füllungen befunden haben, die Beweislast zu Lasten des Beklagten mit der Folge umgekehrt habe, dass dieser beweisen müsse, dass seine Behandlungen für die bei der Klägerin eingetretenen Gesundheitsschäden nicht ursächlich war, wie die Klägerin meint, erschließt sich nicht. Es ist nicht ersichtlich, aus welcher Rechtsgrundlage sich eine entsprechende Beweislastumkehr ergeben könnte.
1366.
137Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin schließlich gegen die Mitwirkung der Richter der 25. Zivilkammer (Herrn VRiLG R, Frau RinLG N und Frau RinLG N2) an der angefochtenen Entscheidung.
138a)
139Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit des Ablehnungsgesuches der Klägerin gegen die genannten Richter bestehen nicht. Insbesondere ist es vom Ansatz her zulässig, ein Ablehnungsgesuch nach Ergehen einer nicht rechtskräftigen instanzbeendenden Entscheidung gegen die Richter zu stellen, die an dieser Entscheidung mitgewirkt haben, wenn die Umstände, die aus Sicht des Antragstellers die Besorgnis der Befangenheit begründen, erst durch diese Entscheidung offenbar geworden sind. Genau hierauf beruft sich die Klägerin. In diesem Falle hat das Rechtsmittelgericht inzident zu prüfen, ob Ablehnungsgründe vorliegen (BGH NJW-RR 2007, 411 f.), und ob die Entscheidung ggf. auf diesen Ablehnungsgründen beruht, wobei Letzteres allerdings in Regelfalle zu bejahen sein wird. Ggf. ist von einem Verfahrensfehler im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO auszugehen, wobei dies unter den Voraussetzungen dieser Norm eine Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts über die Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht zur Folge hat. Die Voraussetzung für eine entsprechende Ermessensentscheidung, nämlich neben dem – seitens der Klägerin gestellten – Zurückverweisungsantrag eine aufgrund des Verfahrensmangels notwendige umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme, liegt hier indes aus den oben zu 1. – 5. ausgeführten Gründen nicht vor. Und im Übrigen wäre eine Zurückverweisung aber auch dann, wenn eine entsprechende weitere Beweisaufnahme erforderlich wäre, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die außergewöhnlich lange Verfahrensdauer von inzwischen gut 14 Jahren nicht sachgerecht.
140b)
141Das Befangenheitsgesuch ist indes nicht begründet.
142Denn die Klägerin stützt dieses Gesuch im Wesentlichen auf eine inhaltliche Kritik an dem Gutachten des Gerichtssachverständigen und daran, dass das Landgericht diesem Gutachten gefolgt ist. Dabei handelt es sich aber nicht um Umstände, die bei einer besonnenen Prozesspartei die Besorgnis der Voreingenommenheit der erkennenden Richter zu begründen vermögen. Vielmehr sind dies inhaltliche Kritikpunkte, die Veranlassung für das Einlegen einer Berufung bieten. Alle von der Klägerin im Rahmen ihres Befangenheitsgesuchs vorgebrachten inhaltlichen Kritikpunkte sind in dem Berufungsverfahren ohnehin durch das Berufungsgericht eigenständig zu überprüfen. Insbesondere ist jedenfalls in Arzthaftungssachen das Berufungsgericht gehalten, selbst umfassend zu prüfen, ob ein erstinstanzlich eingeholtes Sachverständigengutachten eine in jeder Hinsicht ausreichende Entscheidungsgrundlage darstellt, und, falls dies nicht der Fall ist, ergänzend Beweis zu erheben – erforderlichenfalls unter Beauftragung eines neuen Sachverständigen, dem in dem notwendigen Umfang die erstinstanzlich bereits begutachteten Fragen erneut zur Begutachtung vorgelegt werden müssen, wobei dies u. U. auch sämtliche früheren Beweisfragen sein können, aber natürlich auch zusätzliche Fragen, die in erster Instanz zu Unrecht nicht begutachtet wurden. Im Rahmen dieser Prüfung musste der Senat ohnehin auf alle von der Klägerin vorgetragenen Zweifel an der Kompetenz und Unparteilichkeit des Sachverständigen sowie die von ihr vorgetragenen Zweifel an der Vollständigkeit und inhaltlichen Richtigkeit des Gutachtens eingehen. Im Rahmen dieser Prüfung war zugleich auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu prüfen, ob im vorliegenden Rechtsstreit Sachverständigenbeweis entsprechend ihrer Auffassung auch zu den Gesundheitsrisiken aufgrund des freiwerdenden Quecksilbers und der anderen Amalgam-Bestandteile, die bei der Amalgam-Entfernung im Mund des betroffenen Patienten freiwerden, zu erheben ist. Im vorliegenden Berufungsverfahren war ebenfalls ohnehin etwa auf die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen einzugehen, ob das Landgericht sich zu Recht auf den Standpunkt gestellt hat, dass die Klägerin die Angaben in dem im Termin vorgelegten Anamnesebogen nicht bestritten habe, wobei insoweit die Frage, ob es für die Sachentscheidung auf diese Frage ankommt, vorgreiflich zu beantworten war.
143Aber auch die von der Klägerin zur Begründung ihres Befangenheitsgesuchs vorgetragenen Umstände, die nicht ohnehin in dem soeben genannten Sinne im Berufungsverfahren zu prüfen sind, begründen die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht:
144Entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung bedeutet der Umstand, dass das Landgericht ihre Auffassungen zu sämtlichen entscheidungsrelevanten Fragen im Zusammenhang mit Amalgam nicht teilt, nicht gewissermaßen automatisch, dass die abgelehnten Richter gegenüber der Klägerin negativ voreingenommen wären. Vielmehr ist es bei Streitfällen der hier in Rede stehenden Art zwangsläufig so, dass das Gericht die Auffassung – zumindest – einer Prozesspartei nicht teilt. Das Gericht ist gerade dazu aufgerufen, den Streit zwischen den Parteien in die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Dass es sich dabei von einer positiven oder negativen Voreingenommenheit gegen die eine oder die andere Prozesspartei leiten lässt, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. Dies könnte lediglich dann angenommen werden, wenn es hierfür erhebliche Anhaltspunkte gäbe. Solche Anhaltspunkte sind aber weder von der Klägerin vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
145Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich insbesondere nicht aus der von der Klägerin im Rahmen ihres Befangenheitsgesuchs aufgeworfenen Frage, ob das Landgericht die Aussage des Zeugen M zutreffend gewürdigt hat. Dies gilt schon deshalb, weil das Landgericht es bei seiner Entscheidung insbesondere aufgrund der Bekundungen des Beklagten persönlich in der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 4. Juli 2012 – zu Recht – als unstreitig angesehen hat, dass es sich bei den umstrittenen Füllungen entsprechend der Behauptung der Klägerin um Amalgam-Füllungen gehandelt hat, und weil deshalb die Aussage des Zeugen M – gewissermaßen zugunsten der Klägerin – nicht mehr entscheidungsrelevant war. Es erschließt sich in keiner Weise, inwieweit sich aus diesem Vorgehen des Landgerichts die Besorgnis der Befangenheit zu Lasten der Klägerin ergeben können soll.
146Anhaltspunkte, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit ergeben könnte, stellen auch die folgenden Umstände nicht dar, auf die die Klägerin sich – auch – im Rahmen ihres Befangenheitsgesuchs berufen hat, nämlich die von der Klägerin gerügten zahlreichen Verletzungen ihres rechtlichen Gehörs und der Hinweispflichten des Gerichts sowie das aus Sicht der Klägerin zu Unrecht nicht erfolgte Wiedereröffnen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung. Denn Anhaltspunkte für die Besorgnis, dass eventuelle Versäumnisse insoweit aus einer negativen Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin heraus erfolgt wären, sind nicht ersichtlich. Vielmehr lässt das erstinstanzliche Verfahren ausweislich der Akten erkennen, dass das Landgericht sich mit großer Umsicht und Geduld bemüht hat, auf das Vorbringen der Klägerin einzugehen. Und auch die Entscheidung des Landgerichts, die mündliche Verhandlung nicht wiederzueröffnen, ist in dem angefochtenen Urteil ausführlich begründet und dementsprechend offensichtlich unter sorgfältiger Prüfung des Vorbringens der Klägerin getroffen worden.
147Die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich schließlich auch nicht aus der Behauptung der Klägerin, dass das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung wahrheitswidrig behauptet habe, auf die von ihm angenommene Einschränkung des Gutachtenauftrages an den Gerichtssachverständigen mehrfach hingewiesen zu haben. Denn ausweislich des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 4. Juli 2012 ist davon auszugehen, dass entsprechende Hinweise zumindest konkludent vielfach erfolgt sind. Ausweislich des Protokolls hat der Sachverständige Prof. Dr. T2 zu einer Reihe von Fragen des Prozessvertreters der Klägerin geantwortet, dass diese jeweiligen Fragen außerhalb seines Gutachterauftrages liegen, und dass er sich deshalb hierzu nicht äußern möchte. Das Landgericht hat ausweislich des Protokolls nicht darauf bestanden, dass der Sachverständige diese Fragen gleichwohl beantwortet. Allein schon dadurch hat das Gericht im Sinne seiner Hinweispflicht – zumindest konkludent – hinreichend klar zu Erkennen gegeben, dass es den Gutachterauftrag ebenso wie der Sachverständige entsprechend eingeschränkt sieht. Auf die Frage, ob diese Hinweise auch ausdrücklich erfolgt sind, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.
148c)
149Aus den soeben zu b) ausgeführten Gründen ergibt sich zugleich, dass es einer Anhörung der abgelehnten Richter zu dem Ablehnungsgesuch nicht bedurfte.
1507. Prozessuale Nebenentscheidungen:
151Der Schriftsatz der Klägerin vom 30. September 2013 bietet keine Veranlassung für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
152Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
153Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Es geht im vorliegenden Verfahren im wesentlichen um Tatsachenfragen und im übrigen um die Anwendung geltenden Rechts sowie der hierzu in Rechtsprechung und Literatur entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze und damit um eine Einzelfallentscheidung.
154Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.000,00 Euro