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Derzeit besteht in Nordrhein-Westfalen keine gesetzliche Grundlage für eine Zwangsbehandlung eines gem. § 126a StPO Untergebrachten.
Der Beschluss des Landgerichts Köln vom 27.08.2012 wird aufgehoben; die Anordnung einer „Zwangsmedikation“ des Untergebrachten ist unzulässig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der darin entstandenen notwendigen Auslagen des Untergebrachten trägt die Staatskasse.
Gründe:
2I.
3Der Beschwerdeführer, dem mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft K. vom 11.11.2011 ein gemeinschaftlich begangener Wohnungseinbruchsdiebstahl und tateinheitlich eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, ist – nach Abtrennung des Verfahrens gegenüber den früheren Mitangeklagten und Einholung eines psychiatrischen Gutachtens - aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts B. G. vom 26.06.2012 seit dem 28.06.2012 in der LVR-Klinik für forensische Psychiatrie in E. gemäß § 126a StPO vorläufig untergebracht. Das Landgericht K. hat das Verfahren auf Vorlage des Amtsgerichts gemäß § 225a StPO, 24 Abs. 2 GVG im Hinblick auf die in Betracht kommende Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB übernommen.
4Mit Schreiben vom 17.08.2012 „erbat“ die LVR-Klinik die richterliche Genehmigung zu einer „Zwangsmedikation“ des Untergebrachten zur Behandlung einer bei ihm diagnostizierten paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Mit Beschluss vom 27.08.2012 genehmigte die Vorsitzende der Strafkammer die medikamentöse Behandlung des Untergebrachten mit Neuroleptika unbeschadet eines entgegenstehenden Willens des Untergebrachten für die Dauer von maximal drei Monaten, soweit sie hinsichtlich Dosierung, Art und Dauer ärztlicherseits für erforderlich erachtet und die Maßnahme unter Leitung und Aufsicht eines Arztes ausgeführt werde. Die Vorsitzende ordnete zudem an, dass eine Entscheidung des Untergebrachten über die Fortführung der Behandlung herbeizuführen sei, sobald er zu einer freien Willensbestimmung in der Lage sei. Für die Dauer der Medikation gab sie den behandelnden Ärzten auf, zumindest einmal monatlich den jeweiligen Stand der Behandlung dem Gericht mitzuteilen.
5Zur Begründung hat die Vorsitzende Folgendes ausgeführt:
6„Die Klinik für forensische Psychiatrie E., in der der Angeklagte seit dem 28.6.2012 nach Aufhebung des Haftbefehls vom 15.5.2012 aufgrund Unterbringungsbefehls vom 26.6.2012 gemäß § 126 a StPO untergebracht ist, hat mit Schreiben vom 17.8.2012 die Genehmigung zu einer „Zwangsmedikation“ des Angeklagten mit Haldol (bis zu 20 mg/Tag) und Diazepam (bis zu 30 mg/Tag) beantragt. Die Genehmigung ist nach Maßgabe der aus dem Tenor angeführten Einschränkungen zu erteilen.
71. Zuständig für eine Entscheidung über die Zwangsbehandlung des nach § 126 a StPO Untergebrachten ist die Vorsitzende der Kammer, bei der das Verfahren inzwischen anhängig ist, §§ 126a Abs. 2, 126, 119 StPO (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall OLG Hamm, B. v. 7.8.2001, 3 Ws 250/01 – juris, zum Untersuchungshaftrecht in der früheren Fassung, das bezüglich der Zuständigkeiten für Entscheidungen über Maßnahmen während der Untersuchungshaft insoweit keine Änderung erfahren hat).
8Spezielle gesetzliche Regelungen, die die Zuständigkeit der Kammer in dieser Frage verdrängen würden, bestehen nicht.
9Für die Frage der Genehmigung einer medikamentösen Behandlung eines nach § 126a StPO Untergebrachten, der krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, eine Einwilligung in eine medikamentöse Behandlung zu erteilen oder zu versagen, und der einen entgegenstehenden natürlichen Willen zum Ausdruck gebracht hat, findet sich keine spezielle bundes- oder landesgesetzliche Regelung, insbesondere auch nicht in der Strafprozessordnung in Verbindung mit dem Untersuchungshaftvollzugsgesetz NW. Soweit § 126 a Abs. 2 StPO auf zahlreiche Regelungen des Untersuchungshaftrechts verweist, enthalten diese keine Vorgaben zur Frage einer medizinischen (Zwangs-) Behandlung von Untersuchungsgefangenen bzw. Untergebrachten (vgl. auch zur Problematik Wagner, in: Kammeier, (Hrsg.) Maßregelvollzugsrecht, 3. Auflage, Rn. D 48). Die Ausgestaltung des Vollzugs von Untersuchungshaft richtet sich in Nordrhein Westfalen nach dem Untersuchungshaftvollzugsgesetz, das in § 28 eine Regelung zu Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge trifft. Allerdings findet sich in § 76 UVollzG NW, in dem bestimmt ist, inwieweit das UVollzG entsprechend auf andere freiheitsentziehende Maßnahmen als die Untersuchungshaft anwendbar ist, ein Verweis auf § 126 a StPO nicht.
10Die Frage einer Genehmigung einer medikamentösen Behandlung richtet sich auch nicht nach dem Maßregelvollzugsgesetz NW. Vielmehr enthält das Maßregelvollzugsgesetz mit § 35 für die vorläufige Unterbringung nach § 126 a StPO einen Verweis auf Vorschriften, die vorwiegend organisatorische/organisationsrechtliche und kostenrechtliche Fragen, nicht aber die Rechtsstellung der Betroffenen regeln. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine gerichtlich verhängte Maßregel eben nicht gegeben ist. Vielmehr erfolgen die Unterbringungen auf der Grundlage bundesrechtlicher Vorgaben in Einrichtungen, die allerdings den Standard einer Maßregelvollzugseinrichtung haben (vgl. amtlichen Begründung 1999, abgedruckt in: Prütting, Maßregelvollzugsgesetz und PsychKG Nordrhein-Westfalen, § 35 MRVG). Eine Therapie gemäß § 1 MRVG NW erfolgt für diese Patienten nicht, wenn sie dies nicht wollen (Prütting, a.a.O., Rn. 7). Daher ist auch § 17 Abs. 2 und 3 MRVG, der eine Regelung zu einer medizinischen Behandlung ohne Einwilligung des Betroffenen enthält, zumindest nicht unmittelbar anwendbar.
11Entsprechendes gilt für die Frage der Anwendbarkeit des Strafvollzugsgesetzes. Soweit § 101 StVollzG eine Regelung zu Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge enthält, betrifft dies Strafgefangene, mithin ebenfalls Personen, gegen die – anders als hier – eine freiheitsentziehende Rechtsfolge rechtskräftig verhängt worden ist.
12Es kommt nicht in Betracht, die Entscheidung über eine Medikation des Angeklagten (ausschließlich) einem rechtlichen Betreuer zu überlassen bzw. dessen Entscheidung an die Stelle der Entscheidung des Betroffenen zu setzen. Eine rechtliche Betreuung nach §§ 1896 ff BGB ist für den Angeklagten bislang nicht eingerichtet. Es besteht kein Anlass, sie im Hinblick auf die Frage der Medikation (im Übrigen erscheint die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung allerdings höchst sinnvoll und geboten) einrichten zu lassen. Zu einer Entscheidung über die Frage einer medikamentösen Behandlung des Betreuten gegen dessen natürlichen Willen ist der Betreuer nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, mit der im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BVerfG, B. v. 23.3.2011, 2 BvR 882/09) die bisherige ständige Rechtsprechung aufgegeben worden ist, nicht (mehr) befugt und eine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht nach § 1906 Abs. 1 (Nr. 2) BGB nicht (mehr) möglich (ausdrücklich in dem Bewusstsein, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt: BGH, B. v. 20.6.2012, XII ZB 99/12 – juris). Obgleich sich die Entscheidung in erster Linie zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verhält, heißt es darin allgemein formuliert, dass die verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Behandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen der betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen seien und diese den Anforderungen nicht gerecht würden. Dass zwar nicht § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB wohl aber § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB in Bezug auf Bestimmtheit und Klarheit den Anforderungen genügen würde, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.
13Die Entscheidung über diese Frage ist auch nicht in einem Verfahren nach dem PsychKG NW zu treffen. Nach §§ 1 Abs. 3, 11 Abs. 3 PsychKG gilt dieses Gesetz ausdrücklich nicht für nach § 126a StPO untergebrachte Personen.
14Es bleibt nach alledem bei der Verantwortung und Zuständigkeit der Kammer nach den o.g. Vorschriften der Strafprozessordnung für die Frage der beantragten Genehmigung der medikamentösen Behandlung.
152. Die beantragte Genehmigung ist zu erteilen
16a) Der Angeklagte hat einen Anspruch auf Erteilung der seitens der Klinik beantragten Genehmigung, wenngleich er einen entgegen stehenden natürlichen Willen geäußert hat.
17aa) Gemäß §§ 24 f UVollzG NW ist für die körperliche und geistige Gesundheit der Untersuchungsgefangenen zu sorgen; sie haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. ärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Arzneimitteln. Ähnliche Regelungen enthält § 1, 12, 17 MZRG für den Maßregelvollzug und §§ 56 ff StVollzG für den Strafvollzug.
18Nichts ist dafür ersichtlich, dass und warum einer nach § 126 a StPO untergebrachten Person eine Gesundheitsfürsorge nicht zuteilwerden sollte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus nach § 126 a StPO anstatt in der Haftanstalt gerade nicht nur der Sicherheit dienen, sondern auch eine ärztliche Behandlung ermöglichen soll (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 126a Rn. 2). Würde sich der Sinn einer Unterbringung in der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit erschöpfen, könnte dies ohne weiteres von jeder Justizvollzugsanstalt gewährleistet werden und bedürfte es einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht. Der Behandlung einer Erkrankung, die als Grundlage für die Verhängung einer Maßregel nach § 63 StGB in Betracht kommt, steht nicht die Unschuldsvermutung entgegen. Es geht vorliegend um die Behandlung einer gegenwärtig bestehenden Krankheit. Für die Frage, ob diese oder eine andere Erkrankung zur Zeit der Begehung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat vorlag und die mögliche Tatbegehung symptomatisch für eine damals vorliegende Erkrankung war, kann die gegenwärtige Diagnose eine indizielle Bedeutung haben. Eine Feststellung der Begehung einer rechtswidrigen Tat im Zustand der Schuld(un-)fähigkeit oder eingeschränkten Schuldfähigkeit ergibt sich daraus keineswegs.
19In Anbetracht des – planwidrigen - Fehlens gesetzlicher Regelungen zur Frage der medikamentösen Behandlung krankheitsbedingt einwilligungsunfähiger, vorläufig nach § 126 a StPO untergebrachter Personen ist im Wege der Rechtsanalogie auf die entsprechenden Regelungen des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, des Maßregelvollzugsgesetzes und des Strafvollzugsgesetzes zurückzugreifen, die nach Maßgabe der jüngeren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (B. v. 23.3.2012, 2 BvR 882/09) verfassungskonform auszulegen sind (zu einem ähnlichen Lösungsansatz, allerdings unter Heranziehung der Regelungen des ThürPsychKG vgl. Thüringer Oberlandesgericht, B. v. 3.1.2012, 1 Ws 575/11 – juris; zur Zwangsmedikation auf der Grundlage von § 101 StVollzG vgl. OLG Hamm, B. v. 7.8.2001, 3 Ws 250/11 - juris).
20Nach § 17 Abs. 3-5 MVZG NW ist die Behandlung von Patienten ohne ihre ausdrückliche Einwilligung oder die ihrer gesetzlichen Vertretung bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für ihre Gesundheit oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig, wobei die Maßnahmen durch Ärzte vorgenommen werden müssen und nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind und von einer zwangsweisen Ernährung abzusehen ist, solange von einer freien Willensbestimmung des Patienten ausgegangen werden kann.
21Nach § 101 StVollzG sind die medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung zwangsweise nur bei Lebensgefahr, bei schwerwiegender Gefahr für die Gesundheit des Gefangenen oder bei Gefahr für die Gesundheit anderer Personen zulässig; die Maßnahmen müssen für die Beteiligten zumutbar und dürfen nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbunden sein, wobei zur Durchführung der Maßnahmen die Vollzugsbehörde nicht verpflichtet ist, solange von einer freien Willensbestimmung des Gefangenen ausgegangen werden kann. Die Maßnahmen dürfen nur unter Leitung eines Arztes durchgeführt werden.
22Nach § 28 UVollzG NW sind Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge zulässig, wenn der ärztliche Dienst sie für unerlässlich hält und das Gericht sie anordnet und sie nur unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden; dabei besteht zur Durchführung der Maßnahmen keine Verpflichtung, solange von einer freien Willensbestimmung des Untersuchungsgefangengen ausgegangen werden kann.
23Nach einer Gesamtschau und in analoger Anwendung der vorgenannten Normen, die nach Auffassung der Kammer jeweils für ihren Anwendungsbereich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Klarheit und Bestimmtheit (vgl. BVerfG, B. v. 23.3.2011, 2 BvR 882/09) erfüllen, ist eine medikamentöse Behandlung ohne Einwilligung des einwilligungsunfähigen Betroffenen unter strenger Prüfung der Verhältnismäßigkeit für zulässig zu erachten, wenn eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit des Gefangenen oder die Gesundheit anderer Personen besteht, die Maßnahmen für die Beteiligten zumutbar sind und nicht mit erheblicher Gefahr für Leben oder Gesundheit des Gefangenen verbunden sind, wobei deren Durchführung unter ärztlicher Leitung zu erfolgen hat.
24bb) Die Voraussetzungen für die medikamentöse Behandlung ohne Einwilligung des Angeklagten sind auch unter Berücksichtigung eines strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes erfüllt. Infolge einer schweren Erkrankung droht ohne eine medikamentöse Behandlung eine schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit des Angeklagten.
25Die psychiatrische Sachverständige Dr. J., die den Angeklagten bereits im Jahre 2006/07 im Zusammenhang mit einem anderen Strafverfahren untersucht hatte, hat in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom ... auf der Grundlage einer von ihr vorgenommenen Untersuchung des Angeklagten und gestützt auf den Akteninhalt u.a. ausgeführt, es sei vom Vorliegen einer – am ehesten drogeninduzierten – paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis auszugehen. Das Störungsbild sei mit einer erheblichen Aggressivierung des Gesamtverhaltens auch in ggf. nicht hochaktuen Phasen wegen der bei jahrelangem Bestehen der Psychose und des Drogenmissbrauchs sich entwickelnden Residualverfassung (Depravierung und Nivellierung der Persönlichkeit) verbunden. Die psychiatrische Sachverständige kam zu der Einschätzung, dass ohne eine Langzeittherapie der Psychose mit psychiatrischer Pharmakotherapie unter geschlossenen Bedingungen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit erneute Gewalthandlungen gegen Dritte manifestieren würden, es bestehe einen hohe Wiederholungswahrscheinlichkeit und psychiatrische Behandlungsnotwendigkeit. Auch die behandelnden Ärzte gehen ausweislich der Schreiben vom 17.8. und 23.8.2012 von dem Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie aus.
26Die Prognose der Sachverständigen Dr. J. in Bezug auf die Gefährlichkeit des Angeklagten- und somit auch die Diagnose - ist durch den weiteren Verlauf der Unterbringung, wie geschildert in dem Schreiben von Dipl.-Psych. S. vom 17.8.2012 sowie Dr. B. vom 24.8.2012 gestützt worden. Danach erscheint es hoch wahrscheinlich, dass der Angeklagte, der oftmals innerlich oft stark angespannt und gereizt-aggressiv wirkt und eine deutlich erhöhte aggressive Reagibilität zeigt, sowohl am 16.8.2012 als auch am 23.8.2012 eine in erster Linie von ihm ausgehende körperliche Auseinandersetzung mit Schwester/Schwager bzw. einem Mitpatienten hatte. Die in dem Schreiben vom 17.8.2012 zitierte Äußerung, wonach der Angeklagte seiner Schwester vorwarf, sie habe die Tochter umgebracht, weist auf eine wahnhafte Verkennung der Situation bei dem Angeklagten hin.
27Nach Einschätzung des behandelnden Arztes, des leitenden Oberarztes der LVR Klinik E., Herrn Dr. B. – Facharzt für Neurologie und Psychiatrie -, die von der psychiatrischen Sachverständigen Dr. J. – Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie -, ausweislich ihrer Stellungnahme vom 23.8.2012 geteilt wird, besteht bei dem Patienten ein erheblicher Leidensdruck und es steht zu befürchten, dass dieser Leidensdruck ohne Behandlung der zugrunde liegenden schweren psychiatrischen Erkrankung (paranoide Schizophrenie) zu weiteren fremdaggressiven Übergriffen und/oder zu suizidalen Impulsen/Handlungen führen wird. Ohne eine neuroleptische Behandlung droht eine Chronifizierung dieser schweren psychiatrischen Erkrankung; Krankheitssymptome/Beschwerden könnten nicht gelindert werden und die Chancen auf Rehabilitation würden dem Angeklagten systematisch genommen. Zur Prognose hat die psychiatrische Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass der chronifizierende schwere psychotische Prozess ohne antipsychotische Behandlung ein psychotisches Residualsyndrom zeitigen werde, das dann irreversible, medikamentös nicht mehr beherrschbare Schäden für die Kognition und Persönlichkeit beinhalten würde. Das Zustandsbild wird von den behandelnden Ärzten als dramatisch eingeschätzt; eine Alternative zu einer neuroleptischen Therapie, um den Angeklagten aus seiner offensichtlich selbst als quälend empfundenen Lage herauszuführen, bestehe nicht.
28In Anbetracht der Bestätigung der Einschätzung des behandelnden Arztes durch die der Kammer als sehr erfahren bekannten psychiatrischen Sachverständigen Dr. J. besteht kein Zweifel an der Erforderlichkeit einer baldigen Aufnahme einer medikamentösen Behandlung zur Vermeidung schwerer irreversibler Schäden für die psychische Gesundheit des Angeklagten.
29Es besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Mitteilung seitens der Klinik, wonach der Angeklagte vollkommen krankheitsuneinsichtig sei und eine neuroleptische Behandlung trotz ausreichender Versuche, ihn zur Behandlungscompliance zu überreden, derzeit strikt ablehnt.
30Nachteile von Gewicht sind durch die medikamentöse Behandlung nicht zu erwarten. In Anbetracht der hohen Gefahr einer irreversiblen schweren Schädigung der Gesundheit des Angeklagten erscheint der mit der „Zwangsmedikation“ verbundene Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG als verhältnismäßig.
31Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte in der Vergangenheit – insbesondere wohl auch bis zum Antritt der Strafhaft - zeitweise auch freiwillig antipsychotische Medikamente eingenommen hatte (jedenfalls im Jahre 2005/06, solange er Beschwerden hatte, sowie wohl auch in jüngerer Vergangenheit in Form einer Depotmedikation, ) und mithin zeitweise eine grundsätzliche Behandlungscompliance bestanden hatte und die gegenwärtige kategorische Behandlungsablehnung trotz wahrgenommener Beschwerden gerade auch als Symptom der Erkrankung zu bewerten sein dürfte.
32Vor dem Hintergrund des drohenden und nicht anders abwendbaren schweren Schadens für die Gesundheit des Angeklagten ist die Behandlung auch nach § 34 StGB gerechtfertigt.
33b) Darüber hinaus ist die medikamentöse Behandlung zum Schutz Dritter unentbehrlich. Zu den fremdaggressiven Verhaltensweisen des Angeklagten ist bereits ausgeführt worden. Die drohende Gefahr für Dritte kann nicht wirksam durch andere Mittel als eine medikamentöse Behandlung ersetzt werden. Eine Absonderung des Angeklagten von Mitpatienten vermag diese zu schützen (wodurch allerdings der Angeklagte psychisch weiter beeinträchtigt würde); das Klinikpersonal wird durch eine derartige Maßnahme nicht geschützt. In Anbetracht der der Kammer bekannten guten Fähigkeiten des Angeklagten auf dem Gebiet des Kampfsports (vgl. Urteil des Landgerichts K. vom 11.1.2007 ), den er ausweislich der Beobachtungen der Klinik weiterhin trainiert, wäre dem nur mit einer dauerhaften Fixierung zu begegnen. Ein Lerneffekt, den Einsichtsfähige nach einer gewissen Zeit der Fixierung erzielen mögen und der zu einem friedfertigen Verhalten führen kann, ist indes bei dem Angeklagten in Anbetracht des Krankheitsbildes nicht zu erwarten. Vielmehr dürften derartige Maßnahmen den Angeklagten in seiner Annahme verstärken, Opfer feindseliger Handlungen zu sein und auf diese Weise die Krankheit verschlimmern.
343. Die aufschiebende Befristung der Anordnung soll es dem Angeklagten ermöglichen, effektiven Rechtsschutz zu suchen, bevor „vollendete Tatsachen“ geschaffen werden und die Behandlung eingeleitet wird. Außerdem hat er Gelegenheit, sich - unbeschadet seiner derzeit fehlenden Einwilligungsfähigkeit – mit der Problematik der Notwendigkeit der medikamentösen Behandlung auseinandersetzen. Nach Wiedererlangung seiner Fähigkeit zur freien Willensbildung wird die von dem Angeklagten zu treffende Entscheidung maßgeblich sein.“
35Gegen diesen Beschluss haben die Staatsanwaltschaft mit Zuschrift vom 27.08.2012 und der Untergebrachte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.08.2012 Beschwerde eingelegt.
36Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Senat die Akten zur Entscheidung vorgelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Landgerichts vom 27.08.2012 aufzuheben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass für den Fall einer einstweiligen Unterbringung gemäß § 126a StPO eine gesetzliche Grundlage für eine medizinische Zwangsbehandlung eines Untergebrachten nicht vorliege.
37II.
38Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden gegen die Genehmigung der „Zwangsmedikation“ sind begründet. Im Rahmen einer einstweilen Unterbringung auf der Grundlage des § 126a StPO ist – jedenfalls in Nordrhein-Westfalen - die von der Klinik erbetene Genehmigung für eine zwangsweise medikamentöse Behandlung des Untergebrachten wegen Fehlens einer nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B. v. 23.03.2011 - 2 BvR 882/09; B. v. 12.10.2011 - 2 BvR 633/11) dafür erforderlichen, verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage unzulässig.
39Eine medizinische Behandlung eines Untergebrachten gegen seinen Willen (sog. „Zwangsbehandlung“) greift in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG ein (BVerfG, a.a.O., B. v. 23.03.2011, bei juris unter Rn 39). Bei der medizinischen Zwangsbehandlung eines Untergebrachten mit Neuroleptika handelt es sich darüber hinaus um einen besonders schwerwiegenden Eingriff, weil durch eine solche Behandlung nicht nur die körperliche Integrität sondern in besonders intensiver Weise auch das von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG mit geschützte Recht der freien Selbstbestimmung betroffen wird (BVerfG, a.a.O., Rn 43). Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig ist (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn 49). Dies gilt auch für eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Ziels des Maßregelvollzuges (BVerfG, a.a.O., Rn 37). Die Voraussetzungen hierfür hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 23.03.2011 geklärt. Danach ist die Zwangsbehandlung eines Untergebrachten, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs genau bestimmt, wobei sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen konkreter gesetzlicher Regelung bedürfen (BVerfG, a.a.O., Rn 72 m.w.N.). Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehört die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm (vgl. auch BGH B. v. 20.06.2012, XII ZB 130/12, MDR 2012, 991 ff).
40Für die zwangsweise Medikation eines auf der Grundlage des § 126a StPO vorläufig Untergebrachten mit Neuroleptika liegt - jedenfalls in Nordrhein-Westfalen - eine solche, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügende gesetzliche Grundlage zur „Zwangsmedikation“ nicht vor.
411. Die Strafkammer hat im Ansatz zutreffend ausgeführt, dass die §§ 24 ff UVollzG N R W, die §§ 1, 12, 17 MRVG sowie die §§ 56 ff StVollzG nicht unmittelbar anwendbar sind.
422. Eine ausreichende gesetzliche Grundlage ergibt sich auch nicht aus einer in den Normen des UVollzG, MRVG oder StVollzG enthaltenen Verweisung. Soweit in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt ist, dass das Maßregelvollzugsgesetz mit § 35 für die vorläufige Unterbringung nach § 126a StPO (nur) einen Verweis auf Vorschriften enthalte, die vorwiegend organisatorische/organisationsrechtliche und kostenrechtliche Fragen, nicht aber die Rechtsstellung des Betroffenen regeln, kann dahinstehen, ob diese Auslegung zutreffend ist. Immerhin enthält § 35 Abs. 2 MRVG für den Vollzug (u.a.) der Unterbringung nach § 126a StPO eine allgemeine Verweisung auf die Vorschriften des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes Nordrhein-Westfalen, "soweit diese mit einer einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt vereinbar sind". Selbst wenn man – abweichend von der Interpretation des Landgerichts - davon ausgeht, dass sich dieser allgemeine Verweis nicht nur auf organisatorische und kostenrechtliche Regelungen bezieht, sondern sämtliche Regelungen des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes NW zur Ausgestaltung des Vollzuges - soweit diese mit dem einstweiligen Charakter der Maßnahme und der Besonderheit der Einrichtung vereinbar sind - für entsprechend anwendbar erklärt, genügt diese Verweisung nicht den durch das Bundesverfassungsgericht konkretisierten Anforderungen an eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine „Zwangsmedikation“.
43So ist eine solche Generalverweisung, insbesondere angesichts der weiteren Verweisungsnorm des § 76 UVollzG NW, der eine Anwendbarkeit der Regelungen dieses Gesetzes auf vorläufige Unterbringungen nach § 126a StPO nicht vorsieht, zu unbestimmt, um den verfassungsgerichtlichen Vorgaben zu genügen. Hinzu kommt, dass die Verweisung des § 35 Abs. 2 MRVG NW, die ohne nähere Differenzierung hinsichtlich der Besonderheiten der einzelnen Maßnahmen sowohl für die vorläufigen Unterbringung nach § 126a StPO als auch für die vorläufige Maßnahme vor Widerruf einer Strafaussetzung nach § 453c StPO auf die generelle Anwendbarkeit des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes verweist, insoweit bedenklich erscheint, als mit der unbestimmten Generalklausel („soweit diese mit einer einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt vereinbar sind“), die erkennbar unterschiedliche Interpretationen ermöglichen, gleichfalls dem Bestimmtheitserfordernis nicht ausreichend Rechnung getragen sein dürfte.
443. Daraus folgt letztlich auch, dass die von der Strafkammer herangezogene Analogie zu den Vorschriften des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, des Maßregelvollzugsgesetzes und des Strafvollzugsgesetzes den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage für die zwangsweise Medikamentierung nicht genügen kann. Aus den tragenden Erwägungen der zitierten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts, das in den dortigen Fällen unmittelbar anwendbare gesetzliche Regelungen des MVollG Rh.-Pf. bzw. des UbrgG BW für nicht hinreichend bestimmt und auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung für hinreichend bestimmbar gehalten hat, folgt, dass bei Fehlen einer unmittelbar oder im Wege einer gesetzlichen Verweisung anwendbaren Gesetzesgrundlage die Eingriffsvoraussetzungen nicht über eine Analogie zu Regelungen, die im Übrigen inhaltlich nicht deckungsgleich sind, geschaffen werden können. Früheren Analogieversuchen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.08.2001 – 3 Ws 250/01), auf die sich die Vorsitzende des Strafkammer bei ihrer Entscheidung gestützt hat, ist nach Auffassung des Senats durch die Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Grundlage entzogen; hierauf kann als Rechtfertigungsgrundlage für eine „Zwangsmedikation“ mit Neuroleptika nicht mehr zurückgegriffen werden. Im Übrigen steht der analogen Anwendung jedenfalls der Normen des Maßregelvollzugsgesetzes und des Strafvollzugsgesetzes auch entgegen, dass die Fälle nicht „rechtsähnlich“ sind (vgl. dazu allgemein Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, Einl. 198). Wie die Strafkammer einleitend ausgeführt hat, betreffen die Regelungen beider Gesetze Personen, gegen die – anders als im Fall der vorläufigen Unterbringung nach § 126 a StPO – freiheitsentziehende Rechtsfolgen rechtskräftig verhängt worden sind. Soweit die Vorsitzende der Strafkammer im Übrigen ergänzend darauf hingewiesen hat, dass eine medikamentöse Behandlung (auch) zum Schutz Dritter unumgänglich sei, verkennt sie, dass das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen hat, der Schutz Dritter vor Übergriffen des Untergebrachten erlaube generell keinen Behandlungszwang gegenüber dem Untergebrachten (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn 46).
454. Selbst wenn man aber mit Blick auf eine mögliche „Rechtsähnlichkeit“ von Untersuchungshaft und einstweiliger Unterbringung die allenfalls in Betracht zu ziehende Vorschrift des § 28 UVollzG NW - über die Verweisung des § 35 Abs. 2 MRVG oder über eine Analogie - für anwendbar halten würde, würde nach Auffassung des Senats auch diese Norm keine ausreichende Grundlage begründen, die den Vorgaben für die Zulässigkeit des Eingriffs entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Denn auch § 28 UVollzG NW genügt – ebenso wie die inhaltlich sogar noch konkreter ausgestaltete Vorschrift des § 6 MVollzG Rh.-Pf., die das Bundesverfassungsgericht in dem o.g. Beschluss vom 23.03.2011 als nicht verfassungsgemäß angesehen hat - nicht den Anforderungen, die an Klarheit und Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage für einen besonders schweren Grundrechtseingriff zu stellen sind. Weder für aktuell oder potentiell betroffene Inhaftierte noch für die zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträger der Maßregelvollzugsanstalt, die einer klaren, Rechtssicherheit vermittelnden Eingriffsgrundlage auch im eigenen Interesse bedürfen, sind die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugszieles aus dem Gesetz erkennbar. So fehlt es schon an einer gesetzlichen Regelung dazu, wie vor einer Zwangsbehandlung das zur Erreichung des Vollzugszieles unabdingbaren Erfordernis krankheitsbedingt fehlender Einsichtsfähigkeit festgestellt und dokumentiert werden soll. Satz 2 der Regelung, wonach die Einrichtung zur zwangsweisen Durchführung von Maßnahmen nach Satz 1 nicht verpflichtet ist, solange von einer freien Willensbestimmung des Untersuchungsgefangenen ausgegangen werden kann, bindet nur die Pflicht, nicht aber auch die Befugnis zu Maßnahmen der Zwangsbehandlung an die Einsichtsfähigkeit des Inhaftierten (vgl. zu einer entsprechenden Regelung in § 6 Abs. 3 MVollzG Rh.-Pf.: BVerfG a.a.O.). Auch fehlt die gesetzliche Regelung wesentlicher zur Wahrung der Grundrechte notwendiger verfahrensrechtlicher Eingriffsvoraussetzungen (Vorgaben zur Dokumentation, verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die sicherstellen, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels eine Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfindet). Die Einschätzung des ärztlichen Dienstes der Haftanstalt oder Einrichtung als „unerlässlich“ ohne Hinzuziehung eines externen Gutachters genügt insoweit nicht. Nicht unproblematisch erscheint insoweit auch, – wie vom Landgericht augenscheinlich für ausreichend erachtet – die Einschätzung der Maßregelvollzugseinrichtung nur durch die im Erkenntnisverfahren beauftragte Gutachterin überprüfen zu lassen. Ob dies ausreicht, hat aber letztlich wiederum allein der Gesetzgeber zu entscheiden und kann nicht den im Einzelfall zur Entscheidung Berufenen überlassen werden.
465. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist von dem objektiven Bemühen getragen, schwere irreversible Schäden für die psychische Gesundheit des Angeklagten zu vermeiden. Auch der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung einer als medizinisch notwendig erachteten Maßnahme dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung bzw. Medikation einen erheblichen gesundheitlichen Schaden nimmt. Ohne verfassungsmäßige gesetzliche Grundlage, die der Gesetzgeber bisher nicht geschaffen hat, ist eine solche Behandlung jedoch nicht zulässig. Insoweit verweist der Senat ergänzend auf die Einschätzung des Bundesgerichtshofs zu der entsprechenden Gesetzeslage im Rahmen des Betreuungsrechts (vgl. BGH MDR 2012, 971 ff. 973).