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1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 22.03.2012 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 12 O 427/11 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
G r ü n d e :
21. Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
3Das angegriffene Urteil ist nicht zu beanstanden.
4Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Aus Ziffer 2 der Vereinbarung vom 07.08.2008 (Anlage K 4, Anlage zum Schriftsatz vom 13.10.2011) lässt sich keine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der im März 2009 ausgezahlten „Erfolgsprämie“ in Höhe von 9.000,- herleiten, denn die Klausel ist gem. § 305 c Abs. 2 im Zweifel so zu verstehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung an die Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der 12 Monate nach Auszahlung der Prämie geknüpft ist und nicht an den Zeitpunkt der Kündigungserklärung. Hier wurde das Vertragsverhältnis aber erst 12 Monate nach Auszahlung der Prämie beendet.
5a) Dabei kann dahinstehen, ob die die Rückzahlungsverpflichtung statuierende Klausel bei der „kundenfeindlichsten“ Auslegung unwirksam ist, weil sie den Handelsvertreter im Sinne des § 307 BGB unangemessen benachteiligt. Eine Rückzahlungsverpflichtung für Sonderzahlungen (Zahlung sowohl für erbrachte Leistungen als auch Belohnung für die in der Vergangenheit erwiesene und/oder die zukünftige Betriebstreue) kann unwirksam sein, wenn sie für einen unangemessen langen Zeitraum vereinbart wird oder aus anderen Gründen unüberschaubar oder unzumutbar ist (Hausch/Fandel in juris-Pk-BGB, 5. Aufl. 2010, § 611 BGB Rz. 201, 206 ff. m.w.N.). Bedenken bestehen hier, weil es sich um eine erhebliche Sonderzahlung handelt (mehr als das Dreifache der monatlichen Provisionsvorauszahlung), die gerade in der Anlaufphase Einkommensdefizite ausgleichen soll und an längst erreichte Mindestziele anknüpft und dennoch auch nach weiteren 12 Monaten der Vertragsbindung voll zurückgezahlt werden soll, gleich aus welchen Gründen und von wem der Vertrag gekündigt wird. Die Klägerin führt selbst an, dass sie mit der Erfolgsprämie auch Einkommensdefizite ausgleichen will, die dadurch entstehen, dass der junge Handelsvertreter in der Anlaufphase an Fortbildungsmaßnahmen teilnimmt und sich mit den Produkten der Klägerin erst vertraut machen muss. Insofern hat der vorliegende Fall Bezüge zu Rückzahlungsklauseln von Aus- und Fortbildungskosten. Diese stellen nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung aber nur dann eine ausgewogene Gesamtregelung dar, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen (BAG, Urteil vom 11.04.2006, 9 AZR 610/05, Urteil vom 21.07.2005, 6 AZR 452/04, juris Rz. 27; Hausch/Fandel in juris-Pk-BGB, a.a.O. Rz. 214). Vorliegend differenziert die Klausel in Ziffer 2 aber nicht danach, aus wessen Sphäre der Kündigungsgrund stammt. Auch erscheint der Zeitraum von 12 Monaten ohne Staffelung der Rückzahlung, gerade weil die Auszahlung der Prämie an bestimmte zuvor zu erreichende Bedingungen geknüpft war, recht lang bemessen (vgl. zu arbeitsrechtlichen Grundsätzen: Hausch/Fandel in juris-Pk-BGB, a.a.O., Rz. 206; BAG, Urteil vom, 24.10.2007, 10 AZR 825/06 zitiert nach juris, LAG München, Urteil vom 10.02.2011, 2 Sa 718/10, juris Rz. 37 ).
6b) Jedenfalls ist die Dauer des Zeitraums, für den die Rückzahlungsverpflichtung gilt, unklar im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB und nach der „kundenfreundlichsten“ Auslegung dahin zu verstehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung entfällt, wenn das Vertragsverhältnis noch zwölf Monate nach Zahlung der Erfolgsprämie fortbesteht.
7Für unterschiedliche Auslegungsvarianten ist entgegen der Auffassung der Klägerin Raum, und die von der Kläger angeführten Urteile stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Sie verhalten sich vielmehr zur Wirksamkeit der Rückzahlungsverpflichtung unter anderen rechtlichen Aspekten. Auf die Differenzierung zwischen Kündigungserklärung und Wirksamwerden der Kündigung/Beendigung des Handelsvertretervertrages im Rahmen von Ziffer 2 der von der Klägerin in einer Vielzahl von Fällen verwendeten Vereinbarung kam es ersichtlich nicht an.
8aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind trotz ihres abstrakt generellen Charakters Vertragsbedingungen, für die die allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB gelten. Bei der nach den §§ 133, 157BGB vorzunehmenden Auslegung ist maßgebend, wie die Erklärung nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte aufzufassen ist. Zunächst ist vom Wortlaut der Erklärung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem darin objektiv zum Ausdruck kommenden Parteiwillen auszugehen. Der Satz „Wenn das Vertragsverhältnis innerhalb der ersten 12 Monate nach Prämienzahlung gekündigt wird, muss die Erfolgsprämie in jedem Fall ganz zurückgezahlt werden“ beschreibt das Gestaltungsrecht „Kündigung“ nur allgemein und differenziert nicht zwischen Kündigungserklärung und Beendigungswirkung. Er lässt beide Auslegungsvarianten zu. Die Kündigung ist zwar eine Willenserklärung, setzt also die Ausübung eines Gestaltungsrechts voraus. Zugleich ist Inhalt einer Kündigung aber der Wille, das Vertragsverhältnis zu einem bestimmten oder bestimmbaren Zeitpunkt zu beenden.
9Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg die Regelung in Ziffer 3 der Vereinbarung vom 07.08.2008 für ihre Auslegung heranziehen. Dort ist zwar geregelt, dass die Vereinbarung und damit die Zahlung der PV (Provisionsvorauszahlung) mit „sofortiger Wirkung“ bei einer Kündigung des Vertretervertrages endet. Ein Zusammenhang zu der „Erfolgsprämie“ in Ziffer 2 wird aber nicht ausdrücklich hergestellt. Vielmehr wird durch den nachfolgenden Satz in Ziffer 3 „Für den Monat, in dem die Kündigung ausgesprochen wird, wird die Provisionsvorauszahlung für diesen Monat letztmalig ausbezahlt“ deutlich, dass es in erster Linie um die monatliche Provisionsvorauszahlung geht, die – da sie auf künftigen Erwerb ausgerichtet ist – bei einem gekündigten Vertreterverhältnis offensichtlich nicht mehr im Interesse der Klägerin ist. Im Gegenteil könnte die ausdrücklich auf die „sofortige Wirkung“ bzw. den „Ausspruch“ der Kündigung abstellende Regelung in Ziffer 3 darauf hindeuten, dass in Bezug auf die Erfolgsprämie gerade etwas anderes gewollt war und für das Behaltendürfen der Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages maßgeblich ist. Dies könnte als Ausgleich dafür gedacht gewesen sein, dass in der Rückzahlungsklausel nicht nach der Person des Kündigenden differenziert wird und bei Anknüpfung an die Kündigungserklärung nicht nur der Kündigungsanlass von der Klägerin geschaffen werden könnte, sondern – da es sich bei den Kündigungsfristen im Vertrag um Mindestfristen handelt – auch der Zeitpunkt der Erklärung relativ frei gewählt und vorverlagert werden könnte.
10bb) Auch im Gesamtkontext der Regelung und Auslegung nach Sinn und Zweck erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auf die Vertragsbindung von 12 Monaten nach Auszahlung abgestellt werden sollte. Denn in Ziffer 2 wird durch die Statuierung bestimmter Mindestziele nach dem 6. Monat und die daran geknüpfte Auszahlung das bereits Erreichte als Grund für die Prämie betont, während sich die Aspekte der Betriebstreue und der Motivation für die Zukunft nur aus der Rückzahlungsverpflichtung vor Ablauf einer Mindestzeit im letzten Satz der Regelung in Ziffer 2 ergeben. Dem berechtigten Interesse der Klägerin daran, dass der Handelsvertreter seine Tätigkeit nicht in unmittelbarer Nähe zum Erhalt der Erfolgsprämie aufgibt, kann aber auch ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass er noch weitere 12 Monate nach Erhalt der Prämie für die Klägerin tätig ist.
11Entsprechend hat offenbar auch der Beklagte die Rückzahlungsregelung verstanden.
12cc) Beide Auslegungsvarianten sind möglich und im Ergebnis vertretbar, so dass für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB erhebliche Auslegungszweifel zu bejahen sind. Diese gehen zu Lasten der Klägerin als Verwenderin der Klausel mit der Folge, dass die vom Beklagten als Verwendungsgegner günstigsten Auslegung vorzunehmen ist, nach der die Kündigung des Beklagten zum 31.03.2010 wegen Ablaufs der 12 Monate keine Rückzahlungsverpflichtung nach Ziffer 2 der Vereinbarung vom 07.08.2008 mehr auslösen konnte.
132. Für die Klägerin besteht Gelegenheit zur Stellungnahme - auch zur Frage der Rücknahme des Rechtsmittels - binnen 3 Wochen ab Zustellung. Abschließend wird auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zwecke der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug angefallenen Gerichtsgebühren hingewiesen.