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Auf die Beschwerde des Kindesvaters, des Beteiligten zu 2., wird der Beschluss des Amtsgerichts Düren – Familiengericht - vom 27.06.2011 – 22 F 389/10 – abgeändert und der Antrag des Annehmenden, des Beteiligten zu 4., auf Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die beantragte Adoption des Kindes M. O. zurückgewiesen.
Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren sowie einer Anordnung zur Kostenerstattung wird abgesehen.
Verfahrenswert: 3000.- €
G r ü n d e
2I.
3Das 2005 geborene Kind, M. O., ist das leibliche Kind des Beteiligten zu 2. und der Beteiligten zu 5. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet und haben nie miteinander gelebt. Das Kind hat immer bei seiner Mutter, der Beteiligten zu 5. gelebt. Diese hat, nach einer ersten, im Jahre 2001 geschiedenen Ehe, im Dezember 2008 den Annehmenden geheiratet. Aus der ersten Ehe stammen zwei bereits erwachsene Kinder. Ihr Kind M. lebt seit 2007 im gemeinsamen Haushalt der Beteiligten zu 4. und 5. Der Annehmende hat aus einer ersten, geschiedenen Ehe einen im Jahr 2000 geborenen Sohn G. H. Der leibliche Vater des betroffenen Kindes hat seine Vaterschaft anerkannt, indes nie Kontakt zu dem Kind gehabt und nie Unterhalt gezahlt. Er befindet sich derzeit in der JVA S. wegen Einbruchsdelikten; mit seiner Entlassung ist 2013 zu rechnen. Einer Adoption seines Sohnes durch den Beteiligten zu 4. widersetzt er sich.
4Das Familiengericht hat nach Anhörung der Beteiligten dem Antrag stattgegeben und die fehlende Einwilligung des Kindesvaters ersetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich das zulässige Rechtsmittel des Kindesvaters.
5II.
6Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist in der Sache erfolgreich. Der Antrag auf Ersetzung der Einwilligung ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Ersetzung nach § 1748 Abs. 4 BGB, der hier zur Anwendung kommt, liegen nicht vor.
7Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung nach § 68 Abs. 3 FamFG entscheiden, weil die Beteiligten in erster Instanz ausführlich angehört worden sind und sich in 2. Instanz nochmals schriftlich äußern konnten. Von einer erneuten Durchführung eines mündlichen Termins waren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
8§ 1748 Abs. 4 BGB verlangt für eine Ersetzung der Einwilligung, dass nach Abwägung aller Umstände, insbesondere der Interessen des Vaters und des Kindes, das Unterbleiben der Annahme zu einem unverhältnismäßigen Nachteil für das Kind führt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann der Senat zum jetzigen Zeitpunkt nicht feststellen.
9Die Ersetzung der Einwilligung eines Vaters, der die elterliche Sorge nicht innehat oder innegehabt hat, verlangt im Fall des § 1626a Abs. 2 iVm. § 1748 Abs. 4 BGB zwar nicht eine gröbliche Pflichtverletzung des die Einwilligung verweigernden Elternteils (Palandt/Diederichsen, 71. Aufl., § 1748 Rz. 12). Gleichwohl ist bei einer Gesamtbetrachtung auch Vorverhalten des nichtehelichen Vaters bewertend zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2006, 827). Das Erfordernis eines unverhältnismäßigen Nachteils ist nicht auf ein bloßes Überwiegen des Kindesinteresses zu reduzieren, sondern muss darüber hinaus gehen (BGH, NJW 2005, 1781).
10Nach den hier gegebenen familiären Umständen lässt sich ein solcher unverhältnismäßiger Nachteil jedenfalls derzeit nicht feststellen.
11Der Senat verkennt nicht, dass zwischen dem Kind und dem Annehmenden eine enge und vertrauensvolle Beziehung besteht, die einem Vater-Sohn-Verhältnis entspricht. Das hat die Anhörung der Beteiligten sowie die Stellungnahme des Jugendamtes ergeben. Danach lebt das jetzt sechsjährige Kind, das zunächst bei seiner Mutter aufgewachsen ist, seit 2007, also seit vier Jahren, mit dieser und dem Annehmenden in einer Gemeinschaft. Die Mutter und der Annehmende sind seit Dezember 2008, also seit drei Jahren verheiratet. Sowohl die Anhörung der Mutter und des Annehmenden, als auch des Kindes hat gezeigt, dass das Kind in dieser Kleinfamilie voll integriert ist und sich dort wohl fühlt. Neben der Mutter hat sich auch ihr zweiter Ehemann, der Annehmende, als verlässliche Bezugsperson erwiesen. Das Kind bezeichnet den Beteiligten zu 4. als Papa mit dem Zusatz „V.“ Seinen leiblichen Vater kennt es nicht; ihm ist auch nicht bewusst, dass es diesen gibt. Vielmehr benennt M. einen Freund der Mutter (T.) als weiteren „Papa“, den es regelmäßig trifft und den es als „richtigen Papa“ bezeichnet. Dieser bleibt nach Darstellung des Kindes auch weiterhin sein „Papa“. Die Kindesmutter erläutert, dass es sich hierbei um ihren Lebensgefährten aus der Zeit der Geburt von M. handle, der sich seit dieser Zeit um M. gekümmert habe.
12Die Auskunft des Jugendamtes bestätigt eine enge und vertraute Beziehung zwischen M. und seinem „Stiefvater“, den Lucas mit dem Vornamen benennt. Der Junge wisse, dass dieser nicht sein echter Vater ist. M. wünscht aber, dass dieser sein neuer Vater werde. Das Jugendamt befürwortet die Adoption, da diese dem Kindeswohl entspreche.
13M. erlebt demnach das Leben in der neuen Familie als voll integriertes Kind ohne irgendwelche Einschränkungen oder Nachteile. Er hat auch gute Beziehungen zu den Angehörigen des Beteiligten zu 4. Diese Familienstruktur kommt seiner Entwicklung zugute.
14Allein dieses positive, enge familiäre Verhältnis zwischen M. und dem Ehemann der Mutter reicht jedoch nicht aus, um die fehlende Einwilligung des Kindesvater ersetzen zu können. Lediglich die Absicht, durch die Adoption eine günstige tatsächliche Situation rechtlich abzusichern, bedeutet nicht automatisch, dass die Adoption ohne weiteres zu befürworten ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob eine solche Absicherung, wie sie hier auch von den „gewollten“ Eltern ausdrücklich in den Vordergrund gestellt wird, im Interesse des Kindes liegt. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Adoption einen so erheblichen Vorteil für das Kind bieten würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil auf der Erhaltung seines Verwandtschaftsbandes nicht bestehen würde (BVerfG, NJW 2006,827; BGH, NJW 2005, 1781). Das ist nach dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall. Der Senat kommt nach Beurteilung sämtlicher Umstände zu dem Ergebnis, dass eine Adoption durch den Annehmenden derzeit nicht dem Wohl des Kindes dient, § 1741 BGB.
15Die geschilderte positive Einbettung des Kindes in die Familie der Mutter und ihres zweiten Ehemanns ist derzeit stabil und gibt M. Halt, was nicht zu verkennen ist. Indes kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich voraussichtlich um eine dauerhafte Situation handelt. Das Zusammenleben der beiden potentiellen Elternteile in dieser Form besteht erst seit vier Jahren, die zweite Ehe der Kindesmutter wurde vor drei Jahren geschlossen. Diese Zeiträume sind angesichts des Lebensalters von M. und dessen Entwicklungszeit sehr kurz. Zu berücksichtigen ist auch, dass sowohl M.´ Mutter wie der Annehmende bereits einmal verheiratet waren. Ob der Annehmende tatsächlich langfristig –möglichst bis M. Volljährigkeit - für diesen Verantwortung übernehmen kann und will, kann nicht abschließend beurteilt werden. Seine Verlässlichkeit muss sich erst zukünftig beweisen. Gewisse Zweifel bestehen derzeit, weil er zu seinem leiblichen ehelichen Kind, das 11 Jahre alt ist, keinerlei Kontakt mehr unterhält, obwohl es ihm als ehelichen Vater rechtlich ohne weiteres möglich wäre, das übliche Umgangsrecht einzufordern, um in Kontakt mit seinem Sohn zu bleiben.
16Auch mit Blick auf den Lebensweg und das Verhalten der Kindesmutter kann nach drei Jahren Ehe nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Beziehung mit dem Annehmenden eine dauerhafte familiäre Situation für M. schafft. Die Kindesmutter hatte nach Scheidung ihrer ersten Ehe 2001 im Jahr 2005, also zeitgleich mit der Beziehung zu Lucas leiblichem Vater, einen weiteren Lebensgefährten. Diese verschiedenen Bindungen der beiden Eheleute lassen offen, ob und in welcher Weise sich ihre Beziehung weiterhin entwickeln wird. Im Fall einer späteren Trennung oder Scheidung bliebe es für M. bei der verwandtschaftlichen Beziehung zum Beteiligten zu 4.. Eine Aufhebung der Adoption käme allein wegen der Trennung oder Scheidung der Eltern nicht in Betracht, sondern ist beschränkt auf die Ausnahmefälle des § 1763 BGB.
17Im Übrigen spricht das weitere Verhalten der Kindesmutter, dass sie den früheren Lebensgefährten (T. ) gegenüber M. als dessen „Papa“ bezeichnet und den Sechsjährigen nicht über seine wahre Herkunft aufgeklärt hat, für ein teilweises Erziehungsversagen der Kindesmutter (vgl. dazu BGH, NJW 2005, 1781). Soweit die Kindesmutter mehrfach betont hat, dass mit der Adoption endlich ein Schlussstrich unter die Beziehung zu dem Beteiligten zu 2. gezogen werden müsse, da sie diese als nur noch negativ erlebe, kann diese Überlegung für die Adoptionsentscheidung keine Rolle spielen. Dieses nachvollziehbare Bedürfnis der Kindesmutter ist für die Frage der Adoption nicht maßgeblich.
18Den Belangen der neuen Familie der Kindesmutter stehen im Übrigen diejenigen des Kindesvaters sowie die vorgegebenen Verwandtschaftsverhältnisse gegenüber. Zwar ist hier kein besonderes Interesse des Kindesvaters auszumachen. Dieser hat es versäumt, ein auch nur oberflächliches Vater-Kind-Verhältnis aufzubauen sowie Unterhalt zu zahlen. Trotz mehrjähriger Inhaftierung hätte er sich auf verschiedenen Wegen darum bemühen können und, während er auf freiem Fuß war, auch nach Erwerbsmöglichkeiten suchen müssen, um Unterhalt zu zahlen. Andererseits wurden ihm Kontakte durch das Verhalten der Kindesmutter erschwert bzw. unmöglich gemacht, die wiederum von Belästigungen und Drohungen seinerseits berichtet hat. Immerhin hat der Kindesvater seine Vaterschaft anerkannt. Wenngleich er für seine Ablehnung der Einwilligung in die Adoption keine über die natürliche Vaterschaft hinausgehenden Gründe anbringen kann, so ist hier schon die leibliche Vaterschaft ein wesentliches Element, das gegen die Ersetzung der Einwilligung spricht. Durch die Adoption würde nämlich die verwandtschaftliche Beziehung des Kindes M. zu seinem Vater endgültig beendet und M. dauerhaft dem Annehmenden als Kind zugeordnet. Der gerade 6-jährige Junge hätte nie die Möglichkeit erhalten, als verständiges Schulkind oder Jugendlicher selbst über Kontakte zu seinem Vater und zur verwandtschaftlichen Beziehung zu entscheiden.
19Dem Senat erscheint es deshalb auch unter diesem Aspekt verfrüht, endgültig eine Adoption auszusprechen bzw. die fehlende Einwilligung zu ersetzen. Hier liegt es im Interesse des Kindes, die Entwicklung in der neuen Familie der Mutter abzuwarten und eine Entscheidung erst dann zu treffen, wenn M. über seine Herkunft informiert worden ist sowie von seinem Alter und Verständnis her in der Lage ist, die Bedeutung der Adoption im Wesentlichen zu erkennen, so dass er sich verständig dazu äußern kann.
20Derzeit ist kein unverhältnismäßiger Nachteil für M. bei Unterbleiben der Adoption erkennbar. Seine Mutter als gesetzliche Vertretung ist rechtlich und tatsächlich in der Lage, für ihn zu sorgen. Er lebt bereits in der neuen Familie. Eine Adoption ändert an den äußeren Verhältnissen nichts. Allein gewisse unangenehme Situationen im Alltag, in denen das Kind nach seinem Vater gefragt wird, rechtfertigen es nicht, diese mit ihren einschneidenden und endgültigen Folgen verbundene Entscheidung für M. anzuordnen. Es ist vielmehr Aufgabe der Kindesmutter, durch Information und Gespräche ihr Kind über seine Herkunft aufzuklären und es auf Fragen nach der Herkunft vorzubereiten.
21Da die Voraussetzungen für eine Adoption nicht vorliegen, fehlt es dementsprechend an einem rechtlichen Grund zur Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters.
22Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.