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Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 1. Oktober 2010 werden die Zwischenverfügungen des Rechtspflegers des Amtsgerichts - Grundbuchamts - Euskirchen vom 16. September 2010, XX-000-0, vom 23. August 2010 sowie 16. September 2010 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung über den Eintragungsantrag der Beteiligten vom 15. Juni 2010 an das Amtsge-richt zurückgegeben.
Das Amtsgericht - Grundbuchamt - Euskirchen wird angewiesen, die Eintragung der Beteiligten zu 2) nicht von den in den Zwischenverfügungen erhobenen Bedenken abhängig zu machen.
G r ü n d e
21.
3Im Grundbuch des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes ist noch die im Jahre 1945 verstorbene Erblasserin eingetragen. Erben sind ausweislich des vom Amtsgerichts Euskirchen, 3 VI 81/90, am 25. Juli 1990 erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins ihre 6 Kinder zu 1/6 Anteil (Kopie des Erbscheins Bl. 30 d.GA.). Sämtliche Kinder sind ebenfalls mittlerweile verstorben. Hinsichtlich der Erben der 6 Kinder sind vom Amtsgericht Euskirchen bzw. Amtsgericht Köln entsprechende Erbscheine erteilt worden, nämlich:
4Zudem befinden sich bei den Grundakten Kopien weiterer Erbscheine betreffend nachverstorbener Erbeserben.
6Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 1999 (Bl. 27 ff. d.GA.) beantragte der für die unbekannten Erben der nachverstorbenen Tochter C. N. L. bestellte Nachlasspfleger "im Hinblick auf die Erbfolgen nach der verstorbenen Erblasserin" die Grundbuchberichtigung. Über diesen Antrag ist ausweislich der dem Senat vorgelegten Akten bisher noch keine Entscheidung des Grundbuchamtes ergangen.
7Unter dem 5. November 2009 erteilte das Amtsgericht Euskirchen, 3 VI 679/09, der Beteiligten zu 1) eine Bestallung zur Nachlasspflegerin "für die unbekannten Erben" der am 30. November 1945 verstorbenen Erblasserin. Ihr Wirkungskreis ist mit "Sicherung und Veräußerung des zum Nachlass gehörenden Grundstücks ..." angegeben. Unter dem 15. Juni 2010 reichte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten eine beglaubigte Abschrift seiner notariellen Urkunde vom 19. Februar 2010 (Urkundenrollen-Nr. 217/2010, Bl. 76 ff. d.GA.) zu den Akten und beantragte die Eigentumsumschreibung. In dieser hatte die Beteiligte zu 1) als "Nachlasspflegerin für die unbekannten Erben" den im Rubrum aufgeführten Grundbesitz an die Beteiligte zu 2) veräußert. Dem Antrag war ein Beschluss des Amtsgerichts Euskirchen vom 23. März 2010, 3 VI 679/09, beigefügt, durch den die Rechtspflegerin die von der Beteiligten zu 1) in der Urkunde abgegebenen Erklärungen gemäß §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1962 BGB nachlassgerichtlich genehmigte.
8Mit Zwischenverfügungen vom 23. August 2010 sowie vom 16. September 2010 forderte der Rechtspfleger des Grundbuchamtes den Notar auf, die Genehmigung des Kaufvertrages seitens der bekannten (Erbes)Erben vorzulegen. Insoweit bezog sich der Rechtspfleger auf eine von ihm angefertigte Aufstellung der Erbfolge nach der verstorbenen Grundstückseigentümerin (vgl. Bl. 97 ff. d.GA.). Gegen diese Verfügung haben die Beteiligten durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 1. Oktober 2010 Beschwerde eingelegt. Dieser hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Akten dem Senat vorgelegt.
92.
10a)
11Für die Entscheidung über die Beschwerde ist nach § 72 GBO in seiner zum 1. September 2009 gemäß Art. 112 Abs. 1 FGG-RG in Kraft getretenen Neufassung das Oberlandesgericht zuständig. Der Antrag der Beteiligten ist am 5. Juni 2010 und damit nach dem Tage des Inkrafttretens der Neuregelung beim Grundbuchamt eingegangen. Die Beschwerde ist zudem nach § 71 Abs. 1, 73 GBO statthaft und zulässig. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Notar das Rechtsmittel entgegen seiner mißverständlichen Formulierung in der Beschwerdeschrift vom 1. Oktober 2010 "lege ich" nicht in eigenem Namen, sondern in Vertretung und Vollmacht der Urkundsbeteiligten erhoben hat.
12b)
13Die Beschwerde hat Erfolg. Die Zwischenverfügung vom 23. August 2010 sowie vom 16. September 2010 sind aufzuheben, da das hierin bezeichnete Eintragungshindernis nicht besteht.
14aa)
15Der Senat teilt zwar die Auffassung des Rechtspflegers, dass aufgrund der vorliegenden Aktenlage gewichtige Bedenken bestehen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die erfolgte Bestellung eines Nachlasspflegers für "die unbekannten Erben" der Erblasserin vorlagen. Nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Grundakten sind die Erben der im Grundbuch eingetragenen Grundeigentümerin namentlich bekannt. Deren Erbrecht wird durch den vom Nachlassgericht Euskirchen in dem Verfahren 3 VI 81/90, am 26. Juli 1990 erteilten Erbschein ausgewiesen. Auch hinsichtlich der Erben der mittlerweile verstorbenen Erben der eingetragenen Grundstückseigentümerin besteht aufgrund der ebenfalls erteilten Erbscheine des Amtsgerichts Euskirchen bzw. Köln Gewissheit. Soweit diese Erbeserben noch leben, liegen somit die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB nicht vor. Unbekannt ist – abgesehen von dem hier nicht gegebenen Fall des Streites mehrerer bekannter Erben über die Gültigkeit einer testamentarischen Anordnung (vgl. Senat, FamRZ 1989, 435 m.w.N.) - ein Erbe nur, wenn über seine Person Unklarheit herrscht. Sollte möglicherweise derzeit der Aufenthalt eines namentlich bekannten Erbens unbekannt sein, so kann allenfalls eine Abwesenheitspflegschaft angeordnet werden (Firsching/Graf, Nachlassrecht, 9. Auflage 2008, Rn. 4.551; Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Auflage 2010, § 1960 Rn. 6).
16Zudem sind, soweit diese Erbeserben bereits verstorben sind, auch deren Erben zumindest teilweise ermittelt. Auch insoweit ergibt sich die Erbfolge aus den bei den Akten befindlichen Erbscheinen. Damit hätte – ausgehend von den dem Senat zur Verfügung stehenden Unterlagen - vorliegend das Nachlassgericht allenfalls hinsichtlich möglicherweise nicht bekannter Mit(erbes)erben eine Teilnachlasspflegschaft anordnen dürfen und dies entsprechend in der Bestallung vermerken müssen (vgl. dazu Firsching/Graf, aaO, Rn. 4.605).
17Der Umstand, dass die Erbengemeinschaft nach der verstorbenen eingetragenen Grundstückseigentümerin mittlerweile aus einer Vielzahl von (bekannten sowie einzelnen unbekannten) Erbeserben besteht, rechtfertigt hingegen nicht die Anordnung einer umfassenden Sicherungsmaßnahme nach § 1960 Abs. 2 BGB für die unbekannten Erben. Der Nachlasspfleger vertritt den unbekannten Erben (vgl. BGH, NJW 1981, 2299/2300; NJW 1983, 226). Es ist daher regelmäßig kein Bedürfnis anzuerkennen, ihm weitergehende Befugnisse einzuräumen, als sie der vertretene (unbekannte) Erbe selbst hätte, wenn er ermittelt wäre und seine Rechte am Nachlass selbst wahrnehmen könnte. Mehrere Erben bzw. Erbeserben bilden eine Erbengemeinschaft nach § 2032 ff. BGB. Gehört – wie hier – zum Nachlass ein Grundstück, so ist es bis zur Nachlassteilung von den Erben gemeinsam zu verwalten, § 2038 BGB. Ist ein Mit(erbes)erbe unbekannt, so ist für seinen Erbteil im Bedarfsfalle ein Nachlasspfleger zu bestellen, der dann bei der Verwaltung des Nachlasses mit den übrigen bekannten Erben den unbekannten Erben vertritt. Eine Ausdehnung der Nachlasspflegschaft auch auf den Erbanteil des oder der bekannten Erben bedarf es nicht (Senat, FamRZ 1989, 435 = NJW-RR 1989, 454).
18bb)
19Jedoch steht weder dem Grundbuchamt noch dem Senat als Beschwerdegericht in der vorliegenden Grundbuchsache eine generelle Befugnis zu, die Entscheidung des Nachlassgerichts zu überprüfen. Bei der Bestellung eines Nachlasspflegers bzw. bei der Erteilung der Genehmigung nach §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1, 1962 BGB handelt es sich um Entscheidungen, die im Verantwortungsbereich des Nachlassgerichts liegen und an die das Grundbuchamt und damit auch der Senat als Beschwerdegericht grundsätzlich gebunden sind. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass eine auf öffentlicher Gewalt beruhende Maßnahme wirksam ist, solange sie Bestand hat, und dass die Bestandskontrolle ausschließlich den nach dem jeweiligen Verfahrensrecht berufenen Stellen obliegt (vgl. Bauer in Bauer/v. Oefele, GBO, 1. Auflage 1999, AT I Rn. 167). Dies gilt auch für rechtsgestaltende Entscheidungen der FamFG-Gerichte, die von diesen im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlassen werden, so zum Beispiel für die Bestellung eines Nachlasspflegers (Keidel/Sternal, FamFG, 16. Auflage 2009, § 1 Rn. 72). Damit darf das Grundbuchamt die Erbfolge nicht selbst feststellen, wenn die Nachlasspflegschaft angeordnet worden ist (Schaub in Bauer/v. Oefele, GBO, 2. Auflage 2006, § 35 Rn. 168 m.w.N.).
20Nur ausnahmsweise darf bzw. muss das Grundbuchamt sowie im Beschwerdeverfahren der Senat eine Fehlerhaftigkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer Entscheidung des Nachlassgerichts berücksichtigen, wenn der Gesetzesverstoß so schwerwiegend ist, dass jedermann ihn erkennen kann, wenn letztlich die Voraussetzungen für die Nichtigkeit der Entscheidung vorliegen (vgl. OLG Jena, NotBZ 2000, 272 für die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters der Erben nach Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB). Hiervon kann vorliegend aufgrund der derzeitigen Aktenlage indes nicht ausgegangen werden. Insbesondere ergeben sich aus den dem Grundbuchamt und dem Senat als Beschwerdegericht vorliegenden Akten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Nachlassgerichts unter Verstoß gegen die maßgeblichen Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, insbesondere das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der namentlich bekannten Erben verletzt worden ist und diese an dem Verfahren nicht beteiligt worden sind (vgl. § 345 Abs. 4 S. 2, S. 3 FamFG).
21c)
22Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es geboten sein dürfte (Art. 103 Abs. 1 GG), vor einer abschließenden Entscheidung über den von den Beteiligten in diesem Verfahren gestellten Eintragungsantrag, den bekannten Mitgliedern der Erbengemeinschaft den Eintragungsantrag zur Kenntnis zu bringen und diesen Gelegenheit zur Beteiligung an dem Verfahren zu geben. Materiell Beteiligter eines grundbuchrechtlichen Verfahrens ist jeder, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamtes unmittelbar betroffen ist. Dieser muss grundsätzlich auch formell am Verfahren beteiligt werden (vgl. Demharter, aaO, § 1 Rn. 30).
23Zudem bedarf es noch einer Prüfung durch das Grundbuchamt, inwieweit der beantragten Eigentumsumschreibung derzeit die Regelung in § 17 GBO entgegensteht. Diese Vorschrift bestimmt die Reihenfolge der Erledigung mehrerer Anträge, die sich auf dasselbe Recht beziehen. Dabei wird der Grundsatz aufgestellt, dass die später beantragte Eintragung nicht vor Erledigung des früher gestellten Antrages erfolgen darf. Sie trägt gemeinsam mit § 45 GBO dem Prioritätsgrundsatz Rechnung (OLG Dresden, VIZ 2000, 238 m.w.N.). Die Art der Eintragungen ist unerheblich; sie können rechtsändernden oder berichtigenden Charakter haben (Demharter, GBO, 27. Auflage 2010, § 17 Rn. 4).
24Zudem hält der Senat es für sachdienlich, das Grundbuchamt – auch für künftige Fälle - darauf hinzuweisen, dass es bei Vorlage einer Beschwerde in einer Grundbuchsache dem Beschwerdegericht mit der Grundakte einen vollständigen aktuellen Grundbuchauszug, also einen Auszug nach dem Stand im Zeitpunkt der Vorlage, beizufügen hat (vgl. § 98 Abs. 3 GBV; Demharter, GBO, § 75 Rn. 13).
253.
26Anlass für eine Kostenentscheidung nach § 81 FamFG besteht nicht.
27Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die vorliegende Entscheidung des Senats (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) sind nicht erfüllt.