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I. Der zwischen den Parteien am 10.12.2009 ergangene Schiedsspruch des Schiedsgerichts bei der Ungarischen Industrie- und Handelskammer in Budapest, bestehend aus Herrn Dr. B. als Vorsitzendem des Rates sowie Frau Dr. F. und Herrn Dr. M. als Schiedsrichtern wird mit folgendem Tenor für vollstreckbar erklärt:
"1. Das Schiedsgericht verpflichtet den Beklagten, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des vorliegenden Beschlusses
a/
- dem Kläger 208.537,22 Euro zurückzuzahlen (in Worten: zweihundertachttausend fünfhundertsiebenunddreißig Euro und zweiundzwanzig Cent) und für diesen Betrag vom 15. August 2006 bis zum Tage der Rückzahlung Verzugszinsen zu zahlen, in der Höhe wie folgt:
vom 15. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 3,454 %, vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 4,03 %, vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 4,733 %, vom 1. Januar 2009 bis zur Zahlung im Dezember 2009 3,025 %, im Falle einer Rückzahlung nach dem 1. Januar 2010 die ab dem 1. Januar 2010 bis zur Zahlung maßgebenden EURIBOR Zinsen,
- und verpflichtet den Kläger, gleichzeitig mit der Zahlung des Beklagten, dem Beklagten die als vertragliche Leistung übergebenen Unterlagen und Software zurückzugeben,
b/
- dem Kläger den Gegenwert der in der Anlage Nr. F/14 der Klageschrift aufgelisteten Hardware- und Software-Posten des A. Systems, insgesamt 238.663 Euro (in Worten: zweihundertachtunddreißigtausend sechshundertdreiundsechzig Euro) und 22.971.056 Forint (in Worten: zweiundzwanzigmillionen neunhunderteinundsiebzigtausend sechsundfünfzig Forint) und Verzugszinsen für diese Beträge, deren Zinssatz folgender ist
für den Betrag in Euro:
vom 15. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 3,454 %, vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 4,03 %, vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 4,733 %, vom 1. Januar 2009 bis zur Zahlung im Dezember 2009 3,025 %, im Falle einer Zahlung nach dem 1. Januar 2010 die ab dem 1. Januar 2010 bis zur Zahlung maßgebenden EURIBOR Zinsen
für den Betrag in Forint:
vom 15. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 13,75 %, vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 15 %, vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007 14,75 %, vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 14,5 %, vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2008 15,5 %, vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 17 %, vom 1. Juli 2009 bis zum Zahltag in 2009 16,5 %, und wenn die Zahlung nach dem 1. Januar 2010 erfolgt, dann ist der gültige Basiszins der Notenbank vom letzten Tag der Zeitperiode vor dem gegebenen Halbjahr + 7 % zu zahlen;
- und verpflichtet den Kläger, gleichzeitig mit der Zahlung durch den Beklagten, dem Beklagten die vorhin bestimmten Hardware- und Software-Elemente zu übergeben,
c/
dem Kläger 180.000.000,- Ft. (in Worten: hundertachtzigmillionen Forint) und nach diesem Betrag vom 31. Dezember 2008 bis zum Tag der Zahlung Verzugszinsen in Höhe von 17 % vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009, vom 1. Juli 2009 bis zum Tag der Zahlung in 2009 16,5 %, und wenn die Zahlung nach dem 1. Januar 2010 erfolgt, dann den gültigen Basiszins der Notenbank vom letzten Tag der Zeitperiode vor dem gegebenen Halbjahr + 7 %;
d/
dem Kläger 3.792.000,- Ft (in Worten: dreimillionen siebenhundertzweiundneunzig Forint) Anwaltskosten und USt. zu zahlen.
Das Schiedsgericht lehnt darüber hinausgehende Forderungen des Klägers ab.
2. Die Gebühr des Schiedsgerichtes beläuft sich auf 13.827.139,- Ft.
Das Schiedsgericht verpflichtet den Beklagten, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Beschlusses dem Kläger 5.531.000 Ft (fünfmillionen fünfhunderteinunddreißigtausend Forint) Gebühr für das Schiedsgericht zu bezahlen, den restlichen Betrag der vom Kläger vorgestreckten Gebühr für das Schiedsgericht trägt der Kläger selbst.
3. Das Schiedsgericht verpflichtet den Kläger, innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Beschlusses dem Beklagten 5.688.000,- Ft (in Worten: fünfmillionen sechshundertachtundachtzigtausend Forint) Anwaltskosten + USt. zu bezahlen."
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
III. Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin plante die Einführung eines integrierten Unternehmensleitungssystems. Zu diesem Zweck wandte sie sich an die Antragsgegnerin, die ihr daraufhin ein umfangreiches Angebot für die Erstellung von Softwaremodulen zu den verschiedenen Geschäftsbereichen unterbreitete. Während der nachfolgenden Vertragsverhandlungen erarbeitete die Antragsgegnerin eine Vertragsdokumentation über die von ihr bereitzustellende Soft- und Hardware, über nach den individuellen Bedürfnissen der Antragstellerin vorzunehmende Programmierarbeiten, über Einweisungs-, Schulungs- und Wartungsmaßnahmen sowie zu den an Hand eines Projektstufenplans festgelegten Zeitpunkten der Einführung der jeweiligen Module.
4Ergänzend hierzu handelten die Parteien von den üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin abweichende "Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen für den Kauf von Hardware, Überlassung von Software sowie Erbringung von Dienstleistungen" (im Folgenden "Allgemeine Vertragsbedingungen") aus, die am 27.03.2006 in der ungarischen Fassung von dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer Dr. K. der Antragstellerin und dem ohne Einzelvertretungsbefugnis ausgestatteten Prokuristen L. der Antragsgegnerin unterzeichnet wurden. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen sahen – anders als die auf deutsches Recht und die Zuständigkeit deutscher Gerichte verweisende Ziffer 15. der regulären "Allgemeinen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen für Kauf von Hardware und Überlassung von Software sowie Erbringung von Dienstleistungen" der Antragsgegnerin – in Ziffer 14.1 die Anwendbarkeit ungarischen Rechts sowie in Ziffer 14.3 als ausschließlichen Gerichtsstand für vertragliche Streitigkeiten das Schiedsgericht bei der Ungarischen Industrie- und Handelskammer vor.
5Am 27.04.2006 paraphierten sodann für die Antragstellerin deren Mitarbeiter Dr. N. die ungarische, der Mitarbeiter Dr. O. die deutsche Fassung sowie der Mitarbeiter P. der Antragsgegnerin beide Versionen der Vertragsdokumentation sowie näher bezeichnete Vertragsanhänge. Als derartige Vertragsanhänge waren unter Ziffer 1. der Vertragsdokumentation unter anderem der Projektstufenplan, eine die verantwortlichen Key-User ausweisende Projektverantwortlichkeitsmatrix, Produktscheine mit vorgedruckten Hinweisen auf die Geltung der regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin sowie des Weiteren "Allgemeine Geschäftsbedingungen" angeführt. Im Hinblick darauf fand sich in der Vertragsdokumentation unter Ziffer 2.7 der Hinweis, dass an Stelle des im Fußteil der Produktscheine enthaltenen Texts die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Wartung von Software und Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Dienstleistungen und Lieferungen als Teile dieses Vertrags" gelten sollten.
6Mit von ihrem Vorstandsvorsitzenden unterzeichnetem Schreiben vom 28.04.2006 bestätigte die Antragsgegnerin den Auftrag vom 27.04.2006 und verwies darauf, dass die Lieferung und Installation der Hardware, Software und Dienstleistungen gemäß den aktuellen Allgemeinen Lieferungs- und Zahlungsbedingungen, den Software- und Wartungsvertragsbedingungen sowie den Geschäftsbedingungen für Dienstleistungen erfolge, die zwischen den Parteien im Gesamtvertrag vereinbart worden seien. Weiterhin gälten die Bedingungen der Vertragsdokumentation vom 27.04. 2006.
7Nach der Installation der ersten vier Softwaremodule seitens der Antragsgegnerin berief sich die Antragstellerin auf deren mangelhafte Funktionsfähigkeit sowie unzureichende Fertigstellung und verlangte von der Antragsgegnerin die Behebung der angeblichen Fehler sowie die Fertigstellung der vier bereits installierten sowie weiterer Module. Unter Berufung darauf, dass von den zwölf vertragsgemäß zu leistenden Modulen trotz mehrfacher Abstimmungen sowie Mängelbeseitigungsversuchen der Antragsgegnerin innerhalb gesetzter Nachfristen nur vier Module teilweise arbeiten würden und der Zeitpunkt der Installation eines funktionsfähigen Systems nicht absehbar sei, trat die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.07.2007 vom Vertrag zurück und verlangte von der Antragsgegnerin die Rückabwicklung des Vertrags sowie Schadenersatz wegen vermeintlichen Vertragsbruchs.
8Die Antragsgegnerin lehnte die Forderungen der Antragstellerin unter Berufung darauf ab, dass etwaige Verzögerungen auf einer unzureichenden Mitwirkung der Antragstellerin sowie mögliche Fehlfunktionen der installierten Module auf Bedienungsschwächen der nicht hinlänglich mit der eingeführten Software vertrauten Anwender beruht hätten. Im Übrigen habe die Antragstellerin vor ihrem Rücktritt keine ordnungsgemäße Nachfrist zur Erbringung der vertraglichen Leistungen gesetzt.
9Die Antragstellerin reichte daraufhin beim Schiedsgericht bei der Ungarischen Industrie- und Handelskammer in Budapest gegen die Antragsgegnerin eine Schiedsklage ein, mit der sie die Rückzahlung bereits geleisteter Vergütungen von 240.787,00 EUR und 2.788.105,00 EUR Forint, Wertersatz für die im Hinblick auf die Vertragsdurchführung angeschaffte Hardware in Höhe von 286.663,00 EUR und 33.874.965,00 Forint, die Erstattung wegen der Unterstützung der Vertragsleistungen der Antragsgegnerin entstandener Kosten über 36.090.000,00 Forint sowie den Ersatz in den Jahren 2007 bis 2009 angeblich entgangenen Gewinns in Höhe von 534.232.000,00 Forint jeweils nebst Zinsen verlangte.
10Auf die Kompetenzbeanstandung der Antragsgegnerin stellte das Schiedsgericht mit Beschluss vom 15.01.2009 seine Zuständigkeit fest. Hierzu führte es aus, die Schiedsvereinbarung sei dadurch wirksam getroffen worden, dass die Antragsgegnerin die von den Parteien abgezeichnete Vertragsdokumentation vom 27.04.2006 mit Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 genehmigt habe. Das von der Antragsgegnerin daraufhin angerufene Hauptstädtische Gericht Budapest bejahte mit Beschluss vom 09.04.2009 gleichfalls die Zuständigkeit des ungarischen Schiedsgerichts.
11Mit Schiedsspruch vom 10.12.2009 verurteilte das Schiedsgericht, bestehend aus Herrn Dr. B. als Vorsitzendem des Rates sowie Frau Dr. F. und Herrn Dr. M. als Schiedsrichtern, unter Abweisung der Schiedsklage im Übrigen die Antragsgegnerin zur Rückzahlung von 208.537,22 EUR nebst im Einzelnen aufgeschlüsselter Zinsen (Ziffer 1.a/ des Schiedsspruchs), zur Erstattung des Gegenwerts in der Schiedsklage aufgelisteter sowie Zug um Zug gegen Zahlung zurückzugebender Hard- und Softwarekomponenten in Höhe von 238.663,00 EUR und 22.971.056,00 Forint zuzüglich näher bezeichneter Zinsen (Ziffer 1.b/ des Schiedsspruchs) sowie zum Ersatz entgangenen Gewinns in Höhe von 180.000.000,00 Forint nebst weiter angegebener Zinsen (Ziffer 1.c/ des Schiedsspruchs). Darüber hinaus wurde die Antragsgegnerin verurteilt, der Antragstellerin Anwaltskosten über 3.792.000,00 Forint nebst Umsatzsteuer (Ziffer 1.d/ des Schiedsspruchs) sowie verauslagte Schiedsgerichtsgebühren in Höhe von 5.531.000,00 Forint (Ziffer 2. des Schiedsspruchs) zu erstatten. Der Antragstellerin ihrerseits wurde wegen ihres Teilunterliegens zur Erstattung von Anwaltskosten über 5.688.000,00 Forint nebst Umsatzsteuer an die Antragsgegnerin verurteilt (Ziffer 3. des Schiedsspruchs).
12Hierzu erläuterte das Schiedsgericht, dass es seine Entscheidung auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien in den eingereichten Schriftsätzen und den mündlichen Verhandlungen sowie der von diesen vorgelegten Schriftstücken getroffen habe. Soweit in Ergänzung der eingereichten Dokumente die Anhörung von Zeugen und die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zusätzlich zu den beiden bereits eingereichten Gutachten beantragt worden sei, sei das Schiedsgericht diesen Beweisangeboten nicht nachgegangen, da tatsächliche Erkenntnisse über die eingereichten Unterlagen hinaus nicht erwartet werden könnten.
13Zur weiteren Begründung seines Schiedsspruchs führte das Schiedsgericht an, die Antragstellerin sei zu Recht vom Vertrag zurückgetreten. An Hand des Parteivortrags und der vorgelegten Vertragsunterlagen, Rechnungen, Sitzungsprotokolle, Erinnerungsvermerke und Schreiben lasse sich feststellen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin eine Frist bis zum 30.06.2007 zur Beseitigung aller an den bis dahin installierten vier Modulen aufgetretenen Mängel gesetzt habe, jene Module aber auch noch nach Fristablauf entgegen den vertraglich vorgesehenen Terminen nicht vollumfänglich fertig gestellt gewesen seien und überdies die bis dahin erbrachten Teilleistungen wesentliche Fehler aufgewiesen hätten. Da ausweislich des Besprechungsprotokolls vom 30.06.2007 auch die Antragsgegnerin einen Bereitstellungsgrad von nur etwa 90 % und damit die Unvollständigkeit der Leistungserbringung anerkannt habe und es auf den genauen Nichterfüllungsgrad nicht ankomme, habe das von der Antragsgegnerin zum Umfang des Bereitstellungsgrads angebotene Sachverständigengutachten nicht eingeholt werden müssen.
14Auf Grund der sich aus den Unterlagen ergebenden Tatsachen könnten die Leistungsverzögerungen und Mängel weder auf Versäumnisse noch auf vom Vertrag abweichende Wünsche der Antragstellerin zurückgeführt werden. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf eine verspätete Benennung der Schlüsselanwender seitens der Antragstellerin berufen, da diese bereits im Vertrag bezeichnet worden seien.
15In Folge des berechtigten Rücktritts habe die Antragsgegnerin der Antragstellerin die von letzterer an sie überwiesene Summe von 208.537,22 EUR zurückzuzahlen. Darüber hinaus habe sie wegen des – in erster Linie in Gestalt des Verzugs – begangenen Vertragsbruchs den Gegenwert der von der Antragstellerin nach Vertragsschluss zur Nutzung des Unternehmensleitungssystems notwendiger Weise erworbenen und auf Grund des Vertragsrücktritts überflüssig gewordenen Software- und Hardwarekomponenten in Höhe von Gesamtbeträgen über 238.663,00 EUR und 22.971.056,00 Forint zu erstatten. Demgegenüber habe die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Unterstützung der Antragsgegnerin angefallene Personalkosten weder detailliert dargelegt noch bewiesen, so dass von einem diesbezüglichen ersatzfähigen Schaden nicht ausgegangen werden könne.
16Darüber hinaus sei auf Grund der von den Parteien vorgelegten Sachverständigengutachten davon auszugehen, dass der Antragstellerin bei Vertragserfüllung ein Vermögensvorteil entstanden wäre, der ihr in Folge des Rücktritts wegen Vertragsbruchs der Antragsgegnerin entgangen sei. Da sich die von den Parteien vorgelegten Gutachten – weil auditierte Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen für die Jahre 2007 bis 2009 nicht zur Verfügung gestanden hätten - nur auf in die Zukunft projizierte Daten eines strategischen Geschäftsplans der Antragstellerin hätten stützen können und einem gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht mehr Daten zur Verfügung gestanden hätten, habe das Schiedsgericht kein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage der entgangenen Vermögensvorteile eingeholt.
17Stattdessen sprach das Schiedsgericht der Antragstellerin gemäß § 359 Abs. 1 des Ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuchs eine allgemeine Entschädigung zu. Insofern sei, so führte das Schiedsgericht aus, zu beachten, dass bei der Feststellung des entgangenen Gewinns nicht der an Hand strategischer Ziele und Pläne beabsichtigte Gewinn, sondern die tatsächlichen Vermögensvorteile, mit denen die Antragstellerin bei Vertragserfüllung habe rechnen können, maßgeblich seien. Soweit der Gutachter der Antragstellerin die mit dem integrierten Unternehmensleitungssystem der Antragsgegnerin verbundenen Vorteile für das Jahr 2008 auf insgesamt 194.855.000,00 Forint beziffert habe, sei die darin einbezogene Verwirklichung von Zielvorgaben deshalb nicht zu berücksichtigen, da der Eintritt der erhofften Ergebnisse von weiteren Faktoren abhängig gewesen sei. Im Hinblick darauf schätzte das Schiedsgericht den der Antragstellerin entgangenen Gewinn für das Jahr 2008 auf 120.000,00 Forint und für die Zeit von der vertraglich vorgesehenen Fertigstellung des letzten Moduls im Juli 2007 bis Ende des Jahres 2007 auf 60.000,00 Forint. Die Ersatzfähigkeit eines entgangenen Gewinns für das Jahr 2009 lehnte das Schiedsgericht unter Verweis darauf ab, dass die Antragstellerin mangels zeitnaher Bemühungen um ein anderes Unternehmensführungssystem gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe.
18Gegen dieses Urteil des Schiedsgerichts reichte die Antragsgegnerin im Februar 2009 beim Komitatsgericht Bács-Kiskun eine Aufhebungsklage ein, die sie darauf stützte, dass das ungarische Schiedsgericht mangels wirksamer Schiedsklausel nicht zuständig gewesen sei und der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung in Ungarn verstoße. Das Komitatsgericht Bács-Kiskun hat die Aufhebungsklage mit Urteil vom 06.07.2010 abgewiesen.
19Die Antragstellerin trägt vor, das ungarische Schiedsgericht sei zur Entscheidung der Streitigkeit gemäß Ziffer 14.3. der Allgemeinen Vertragsbedingungen berufen gewesen. Jene Allgemeinen Vertragsbedingungen, die nach Ziffer 2.7 der Vertragsdokumentation die auf den Produktscheinen der Antragsgegnerin aufgeführten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätten ersetzen sollen, seien Bestandteil der Vertragsdokumentation vom 27.04.2006 gewesen, welche die Antragsgegnerin mit der ihr (der Antragstellerin) sowohl im deutschsprachigen Original als auch in ungarischer Übersetzung übergebenen Auftragsbestätigung vom Folgetag angenommen habe. Eine ungarischsprachige Auftragsbestätigung vom 28.04.2006, in dem die Antragsgegnerin statt auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen auf ihre regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen habe, sei ihr nicht zugegangen.
20Die Übergehung von Beweisanträgen könne die Antragsgegnerin mangels damit einher gehender Verletzung des Grundsatzes auf rechtliches Gehör nicht rügen. Vielmehr unterfalle es der im Rahmen des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung grundsätzlich nicht überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Schiedsgerichts, ob es eine unter Beweis gestellte Tatsache für entscheidungsrelevant erachte. Der Grundsatz vollständiger Beweismittelerschöpfung gelte insbesondere in einem ausländischen Schiedsverfahren nicht. Im Übrigen habe sich das Schiedsgericht ausweislich des Schiedsspruchs mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin und deren Beweisanträgen vollständig und umfassend befasst.
21Die Antragstellerin beantragt,
22die Ziffern 1. und 2. des Schiedsspruchs vom 10.12.2009 für vollstreckbar zu erklären.
23Die Antragsgegnerin beantragt,
24den Antrag zurückzuweisen,
25hilfsweise, Ziffer 3. des Schiedsspruchs vom 10.12.2009 für vollstreckbar zu erklären.
26Sie macht geltend, der Schiedsspruch vom 10.12.2009 sei schon deshalb aufzuheben, weil das Schiedsgericht mangels wirksamer Schiedsvereinbarung der Parteien nicht zuständig gewesen sei.
27Aus dem Wortlaut von Ziffer 2.7 der Vertragsdokumentation ergebe sich nicht hinreichend, dass die die Schiedsklausel enthaltenden Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Anwendung hätten kommen sollen. Ebenso wenig lasse sich dies ihrer deutschsprachigen Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 entnehmen. Vielmehr sei dieses Schreiben dahin auszulegen, dass ihr Vorstandsvorsitzender nicht auf die mit der Antragstellerin am 27.03.2006 individuell ausgehandelten Vertragsbedingungen, sondern auf die von ihr üblicher Weise verwendeten – auch in der Fußzeile der Produktscheine angeführten – Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe Bezug nehmen wollen und die Vertragsdokumentation nur im Übrigen habe gelten sollen. Abgesehen davon habe sie, so behauptet die Antragsgegnerin, in einer in ungarischer Sprache verfassten Rückbestätigung des Vertrags vom 28.04.2006 die Allgemeinen Vertragsbedingungen abgelehnt und erklärt, die Leistung solle nach den Bestimmungen ihrer einschlägigen regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen.
28Darüber hinaus sei die für eine formgültige Schiedsvereinbarung erforderliche Schriftform nicht gewahrt worden. Die am 27.03.2006 unterzeichneten Allgemeinen Vertragsbedingungen hätten kein eigenständiges Vertragsdokument dargestellt, sondern nur einen Teilaspekt der noch zu treffenden Gesamtvereinbarung der Parteien beinhaltet. Die in Ziffer 2.7 auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verweisende Vertragsdokumentation sei demgegenüber nicht mit vollständigen Unterschriften versehen gewesen. Darüber hinaus seien die die Schiedsklausel enthaltenden Allgemeinen Vertragsbedingungen kein integraler, mit dieser fest verbundener Bestandteil der Vertragsdokumentation gewesen.
29Des Weiteren habe das Schiedsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es verfahrensfehlerhaft Beweisanträge übergangen und stattdessen eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen habe.
30So habe das Schiedsgericht von Zeugenanhörungen sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Grund der ungerechtfertigten Prognose abgesehen, dass durch die Beweiserhebung keine neuen Erkenntnisse über die vorgelegten Schriftstücke hinaus zu erwarten seien. Auf Grund dieses Versäumnisses sei das Schiedsgericht an Hand der eingereichten Unterlagen zu der Erkenntnis gelangt, dass ein Verzug der Antragsgegnerin und die von dieser gerügten Fehler nicht auf unterlassene Mitwirkungshandlungen oder auf neue, ursprünglich nicht vereinbarte Vorgaben der Antragstellerin zurückzuführen gewesen sei. Tatsächlich hätte die Einholung der von ihr (der Antragsgegnerin) angebotenen Beweise indes zu einer anderen Entscheidung des Schiedsgerichts geführt.
31Die von ihr mehrfach angebotenen und zu den Terminen zur mündlichen Verhandlung gestellten Zeugen P. und C. hätten bekunden können, dass die eingetretene zeitliche Verzögerung auf vom Vertrag abweichende Wünsche der Antragstellerin sowie auf deren verspätete Benennung der tatsächlich am Projekt beteiligten, erst nach Vertragsschluss eingestellten Key User zurückzuführen sei.
32Darüber hinaus habe sie beantragt, die Stellungnahme eines unabhängigen Sachverständigen für Informatik dazu einzuholen, dass die Module zum Zeitpunkt der Übergabe und des Rücktritts fertig gestellt gewesen seien, keine wesentlichen Mängel aufgewiesen hätten und unter Berücksichtigung dessen von einer Vertragserfüllung gesprochen werden könne. Ein vom Schiedsgericht beauftragter Sachverständiger wäre zu dem Ergebnis gelangt, dass die vier ersten Module bei ihrer Übergabe wie auch zur Zeit des Rücktritts der Antragsgegnerin nahezu fertig gestellt sowie etwaige Mängel - sofern vorhanden - weder relevant noch aus Sicht des Betriebs kritisch gewesen seien und die von der Antragstellerin als noch offen angeführten Punkte gegenüber den Vertragsbestimmungen als neue Anforderungen hätten betrachtet werden müssen. Das Schiedsgericht habe indessen, obwohl dies für die Entscheidung des Rechtsstreits von entscheidender Bedeutung gewesen sei, nicht geprüft, inwieweit die im Moment des Rücktritts vorhandenen Mängel relevant und aus Sicht des Betriebs kritisch gewesen seien.
33Hinweggesetzt habe sich das Schiedsgericht schließlich auch über ihren Antrag, zur Höhe eines vermeintlichen Schadens der Antragstellerin die Stellungnahme eines unabhängigen Buchprüfers einzuholen. Bei seiner Begründung, einem dritten Sachverständigen hätten keine weiteren Fakten als den beiden anderen im Verfahren bereits tätig gewordenen Gutachtern zur Verfügung gestanden, habe das Schiedsgericht außer acht gelassen, dass ein von ihm bestellter unabhängiger Sachverständiger – anders als der auf Grund selektiver Vorgaben tätig gewordene Privatgutachter der Antragstellerin – in sämtliche Bücher und sonstige für die relevanten Finanzdaten der Antragstellerin bedeutsamen Unterlagen hätte Einsicht nehmen können. Im Hinblick darauf habe sie (die Antragsgegnerin) die Heranziehung eines unabhängigen Buchprüfers beantragt, um die – von den vom Privatgutachter der Antragstellerin ermittelten Werten abweichenden - wahren Zahlen zu ermitteln und die erheblichen Unterschiede zwischen den von den Parteien eingeholten Privatgutachten aufzulösen. Stattdessen habe das Schiedsgericht unzulässiger Weise die vom Privatgutachter der Antragstellerin angegebenen Zahlen – deren Richtigkeit sie, die Antragsgegnerin, bestritten habe - zu Grunde gelegt und die möglichen Erkenntnisse eines unabhängigen Buchprüfers vorab als nicht weiterführend gewertet.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35II.
36Der Schiedsspruch vom 10.12.2009, auf den Bezug genommen wird (Bl. 24 ff. GA), war antragsgemäß für vollstreckbar zu erklären. Nach § 1061 Abs. 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10.06.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (im Folgenden UNÜ).
37Gemäß Art. II Abs. 1, 2 UNÜ liegt eine formwirksame Schiedsvereinbarung vor, wenn eine Schiedsklausel in einem von den Parteien unterzeichneten Vertrag, einer von ihnen unterzeichneten Schiedsabrede oder zwischen ihnen gewechseltem Schriftverkehr enthalten ist. Diesen Anforderungen haben die Parteien im Rahmen der jeweils abgezeichneten Dokumente Genüge getan.
40Die Parteien haben eine schriftliche Vereinbarung im Sinne des Art. II Abs. 2 UNÜ getroffen, indem die Antragstellerin am 27.04.2006 die – auf die Allgemeinen Vertragsbedingungen einschließlich des in Ziffer 14.3 enthaltenen ungarischen Schiedsgerichtsstands verweisende – Vertragsdokumentation im Beisein des Mitarbeiters R. der Antragsgegnerin paraphiert und die Antragsgegnerin die Allgemeinen Vertragsbedingungen mit deutschsprachiger Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 akzeptiert hat.
41Damit ein Austausch von Dokumenten den Anforderungen des Art. II Abs. 2 UNÜ genügt, muss der Wortlaut der Schiedsklausel nicht jeweils textlich wiederholt oder diese speziell erwähnt werden. Es genügt vielmehr, wenn in den jeweiligen Schriftstükken zum Ausdruck kommt, dass die darin enthaltenen Erklärungen auch die Schiedsklausel abdecken (vgl. Schlosser in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage, Anhang § 1061 Rn. 52; Adolphsen in: Münchener Kommentar, ZPO, 3. Auflage, § 1061 Anh. 1 Art. II UNÜ Rn. 14 f.). Schiedsvereinbarungen können deshalb auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen getroffen werden, sofern in den Schriftstücken auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bezug genommen wird und letztere beigefügt sind, den Parteien bereits vorliegen oder zumindest eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG vom 30.03.2000 – 16 SchH 5/99 – Rn. 36, zitiert nach juris; Adolphsen a.a.O. Rn. 19; Geimer in: Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 1031 Rn. 24). Die wechselseitigen Schriftstücke der Parteien stehen mit diesen Erfordernissen in Einklang.
42So hat der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Antragstellerin (ebenso wie der Prokurist Kochs der Antragsgegnerin) bereits am 27.03.2006 die zwischen den Parteien ausgehandelten Allgemeinen Vertragsbedingungen unterzeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass diese – einschließlich der darin unter Ziffer 14.3 enthaltenen Schiedsklausel - bei dem nachfolgendem Vertragsschluss Gültigkeit erlangen sollten. Dementsprechend sind in der am 27.04.2006 von beiden Seiten paraphierten Vertragsdokumentation als Anhang und damit als Bestandteil des Vertrags - neben den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Software-Wartung und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Dienstleistungen und Lieferungen - unter Ziffer 1.10 nicht näher eingegrenzte weitere "Allgemeine Geschäftsbedingungen" ausgewiesen worden. Insofern behauptet auch die Antragsgegnerin nicht konkret, dass es sich bei den unter Ziffer 1.10 erwähnten "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" um andere als die zwischen den Parteien ausgehandelten Allgemeinen Vertragsbedingungen gehandelt habe.
43Dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen Bestandteil der von den Parteien paraphierten Vertragsdokumentation waren, ergibt sich zudem aus deren Ziffer 2.7.. Der Wortlaut dieser als Vertragsergänzung ausgewiesenen Klausel lässt darauf schliessen, dass sich die vertraglichen Beziehungen der Parteien nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen richten sollten. Ausweislich der von der Antragsgegnerin veranlassten Übersetzung lautet Ziffer 2.7. der Vertragsergänzung wie folgt:
44"An Stelle des Texts im Fußteil der Produktscheine: "Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Wartung von Software und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Dienstleistungen und Lieferungen, die Teile dieses Vertrags zwischen der A. AG und der Q. Kft. sind." "
45Durch diese Formulierung wird deutlich, dass nicht die - auf den als Vertragsanhang aufgeführten und der Vertragsdokumentation beigefügten Produktscheinen angeführten - regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin, sondern spezielle Allgemeine Geschäftsbedingungen Geltung erlangen sollten. Auch wenn diese besonderen Regelungen nicht entsprechend den Allgemeinen Vertragsbedingungen als "Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen für den Kauf von Hardware, Überlassung von Software sowie Erbringung von Dienstleistungen" bezeichnet worden sind, war für die Parteien hinreichend deutlich, dass hiermit die zuvor ausgehandelten Allgemeinen Vertragsbedingungen gemeint waren. Dass im Verhältnis der Parteien noch andere als jene am 27.03.2006 festgelegten Regelungen im Raum standen, ist nicht ersichtlich. Dann aber konnte sich der Verweis auf die Geltung anderer als der regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin aus Sicht der Parteien auf keine anderen als die Allgemeinen Vertragsbedingungen beziehen. Dies ergab sich nicht zuletzt daraus, dass jene Regelungen bereits einen Monat zuvor verhandelt und abgezeichnet worden waren. Dafür, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen nach dem Willen der Parteien nichts desto trotz nunmehr keine Gültigkeit entfalten sollten, sind keine Anhaltspunkte erkennbar.
46Letztlich beruft sich auch die Antragsgegnerin lediglich auf bestehende Unklarheiten bei Auslegung der Vertragsdokumentation, ohne sich dazu zu erklären, welcher (abweichende) Erklärungsgehalt dem Verweis auf die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" in Ziffer 1.10 der Vertragsanhänge sowie Ziffer 2.7. der Vertragsdokumentation zukommen sollte. Dies wäre jedoch geboten gewesen, hat doch der Mitarbeiter P. der Antragsgegnerin die Vertragsdokumentation ausweislich des dort ausgewiesenen Vermerks verfasst und am 27.04.2006 paraphiert.
47Die Überlassung der von der Antragstellerin am 27.03.2006 unterzeichneten Allgemeinen Vertragsbedingungen sowie der die Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Vertragsbestandteil erklärenden und am 27.04.2006 paraphierten Vertragsdokumentation genügt den Anforderungen an ein Schriftstück im Sinne des Art. II Abs. 2 UNÜ. Insofern ist unschädlich, dass die Antragstellerin die Vertragsdokumentation nur paraphiert hat. Eine Unterzeichnung ist für eine Schriftlichkeit im Rahmen des Austauschs von Dokumenten nicht erforderlich (vgl. Adolphsen a.a.O. Rn. 15; Schlosser a.a.O. Rn. 52). Ebenso unerheblich ist, ob die Allgemeinen Vertragsbedingungen mit der paraphierten Vertragsdokumentation verbunden waren, da den Parteien diese in der am 27.03.2006 verhandelten Version bereits zur Verfügung standen.
48Im Übrigen sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Vertragsdokumentation als Vertragsanhang beigefügt waren. So hat die Antragsgegnerin Exemplare der Vertragsdokumentation in deutscher und ungarischer Sprache vorgelegt, denen die darin erwähnten paraphierten Anhänge beiliegen und unter denen sich in laufender Nummerierung (Nrn. 130-138 der deutschen Fassung sowie Nrn. 109-116 der – anders sortierten - ungarischen Fassung) die ebenfalls mit Paraphen versehenen Allgemeinen Vertragsbedingungen finden. Sofern die Antragsgegnerin anzweifelt, dass die Nummerierung auf dem ursprünglichen Dokument enthalten war, und eine nachträgliche Hinzufügung vermutet, hat das Komitatsgericht Bács-Kiskun in seinem Urteil vom 06.07.2010 als unstreitig festgehalten, dass der Mitarbeiter P. der Antragsgegnerin die Vertragsdokumentation durchnummeriert hat. Diesen Umstand hat die Antragsgegnerin nicht konkret als unrichtig gerügt.
49Der Austausch von auf die Schiedsklausel Bezug nehmenden Dokumenten im Sinne des Art. II Abs. 2 UNÜ ist vollendet worden, als die Antragsgegnerin der Antragstellerin im Anschluss an den Erhalt der paraphierten Vertragsdokumentation nebst Allgemeinen Vertragsbedingungen die in deutscher Sprache verfasste und von ihrem Vorstandsvorsitzenden unterschriebene Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 hat zukommen lassen. In diesem Schreiben hat die Antragsgegnerin erklärt, die Leistungserbringung erfolge gemäß den Vertrags- und Geschäftsbedingungen, die zwischen den Parteien im Gesamtvertrag vereinbart worden seien. Jene Erklärung verwies aus Sicht der Antragstellerin angesichts der Erwähnung der Vertragsvereinbarungen der Parteien auf die zuvor ausgehandelten sowie von der am Vortag paraphierten Vertragsdokumentation umfassten Allgemeinen Vertragsbedingungen und damit auch auf die darin in Ziffer 14.3 enthaltene Schiedsklausel. Für eine diesbezügliche Bezugnahme sprach für die Antragstellerin weiter, dass in der Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 jegliche Erläuterung fehlte, dass und warum die zwischen den Parteien zuvor im Einzelnen ausgehandelten, am 27.03.2006 unterzeichneten und am Vortag in die paraphierte Vertragsdokumentation einbezogenen Allgemeinen Vertragsbedingungen keine Gültigkeit mehr besitzen sollten.
50Unter diesen Umständen musste sich der Antragstellerin ein abweichender Erklärungsgehalt der deutschsprachigen Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 dergestalt, dass die Antragsgegnerin abweichend von den vorherigen Verhandlungsergebnissen nunmehr doch ihre regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Vertragsgrundlage machen wollte, nicht aus der konkreten Bezeichnung der geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufdrängen. Die von der Antragsgegnerin gewählte Bezeichnung stimmte im Wesentlichen mit den in den Ziffern 1.10 bis 1.12 und 2.7. der Vertragsdokumentation gewählten Formulierungen überein, in denen die Allgemeinen Vertragsbedingungen sowie die weiteren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ebenfalls nicht vollständig korrekt wiedergegeben worden waren.
51Ebenso wenig musste sich der Antragstellerin eine Bezugnahme der Antragsgegnerin auf ihre regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen daraus erschließen, dass letztere in ihrer deutschsprachigen Auftragsbestätigung auf die "aktuellen" Vertrags- und Geschäftsbedingungen Bezug genommen hat. Eine solche Formulierung konnte zwanglos auch darauf hindeuten, dass die im Rahmen der Vertragsverhandlungen zuletzt festgelegten Allgemeinen Vertragsbedingungen maßgeblich sein sollten.
52Ein für die Antragstellerin ersichtlicher Verweis auf die regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin an Stelle der zwischen den Parteien zuvor festgelegten Allgemeinen Vertragsbedingungen folgte schließlich nicht daraus, dass die Antragsgegnerin in der deutschsprachigen Auftragsbestätigung vom 28.04. 2006 im Anschluss an den Verweis auf die Vertrags- und Geschäftsbedingungen erklärt hat, weiterhin gälten die Bedingungen der Vertragsdokumentation vom 27.04.2006. Eine Abgrenzung zwischen dem erwähnten "Gesamtvertrag" und der angeführten "Vertragsdokumentation" ergab sich daraus schon deshalb nicht, weil die Parteien keine zwei Verträge abgeschlossen hatten. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin eingangs der Auftragsbestätigung ausschließlich auf den Auftrag vom 27.04. 2006 Bezug genommen. Die vorgenannten Ausführungen der Antragsgegnerin konnte die Antragstellerin deshalb ohne Weiteres dahin verstehen, dass neben den ausdrücklich hervorgehobenen – bereits am 27.03.2006 festgelegten – Allgemeinen Vertragsbedingungen auch die weiteren am 27.04.2006 verbindlich festgelegten Bestimmungen in der Vertragsdokumentation gelten sollten.
53Demnach ist die der Antragstellerin übergebene deutschsprachige Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 dahin auszulegen, dass die Antragsgegnerin darin die Geltung der ihr vorliegenden Allgemeinen Vertragsbedingungen – und damit auch der darin in Ziffer 14.3 enthaltenen Schiedsklausel – akzeptiert hat. Dann aber liegt angesichts des wechselseitigen Austauschs von die Schiedsabrede als verbindlich ansehender Dokumente eine schriftliche Schiedsvereinbarung im Sinne des Art. II Abs. 1, 2 UNÜ vor. Sofern sich die Antragsgegnerin darauf beruft, sie habe in einer der Antragstellerin übersandten ungarischsprachigen Auftragsbestätigung vom 28.04.2006 die Allgemeinen Vertragsbedingungen abgelehnt und erklärt, die Leistung solle nach ihren regulären Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen, ist sie für den – von der Antragstellerin bestrittenen - Zugang eines solchen Schreibens beweisfällig geblieben.
54b) Ein Grund, die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs zu versagen, liegt auch nicht in Gestalt einer Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public (Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ) vor. Von einem derartigen Verstoß ist auszugehen, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in solchem Maße abweicht, dass sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (vgl. OLG Köln a.a.O. Rn. 26; Reichold a.a.O. § 1059 Rn. 16). Voraussetzung dafür ist die Unterschreitung von Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit (vgl. OLG Köln a.a.O.; Geimer a.a.O. § 1061 Rn. 31 f.).
55Zu den danach unabdingbaren Verfahrensregeln im Sinne des ordre public zählt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl. BGH NJW-RR 2002, 1151; Hüßtege in: Thomas/Putzo a.a.O. § 328 Rn. 18). Die Nichtgewährung des in Art. 103 Abs. 1 GG garantierten rechtlichen Gehörs kann dabei neben einem zur Aufhebung des Schiedsspruchs führenden Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public gemäß Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ auch einen Aufhebungsgrund wegen verfahrensrechtlicher Behinderung und Mängeln des schiedsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. V Abs. 1 lit. b), d) UNÜ darstellen, ohne dass letzterer eine Spezialregelung darstellt (vgl. Geimer a.a.O. § 1059 Rn. 40, 48, 68; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage, Kap. 15 Rn. 1, Kap. 57 Rn. 8).
56Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Dabei ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Schiedsgericht den Parteivortrag geistig verarbeitet hat. Ein Verstoß gegen das Gebot, Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, lässt sich folglich nur feststellen, wenn sich aus den Entscheidungsgründen des Schiedsspruchs klar ergibt, dass ein nicht von der Hand zu weisender, tatsächlich oder rechtlich im Vortrag der Parteien zentral wichtiger Punkt vom Schiedsgericht geistig überhaupt nicht verarbeitet worden ist (vgl. BGH NJW 1992, 2299; 1990, 2199, 2200; Schlosser a.a.O. Rn. 95). Nach diesen Grundsätzen kommt eine Aufhebung des Schiedsspruchs mangels verfahrensrelevanter Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör vorliegend nicht in Betracht.
57Dieser Umstand begründet indessen keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Dabei kann offen bleiben, ob die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Übergehens eines Beweisantrags regelmäßig einen unzulässigen Eingriff in die Tatsachenwürdigung des Schiedsgerichts darstellen würde (so BGH NJW 1966, 549). Jedenfalls ist zu berücksichtigen, dass eine antizipierte Beweiswürdigung und eine daraus abgeleitete Ablehnung eines Beweisantrags bei einem Schiedsgericht in größerem Umfang als bei einem staatlichen Gericht zulässig ist (vgl. Geimer a.a.O. § 1042 Rn. 34; tendenziell auch Schwab/Walter a.a.O. Rn. 8). Dies ergibt sich auch aus § 1042 Abs. 4 S. 2 ZPO sowie aus § 35 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Schiedsgerichts bei der Ungarischen Industrie- und Handelskammer und dem dem Schiedsgericht insoweit eingeräumten Ermessen bei der Beweiserhebung und –würdigung. Dementsprechend gilt der Grundsatz vollständiger Beweismittelerschöpfung im Schiedsverfahren, vor allem auch in ausländischen Verfahren, nicht. Schiedsgerichte können deshalb nach Ermessen die Beweisaufnahme abbrechen, wenn sie sich für hinreichend informiert halten (vgl. OLG Köln vom 21.11. 2008 – 19 Sch 12/08 – Rn. 32, zitiert nach juris; Schlosser a.a.O. Rn. 98). Dem zu Folge stellt das Übergehen von Beweisanträgen, wenn dem Schiedsgericht deren Berücksichtigung zur Wahrheitsfindung nicht mehr geboten erscheint, weil es den streitigen Sachverhalt bereits als hinreichend geklärt betrachtet, keine bedeutsame Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs dar (vgl. BGH vom 21.12.1989 – III ZR 44/89 – Rn. 5, zitiert nach juris; OLG Köln a.a.O.).
59Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend nicht von einem Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs auszugehen. Das Schiedsgericht hat die zur Schiedsakte gereichten Dokumente ausweislich des Schiedsspruchs einer umfangreichen Auswertung unterzogen. Dabei hat es in seine Würdigung von der Antragsgegnerin herrührende Unterlagen wie diverse Protokolle über Sitzungen in Anwesenheit ihres Mitarbeiters R., zwei Schreiben jenes Mitarbeiters sowie ein Erinnerungsprotokoll des Mitarbeiters V. der Antragsgegnerin einbezogen, in denen Ausführungen über den Stand der Arbeiten der Antragsgegnerin, die Gründe für aufgetretene Verzögerungen und die weitere Vorgehensweise enthalten waren. An Hand dieser aus seiner Sicht aussagekräftigen Unterlagen hat das Schiedsgericht die Überzeugung gewonnen, dass eine Vernehmung der Zeugen R. und W. keine von den schriftlich dokumentierten Ursachen der Projektverzögerung abweichenden Gründe zu Tage fördern würde. Hat sich das Schiedsgericht aber demnach mit den von der Antragsgegnerin eingereichten und/oder von dieser herrührenden Schriftstücken auseinandergesetzt, so kann nicht angenommen werden, dass der Antragsgegnerin die Einflussnahme auf das Schiedsverfahren dergestalt verwehrt worden ist, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliegt und/oder das Schiedsgericht die ihm eingeräumte Entscheidungsbefugnis willkürlich überschritten hat. Vielmehr ist die Verneinung der weiteren Beweisbedürftigkeit eine Sachentscheidung des Schiedsgerichts, die – sei sie inhaltlich richtig oder nicht – von den staatlichen Gerichten zu respektieren ist (Verbot der révision au fond, vgl. BGH NJW 1992, 2299, 2300; OLG Frankfurt vom 13.09.2007 – 26 Sch 10/07 – Rn. 20, zitiert nach juris).
60Soweit die Antragsgegnerin weiter geltend macht, der Zeuge P. habe bestätigen können, dass die Antragstellerin die am Projekt tatsächlich beteiligten Key User auf Grund deren Anstellung erst nach Vertragsschluss verspätet benannt und dadurch zur Verzögerung der Leistungen der Antragsgegnerin beigetragen habe, findet sich ein diesbezüglicher Beweisantritt in den von der Antragsgegnerin angegebenen Schriftsätzen nicht. Im Rahmen des entsprechenden Sachvortrags in der Klageerwiderung hat die Antragsgegnerin ein solches Beweisangebot jedenfalls nicht unterbreitet. Im Übrigen hat sich das Schiedsgericht mit der entsprechenden Behauptung der Antragsgegnerin im Schiedsspruch auseinandergesetzt und sie im Hinblick auf die bereits im Vertrag erfolgte Benennung der Schlüsselanwender für unerheblich gehalten. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Bewertung ist im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs wegen des Verbots der révision au fond grundsätzlich nicht zu prüfen.
61Fraglich erscheint bereits, ob das Übergehen eines Beweisantrags überhaupt einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs begründen kann, oder ob es sich bei der Nichtberücksichtigung eines Beweismittels nicht vielmehr um einen im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nicht rügefähigen Mangel der Sachverhaltsfeststellung handelt (so BGH vom 29.09.1983 – III ZR 213/82 – Rn. 18, zitiert nach juris; BGH NJW 1966, 549; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 24 Rn. 14). Selbst wenn Art. 103 Abs. 1 GG indessen bei Nichtbeachtung eines erheblichen Beweisantrags verletzt sein sollte, so obliegt die Beurteilung der Entscheidungsrelevanz einer unter Beweis gestellten Behauptung der autonomen Einschätzung des Schiedsgerichts. Dessen Beurteilung kann vom staatlichen Gericht wegen der Unzulässigkeit einer sachlichen Nachprüfung des Schiedsspruchs (Verbot der révision auf fond) selbst dann nicht in Frage gezogen werden, wenn die Einschätzung des Schiedsgerichts zur Entscheidungsunerheblichkeit eines Tatsachenvortrags fehlerhaft war (vgl. OLG München vom 29.10.2009 – 34 Sch 15/09 – Rn. 24; OLG Frankfurt vom 13.09.2007 – 26 Sch 10/07 – Rn. 20, 25; jeweils zitiert nach juris; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage, Kap. 14 Rn. 1340, 1342). Etwas anderes gilt lediglich, wenn die Beurteilung des Schiedsgerichts nur vorgeschoben ist, um zu verdecken, dass es sich mit dem Vorbringen der Partei überhaupt nicht befasst hat (vgl. Geimer a.a.O. § 1042 Rn. 11, 11a, 30, § 1059 Rn. 40). Dem zu Folge kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nur vorliegen, wenn das Schiedsgericht einen Beweisantrag gar nicht erst in Erwägung gezogen hat, weil es das zu Grunde liegende tatsächliche Vorbringen nicht als zu erwägenden und zu verbescheidenden Parteivortrag entgegen genommen hat, oder wenn das Schiedsgericht einen Beweisantrag absichtlich oder versehentlich übergeht, obwohl es ihn als erheblich ansieht oder - bei Übersehen – als erheblich ansehen würde (vgl. BGH NJW 1992, 2299; OLG Köln vom 21.11.2008 – 19 Sch 12/08 – Rn. 32, OLG Frankfurt vom 24.11.2005 – 26 Sch 13/05 – Rn. 30, jeweils zitiert nach juris; Schwab/Walter a.a.O. Kap. 15 Rn. 9 a.E.).
63Nach diesen Grundsätzen hat das Schiedsgericht durch die mangelnde Einholung eines Gutachtens eines IT-Sachverständigen den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör nicht unzulässig beschnitten. So hat es auf Grund des eigenen Vorbringens der Antragsgegnerin, dass zum Zeitpunkt des Rücktritts lediglich ein Erfüllungsgrad von 91,52 % erreicht gewesen sei, in tatsächlicher Hinsicht als unstreitig angesehen, dass das vertraglich vorgesehene Fertigstellungsstadium nicht erreicht war. Diesen Umstand der nicht vollständigen Erfüllung hat es zur Grundlage seiner rechtlichen Einschätzung gemacht, dass der – in erster Linie aus einem Verzug der Antragsgegnerin hergeleitete - Rücktritt der Antragstellerin gerechtfertigt war. Des Weiteren hat das Schiedsgericht dem vom Mitarbeiter R. der Antragsgegnerin gefertigten Besprechungsprotokoll vom 02.07.2007 entnommen, dass die Antragsgegnerin das damalige Vorhandensein kritischer Fehler zugestanden habe, und seine rechtliche Bewertung im Folgenden daran ausgerichtet, dass nicht sämtliche Module fehlerfrei betrieben werden konnten. Dann aber hat das Schiedsgericht die Einholung des von der Antragsgegnerin gegebenenfalls beantragten Sachverständigengutachtens von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht für geboten gehalten.
64In der von der Antragsgegnerin angeführten Vorbereitungsschrift vom 15.06.2009 hat diese allerdings beantragt, durch einen IT-Sachverständigen prüfen zu lassen, ob die von der Antragstellerin als noch offen ausgewiesenen Punkte von den ursprünglichen vertraglichen Vorgaben umfasst waren. Auch nach den Ausführungen des Schiedsgerichts im Schiedsspruch war es für den von der Antragstellerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch von Belang, ob vom Vertrag abweichende Vorgaben der Antragstellerin zur Verzögerung der Modulerstellung seitens der Antragsgegnerin beigetragen haben. Dem Gesamtzusammenhang des Schiedsspruchs lässt sich entnehmen, dass das Schiedsgericht nach Auswertung der von den Parteien zur Akte gereichten Unterlagen und den danach auch von der Antragsgegnerin vorgebrachten Gründen für die aufgetretenen Verzögerungen die Erkenntnis gewonnen hat, dass die zur Zeit des Rücktritts noch bestehenden Leistungsrückstände nicht maßgeblich auf neue Vorgaben der Antragstellerin zurückzuführen waren. Die daraus resultierende Einschätzung des Schiedsgerichts, dass ein Sachverständiger angesichts der damaligen eigenen Angaben der Antragsgegnerin keine anderweitigen Feststellungen werde treffen können, beruhte demnach auf der umfangreichen Auseinandersetzung des Schiedsgerichts mit den zur Akte gereichten Unterlagen. Unter diesen Umständen hat das Schiedsgericht nicht willkürlich von der Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens abgesehen. Dann aber kann von einer – einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public begründenden – Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht ausgegangen werden.
65Den vorgelegten Schriftsätzen der Antragsgegnerin lässt sich schon nicht entnehmen, dass diese die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Hinblick darauf beantragt hat, dass die vom Privatgutachter der Antragstellerin überprüften Buchhaltungsunterlagen angeblich unrichtig oder unvollständig seien. Ausweislich des Schiedsspruchs hat der Privatgutachter der Antragstellerin seine Berechnungen nicht an den buchhalterisch erfassten vergangenen Geschäftsergebnissen, sondern an den Zielvorgaben der Antragstellerin für die Kalenderjahre 2007 bis 2009 ausgerichtet. Hierzu hat die Antragsgegnerin in der Klageerwiderung allein beanstandet, der Privatgutachter sei von falschen vertraglichen Grundlagen ausgegangen. Sodann hat sie mit ihrer Vorbereitungsschrift vom 15.06.2009 ein eigenes Privatgutachten vorgelegt, das zu den Feststellungen des Privatgutachters der Antragstellerin Stellung genommen und sich ebenfalls auf in die Zukunft projizierte Daten gestützt hat. Auf dieses Gutachten hat die Antragsgegnerin in ihrer Vorbereitungsschrift vom 05.10.2009 Bezug genommen und in diesem Zusammenhang die Erstellung einer Expertise eines Justiz-Buchhalters angeregt. Dass sie insoweit nicht nur die vom Privatgutachter angestellten Prognosen beanstandet, sondern weitergehend die mangelnde Einbeziehung weiterer aussagekräftiger Unterlagen gerügt hat, lässt sich an Hand der eingereichten Schriftsätze nicht feststellen.
67Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Schiedsgericht den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör in einer dem ordre public entgegen stehenden Weise verletzt hat. Der Verweis im Schiedsspruch auf das entsprechende Vorbringen der Antragsgegnerin zeigt, dass das Schiedsgericht das Privatgutachten, das die Antragsgegnerin zur Untermauerung ihres Vortrags zum angeblich entgangenen Gewinn der Antragsgegnerin vorgelegt hat, zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat. Insoweit hat es das Schiedsgericht auf Grund der von den Parteien vorgelegten Privatgutachten als unstreitig angesehen, dass der Antragstellerin durch die Einführung des integrierten Unternehmensleitungssystems ein Vermögensvorteil entstanden wäre. Ebenso hat es als unstreitig gewertet, dass mangels auditierter Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen nur die Zielvorgaben der Antragstellerin in ihren Geschäftsplänen als auswertbare Unterlagen zur Verfügung standen. Auf Grund dieser Bewertung des Sach- und Streitstands an Hand des beiderseitigen Parteivorbringens ist das Schiedsgericht zu der Einschätzung gelangt, dass mangels anderweitiger zur Verfügung stehender Unterlagen ein gerichtlich einzuholendes Sachverständigengutachten zu keinen weitergehenden gesicherten Erkenntnissen im Hinblick auf die anzustellende Zukunftsprognose gelangen würde. Angesichts dessen kann die wohl begründete Ablehnung des Beweisantrags der Antragsgegnerin im Schiedsspruch nicht als willkürliche Überschreitung des dem Schiedsgericht eingeräumten Ermessensspielraums und folglich nicht als Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewertet werden.
68Im Übrigen hat das Schiedsgericht im Weiteren nicht den vom Privatgutachter der Antragstellerin ermittelten entgangenen Gewinn übernommen, sondern von der in § 359 Abs. 1 des (nach Ziffer 14.1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen anwendbaren) Ungarischen Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, der Antragstellerin einen entgangenen Gewinn als geschätzten Schaden zuzusprechen. Dabei hat das Schiedsgericht den vom Privatgutachter der Antragstellerin ermittelten entgangenen Gewinn für das Jahr 2008 zwar als Ausgangsbasis seiner Schätzung herangezogen. Im Hinblick darauf, dass der Privatgutachter die der Antragstellerin im Jahr 2008 angeblich entgangenen Vorteile an Hand der in einem Geschäftsplan ausgewiesenen strategischen Ziele und Pläne berechnet hat, ist das Schiedsgericht von dem im Privatgutachten prognostizierten Gewinn über 194.855.00,00 Forint allerdings abgewichen. Insoweit hat es im Hinblick auf künftige Unsicherheitsfaktoren wie Veränderungen der Preise, Löhne, Kreditbedingungen und Mitarbeiterzahlen einen Abzug von immerhin etwa 38 % vorgenommen und den der Antragstellerin entgangenen Gewinn für das Jahr 2008 auf 120.000,00 Forint sowie für das zweite Halbjahr 2007 dementsprechend auf 60.000,00 Forint geschätzt. Wird aber ein Beweisangebot zur Schadenshöhe nicht aufgegriffen, weil dem Schiedsrichter nach dem anwendbaren Recht eine Schadensschätzung ohne Ausschöpfung aller Beweise erlaubt ist, so liegt kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vor (vgl. Schlosser a.a.O. Rn. 98).
693. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 1064 Abs. 2 ZPO.
70Gegenstandswert für dieses Verfahren: 1.218.843,40 EUR
71(entsprechend dem Wert des Schiedsspruchs ohne Zinsen und Kosten, vgl. Herget in: Zöller a.a.O. § 3 Rn. 16 "Schiedsrichterliches Verfahren")
73für den Hilfsantrag der Antragsgegnerin: 21.034,80 EUR