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Soweit die Berufung der Beklagte gegen das am 1.4.2005 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 112/04 - sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Zinsen aus dem zwischen den Parteien 1998 geschlossener Vertrag über die Zusammenschaltung der Netze (JD-Vertrag) in Höhe von insgesamt 43.198,38 € richtet, wird das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 30 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 67 % und die Beklagte zu 33 %.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens beim Bundes¬gerichts¬hof III ZR 159/06 ist bereits im Teil-Urteil vom 20.11.2008 entschieden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 539.013,59 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Sie streiten über Zinsansprüche der Klägerin wegen angeblich verspäteter Zahlungen der Beklagten.
4Zwischen den Parteien bestehen zwei Verträge, ein 1998 geschlossener Vertrag über die Zusammenschaltung der Netze (J-Vertrag, im folgenden "JD-Vertrag") und ein in 2001 geschlossener Fakturierungs- und Inkassovertrag ("G+K-Vertrag"). Die im Rahmen der vorbezeichneten Verträge jeweils erbrachten Leistungen stellen die Parteien sich wechselseitig in Rechnung und verrechnen daraus resultierende Rechnungsentgelte; nach Verrechnung etwa verbleibende restliche Rechnungsbeträge werden im Bankverkehr überwiesen.
5Die maßgebliche Klausel über Zahlung und Verzug im G+K-Vertrag lautet:
6"Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von der E Telekom als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer mit der E Telekom abrechnen.....Der Rechnungsbetrag muss spätestens 30 Tage nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein."
7Der JD-Vertrag in der von beiden Parteien zugrundegelegten Fassung vom 26.6.2002 enthält in den Abschnitten 17.4 und 17.5 folgende Bestimmungen betreffend die Fälligkeit und den Zahlungsverzug:
8"17.4 Fälligkeit
9Die Entgeltforderungen zwischen den Vertragspartnern werden mit Zugang der Rechnung fällig.
10Der Rechnungsbetrag ist auf ein in der Rechnung angegebenes Konto zu zahlen.
1117.5 Zahlungsverzug
12Der Verzug tritt, sofern er nicht bereits mit einer Mahnung begründet wurde, 30 Tage nach Fälligkeit und Zugang der Rechnung ein.
13Kommt einer der Vertragspartner mit den Zahlungen in Verzug, so wird folgender Schadensersatz berechnet:
14- Verzugszinsen in Höhe von 8 % über dem im Verzugszeitraum geltenden Basiszinssatz gem. § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB); ...".
15Die Parteien streiten darum, ob die Verzugszeiträume, für welche die Klägerin von der Beklagten Zinszahlungen beansprucht, zutreffend ermittelt sind. Die Auseinandersetzung der Parteien erstreckt sich dabei zum einen auf die Frage, ob die Vorschrift des § 193 BGB bei der Bestimmung der Zahlungsfrist heranzuziehen ist, innerhalb deren zur Vermeidung des Verzugseintritts noch gezahlt werden kann. Hinsichtlich der auf der Grundlage des JD-Vertrages geltend gemachten Zinsen streiten die Parteien überdies über die Frage, ob es – entsprechend der in den G+K-Vertrag ausdrücklich aufgenommenen Regelung – auf die Gutschrift der überwiesenen Rechnungsbeträge bei der Klägerin ankommt, um den Eintritt des Verzugs zu vermeiden oder dessen Beendigung herbeizuführen, oder ob der Überweisungsauftrag an die Bank des Schuldners reicht.
16Die Klägerin hat beantragt,
17die Beklagte zu verurteilen, an sie 601.466,40 € zu zahlen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 539.013,59 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Verurteilung beruht auf der alternativen Berechnung der Klägerin Anl. K 18 und 19 (GA 66 f), nämlich für 2002 Verzugszinsen in Höhe von 289.097,24 € und für 2003 Verzugszinsen in Höhe von 249.916,35 €. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des Landgerichts vom 1.4.2005 Bezug genommen.
21Auf Anforderung des Senats im ersten Berufungsrechtszug hat die Klägerin die Urteilssumme wie folgt auf die beiden Verträge aufgeteilt (GA 213, 215 ff):
Vertrag | 2002 | 2003 | Summe |
G+K-Vertrag | 263.194,43 € | 232.620,77 € | 495.815,20 € |
JD-Vertrag | 25.902,80 € | 17.295,58 € | 43.198,38 € |
289.097,23 € | 249.916,35 € | 539.013,58 € |
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung.
24Der Senat hat durch Teil-Urteil vom 26.5.2006 die Berufung hinsichtlich der aus dem G+K-Vertrag herrührenden Forderung von 495.815,20 € zurückgewiesen. Die Frage des Verzugsendes sei durch den Vertrag dahingehend geregelt, dass der Eingang auf dem Konto des Gläubigers maßgeblich sei. § 193 BGB finde keine Anwendung.
25Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der Beklagten durch Urteil vom 1.2.2007 - III ZR 159/06 - (BGHZ 171, 33) aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen. § 193 BGB gelte sowohl für Fristen, nach deren Ablauf die Fälligkeit einer Forderung eintrete, als auch für Fristen, nach deren Ende der Verzug beginne.
26Soweit es die Forderung aus dem JD-Vertrag betrifft, hat der Senat durch Vorlagebeschluss vom 26.5.2006 dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 3 Abs. 1 lit. c)ii) der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr (Verzugs-Richtlinie) in Einklang stehe, für die den Schuldnerverzug beendende Zahlung nicht auf den Eingang des Betrages auf dem Konto des Gläubigers abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt des vom Schuldner bei ausreichender Kontodeckung bzw. entsprechendem Kreditrahmen seiner Bank erteilten und von ihr angenommenen Überweisungsauftrages. Der Europäische Gerichtshof hat die Frage durch Urteil vom 3.4.2008 - C-306/06 - (NJW 2008, 1935) dahin beantwortet, dass nach der Verzugs-Richtlinie die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers für die Rechtzeitigkeit der Zahlung und das Ende des Verzugs maßgeblich ist.
27Wegen des Berufungsvorbringens bis zu diesen Entscheidungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Teil-Urteils des Senats vom 26.5.2006.
28Die Klägerin hat ihre Forderung inzwischen unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs und der Hinweise des Senats neu berechnet.
29Sie hat aus dem G+K-Vertrag für 2002 Fälligkeitszinsen für die Zeit nach Ablauf von 30 Tagen ab Rechnungszugang in Höhe von 67.374,39 € und für 2003 Verzugszinsen in Höhe von 115.957,65 € verlangt, insgesamt 183.332,04 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellungen Anl. K 22 und 23 (GA 608 und 609) verwiesen. Durch inzwischen rechtskräftiges Teil-Urteil vom 20.11.2008 hat der Senat die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen, als sie zur Zahlung von 180.448,13 € verurteilt wurde. Im Übrigen hat er das Urteil des Landgerichts, soweit es die Forderungen aus dem G+K-Vertrag betraf, abgeändert und die Klage abgewiesen.
30Aus dem JD-Vertrag macht die Klägerin für 2002 Fälligkeitszinsen für die Zeit nach Ablauf von 30 Tagen ab Rechnungszugang in Höhe von 11.348,01 € und für 2003 Verzugszinsen in Höhe von 14.857,08 € geltend, insgesamt 26.205,09 €. Wegen der Berechnung wird auf die Aufstellungen Anl. K 24 und K 25 (GA 610 und 611) Bezug genommen. Die Parteien streiten darüber, ob entsprechend der Entscheidung des EuGH für die Rechtzeitigkeit der Zahlung bzw. das Ende der Zinspflicht der Eingang der Zahlung auf dem Konto der Klägerin maßgeblich ist.
31Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Entscheidung des EuGH auf die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzuwenden sei. Für die Zeit vor Ablauf der Umsetzungsfrist (8.8.2002) sei die Richtlinie nicht maßgeblich. Darüber hinaus komme aber auch für die Zeit danach eine richtlinienkonforme Auslegung von § 286 BGB nicht in Betracht, da diese Vorschrift auf der gefestigten Rechtsmeinung beruhe, dass es auf die Leistungshandlung des Schuldners und nicht auf den Leistungserfolg ankomme. Jedenfalls müsse ihr aber Vertrauensschutz zugebilligt werden. Seinerzeit habe sie davon ausgehen dürfen, dass die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrages zur Vermeidung des Verzugs ausreiche. Zum Eingang des Überweisungsauftrages bei ihrer Bank verweist sie auf die Aufstellung Anl. B 1 zum Schriftsatz vom 24.2.2006 (GA 221).
32Die Beklagte beantragt,
33das Urteil des Landgerichts Bonn 11 O 112/04 vom 1.4.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
34Die Klägerin beantragt,
35die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass aus dem JD-Vertrag für die Jahre 2002 und 2003 ein Betrag von 26.205,09 € von der Beklagten gefordert wird.
36Sie vertritt die Ansicht, der Richtlinie komme bereits unmittelbare Wirkung zu. Jedenfalls sei aber § 286 BGB richtlinienkonform auszulegen, und zwar bereits ab 1.1.2002. Denn der Gesetzgeber habe die Richtlinie - wenn auch unvollständig - durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.1.2002 umgesetzt. Auf Vertrauensschutz oder fehlendes Verschulden könne die Beklagte sich nicht berufen, da sie selbst von ihren Schuldnern stets verlangt habe, dass Zahlungen innerhalb der Zahlungsfrist ihrem Konto gutgeschrieben sein müssten. Für die Zinsen aus 2002 komme es auf Verschulden ohnehin nicht an, da sie für 2002 lediglich Fälligkeitszinsen geltend mache. Die Klägerin bestreitet die von der Beklagten behaupteten Überweisungsdaten im Hinblick darauf, dass die sich auf dieser Grundlage ergebenden Banklaufzeiten ungewöhnlich lang seien.
37Der Senat hat aufgrund des Hinweis- und Beweisbeschlusses vom 20.11.2008 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H Q. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.4.2009 verwiesen.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
39II.
40Die Berufung der Beklagten hat gegenüber den von der Klägerin geltend gemachten Zinsen aus dem JD-Vertrag Erfolg. Soweit die Beklagte innerhalb der Zahlungsfrist von 30 Tagen den Überweisungsauftrag erteilt und die Bank ihn angenommen hat, stehen der Klägerin weder Fälligkeits- noch Verzugszinsen zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind alle Zahlungen rechtzeitig geleistet worden.
411. Nach der gesetzlichen Regelung in der spätestens seit 8.8.2002 - dem Ablauf der Umsetzungsfrist in der Verzugs-Richtlinie - gebotenen richtlinienkonformen Auslegung ist für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung per Banküberweisung nicht die Leistungshandlung bzw. das Zustandekommen des Überweisungsvertrages maßgeblich, sondern der Eingang der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers. Dies gilt jedenfalls für den Eintritt und das Ende des Verzuges.
42Nach der Verzugs-Richtlinie kommt es für den Verzug und die Verzinsung auf den Zeitpunkt der Gutschrift der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers an, wobei Verzögerungen bei der Bearbeitung des Überweisungsauftrages durch die Banken, mit denen der Schuldner nicht rechnen musste, sein Verschulden ausschließen können (EuGH NJW 2008, 1935). Dagegen entsprach es der bisher ganz überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass gem. §§ 270 Abs. 1 und 4, 269 BGB die Geldforderung eine modifizierte Schickschuld ist, die am Sitz des Schuldners zu erbringen ist und bei der er lediglich die Verlustgefahr trägt (BGHZ 44, 179; vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 5 m.w.Nachw. sowie Gösele, FS Nobbe, S. 75 ff.).
43Entgegen der Ansicht der Klägerin entfaltet die Richtlinie nicht bereits unmittelbare Rechtswirkung. Auf den Hinweis des Senats vom 20.11.2008 wird Bezug genommen.
44Die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 286, 270 BGB ist allerdings möglich und geboten (Gsell, GPR 2008, 165, 168, 170, wonach es daher zur Umsetzung der Richtlinie noch nicht einmal einer Gesetzesänderung bedarf; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6; die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung bejaht auch PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 3. Aufl., § 286 Rn 9). Der Gesetzeswortlaut lässt hinreichenden Spielraum und auch schon vor Erlass der Richtlinie gab es Stimmen, die auf die Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Gläubigers abgestellt haben.
45§ 286 BGB enthält keine Regelung darüber, wann die Leistung rechtzeitig erbracht bzw. ein eingetretener Verzug endet. Allein der Formulierung "wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen ... leistet" lässt sich das nicht eindeutig entnehmen. § 270 BGB ist zwar bislang von der ganz herrschenden Meinung dahin interpretiert worden, dass die Geldschuld eine - modifizierte - Schickschuld ist, so dass die Leistungshandlung erbracht ist, wenn der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits erforderliche getan hat (BGH, NJW 1964, 499; OLG Düsseldorf, DB 1984, 2686; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1528; OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 583; OLG Nürnberg, MDR 1999, 858; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 2922, 2923; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 270 Rn 6 m.w.Nachw.). Die Vorschrift lässt aber auch de lege lata die Auslegung zu, dass die Geldschuld eine modifizierte Bringschuld ist, bei der Leistungs- und Erfolgsort am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Gläubigers liegen und der Schuldner daher einheitlich die Verlust- und Verzögerungsgefahr trägt. §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB regeln dann nur noch den Gerichtsstand des Erfüllungsorts i.S.v. § 29 ZPO (so bereits Schön, AcP 198, 1998, 401, 443; Staudinger/Bittner, Neubearbeitung 2004, § 270 Rn 3, 36 ff.; im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH Gsell, GPR 2008, 165, 170; Hilbig, Anm. zur Entscheidung des EuGH, JZ 2008, 991, 992; vgl. insgesamt zur Diskussion über die Rechtzeitigkeit einer Zahlung durch Banküberweisung Gösele in: Festschrift Nobbe, 2009, S. 75 ff.). Umgekehrt lässt auch die Richtlinie eine Auslegung zu, wonach die Geldschuld zwar modifizierte Schickschuld ist, der Schuldner aber zur Vermeidung des Verzugs die Leistungshandlung so früh vorzunehmen hat, dass der Geldbetrag bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge rechtzeitig beim Gläubiger eintrifft (Hilbig, aaO).
46Zudem wäre eine richtlinienkonforme Auslegung auch dann zulässig und geboten, wenn der Gesetzeswortlaut sie nicht zuließe. Der Wortlaut ist nicht notwendig Grenze der richtlinienkonformen Auslegung (BGH, Urt. v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05 - Quelle -, NJW 2009, 427, hierzu Pfeiffer, NJW 2009, 412). Vielmehr kommt eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion auch dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich seine Absicht bekundet, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, die Annahme des Gesetzgeber, die Regelung sei richtlinienkonform, aber fehlerhaft ist. So liegt der Fall hier. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung von § 286 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gerade auch die Zahlungsverzugsrichtlinie umsetzen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Der Gesetzentwurf nimmt Bezug auch auf die Zahlungsverzugsrichtlinie (BT-DrS 14/6040 S. 1, ferner insb. S. 81 ff., sowie - bezogen auf die Änderung von § 286 BGB - S. 146). Das Problem der Fristberechnung bzw. des für die Rechtzeitigkeit der Leistung maßgeblichen Ereignisses hat er dabei übersehen.
472. Gegenüber der nach Ablauf der Umsetzungsfrist gebotenen richtlinienkonformen Auslegung kann die Beklagte sich allerdings für die streitgegenständlichen Jahre 2002 und 2003 auf Vertrauensschutz berufen.
48Der Vertrauensschutz ist sowohl Grenze der richtlinienkonformen Auslegung (EuGH, NJW 2006, 2465 zu Rn 110) als auch einer rückwirkenden Änderung einer gefestigten und anerkannten Rechtsprechung (BGHZ 154, 370; BGH NJW 2006, 765).
49Die Beklagte konnte vor Erlass des Urteils des Landgerichts vom 1.4.2005, in dem das Landgericht bereits zutreffend auf die Folgen der Verzugsrichtlinie für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung durch Banküberweisung hingewiesen hatte, auf die bisherige, ganz überwiegende Meinung vertrauen, wonach die Erteilung und Annahme des Überweisungsantrages innerhalb der Zahlungsfrist ausreichend waren. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte ihre Zahlungen auf die bisherige überwiegende Rechtsmeinung eingerichtet hatte. Die Zeugin Q, die seinerzeit bei der Beklagten für die rechtzeitige Bezahlung der Rechnungen aus dem JD-Vertrag zuständig war, hat bekundet, dass die rechtzeitige Zahlungen der Rechnungen in der Weise erfolgte, dass am 30. Tag nach Rechnungszugang der Überweisungsauftrag in elektronischer Form an die Bank erteilt wurde, die diese Überweisungsaufträge auch jeweils am gleichen Tag durch entsprechende Wertstellung auf dem Konto der Beklagten angenommen hat. Damit ist die Beklagte entsprechend der bisherigen Rechtsmeinung und Handhabung davon ausgegangen, dass mit fristgerechter Veranlassung der Überweisung die Zahlungsfrist gewahrt ist.
50Dieses Vertrauen auf die bisher herrschende Meinung ist schützenswert (vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6, wonach das Vertrauen auf die bisherige herrschende Meinung einen entschuldbaren Rechtsirrtum den Verzug ausschließen kann). Die Problematik der Vereinbarkeit der bisherigen überwiegenden Rechtsauffassung und Praxis mit Verzugsrichtlinie wurde seinerzeit allenfalls vereinzelt diskutiert und auch vom Gesetzgeber bei der Umsetzung der Verzugsrichtlinie durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht angesprochen.
51Der Berufung auf den Vertrauensschutz steht nicht entgegen, dass die Beklagte ihrerseits von ihren Schuldnern die Gutschrift der Zahlung innerhalb der Zahlungsfrist verlangt hätte. Weder die von der Klägerin zitierte Korrespondenz über die Mahnpraxis der Beklagten noch die Berechnung der Forderung für die Hilfsaufrechnung gegenüber den Fälligkeitszinsen aus dem G+K-Vertrag belegen hinreichend deutlich, dass die Beklagte seinerzeit nicht auf die bisherige Rechtslage vertraut hat oder ihrerseits Verzugszinsen auch für den Zeitraum zwischen Erteilung des Überweisungsauftrages und Eingang der Zahlung auf ihrem Konto verlangt hat.
52Die gleichen Erwägungen geltend auch hinsichtlich der Fälligkeitszinsen. Es sprechen gute Gründe dafür, die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung hinsichtlich der Fälligkeit und des Verzuges einheitlich zu bestimmen. Auch insoweit ist indes das Vertrauen der Beklagten auf die bisherige herrschende Rechtsmeinung und - praxis für die Jahre 2002 und 2003 schützenswert und schließt daher eine rückwirkende richtlinienkonforme Auslegung der Verzugsrichtlinie ihr gegenüber für diesen Zeitraum aus.
533. Nach diesen Grundsätzen sind die streitgegenständlichen Zahlungen rechtzeitig erfolgt.
54Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Beklagte den Überweisungsauftrag jeweils zu den in der Aufstellung Anl. B 1 zum Schriftsatz vom 24.2.2006 (GA 221) aufgeführten Zeitpunkten erteilt und die Bank ihn auch am gleichen Tag angenommen hat. Die Zeugin Q hat in ihrer Vernehmung die entsprechende Verfahrensweise im Einzelnen geschildert und durch Unterlagen belegt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 7.4.2009 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Im Termin wurden die Angaben der Zeugin anhand einiger zufällig ausgewählter Rechnungen überprüft und bestätigt. Zweifel an der Aussage der Zeugin Q und der Annahme der Überweisungsaufträge zu den jeweiligen Terminen lassen sich auch nicht daraus herleiten, dass die sich hieraus ergebenden Zeiträume bis zur Gutschrift auf dem Konto der Klägerin ungewöhnlich lang wären. Die Gutschrift auf dem Konto der Klägerin erfolgte unter Berücksichtigung von Wochenenden und Feiertagen stets am übernächsten Werktag.
55Danach sind sämtliche Rechnungen rechtzeitig bezahlt worden. Zwar sind die Rechnungen 0203007 und 0203008 ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Rückscheine nicht, wie in der Aufstellung der Beklagten angegeben, am 4.5. bzw. 5.5.2002 zugegangen, sondern bereits am 3.5.. Das wirkt sich aber nicht aus, da die 30-Tages-Frist unter Berücksichtigung von § 193 BGB am Montag, den 3.6.2002 endete und die Beklagte an diesem Tag die Überweisung veranlasst hat. Hinsichtlich der Rechnungen 0212008 bis 0212010 hat die Klägerin die von den Beklagten behaupteten Zugangsdaten unstreitig gestellt, die übrigen Zugangsdaten sind ebenfalls unstreitig.
56III.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
58Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage anerkannter Grundsätze alleine nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden. Die richtlinienkonforme Auslegung von §§ 286, 270 BGB nach der Entscheidung des EuGH ist in der Literatur anerkannt (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6; PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 3. Aufl., § 286 Rn 9; Gsell, GPR 2008, 165, 168, 170; Hilbig, Anm. zur Entscheidung des EuGH, JZ 2008, 991, 992). Ob der Beklagten Vertrauensschutz zuzubilligen ist bzw. ihr Verschulden wegen unverschuldeten Rechtsirrtums ausgeschlossen ist, ist Frage des Einzelfalles.