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Das Amtsgericht Düren - Abteilung für Zivilsachen - wird als das zuständige Gericht bestimmt.
G r ü n d e:
2I.
3Der Antragsteller ist Vermieter einer Wohnung, in der der Antragsgegner wohnt. Der Antragsgegner hat nach dem Vortrag des Antragstellers in der Vergangenheit herumgebrüllt, gegen die Wände seiner Wohnung und die Scheiben geschlagen. Zuletzt hat er seine eigene Wohnungstür zerschlagen, wobei der zufällig dort stehende Sohn des Antragstellers verletzt wurde.
4Der Antragsteller beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, dem Antragsgegner aufzugeben, es zu unterlassen, den Antragsteller zu bedrohen, zu belästigen, im Haus laut zu schreien, im Haus etwas zu beschädigen. Der Antragsteller beantragt ferner die Androhung eines Ordnungsgeldes gegen den Antragsgegner.
5Das Amtsgericht Düren – Zivilabteilung – hat sich durch Beschluss vom 18. September 2009 (Bl. 7 d. A.) für unzuständig erklärt und die Sache an das Familiengericht abgegeben mit der Begründung, es handele sich um eine Gewaltschutzsache gemäß § 1 GewSchG, für die nach dem seit dem 1. September 2009 geltenden § 111 Nr. 6 FamFG das Familiengericht ausschließlich zuständig sei.
6Das Amtsgericht Düren – Familiengericht – hat sich durch Beschluss vom 21. September 2009 (Bl. 10 d. A.) für unzuständig erklärt mit der Begründung, die Voraussetzungen des Gewaltschutzgesetzes seien nicht erfüllt. Es hat sodann die Angelegenheit dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
7II.
8Der Senat ist gemäß § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 36 Abs. 2 Ziff. 6 ZPO (vgl. Prütting/Helms/Helms, FamFG, § 5 Rz. 7) zur Bestimmung des zuständigen Gerichts zuständig, weil sich sowohl das Amtsgericht Düren – Zivilabteilung – als auch das Amtsgericht Düren – Familiengericht – für unzuständig erklärt haben. Ihre Beschlüsse sind den Parteien auch bekanntgegeben worden.
91.
10Das Amtsgericht Düren – Zivilabteilung – ist das zuständige Gericht, weil die Verweisung an das Familiengericht nicht bindend ist.
11Während vor Inkrafttreten des FamFG die Überleitung eines Verfahrens vom Familiengericht an die Prozessabteilung und umgekehrt wegen fehlerhafter Einordnung des Rechtsstreits als (Nicht)Familiensache durch eine von Amts wegen vorzunehmende formlose, nicht bindende Abgabe gelöst wurde, ist nunmehr § 17a Abs. 6 GVG in Verbindung mit § 17a Abs. 1 bis 5 GVG anzuwenden. Wird die Prozessabteilung mit einer Familiensache befasst oder die familiengerichtliche Abteilung mit einer allgemeinen Zivilsache, spricht sie ihre Unzuständigkeit nach Anhörung der Beteiligten, die auch schriftlich erfolgen kann, aus und verweist den Rechtsstreit von Amts wegen an die zuständige Abteilung. Die Verweisung hat bindende Wirkung (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) und ergeht in Form eines Beschlusses, der zu begründen und zuzustellen ist (§ 17a Abs. 4 Satz 2 GVG, § 329 Abs. 3 ZPO), weil er gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach § 567 ff., 574 ff. ZPO unterliegt.
12Zulässig ist die Verweisung nach § 17a GVG erst nach Rechtshängigkeit bzw. Übermittlung der Antragsschrift. Da in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe mangels Rechtshängigkeit der Hauptsache § 17a GVG im Gegensatz zu § 281 ZPO nicht entsprechend anwendbar ist, kommt in isolierten Verfahrenskostenhilfesachen immer nur eine formlose nicht bindende Abgabe in Betracht (Prütting/Helms/Helms, FamFG, § 111 Rz. 53).
13Die in § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO angeordnete Bindungswirkung besteht auch dann, wenn dem verweisenden Gericht ein Rechts- oder Verfahrensfehler unterlaufen ist. Bei der Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO wird eine Einschränkung dann gemacht, wenn ein besonders schwerwiegender Verfahrensverstoß vorliegt, vor allem, weil den Beteiligten kein rechtliches Gehör gewährt wurde oder es dem Beschluss an jeglicher gesetzlicher Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint. Für das neue Recht wird vertreten, dass eine Einschränkung der Bindungswirkung für die Fälle des § 17a Abs. 6 GVG allenfalls bei extremen Verstößen in Frage komme, weil die Beteiligten im Anwendungsbereich des § 17a Abs. 4 GVG eine eigenständige Anfechtungsmöglichkeit haben (Prütting/Helms/Helms, FamFG, § 111 Rz. 62).
14Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht Düren – Prozessabteilung – die Parteien vor Erlass des Beschlusses vom 18. September 2009 nicht angehört. Zwar ist eine unterbliebene Anhörung desjenigen, der auch vor einer begehrten Sachentscheidung nicht gehört werden muss, wie z. B. der Gegner im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (BGH NJW 1996, 3013; Zöller/Greger, ZPO, § 281 Rz. 17a), unschädlich. Die unterbliebene Anhörung des Antragsgegners führt daher allein hier nicht zu einer mangelnden Bindungswirkung. Hier ist jedoch auch die Anhörung des Antragstellers vor Erlass des Verweisungsbeschlusses unterblieben, so dass keine Bindung eingetreten ist.
152.
16In der Sache ist das Amtsgericht – Zivilabteilung – zuständig, weil es sich nicht um eine Gewaltschutzsache handelt.
17Das Familiengericht ist nach § 210 FamFG für alle Verfahren auf Grund der §§ 1 und 2 GewSchG zuständig. Die Unterscheidung danach, ob die Parteien einen gemeinsamen Haushalt führen oder zumindest in den letzten sechs Monaten geführt haben, ist für die Frage der Zuständigkeit des Gerichts entfallen. Sie hat allerdings weiterhin Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 2 GewSchG, wenn die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung begehrt wird. Die alleinige Zuständigkeit des Familiengerichts für Anträge nach § 1 GewSchG führt dazu, dass es sich auch mit Angelegenheiten befassen muss, deren Parteien kein familienrechtliches oder auch nur familienähnliches Verhältnis verbindet (Prütting/Helms/Neumann, FamFG, § 210 Rz. 1).
18Gegenstand der Gewaltschutzsachen sind jedoch gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung (§ 1 GewSchG). Die Vorschrift des § 1 GewSchG ist dabei keine materiell-rechtliche Grundlage für die Anordnungen des Gerichts; sie ist vielmehr als verfahrensrechtliche Norm konzipiert, die mögliche Schutzmaßnahmen aufzeigt. Ob materiell-rechtlich ein Anspruch gegeben ist, richtet sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Düren – Prozessabteilung – allein nach §§ 823 und 1004 BGB (vgl. BT-Drucks. 14/5429 S. 40). Die in § 1 GewSchG angeordneten Maßnahmen können erfolgen, wenn der Täter vorsätzlich den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit einer anderen Person verletzt hat, § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG. Dem steht es gleich, wenn der Täter mit einer solchen Verletzungshandlung widerrechtlich gedroht hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG) oder in die Wohnung oder das befriedete Besitztum einer anderen Person widerrechtlich und vorsätzlich eingedrungen ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 a GewSchG) oder eine andere Person durch wiederholtes Nachstellen oder die Nutzung von Fernkommunikationsmitteln unzumutbar belästigt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 b GewSchG).
19Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, der Antragsgegner habe vorsätzlich seinen Körper, die Gesundheit oder die Freiheit verletzt oder damit widerrechtlich gedroht. Die Verletzung des Sohnes des Antragstellers, der insoweit Dritter ist, geschah nach dem hier vorliegenden Sach- und Streitstand nicht vorsätzlich. Der Vortrag des Antragstellers, der Antragsgegner "brülle herum" und schreie ihn an, ist mangels Substantiiertheit nicht geeignet, eine bevorstehende oder erfolgte Verletzung zu belegen. Ebenfalls nicht dargetan ist ein widerrechtliches Eindringen in ein befriedetes Besitztum einer anderen Person. Soweit der Antragsgegner die Wohnungstür im Erdgeschoss zerschlagen hat, handelt es sich nach dem hier vorliegenden Sach- und Streitstand um seine eigene Wohnungstür. Auch wenn diese eigentumsrechtlich dem Antragsteller zuzuordnen sein sollte, erfüllt dies nicht den Tatbestand des Gewaltschutzgesetzes, weil Eigentumsverletzungen durch § 1 GewSchG nicht erfasst sind.
20Hinzu kommt, dass der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und nicht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des Gewaltschutzgesetzes gestellt hat. Der Antrag des Antragstellers umfasst zudem – wie bereits das Amtsgericht – Familiengericht – Düren in seinem Beschluss vom 21. September 2009 zutreffend dargelegt hat – keine der im Gewaltschutzgesetz beispielhaft genannten Rechtsfolgen. Die Anträge des Antragstellers beziehen sich ersichtlich auf die bereits vorgenommene Eigentumsstörung und zielen dahin, dass der Antragsgegner künftig keine weiteren Eigentumsverletzungen und Störungen des Hausfriedens mehr begehen soll.