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Die Berufung des Beklagten gegen das am 30. Januar 2007 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Jülich - 10 F 3/07 - in der durch Beschluss vom 21.02.2007 berichtigten Fassung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Gegenstand des Rechtsstreits waren ursprünglich von der Klägerin geltend gemachter Ehegattenunterhalt sowie Kindesunterhalt für die minderjährige Tochter der Parteien; in II. Instanz ist nunmehr nur noch der Ehegattenunterhalt für den Zeitraum ab Mai 2007 im Streit.
4Die am 07.02.1955 geborene Klägerin und der am 25.03.1961 geborene Beklagte haben am 27.06.1997 geheiratet und leben seit September 2005 getrennt.
5Die vorehelich am 09.05.1995 geborene Tochter B. der Parteien lebt seit der Trennung bei der Klägerin und wird von dieser betreut und versorgt.
6Die Klägerin erzielte zunächst aus teilzeitiger Erwerbstätigkeit monatlich ca. 450,- €, derzeit bezieht sie nach ihren Angaben Krankengeld.
7Die Tochter B. ist Schülerin ohne Einkommen oder Vermögen.
8Der Beklagte war als Kellner in einem der Restaurants des Möbelhauses "Wohnwelt Q." beschäftigt; sein dort erzieltes Einkommen ist hinsichtlich der Trinkgelder streitig.
9Am 12.08.2006 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem nach seinen Angaben die Wirbelsäule verletzt wurde. In der Folgezeit war er weit überwiegend krank und arbeitete lediglich zwischen dem 16.10. und 21.11.2006, davor und danach war er krankgeschrieben. Ab dem 24.09.2006 bezog er Verletztengeld.
10Inzwischen ist ihm zum 30.04.2007 gekündigt worden; seit Mai 2007 bezieht er Arbeitslosengeld.
11Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin zunächst Trennungs-Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 545,- € sowie Kindesunterhalt für die Tochter B. von monatlich 257,- € (135 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe bzw. Kindesunterhalt nach Einkommensstufe 6 der aktuellen Düsseldorfer Tabelle), beginnend ab Januar 2006, geltend gemacht, ferner einen Rückstandsbetrag für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 unter Anrechnung vom Beklagten erbrachter Zahlungen von 1.356,- €.
12Nachdem ihr durch das zunächst zuständige Amtsgericht Aachen durch Beschluss vom 27.03.2006 Prozesskostenhilfe allein für einen Teil des Rückstandsbetrages bewilligt worden war, hat ihr das Oberlandesgericht Köln im Beschwerdeverfahren durch Beschluss des seinerzeit zuständigen 10. Zivilsenats vom 31.05.2006 weitgehend Prozesskostenhilfe bewilligt, nämlich für einen Rückstandsbetrag von 1.149,- €, ferner für laufenden Kindesunterhalt von monatlich 257,- € und laufenden Ehegattenunterhalt von monatlich 425,- €.
13Die Klägerin hat unter Darlegung im einzelnen vorgetragen, sie und die Tochter B. seien bedürftig und der Beklagte im geltend gemachten Umfang leistungsfähig, weil er bei seiner Tätigkeit netto ca. 1.640,- € zuzüglich der Trinkgelder in Höhe von monatlich ca. 600,- € erhalten habe. Auch bei Abzug einer monatlichen Kreditrate von 83,47 € sowie des monatlichen Beitrags zu einer zusätzlichen Altersversorgung bei der Conti Versicherung von 102,26 € ergäben sich jedenfalls die verlangten Unterhaltsbeträge. Weitere Belastungen seien nicht zu berücksichtigen.
14Fahrtkosten seien nicht anzurechnen, da der Beklagte mittels öffentlicher Verkehrsmittel und sogar mit dem Fahrrad zum Arbeitsplatz gelangen könne. Auch besondere Kosten für Berufskleidung fielen nicht an, da er normale Hemden, Hosen und Schuhe trage, die er überall kaufen und zudem privat nutzen könne.
15Da er mit einer neuen Partnerin zusammenlebe, sei ihm eine Haushaltsersparnis anzurechnen.
16Aus einer Erbschaft nach seinem verstorbenen Vater habe er erhebliche Geldbeträge erhalten bzw. noch zu erwarten, die ihn ebenfalls in die Lage versetzten, den verlangten Unterhalt unschwer zu zahlen.
17Angesichts von Drohungen des Beklagten, die ohnehin oft verspäteten Unterhaltszahlungen einzustellen, bestehe trotz seiner Zahlungen ein Titulierungsinteresse.
18Der Beklagte war dem entgegengetreten unter Hinweis darauf, sein Nettoeinkommen betrage nur ca. 1.532,- € monatlich, die von ihm bezogenen Trinkgelder beliefen sich auf allenfalls ca. 200,- € monatlich.
19Ferner seien 5 % für berufsbedingte Aufwendungen anzurechnen, nämlich Fahrtkosten sowie Kosten für berufsbedingte Kleidung (weiße Hemden, schwarze Hosen, schwarze Schuhe), die er überwiegend selbst stellen müsse, die angesichts des Kellnerberufs stark verschleiße und daher regelmäßige Neukäufe geeigneten hochwertigen Materials erfordere.
20Zudem sei eine weitere monatliche Kreditrate von 41,06 € zu berücksichtigen, außerdem Kosten von monatlich 32,74 € für eine Unfallversicherung der Tochter B..
21Nach seinem Unfall im August 2006 habe er kaum mehr arbeiten können und folglich auch kaum Trinkgelder vereinnahmt.
22Aus der Erbschaft habe er bislang nur 30.000,- € erhalten, die weitestgehend für Gutachten zur Echtheit des Testaments und Kosten des mit seinem Bruder hierum zu führenden Rechtsstreits verbraucht worden seien. Weitere Zahlungen habe er nicht bezogen und seien auch nicht absehbar.
23Er lebe nicht mit einer neuen Partnerin zusammen.
24Er hat die Auffassung vertreten, angesichts seiner regelmäßigen monatlichen Zahlungen von 350,- €, hiervon 247,- € Kindesunterhalt sowie 103,- € Ehegattenunterhalt, bestehe kein Titulierungsinteresse.
25Höheren als den bislang gezahlten Unterhalt könne er nicht leisten.
26In der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2006 vor dem damals zuständigen Amtsgericht Aachen hat die Klägerin ihren Antrag im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe gestellt.
27Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat einen monatlichen Gesamtunterhalt von 350,- € anerkannt.
28Diese Erklärung ist ausweislich des Terminsprotokolls vorgespielt und genehmigt worden.
29In der mündlichen Verhandlung vor dem später zuständigen Amtsgericht Jülich vom 16.01.2007 hat die Klägerin Ehegattenunterhalt von monatlich 555,- € und Kindesunterhalt von 247,- € monatlich geltend gemacht, und zwar unter Berücksichtigung der monatlichen Zahlungen des Beklagten von 350,- €.
30Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat dazu erklärt, der Kindesunterhalt werde anerkannt für die Zeit ab Februar 2007, der Ehegattenunterhalt werde anerkannt in Höhe von 103,- €.
31Das Terminsprotokoll enthält keinen Vermerk dahin, dass das Anerkenntnis vorgespielt und genehmigt worden sei.
32Das Amtsgericht hat im angefochtenen Teilanerkenntnis- und Schlussurteil in der Form des Berichtigungsbeschlusses der Klägerin rückständigen Ehegattenunterhalt für die Zeit von Oktober bis Dezember 2005 von insgesamt 1.164,- €, für den Zeitraum Januar bis Juli 2006 von monatlich 360,- €, ab August 2006 und laufend von monatlich 103,- € sowie Kindesunterhalt von 247,- € monatlich gemäß dem Anerkenntnis zuerkannt.
33Dabei hat es das Einkommen zugrundegelegt, das auch das Oberlandesgericht im Prozesskostenhilfebeschluss vom 31.05.2006 angesetzt hat, nämlich netto ca. 1.631,- €. Hiervon hat es die unstreitigen Belastungen abgezogen und 600,- € Trinkgeld hinzugerechnet. Dazu hat es ausgeführt, der Beklagte habe in den von der Klägerin vorgelegten Aufstellungen bereits zwischen 1999 und 2002 Trinkgelder mindestens in dieser Höhe vermerkt, ebenso in den Notizen für Januar 2005. Soweit er angegeben habe, es habe sich bei den Aufstellungen lediglich um Prognosen gehandelt, sei dies angesichts zahlreicher Beträge mit genauen ct-Beträgen hinter dem Komma nicht nachvollziehbar.
34Ab Januar 2006 hat es die dann vorzunehmende Besteuerung des Beklagten nach Klasse I mit 0,5 Kinderfreibetrag zugrundegelegt und ab August 2006 mit Rücksicht auf die weitgehenden Krankheitszeiten nur mehr ein Trinkgeld von 150,- € monatlich angenommen mit der Folge, dass sich aufgrund dieser Einkommensverringerungen ab August 2006 ein Ehegattenunterhalt von monatlich 103,- € ergab.
35Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.
36Er hat sich zunächst lediglich gegen die über die anerkannten Summen hinausgehend titulierten Unterhaltsbeträge gewandt und sich nach wie vor auf fehlende Leistungsfähigkeit über die anerkannten Beträge hinaus für die Zeit bis einschließlich April 2007 berufen. Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag zu den Belastungen sowie zum seiner Ansicht nach weit überhöht angesetzten Trinkgeld.
37Mit Schriftsatz vom 16.05.2007 hat er die Berufung dahingehend erweitert, dass er für den Zeitraum ab Mai 2007 vollständige Klageabweisung begehrt.
38Zugleich hat er die Anfechtung des erstinstanzlich abgegebenen Anerkenntnisses für den Zeitraum ab Mai 2007 erklärt.
39Zur Begründung führt er an, ab Mai 2007 beziehe er nur noch Arbeitslosengeld, das deutlich unter 1.000,- € liege, so dass er zu keinerlei Unterhaltsleistungen mehr in der Lage sei. Eine Umschulung werde angestrebt, habe aber noch nicht begonnen. Im Mai 2007 habe er keinerlei Leistungen erhalten; der Arbeitslosengeldbescheid weist insoweit "Urlaubsabgeltung" aus.
40Ergänzend hat er in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2007 vor dem Senat angegeben, er sei 1996 bei der Fa. Wohnwelt Q. als Schwerbeschädigter eingestellt worden wegen bestehender Epilepsie-Erkrankung. Darüber hinaus habe er 2001 einen schweren Unfall erlitten, dessen Folgen durch den Arbeitsunfall im August 2006 noch verschlimmert worden seien.
41Hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er sich mit seinem Arbeitgeber geeinigt.
42Auf Nachfrage bezüglich einer Abfindung hat er angegeben, eine solche in Höhe von 4.600,- € erhalten zu haben.
43Die vorgesehene Umschulung habe noch nicht begonnen, weil das Arbeitsamt noch mit der Prüfung seiner Gesundheit befasst sei, um zu ermitteln, inwieweit er dem Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung stehe.
44Von den aus der Erbschaft vorab erhaltenen 30.000,- € habe er 15.000,- € an einen Berater überwiesen, der ihn in der Angelegenheit unterstütze. Weitere 11.000,- € habe er zur Tilgung von Rückständen auf seinem Giro-Konto und bei dem Kreditkartenunternehmen "Visa-Card" verwandt.
45Nachdem ihm in der vorgenannten mündlichen Verhandlung vor dem Senat für die Durchführung seiner Berufung Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt worden war, als er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Ehegattentrennungsunterhalt für den Zeitraum ab Mai 2007 zu verteidigen beabsichtigt, hat er die Berufung nach Maßgabe der Prozesskostenhilfebewilligung beschränkt.
46Er beantragt nunmehr,
47die Klage unter Aufhebung des Teilanerkenntnis- und Schlussurteiles des Amtsgericht Jülich vom 30.01.2007 in vollem Umfange abzuweisen, soweit Ehegattenunterhalt für den Zeitraum ab 01.05.2007 zuerkannt worden ist.
48Die Klägerin beantragt,
49die Berufung zurückzuweisen.
50Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
51Sie behauptet weiterhin, der Beklagte sei nicht krankheitsbedingt außerstande, im bisher ausgeübten Beruf als Kellner weiter tätig zu sein, folglich könne er das frühere Einkommen einschließlich Trinkgelder weiter erzielen.
52Auch die aus der Erbschaft erhaltenen Beträge seien für den Unterhalt, nicht etwa zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten, einzusetzen.
53Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die als Anlagen zu den Akten gereichten Ablichtungen Bezug genommen.
54II.
55Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Beklagten hat in der Sache selbst im jetzt nur noch zur Entscheidung stehenden Umfang keinen Erfolg.
56Die Entscheidung des Amtsgerichts ist (auch) für diesen Zeitraum zureffend, weil der Beklagte zum Fortfall seiner Leistungsfähigkeit infolge Erkrankung, Verlust des Arbeitsplatzes und Arbeitslosengeldbezuges nicht hinreichend substantiiert vorgetragen hat.
57Vielmehr steht der Klägerin nicht nur für die Zeit bis April 2007, sondern auch für den Zeitraum ab Mai 2007 der titulierte Ehegattenunterhalt für die Trennungszeit gemäß § 1361 BGB in Höhe von 103,- € monatlich zu.
581.
59Die Klägerin ist entgegen der Auffassung des Beklagten bedürftig, weil sie ihren notwendigen Unterhaltsbedarf nicht durch eigenes Einkommen abzudecken vermag.
60Insbesondere ist sie nach Ziff. 17.1 der Kölner Unterhaltsleitlinien (Stand Juli 2005, insoweit identisch auch die Leitlinien Stand Juli 2007) wegen der Betreuung der nunmehr 12 Jahre alten Tochter B. nicht gehalten, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
61Wenn das Amtsgericht ihr die früher nach eigenen Angaben erzielten 450,- € monatlich aus Teilzeitbeschäftigung angerechnet hat, ist das nicht zu beanstanden, denn sie hat weder zu der Erkrankung, die sie angeblich an einer Erwerbstätigkeit hindert, hinreichend vorgetragen, noch den angekündigten Bescheid über Krankengeldzahlungen vorgelegt.
62Daher ist ihr das früher erzielte Einkommen von 450,- € auch weiter anzurechnen, zumal sie einen über das übliche Maß hinausgehenden Betreuungsbedarf der Tochter, durch den sie an einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit gehindert sein könnte, nicht darlegt.
63Dass sie angesichts fehlender Ausbildung bei der ihr nur obliegenden teilschichtigen Erwerbstätigkeit ein wesentlich höheres Einkommen erzielen könnte, das ihren Unterhaltsbedarf vollständig abdecken würde, trägt auch der Beklagte nicht nachvollziehbar vor.
642.
65Entgegen der Auffassung des Beklagten ist trotz seiner Zahlungen ein Titulierungsinteresse der Klägerin zu bejahen.
66Die Klägerin hat – insoweit vom Beklagten nicht bestritten – vorgetragen, dass dieser nicht nur die freiwilligen Zahlungen häufig verspätet erbracht, sondern auch die Einstellung dieser Zahlungen angedroht hat. Bereits aus diesem Grund wird ein schützenswertes Interesse an der Erlangung eines vollstreckbaren Titels zu bejahen sein, erst recht aber, weil der Beklagte nicht den gesamten verlangten Unterhalt gezahlt hat.
67Allerdings hat die Klägerin den Beklagten nicht vorprozessual ausdrücklich zu einer Titulierung aufgefordert. Dies ist indes unschädlich, weil der Beklagte nicht den gesamten ursprünglich verlangten Unterhalt, sondern nur einen Teil desselben freiwillig gezahlt hat.
68Der Unterhaltsberechtigte hat grundsätzlich ein schützenswertes Interesse an einer Titulierung des gesamten ihm zustehenden Unterhaltsbetrages (vgl. etwa BGH FamRZ 1998, 1165; OLG Köln NJW-RR 1998, 1703).
693.
70Der Beklagte ist auch ab Mai 2007 hinsichtlich des Ehegattenunterhalts jedenfalls im titulierten Umfang leistungsfähig bzw. als leistungsfähig zu behandeln.
71Das Amtsgericht hat auf der Basis des Beschlusses des Oberlandesgerichts zur Prozesskostenhilfe vom 31.05.2006 für den Zeitraum bis Ende 2005 ein Nettoeinkommen von ca. 1.620,- € und ab 2006 ein solches von ca. 1.355,- € – jeweils ohne Trinkgelder – ermittelt. Diese Berechnungen sind zutreffend; insoweit wird auf den vorgenannten Beschluss sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.
72Das zuletzt erzielte Einkommen ist auch im hier maßgeblichen Zeitraum zugrundezulegen.
73Zwar bezieht der Beklagte ab Mai 2007 kein Erwerbseinkommen mehr, sondern lediglich Arbeitslosengeld, das ausweislich des dem Senat in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2007 vorgelegten und sodann in Kopie zur Akte gereichten Bescheides in Höhe von 943,80 € zur Auszahlung gelangt.
74Mit diesem Einkommen wäre der Beklagte unter Berücksichtigung allein des titulierten Kindesunterhalts ungeachtet der weiteren unstreitigen Belastungen nicht leistungsfähig zur Zahlung von Ehegattenunterhalt.
75Allerdings kann dieses Einkommen aus Arbeitslosengeld für die Ermittlung des ab Mai 2007 geschuldeten Ehegattenunterhalts nicht als allein maßgeblich herangezogen werden.
76Vielmehr ist zumindest das im Jahr 2006 erzielte vorerwähnte Einkommen von 1.355,- € – bei Steuerklasse I und ohne Trinkgelder – dem Beklagten ebenso für 2007, auch im hier maßgeblichen Zeitraum ab Mai 2007, als realistisch erzielbar anzurechnen.
77Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte bei – ihm unterhaltsrechtlich obliegendem – gehörigem Bemühen um eine neue Arbeitsstelle nicht zumindest ein Einkommen in dieser Höhe erzielen könnte. Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle hat der Beklagte indes nicht vorgetragen, viel weniger belegt.
78Zunächst trägt der Beklagte nicht vor, seit wann er die Gefahr einer Kündigung als realistisch angesehen hat; gegebenenfalls hätte er sich bereits seit längerem um eine andere Arbeitsstelle bemühen müssen, erst recht, wenn er selbst davon ausging, dem jetzigen Beruf nicht weiter nachgehen zu können. Derartige Bemühungen trägt er selbst nicht vor.
79Weiter war ihm anzusinnen, arbeitsrechtliche Schritte gegen die Kündigung einzuleiten, zumal er sehr lange bei dem Unternehmen beschäftigt war (ausweislich der Verdienstabrechnungen seit 01.10.1996, also im Zeitpunkt der Kündigung über 10 Jahre), und nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bereits als Schwerbeschädigter eingestellt worden war, also besonderen Kündigungsschutz genoss. Auch dies ist nicht geschehen.
80Erst auf den Hinweis der Klägerin und konkrete Frage des Senats hat er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, sich mit dem Arbeitgeber geeinigt und eine Abfindung von 4.600,- € erhalten zu haben. Ein Beleg hierzu liegt nicht vor. Angesichts der Dauer seiner Beschäftigung spricht viel dafür, dass die Abfindung deutlich höher war. Dies mag jedoch hier dahinstehen.
81Dass seine Angabe, er könne im früheren Beruf als Kellner nunmehr krankheitsbedingt nicht mehr tätig sein, zutrifft, kann nicht festgestellt werden. Dieses von der Klägerin vehement bestrittene Vorbringen ist schon nicht hinreichend substantiiert, weil weder die genaue Art der Erkrankung noch deren Ausprägung in etwaigen Beschwerden konkret dargetan werden und auch nicht erläutert wird, weshalb diese dazu führen sollen, dass der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden könne.
82Die hierzu einzig vorgelegten beiden Atteste sind wenig aussagekräftig und genügen zur hinreichenden Darlegung nicht. Ihnen kann, wie ausgeführt, weder die konkrete Erkrankung noch die Art der Beschwerden entnommen werden; vor allem fehlen jegliche Angaben dazu, ob und welche Heilmaßnahmen – gegebenenfalls erfolglos – nach dem ersten und dem zweiten Unfall versucht worden sind, und ob solche gegebenenfalls an fehlender Mitwirkung des Beklagten scheiterten (z.B. Krankengymnastik).
83Die Atteste lassen insbesondere nicht auf völlige Erwerbsunfähigkeit schließen.
84Zumindest, solange eine etwa geplante Umschulung nicht begonnen hat – auch für seinen diesbezüglichen Vortrag ist der Beklagte jeden Beleg schuldig geblieben, der Arbeitslosengeldbescheid beinhaltet keinen Anhaltspunkt für eine Gesundheitsprüfung, vielmehr lediglich dringliche Hinweise, sich um Arbeit zu bemühen –, ist der Beklagte daher gehalten, umfangreiche Bemühungen zu entfalten, um zumindest den hier titulierten, sehr geringen und den Bedarf der Klägerin bei weitem nicht abdeckenden Ehegattenunterhalt sicherzustellen (zu den Anforderungen an diese Bemühungen – nicht allein zur Sicherstellung des Mindest-Kindesunterhalts, sondern generell zur Abdeckung von Unterhaltsverpflichtungen – Kalthoener/Büttner/Niepmann, Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht, 9. Aufl., Rz. 574 ff., 614 ff., je m.zahlr.w.N.).
85Denn die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit bestimmt, nämlich durch die Mittel, die er bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erreichen könnte (BVerfG NJW 2006, 2317). Reichen die tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise einzusetzen und eine mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (vgl. ebenso bereits etwa BGH FamRZ 1985, 158 f.; BGH FamRZ 1994, 372 f.; BGH FamRZ 1998, 357 ff., 359, je m.w.N.).
86Weder hat der Beklagte derartige Bemühungen dargelegt, noch hat er konkret vorgetragen, dass und weshalb ihm keinerlei Erwerbstätigkeit möglich sein soll.
87Unter diesen Umständen ist ihm zumindest das früher (ohne Trinkgelder) erzielte Einkommen von netto 1.355,- € als erzielbar anzurechnen. Denn mangels jeglicher Bemühungen vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Beklagte kein höheres Einkommen als das derzeitige aus Arbeitslosengeld erzielen könnte.
88Hinzuzurechnen ist der erhaltene Abfindungsbetrag, der – wenn er tatsächlich nur 4.600,- € betrug – verteilt auf 12 Monate monatlich ca. 383,- € ausmacht.
89Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte jedenfalls ein Jahr nach der Kündigung, d.h. im Frühsommer 2008, wieder eine der früheren vergleichbare Arbeitsstelle mit in etwa vergleichbarem Einkommen – gegebenenfalls einschließlich von Trinkgeldern – gefunden haben wird, wenn er sich in dem von der Rechtsprechung geforderten Umfang um eine solche bemüht. Krankheitsbedingte Hinderungsgründe sind, wie ausgeführt, nicht hinreichend dargetan.
90Dabei ist noch unberücksichtigt geblieben, dass der Beklagte aus der Erbschaft nach seinem verstorbenen Vater nach eigenen Angaben bereits 30.000,- € erhalten hat, von denen er 11.000,- € zur Tilgung eigener bestehender Verbindlichkeiten und weitere 15.000,- € für einen "Berater", der jedoch weder Rechtsanwalt noch überhaupt Jurist sei, aufgewandt hat. Es spricht viel dafür, dass zumindest fiktive Erträgnisse aus diesem Betrag ebenfalls zur Tilgung seiner Unterhaltsverpflichtungen verwendet werden müssen.
91Von dem vorbezeichneten erzielbaren Einkommen abzusetzen sind zunächst die unstreitigen Belastungen für den Kredit mit 83,47 € sowie für die Conti-Versicherung mit 102,26 €.
92Abzüge für Fahrtkosten sind unverändert in Höhe von 66,- € entsprechend dem vorgenannten Beschluss des Oberlandesgerichts vorzunehmen. Wenn von einer Erwerbstätigkeit ausgegangen wird, fallen aller Wahrscheinlichkeit nach auch Fahrtkosten an. Bei einem vergleichbar entfernten Arbeitsplatz und Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel würden Fahrtkosten in schätzungsweise vergleichbarer Höhe zwischen 60,- und 70,- € anfallen.
93Damit sind Belastungen von insgesamt 251,73 € in die Berechnung einzustellen.
94Der weitere Kredit "C. K.", den der Beklagte zunächst mit einer monatlichen Rate von 41,06 € angegeben hat, ist nur einmal jährlich mit diesem Betrag zu tilgen, d.h. monatlich rund 3,50 €. Hierzu hat der Beklagte aber, worauf das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat, weder Tilgungsbelege vorgelegt noch dargelegt, dass und weshalb dieser Betrag auch nach 2004 noch zu tilgen war. Daher bleibt dieser Betrag unberücksichtigt.
95Ebenso außer Betracht bleibt der Betrag für die Unfallversicherung der Tochter, die nicht im Einvernehmen der Parteien gezahlt wird, auch nicht zwingend notwendig und daher angesichts der beengten finanziellen Verhältnisse nicht anzusetzen ist.
96Abzusetzen ist ferner der titulierte Kindesunterhalt, der nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist.
97Die Anrechnung einer Haushaltsersparnis wegen Zusammenlebens mit einer neuen Partnerin kam nicht in Betracht, weil die Klägerin für ihren diesbezüglichen, vom Beklagten bestrittenen Vortrag keinen Beweis angetreten hat.
98Damit ergibt sich folgende Berechnung:
99Erzielbares Nettoeinkommen 1.355,00 €
100Zuzüglich anteiliger Abfindungsbetrag 383,00 €
101Gesamteinkommen 1.738,00 €
102Abzüge Belastungen insgesamt 251,73 €
103Zwischensumme 1.486,27 €
104Abzüglich Kindesunterhalt 247,00 €
105Verbleiben 1.239,27 €
106Abzüglich des ihm zu belassenden Selbstbehalts von 1.000,00 €
107Verbleiben für Ehegattenunterhalt 239,27 €
108Tituliert sind jedoch lediglich 103,- €. Insoweit ist der Beklagte leistungsfähig, denn es verbleibt ihm sogar der gegenüber Ehegatten anzusetzende Selbstbehalt von 1.000,- € (BGH NJW 2006, 1654 ff.; ebenso Ziff. 21.3.2. der neugefassten Kölner Unterhaltsleitlinien, Stand 01.07.2007).
109Auch wenn dem Beklagten nach Erhalt der Kündigung ein gewisser Zeitraum zur Arbeitssuche zugebilligt würde, in dem nicht das vorgenannte erzielbare Einkommen angerechnet würde, ergäbe sich keine abweichende Beurteilung.
110Denn dann wäre die Abfindung auf einen entsprechend deutlich kürzeren Zeitraum zu verteilen und stünden mit Arbeitslosengeld und Abfindungsanteilen ebenfalls hinreichende Mittel für den Unterhalt zur Verfügung.
111Gleiches gilt für den Fall, dass alternativ lediglich das Arbeitslosengeld sowie der auf 12 Monate verteilten Abfindungsbetrag angerechnet würde. Denn in diesem Fall wären die Verbindlichkeiten zu strecken oder auszusetzen und der gegenüber dem minderjährigen Kind dann nur bestehende Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen von 770,- € zu beachten, so dass sich auch dann Leistungsfähigkeit für die hier in Rede stehenden Unterhaltsbeträge ergäbe.
112Der Beklagte müsste zur Abdeckung des jetzt titulierten Unterhalts sowie seiner sonstigen Verbindlichkeiten ein Nettoeinkommen – gegebenenfalls einschließlich Trinkgelder – von ca. 1.550,- € erzielen. Bei Abzug von gerundet jeweils 250,- € für Kredite und Kindesunterhalt sowie gerundet 100,- € für Ehegattenunterhalt verblieben ihm dann 950,- €. Dies ist ausreichend, denn dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm gegenüber der Klägerin zwar der vorgenannte Selbstbehalt von 1.000,-€, gegenüber der minderjährigen Tochter aber nur ein solcher von 900,- € zu belassen ist und deshalb vorliegend ein Mittelwert von 950,- € angemessen erscheint.
1134.
114Infolgedessen kann offenbleiben, ob der Beklagte auch an das erstinstanzlich in Höhe dieses Ehegattenunterhaltsbetrages abgegebene Anerkenntnis, das ohne Einschränkung erklärt wurde, gebunden ist.
115III.
116Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.
117Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
118Die Revision ist nicht gemäß § 543 II ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
119Streitwert:
120Bis zum 20.06.2007: Rückstände: 3.684,- € ((1.164,- + (7 x 360,- €))
121Laufender Unterhalt: 4.200,- € ((247,- + 103,- €) x 12))
122 123Ab dem 21.06.2007: 1.236,- € (103,- € x 12)