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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 24.1.2005 (9 O 274/03) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die damals 16-jährige Klägerin begab sich am 17.10.2000 auf Anraten ihrer behandelnden Zahnärztin in Begleitung ihrer Mutter zum Beklagten, einem niedergelassenen Kieferchirurgen, um die Frage einer operativen Entfernung der vier Weisheitszähne klären zu lassen, nachdem es ungefähr einen Monat zuvor zu einer Dentitio difficilis des Zahns 38 gekommen war. Der Beklagte riet zur Entfernung der Weisheitszähne. Darauf wurden der Klägerin am 18.10.2000 durch den Beklagten in Vollnarkose zeitgleich alle vier Zähne herausoperiert. Bei insgesamt sieben Terminen zur Nachkontrolle im Verlaufe der folgenden vier Wochen zeigte sich eine erheblich reduzierte Mundöffnung mit nur wenigen Millimetern Schneidekantendistanz. Der Beklagte führte deswegen Spatelübungen bei der Klägerin durch, die aber zu keinem zufrieden stellenden Erfolg führten. Die Klägerin stellte sich in der Folgezeit in den Unikliniken C. und L. vor, wo neben der erheblich eingeschränkten Mundöffnung eine deutliche Deviation des Unterkiefers vor dem Hintergrund erheblicher Hyperaktivität der Kaumuskulatur festgestellt und der Verdacht auf Diskusverlagerung am rechten Kiefergelenk geäußert wurde. Am 11.12.2000 wurde eine Magnetresonanztomographie durchgeführt, die keine klaren Ergebnisse erbrachte. Am 12.1.2001 nahm der Radiologe Dr. W. eine weitere Magnetresonanztomographie vor, die nach seiner Befundung eine vollständige anteriore Diskusluxation ohne Reposition auf der rechten Seite ergab. Die Klägerin wurde nach anfänglicher Physiotherapie in der Folgezeit durch diverse weitere Behandler funktionstherapeutisch und kieferorthopädisch behandelt. Sie trug zunächst eine Aufbissschiene, später über viele Monate eine festsitzende Multi-Bracket-Apparatur, danach Retensionsplatten sowie Retentionsdrähte.
4Die Klägerin hat mit ihrer Klage ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 62.392,50 €, weiteren Schadensersatz in Höhe von 3.046,85 € sowie Feststellung begehrt, dass der Beklagte zum Ersatz aller weiteren materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet ist, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Sie hat behauptet, die Entfernung der vier Weisheitszähne sei nicht indiziert gewesen. Der Beklagte habe sie nicht ordnungsgemäß untersucht. Es habe nur eine flüchtige Untersuchung des Mundraums stattgefunden, bei der Auffälligkeiten, die zu besonderer Vorsicht hätten mahnen müssen (v.a. Schlifffacetten), nicht erkannt worden seien. Die Operation sei nicht lege artis ausgeführt worden. Insbesondere sei es fehlerhaft gewesen, alle vier Zähne zugleich in Vollnarkose zu entfernen, da dies die Gefahr einer Überdehnung der Kiefergelenke mit sich gebracht habe. Diese Gefahr habe sich bei ihr auch verwirklicht. Es sei zu einer Kiefergelenksluxation und zu einer nicht mehr zurückgebildeten Verlagerung des rechten Diskus gekommen. Grob fehlerhaft und sehr schmerzhaft sei auch die nachfolgende wochenlange Behandlung mit Spatelübungen gewesen. Sie habe den Schaden weiter vergrößert. Weder sie selbst noch ihre Eltern seien über irgendwelche Risiken der Behandlung aufgeklärt worden. Sie hat behauptet, die gesamte jahrelange kieferorthopädische Behandlung beruhe auf der fehlerhaften Behandlung des Beklagten. Insgesamt habe die Behandlung zu ganz beträchtlichen Schmerzen, Beschwerden und Unannehmlichkeiten geführt.
5Sie hat beantragt,
61.
7den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag in Höhe von 62.392,50 €, sowie weiteren Schadensersatz in Höhe von 3.046,85 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 28.632,35 € seit dem 1.5.2002 und weiteren 36.807,00 € seit dem 18.6.2003 zu zahlen,
82.
9festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der von dem Beklagten am 18.10.2000 durchgeführten Operation noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Er hat behauptet, die Klägerin ordnungsgemäß untersucht und sie sowie ihre Mutter ordnungsgemäß über alle relevanten Risiken aufgeklärt zu haben. Die Operation sei sowohl grundsätzlich als auch in der gewählten Form indiziert und ordnungsgemäß durchgeführt worden. Bei der Klägerin habe sich auch nur eine relativ häufig auftretende und nicht vermeidbare Kiefersperre eingestellt, die durch die Spatelübungen lege artis behandelt worden sei. Eine Kiefergelenksluxation und eine Diskusverlagerung hat der Beklagte bestritten.
13Die Kammer hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch Prof. Dr. K., Anhörung des Sachverständigen im Termin sowie Anhörung der Parteien die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe eine fehlerhafte Behandlung durch den Beklagten nicht beweisen können. Auch unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung hafte der Beklagte nicht. Hinsichtlich einer etwaigen Diskusverlagerung habe keine Aufklärungspflicht bestanden, außerdem sei von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin auszugehen. Wegen aller Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
14Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Klageziele weiter und erweitert zugleich die Klage um 1000.- €. Sie greift das Urteil umfassend an.
15Hinsichtlich der Feststellungen, dass die Extraktion der Weisheitszähne überhaupt indiziert gewesen sei und dass die vollständige Entfernung in einer Operation unter Vollnarkose standardgerecht gewesen sei, rügt sie die mangelnde fachliche Eignung des Sachverständigen. Die Beurteilung der Kiefergelenksproblematik, ihre Erkennbarkeit vor der Operation (Schlifffacetten, usw.) und die Konsequenzen für die Behandlung (Funktionsanalyse) fielen in den Fachbereich der Gnathologie, nicht der Chirurgie. Inwieweit der Sachverständige hier spezielle Kenntnisse habe, sei – trotz entsprechender Hinweise in erster Instanz – nicht erfragt worden. Weder der Sachverständige noch die Kammer hätten sich angemessen mit dem entgegenstehenden Privatgutachten Prof. T. auseinandergesetzt. Dieser habe ausdrücklich auf Besonderheiten des Gebisses der Klägerin hingewiesen (etwa einen verkürzten Eckzahn), die die besondere Kiefergelenksproblematik bewiesen hätten und die zu entsprechenden Konsequenzen hätten führen müssen. Damit und mit den Fotographien, aus denen sich die Richtigkeit der Ausführungen von Prof. T. ergebe, fehle jede Auseinandersetzung. Angesichts der hohen Fachkompetenz des Privatgutachters sei es geboten gewesen, diesen selbst (als sachverständigen Zeugen) zu hören und ggf. den gerichtlichen Gutachter mit ihm zu konfrontieren. Ebenso geboten sei es, den Gnathologen Dr. H., der die Klägerin ab Dezember 2000 behandelt habe, zu den Auffälligkeiten des Gebisses selbst zu hören, da nach der Sanierung des Gebisses heute dazu verlässliche Tatsachenfeststellungen nicht möglich seien. Das Urteil gehe ferner unzureichend auf die Frage ein, ob neben der klinischen nicht vielmehr eine instrumentelle Funktionsanalyse vor der Operation geboten gewesen sei. Unrichtig seien die Feststellungen zur Operation selbst, insbesondere ihrer Dauer. Diese Feststellungen fänden weder in den Unterlagen noch in den Ausführungen des Sachverständigen hinreichende Stütze, so dass die daraus gezogenen Schlüsse nicht zulässig seien. Übergangen worden sei in diesem Zusammenhang auch der Vortrag, dass bei einer lediglich örtlichen Betäubung die Klägerin in der Lage gewesen sei, eine etwa zu weite oder zu lange Öffnung des Mundes zu bemerken.
16Zu Unrecht sei die Kammer ferner davon ausgegangen, dass die Diskusverlagerung nicht nachgewiesen sei. Zumindest habe die Kammer insoweit nicht die angebotenen Beweise ausgeschöpft. Auf die zeitnah erstellten Röntgen- bzw. Kernspin-Aufnahmen habe die Kammer sich dabei ohnehin nicht maßgeblich stützen dürfen. Die Röntgenaufnahme des Beklagten sei, wie auch der gerichtliche Sachverständige festgestellt habe, untauglich. Demgegenüber bewiesen die Befunde von Dr. W. diese eindeutig und zwar nicht nur die zeitnächsten, sondern auch die späteren, die ohnehin auch den weiteren Verlauf gut dokumentierten. Die entsprechenden Diagnosen der ausgewiesenen Fachleute Dr. E., Dr. W. und Prof. Dr. T. habe die Kammer nicht gewürdigt. Die Kammer habe ferner die zahlreichen Indizien nicht gewürdigt, die ebenfalls auf das Vorliegen der Diskusverlagerung deuteten, nämlich die heftigen Schmerzen, deren Lokalisation in den Kiefergelenken anstatt in den Muskeln, die Knackgeräusche, die lange Dauer erfolgloser Spatelübungen. Die entsprechenden Beweisantritte habe die Kammer übergangen.
17Falsch seien auch die Feststellungen zur Nachbehandlung. Für die umstrittene Spatelbehandlung sei keine Differenzialdiagnose erfolgt. Auch insoweit habe sich die Kammer nicht mit der abweichenden Auffassung von Prof. T. auseinander gesetzt. Statt der Spatelbehandlung, die die Diskusverlagerung verschlimmert habe, hätte von Beginn an eine manuelle Physiotherapie erfolgen müssen, wie sie ab Ende November 2000 tatsächlich stattgefunden und auch zum Erfolg geführt habe. Die weitere Behandlung (Aufbiss-Schiene) hätte dann ebenfalls rascher erfolgen können.
18Die Klägerin rügt weiter die fehlende Aufklärung. Weder sei über eine Diskusverlagerung noch über eine Kiefergelenksluxation aufgeklärt worden. Es sei unzutreffend, dass es sich hierbei um ein nicht aufklärungsbedürftiges Risiko handele. Soweit der Sachverständige das Risiko als gering bezeichnet habe, betreffe dies nur die Unterkieferluxation, nicht aber die Diskusverlagerung. Außerdem sei das Risiko bei der Klägerin erhöht gewesen. Im Übrigen sei die hier eingetretene OP-Folge sehr einschneidend für die Lebensführung und für den Eingriff spezifisch sowie für einen Laien überraschend. Darüber hinaus sei nicht einmal eine Grundaufklärung erfolgt. Von einer entsprechenden Dokumentation könne keine Rede sein. Den Beweisen sei die Kammer nicht nachgegangen, insbesondere sei die Mutter der Klägerin, die bei den beiden Terminen am 17. und 18.10.2000 zugegen gewesen sei, nicht gehört worden. Von hypothetischer Einwilligung könne keine Rede sein. Wäre eine ordnungsgemäße Aufklärung nur über die normalen Risiken erfolgt, hätten sowohl die Klägerin als auch vor allem ihre Eltern die Einwilligung verweigert. Zu Unrecht habe die Kammer eine fehlende Darlegung des Entscheidungskonflikts festgestellt. Der eingehende Vortrag dazu aus der Klageschrift sei übergangen worden. Die notwendige Anhörung der Klägerin und ihrer Eltern sei nicht erfolgt. Ein Hinweis auf die angebliche Notwendigkeit weitergehenden Vortrags habe es ebenfalls nicht gegeben. Unstreitig sei auch keine Aufklärung darüber erfolgt, dass bei der Operation möglicherweise eine Eröffnung der Kieferhöhle erfolgen könne. Dieses Risiko habe sich verwirklicht, wie sich aus der Rechnung des Beklagten ergebe, wo eine plastische Abdeckung in Rechnung gestellt worden sei. Jedenfalls insoweit sei der Eingriff rechtswidrig gewesen. Deswegen und wegen der damit verbundenen Schmerzen erweitert die Klägerin ihre Klage um 1000.- €.
19Sie stellt die Anträge
20wie zu 1. und 2. aus erster Instanz,
21ferner,
22den Beklagten zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens aber 1000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1.4.2005 zu verurteilen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
26Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin N. Q. (der Mutter der Klägerin) sowie die Parteien angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5.12.2005 (Bl. 690 d.A.) Bezug genommen.
27Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
28II.
29Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin kann Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld weder auf den Gesichtspunkt des Behandlungsfehlers noch auf den mangelhafter Aufklärung stützen.
301.
31Wie der Senat bereits mit der Verfügung vom 16.6.2005 zum Ausdruck gebracht hat, liegt ein Fehler im Hinblick auf die Indikation zur Extraktion der vier Weisheitszähne nicht vor. Der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Prof. Dr. K. hat die Indikation zur operativen Entfernung der Weisheitszähne eindeutig und klar bejaht. Die Indikation habe sowohl aus prophylaktischen Gründen bestanden, als auch aus Gründen der Sanierung eines möglichen Infektionsherdes nach vorangegangener Dentitio difficilis, als auch aus kieferorthopädischen Gründen. Aus den vorliegenden Röntgenaufnahmen hätten sich eindeutig Platzmangelprobleme ergeben. Es habe eine absolute Standardsituation für die Entfernung bestanden. Diese klare Einschätzung des Sachverständigen ist als solche von der Klägerin nicht angegriffen worden. Auch der von ihr selbst beauftragte Privatgutachter Prof. T. bejaht grundsätzlich die Indikation, bezweifelt nur deren Dringlichkeit. Um die Frage der Dringlichkeit der Operation geht es aber zunächst nicht. Wenn – insbesondere wegen Platzmangels – die Entfernung von Weisheitszähnen geboten ist, ist die Indikation sofort gegeben (und im Übrigen ist es auch, so der Sachverständige Prof. Dr. K. überzeugend, medizinisch sinnvoll, einen solchen Eingriff alsbald und bei ansonsten gesunden Kieferverhältnissen durchzuführen).
32Kontra-Indikationen gegen einen Eingriff zum damaligen Zeitpunkt gab es nicht. Solche hat der gerichtliche Sachverständige überzeugend verneint. Er hat sie insbesondere nicht in den klinischen Anzeichen gesehen, die der Gutachter der Klägerin, Prof. T. für bedeutsam hielt, nämlich in den Abrasionen der Eckzahnspitze, der Muskelhypertrophie, der Zeichnung der Zunge usw. Der gerichtliche Sachverständige hat seinerseits anlässlich seiner körperlichen Untersuchung der Klägerin vereinzelt Schlifffacetten festgestellt, diesen aber keine Bedeutung beigemessen. Er hat sich auch eingehend und teilweise überaus kritisch mit den Feststellungen von Prof. T. auseinander gesetzt und im Ergebnis weder die Einschätzung der von jenem als Warnzeichen gedeuteten Befunde geteilt noch diejenige hinsichtlich der Notwendigkeit weiterer Funktionsanalysen vor der Durchführung der Operation. Auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung und die Ausführungen im Rahmen der Verfügung vom 16.6.2005 wird Bezug hierzu genommen.
33Trotz der im Berufungsverfahren weiter geltend gemachten Einwände der Klägerin bleibt der Senat dabei, dass dem gerichtlichen Sachverständigen uneingeschränkt zu folgen ist und weitergehender Aufklärungsbedarf (durch Einholung weiterer Gutachten oder durch Anhörung von Nachbehandlern) nicht besteht. Dabei sieht der Senat nach wie vor keinen Anhaltspunkt für die Annahme der Klägerin, der Sachverständige habe wesentliche Befunde nicht zur Kenntnis genommen und nicht angemessen gewürdigt, insbesondere nicht die von Dr. H. und anderen gefertigten Lichtbilder. Auszuschließen ist – entgegen der Auffassung der Klägerin -, dass der Sachverständige der irrigen Auffassung gewesen sei, der Zustand der Zähne, wie er sich bei seiner körperlichen Untersuchung der Klägerin dargestellt hat, entspreche demjenigen zum Zeitpunkt der hier streitigen Operation. Dass dies nicht der Fall ist, ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem schriftlichen Gutachten vom 3.2.2005 (dort S. 23), indem er aus dem aktuellen Zustand des Gebisses lediglich Rückschlüsse zieht auf fehlende Anzeichen auch zum früheren Zeitpunkt, keinesfalls aber annimmt, dies stelle den damaligen Zustand dar. Im Übigen nimmt der Sachverständige ausdrücklich Bezug auf die zeitnah erstellten Röntgenaufnahmen von Frau Dr. I., die zumindest im Hinblick auf den Zustand der Eckzähne durchaus aussagekräftig sind. Dass eine eingehende Auseinandersetzung mit den Bildern, die auf CD vorlagen, im ersten Gutachten nicht erfolgte, bedeutet nicht, dass der Sachverständige diese überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hat, sondern erklärt sich daraus, dass dem Sachverständigen diese Bilder zum Zeitpunkt des ersten schriftlichen Gutachtens nicht vorlagen (wie er im Rahmen des Ergänzungsgutachtens ausdrücklich feststellt), und dass er im Rahmen der mündlichen Anhörung dazu nicht mehr befragt wurde. Dies nachzuholen, sieht der Senat indes keinen Anlass. Entscheidend ist für die Frage einer Kontraindikation für die Operation nicht das exakte Ausmaß der Schlifffacetten, sondern ob die gesamte (Kiefer-)Physis der Klägerin Anlass zu der Befürchtung gab, es bestehe hier eine besondere Gefahr für eine Kiefergelenksluxation, eine Diskusverlagerung oder ähnliche gewichtige Komplikationen. Dies hat der Sachverständige nicht zuletzt anhand der eigenen körperlichen Untersuchung der Klägerin verneint. Der Senat versteht die Kritik des Sachverständigen an dem Privatgutachten Prof. T. denn auch vor allem in dem Sinn, dass eine Beurteilung der Frage einer Kontraindikation nur anhand des Zustandes der Zähne keineswegs verlässlich möglich sei. Insgesamt sieht der Senat daher in diesem Punkt keinen weiteren Aufklärungsbedarf. Dass das Gutachten des gerichtlichen Gutachters dem Senat als überzeugender erscheint als das Gutachten von Prof. Dr. T., ist der Verfügung vom 16.6.2005 zu entnehmen, worauf Bezug genommen wird. Es bleibt dabei, dass es überzeugender erscheint, wenn ein Sachverständiger die Frage, ob dem Kiefer besondere Gefahren drohen, anhand des persönlich untersuchten Patienten beurteilt, und nicht anhand von Fotos von Zähnen oder anhand von Gebissabdrücken. Insoweit besteht auch kein Anlass, ein Obergutachten einzuholen. Dies gilt namentlich auch für die Frage, ob bei der Klägerin eine klinische und instrumentelle Funktionsanalyse vor der Operation durchzuführen war. Es bleibt ferner dabei, dass dem gerichtlichen Sachverständigen als Ordinarius und als ausgewiesenem Kieferchirurgen nicht die notwendige Sachkunde fehlt, die Behandlung durch den Beklagten auch unter gnatologischen Gesichtspunkten zu beurteilen.
342.
35Der Senat bleibt ferner bei seiner bereits durch die Verfügung vom 16.6.2005 mitgeteilten Auffassung, dass ein Behandlungsfehler nicht in der gewählten Methode oder der konkreten Durchführung der Operation zu sehen ist. Auch hierzu nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Ausführungen in der gerichtlichen Verfügung vom 16.6.2005. Der gerichtliche Sachverständige hat plausibel und überzeugend ausgeführt, dass es grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Vorgehensweise gebe, nämlich die operative Entfernung aller vier Zähne in Vollnarkose oder die paarweise Extraktion gegenüberliegender Zähne in Lokalanästhesie. Im Hinblick auf die Weite der Mundöffnung gebe es dabei keinen Unterschied, also auch nicht im Hinblick auf die Gefahr einer Kiefergelenksluxation, so dass die Wahl der Methode nicht zu beanstanden sei. Soweit der Sachverständige die dem widersprechenden Ausführungen von Prof. T. als fachlich unhaltbar bezeichnet, wenn dieser fordere, die Operation hätte zweizügig in der Weise erfolgen müssen, dass zunächst der Unter- und dann der Oberkiefer zu behandeln sei, während nach Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen stets gegenüber liegende Paare zu entfernen seien, wird dies letztlich auch durch den Behandler Dr. H. bestätigt. Dieser hat, wie die Klägerin nun selbst vorträgt, die Weisheitszähne ihrer Schwester genau so gezogen wie der gerichtliche Sachverständige als fachgerecht angegeben hat. Der Auffassung der Klägerin, dass eine Operation in lediglich lokaler Betäubung und nur paarweise schonender gewesen wäre als die Entfernung aller vier Zähne in Vollnarkose, hat der Sachverständige Prof. Dr. K. – auch hier letztlich für den Senat ausreichend und überzeugend - widersprochen. Insoweit folgt der Senat dem Sachverständigen dahin, dass – gerade für die geltend gemachte Kiefergelenksluxation und die Diskusverlagerung - nicht die Dauer der zwanghaften Öffnung des Mundes entscheidend ist (diese ist bei einer zweimaligen Operation insgesamt im Übrigen ganz gewiss nicht kürzer als die einmalige Operation), sondern das Maß der einmaligen Überdehnung. Insofern erscheint es auch nicht wirklich plausibel, dass eine lediglich lokale Betäubung den sichereren Weg darstellt. Es mag zwar sein, dass ein Patient den Schmerz bei einer Überdehnung trotz Betäubung noch spürt, aber die Gefahr hat sich eben dann bereits verwirklicht. In diesem Sinne versteht der Senat die – allerdings knapp gehaltenen - Ausführungen im Gutachten vom 3.2.2004 (dort. S. 24). Für die Frage eines Behandlungsfehlers kommt es darauf aber nicht an. Dies könnte nur angenommen werden, wenn die in zwei Abschnitten und in lediglich lokaler Betäubung vorgenommene Operation eindeutig die vorzugswürdige Behandlung und nicht bloß eine gleichwertige Alternative gewesen wäre. Insoweit aber ergibt sich aus dem Gutachten Prof. Dr. K. eindeutig, dass die gewählte Form der Operation eine absolut übliche und auch hier nicht konktraindizierte Methode war.
36Für Fehler bei der Durchführung der Operation selbst hat der Sachverständige keinen Anhaltspunkt gefunden. Er hat ausgeführt, dass die völlige Verheilung der Wunden und die Durchbauung des Knochens für eine lege artis erfolgte Behandlung sprechen. Auf die Frage, ob der Sachverständige dabei zu Recht von einer Dauer von lediglich 15 Minuten ausgegangen ist, kommt es nicht an. Ein Fehler wäre auch dann nicht bewiesen, wenn die Operation länger gedauert hat. Ebenfalls kommt es nicht auf die Frage an, ob im Bereich des Zahns 18 die Kieferhöhle eröffnet wurde oder nicht. Erneut wird auf die Verfügung vom 16.6.2005 Bezug genommen. Wenn in diesem Zusammenhang im Rahmen der Verfügung vom 16.6.2005 von einer „normalen“ Komplikation die Rede ist, so ist damit keineswegs der bei der Klägerin eingetretene gesundheitliche Schaden verharmlost worden (erst recht gilt dies nicht für die sicherlich beträchtlichen Beschwerden der Klägerin), sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der Nachweis eines Behandlungsfehlers nicht geführt sei und die Folge der Operation als eine dem Behandler nicht anzulastende Komplikation zu werten sei. Insofern kommt es auch nicht darauf an, wie sich konkret der Schaden ausgewirkt hat (Defekt am Diskus selbst oder am umliegenden Weichteilgewebe).
373.
38Auch im Hinblick auf die Nachbehandlung liegt ein Behandlungsfehler nicht vor. Auch dies hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. K. eindeutig und überzeugend ausgeführt, und auch hier folgt der Senat dem Sachverständigen, wie aus der Verfügung vom 16.6.2005 ersichtlich. Der Sachverständige hat die Behandlung durch Spatelübungen nicht als fehlerhaft angesehen, vielmehr sie als etablierte und angezeigte Behandlung (wörtlich in der mündlichen Anhörung: „absolute Standardübung“) bei einer muskulär bedingten Kiefersperre bezeichnet. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine Verletzung vorliegen könne, die über eine muskulär bedingte Kiefersperre hinausgingen, habe es nicht gegeben. Eine derart seltene Komplikation wie eine Diskusverlagerung (deren tatsächliches Vorliegen nicht geklärt ist) habe nicht in Betracht gezogen werden müssen. Insofern sei auch eine frühzeitigere Untersuchung mittels Kernspinaufnahme nicht angezeigt gewesen (zumal eine solche Untersuchung, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, zu einem derart frühen Zeitpunkt ohnehin nicht aussagekräftig gewesen wäre). Schon aus diesen Gründen kommen Ansprüche der Klägerin wegen fehlerhafter Nachbehandlung nicht in Betracht.
39Unabhängig davon ließe sich aber auch ein insoweit abgrenzbarer Schaden nicht nachweisen und zwar nicht einmal als Mindestschaden. Auch insoweit wird zunächst auf die Ausführungen aus der Verfügung vom 16.6.2005 Bezug genommen. Daran ändern die Einwände der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 7.7.2005 nichts. Erforderlich ist, wovon auch die Klägerin ausgeht, dass der Nachweis einer Vergrößerung des (unterstellten) Weichteilschadens erbracht wird. Genau diesen Nachweis hält der Senat aber für schlechthin nicht führbar. Wenn eine Kieferüberdehnung zu einer Weichteilschädigung geführt haben sollte, wie die Klägerin behauptet, und unstreitig objektive Befunde zum Zustand des Kiefergelenks und des umgebenden Weichteilgewebes unmittelbar nach der Operation nicht vorhanden sind, ist es nach Auffassung des Senats bereits aus logischen Gründen ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger in der Lage ist, mit hinreichender Sicherheit einen irgendwie gearteten „Mehr“-Schaden am Weichteilgewebe festzumachen, der auf den Versuchen beruht, die Kieferklemme durch Spatelübungen zu lösen.
404.
41Auch auf den Gesichtspunkt unzureichender Aufklärung über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken lassen sich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nicht stützen.
42a)
43Eine Aufklärung über das Risiko einer Diskusverlagerung als Folge einer Kiefergelenksluxation, die unstreitig nicht erfolgte, war nicht geboten. Der Sachverständige Prof. Dr. K. hat eine Aufklärungsbedürftigkeit insoweit eindeutig verneint, da es sich um eine äußerst selten auftretende Komplikation handele, über die es keine statistischen Erkenntnisse gebe, deren Vorkommen er allerdings allenfalls im Promillebereich ansiedeln könne. Auch am B. Uniklinikum werde darüber daher nicht aufgeklärt. Das alles ist klar, eindeutig, nachvollziehbar und für den Senat überzeugend. Daran ändert auch der Einwand der Klägerin nichts, für sie hätten angesichts ihrer anatomischen Verhältnisse strengere Maßstäbe gelten müssen. Hier gilt – auch wenn die Klägerin es nicht als maßgeblich ansehen will -, dass der gerichtliche Sachverständige sie immerhin persönlich untersucht hat. Er hat dabei ausdrücklich nicht die der Klägerin bedeutsam erscheinenden Schlifffacetten und die sonstigen an den mittlerweile sanierten Zähnen festzustellenden Spuren als entscheidend angesehen, sondern vor allem die Muskulatur der Klägerin, das Weichteilvolumen im Schläfenbereich und die Schädelkonfiguration, die keinen Hinweis auf besondere Gefahren liefern würden. Er hat sehr wohl festgestellt, dass die Klägerin über ausgeprägte Muskelfortsätze beidseits des Unterkiefers verfügt, meint aber, dass derartige Verdickungen in der Praxis häufig zu finden seien und auf keinen Fall als Hinweis für postoperative Komplikationen zu werten seien. In diesem Zusammenhang ist auch nicht richtig, dass der Sachverständige die Unterlagen des Dr. W., der gemeint hat, auf der Kernspinaufnahme von Januar 2001 eine Diskusverlagerung festzustellen, ignoriert hätte. Das Gegenteil ist der Fall, wie sich eindeutig aus S. 19 seines Gutachtens ergibt. Er hat sich die Aufnahmen gründlich angeschaut, vermochte aber - anders der Radiologe - darauf gerade „keinen eindeutigen“ Hinweis auf eine Diskusverlagerung zu finden.
44Unter dem letztgenannten Gesichtspunkt kann auch dahinstehen, ob es zu einer sogenannten Grundaufklärung durch den Beklagten gekommen ist oder nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die wirksame Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff eine solche Grundaufklärung voraus, wenn sich nur ein Risiko verwirklicht hat, das nicht aufklärungsbedürftig war, weil es sich um ein besonders seltenes oder ein ganz untypisches Risiko handelte (BGH VersR 1991, 777; VersR 1996, 195), wobei diese Grundaufklärung über die Art und den Schweregrad des Eingriffs zumindest den Hinweis auf die schwerste denkbare Komplikation beinhaltet (hier also etwa dauerhafte Verletzungen von Gesichtsnerven oder Narkosezwischenfälle). Voraussetzung ist allerdings, dass sich ein nicht aufklärungspflichtiges Risiko auch tatsächlich verwirklicht hat, was entsprechend den oben dargestellten Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. keineswegs gesichert ist, da er anhand der Kernspinaufnahmen die entsprechende Diagnose des Radiologen Dr. W. gerade nicht nachzuvollziehen vermochte. Auch hier hat der Senat keinen Anlass, an den Ausführungen des Sachverständigen (und auch nicht an seiner Sachkunde) zu zweifeln. Ob dem Beklagten geglaubt werden kann, dass er – wie er in seiner mündlichen Anhörung beteuert hat – auf alle wesentlichen Risiken ausdrücklich hingewiesen habe, muss der Senat daher nicht entscheiden.
45b)
46Der Senat muss auch nicht entscheiden, ob dem Beklagten geglaubt werden kann, dass er auf das Risiko einer Kieferklemme besonders eingegangen sei. Dokumentiert ist es nicht, die Aussagen der Zeugin Q. (der Mutter der Klägerin) sowie der Klägerin selbst stehen der Aussage des Beklagten im Rahmen seiner informatorischen Anhörung eindeutig entgegen. Nicht geklärt werden muss ferner, ob es sich bei der normalen Kieferklemme, bei der es sich um eine relativ geringfügige und vorübergehende Komplikation handelt, die mehr oder minder stark jeden Patienten trifft, überhaupt um ein aufklärungspflichtiges Risiko handelt. Im Hinblick auf die bei der Klägerin unzweifelhaft eingetretenen Folgen, nämlich einer schwerwiegenden und hartnäckigen Kieferklemme, nimmt der Senat nach Anhörung der Klägerin sowie ihrer beiden Erziehungsberechtigten an, dass sie sich auch dann nicht gegen den geplanten Eingriff entschieden hätten, wenn eine diesbezügliche Aufklärung (und im Übrigen auch eine ordnungsgemäße Grundaufklärung) erfolgt wäre.
47Für das vom Behandler darzulegende und zu beweisende Erfordernis der hypothetischen Einwilligung ist entscheidende Voraussetzung, dass der Patient einen Entscheidungskonflikt hinreichend plausibel macht. Das ist vorliegend indes nicht der Fall. Soweit sowohl die Klägerin als auch ihre beiden Eltern übereinstimmend betont haben, die Operation sei dann definitiv nicht durchgeführt worden (jedenfalls nicht durch den Beklagten und nicht zum damaligen Zeitpunkt), ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Die medizinische Ausgangslage war eindeutig. Es gab eine klare Indikation für die Entfernung der Weisheitszähne. Die Zähne konnten nicht ordnungsgemäß durchbrechen. Eine Alternative zur Entfernung gab es nicht. Es hatte bereits erste Komplikationen wegen dieser Zähne gegeben, nämlich eine Dentitio difficilis. Weitere solche Komplikationen waren zu befürchten. Ausgeschlossen hingegen war, dass sich die Situation von selbst bessern konnte. Die behandelnde Zahnärztin hatte die Klägerin deswegen an einen Spezialisten, nämlich einen Kieferchirurgen überwiesen, damit die Notwendigkeit der Operation von diesem beurteilt werde. Dieser sprach sich – entsprechend der medizinischen Befundlage - für die Operation aus. Es handelte sich um eine absolute Routineoperation, der sich zahlreiche Patienten im Alter der Klägerin unterziehen und die regelmäßig ohne nennenswerte Komplikationen verläuft. Konkrete Anhaltspunkte, dass dies bei der Klägerin anders sein könnte, gab es nicht. Die Klägerin hatte – wie sie ausdrücklich betonte – ebenso wie ihre Eltern Vertrauen zu dem Beklagten als Spezialisten. Anhaltspunkte dafür, dass er bei der Klägerin der Operation nicht gewachsen sein könne, hatten sie nicht. Sie waren vielmehr dem Rat der eigenen langjährigen Behandlerin Dr. I. gefolgt, hatten den Beklagten als Spezialisten anerkannt und waren gewillt, ihm zu vertrauen. Wenn er die Operation zu diesem Zeitpunkt und in der vorgeschlagenen Weise für richtig hielt, wollten sie ihm folgen. Warum der Hinweis auf Komplikationen, wie sie eine Grundaufklärung erfordert, nämlich in Bezug auf äußerst seltene, besonders gefährliche Risiken, oder der Hinweis auf häufige, aber tendentiell harmlose Folgen wie die Kieferklemme, hätten veranlassen können, von einer Operation Abstand zu nehmen, wie die Klägerin und ihre Eltern entschieden bekunden, will dem Senat nicht einleuchten. Einen wirklichen Grund dafür haben sie auch nicht angeben können. Sie behaupten schlicht, sie hätten die Operation nicht durchgeführt, wenn auch nur irgendeine noch so belanglose Komplikation erwähnt worden wäre. Das völlige Unterlassen aber wäre in hohem Maße unvernünftig gewesen, denn es gab auf Dauer gesehen keine Alternative zu einer Operation. Früher oder später hätte sie erfolgen müssen. Es gab auch keinen vernünftigen Grund, zum derzeitigen Zeitpunkt auf die Operation zu verzichten. Es gab keinen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, zu dem die Operation gelegener gekommen wäre. Dies gilt sowohl in medizinischer Hinsicht, denn die Komplikationsgefahr nahm mit weiterem Zeitablauf nicht ab sondern allenfalls zu, als auch in persönlicher Hinsicht. Das Argument der Klägerin und ihrer Eltern, wegen der damaligen völligen Beschwerdefreiheit habe keine Dringlichkeit bestanden, hilft nicht weiter. Es ist vielmehr sogar richtig und wichtig, dass eine solche Operation dann durchgeführt wird, wenn der Patient gerade keine Beschwerden hat, und es stellt eine Kontraindikation dar, wenn eine akute Entzündung vorliegt, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat. Es will auch nicht einleuchten, dass der Klägerin an einer weiteren Denkpause gelegen haben sollte. Warum in Kenntnis etwaiger üblicher Komplikationen die Meinung Dritter wichtig gewesen wäre, gar die einer – in Bezug auf die konkrete Operation - fachlich weniger kompetenten Person wie der Behandlerin Dr. I., ist dem Senat daher nicht verständlich. Gründe, warum nunmehr die Kompetenz weiterer Personen gefordert war, waren ebenfalls nicht erkennbar. Insofern unterscheidet sich die Sachlage entscheidend von derjenigen, wo das Unterlassen des Eingriffs eine echte Alternative darstellt. Jeder kompetente Dritte hätte dasselbe gesagt wie der Beklagte. Denkbar wäre damit allenfalls, dass ein Entscheidungskonflikt auf Gründen beruhte, die trotz Irrationalität in der besonderen persönlichen, insbesondere psychischen, Konstitution der Klägerin begründet wären, etwa individuelle, außergewöhnliche Ängste vor derlei Eingriffen, oder auf besonderen persönlichen Überzeugungen beruhenden Vorurteilen und Vorbehalten. Auf derlei Umstände allerdings beruft sich die Klägerin nicht. Sie hat auch – ebenso wenig wie ihre Eltern – bei ihrer persönlichen Anhörung den Eindruck hinterlassen, zu unvernünftigen Entscheidungen zu neigen oder sich von normalen Risiken eines ärztlichen Eingriffs unverhältnismäßig beeindrucken zu lassen. Hinterlassen hat sie vielmehr den Eindruck einer gebildeten, sorgfältig überlegenden und rational entscheidenden Person. Insofern vermag der Senat der Klägerin (und ihren Eltern) auch nicht abzunehmen, dass sie im Hinblick auf eine unter Vollnarkose durchgeführte Operation gänzlich blauäugig davon ausgegangen sei, es gäbe schlechterdings keinerlei Risiken. Umso weniger erscheint es dem Senat als plausibel, dass die Entscheidung, die angeratene Operation auch jetzt durch den Beklagten in der vorgeschlagenen Art und Weise durchführen zu lassen, vom vollständigen Erläutern der Risiken, insbesondere aber des hier relevanten Risikos einer Kieferklemme, abhängig gemacht worden wäre.
48c)
49Ein Aufklärungsversäumnis lässt sich schließlich auch nicht auf den Gesichtspunkt der unterlassenen Aufklärung über Behandlungsalternativen – hier der vermeintlich schonenderen zweizügigen Entfernung der Weisheitszähne in Lokalanästhesie - stützen. Insoweit gilt das oben Dargelegte zur hypothetischen Einwilligung entsprechend. Tatsache ist, was auch die Klägerin nicht bestreitet, dass die Entfernung der vier Weisheitszähne in Vollnarkose die Methode ist, für die sich die weit überwiegende Zahl der Patienten im Alter der Klägerin entscheiden. Einen Grund dafür, dass die Klägerin sich bei eingehenderer Darstellung beider Methoden aus der gebotenen Sicht vor Durchführung der Operation demgegenüber für die zweizügige anstelle der einzügigen entschieden hätte, oder dass sie insoweit auch nur in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre, nennt die Klägerin nicht und sind auch sonst nicht erkennbar. Ihre gesamte Argumentation (auch hinsichtlich der späteren Entscheidung ihrer Schwester) basiert letztlich auf einer ex-post-Betrachtung und auf dem Eindruck der bei ihr eingetretenen Komplikationen.
50Im Übrigen würde es hinsichtlich eines etwaigen diesbezüglichen Aufklärungsmangels auch an einem Zurechnungszusammenhang fehlen. Auf das Vorliegen einer Behandlungsalternative (die hier nur unterstellt werden kann) kann sich nur berufen, wer eine Komplikation erlitten hat, die sich bei Ergreifen der Alternative nicht verwirklicht hätte. Wenn es denn bei der Wahl der Operationsmethode sich um eine echte Behandlungsalternative im rechtlichen Sinne handeln sollte, also um eine Methode, die bei gleichwertigen Chancen andersartige Risiken beinhaltet (vgl. dazu BGH NJW 2000, 1788; OLG Köln VersR 1999, 1484), so liegen die andersartigen Risiken in Bereichen, in denen sich keine Komplikationen ergeben haben, nämlich etwa in der Vollnarkose gegenüber der Lokalanästhesie. Hinsichtlich der Gefahr einer Kieferklemme oder einer Kieferluxation hingegen hat der Sachverständige Prof. Dr. K. beide Methoden als absolut gleichwertig bezeichnet. Das entsprechende Risiko sei auch bei einer zweizügigen Operation um nichts geringer gewesen. Auf die obigen Ausführungen unter 2. wird verwiesen. Insoweit hätte es also auch keine Aufklärungspflicht gegeben.
515.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
53Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs.2 ZPO) liegen nicht vor.
54Streitwert: 69.439,35 Euro