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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.02.2005 – 20 O 60/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Mit seiner Klage – und nach deren erstinstanzlicher Abweisung mit seiner Berufung – begehrt der Kläger Schmerzensgeld für einen Unfall mit einer Straßenbahn am 14.11.2000, bei dem der Kläger erhebliche Verletzungen erlitt. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und die zwischen den Parteien gewechselten erst- und zweitinstanzlichen Schriftsätze nebst den dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.
2II.
3Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, denn das Landgericht hat eine Schmerzensgeldverpflichtung der Beklagten zu Recht verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die im Wesentlichen zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen werden; das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Ergänzend ist lediglich auszuführen:
4Soweit eine Haftung der Beklagten für das Handeln des Straßenbahnführers gemäß § 831 BGB in Betracht kommt, hängt diese davon ab, ob ein verkehrswidriges Verhalten des Zugführers vorgelegen hat, da nur dann die Rechtswidrigkeit zu bejahen ist (BGHZ 24, 21). Insoweit aber steht fest, dass sich der Zugführer verkehrsgerecht verhalten hat. Ein konkretes Fehlverhalten ist nicht ersichtlich, denn soweit der Kläger die Auffassung vertritt, der Zugführer sei zu schnell gefahren, ist zwischen den Parteien – auf der Grundlage des im Strafverfahren eingeholten Gutachtens – unstreitig, dass sich die Bahn vor der Kollision der Unfallstelle mit ca. 45 km/h näherte, was nicht verkehrswidrig ist. Ein anderweitiges Fehlverhalten ist nicht gegeben. Mangels Rechtswidrigkeit fehlt es damit schon an einer Anspruchsvoraussetzung des § 831 BGB, weshalb es auf die Frage des Entlastungsbeweises nicht ankommt.
5Soweit der Kläger im Hinblick auf eine Haftung der Beklagten wegen eigenen Handelns gemäß §§ 823, 847 a.F. BGB geltend macht, es liege deshalb ein Organisationsverschulden vor, da die Beklagte ihre Fahrer nicht angewiesen habe, sich der Unfallstelle nur mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h zu nähern, kann dem nicht gefolgt werden. Wäre die Beklagte gehalten, ihre Fahrer anzuweisen, sich allen den Schienenstrang kreuzenden Fuß- und Radwegen jeweils nur mit einer so deutlich herabgesetzten Geschwindigkeit zu nähern, würde dies zu unzumutbaren Verkehrsbeeinträchtigungen und zu einer Verlängerung der Fahrzeiten führen, die angesichts des damit zu erzielenden Ergebnisses nicht gerechtfertigt sind. Denn im Zweifel wäre zwar der hier streitgegenständliche Unfall vermeidbar gewesen, da dem Zugführer ein ausreichender Anhalteweg zur Verfügung gestanden hätte, allerdings auch nur dann, wenn der Kläger sich genau in dem hier gegebenen Abstand zur herannahenden Bahn auf die Schienen begeben hätte. Eine in solcher Art verlangsamte Anfahrt der Unfallstelle oder vergleichbarer Stellen verhindert aber ähnliche Unfälle nicht, wenn sich Personen in kürzerem Abstand zu sich nähernden Bahnen auf die Schienen bewegen, da auch dann die zur Verfügung stehenden Anhaltewege für die Bahnen trotz der geringeren Geschwindigkeit nicht ausreichen. Es besteht vielmehr sogar die Gefahr, dass Personen bei einer sich deutlich langsamer nähernden Bahn sehr viel häufiger die Möglichkeit wahrnehmen wollen, die Schienen vor der Bahn „noch eben schnell“ zu überqueren, da sie die Gefahr der langsamen Bahn nicht richtig einschätzen. Jedenfalls bei durch Ampeln oder ähnliche Einrichtungen gesicherten Überwegen kann eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf ca. 25 km/h nicht ernstlich in Betracht kommen.
6Auch eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 823, 847 a.F. BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund der zum Unfallzeitpunkt bestehenden Ampelschaltung besteht nicht. Das im angefochtenen Urteil angeführte Argument, die Ampelschaltung könne der Beklagten nicht angelastet werden, da sie Verantwortung nur für die Schienensicherung trage, wohingegen die Ampeln für die Fahrbahnüberquerung in die Zuständigkeit der Stadt L. fielen, mag zweifelhaft sein, denn der Beklagten wäre es – wie auch später durch Änderung der Schaltung geschehen – ohne weiteres möglich gewesen, in Abstimmung mit der Stadt L. die Ampelschaltungen zu ändern und die Phasen aufeinander abzustimmen.
7In der zum Unfallzeitpunkt bestehenden Ampelschaltung kann jedoch keine Verkehrssicherungspflichtverletzung gesehen werden. Insoweit mag es zwar zutreffen, dass im Falle einer Schaltung auf „Rot“ der die Bahngleise sichernden Ampel bei gleichzeitiger Schaltung auf „Grün“ der die dahinter liegende Fahrbahn sichernden Ampel bei nicht aufmerksamen Fußgängern eine gewisse Verwirrung eintreten und die Gefahr einer Verwechslung entstehen kann. Angesichts der deutlich größeren und im unmittelbaren Sichtfeld gelegenen, für Fußgänger jeweils näher gelegenen Bahnsicherungsampel und des weiteren Umstandes, dass Fußgänger zudem noch durch den gelben Warnstrich und das große, ebenfalls als Warnung dienende Straßenbahn-Piktogramm am Boden zusätzlich aufmerksam gemacht werden, kann dies jedoch nicht als Verkehrssicherungspflichtverletzung angesehen werden, denn durch diese Kombination von insgesamt drei Warneinrichtungen hat die Beklagte ihrer Verkehrssicherungspflicht Genüge getan. Der Fall liegt insoweit deutlich anders als der, der der Entscheidung des Senats in 7 U 103/00, auf die sich der Kläger beruft, zugrundelag. Die große und mit doppeltem „Rot“ bestückte Gleisampel zusammen mit den übrigen Warnungen reichte aus, den durchschnittlich oder auch nur halbwegs aufmerksamen Fußgänger nicht zu verwirren, und ihn darauf aufmerksam zu machen, dass die „rote“ Gleisampel und nicht die um einiges dahinter liegende, kleinere Fahrbahnampel bei der gefahrenträchtigen Überquerung der Gleise relevant und zu beachten ist. Eine solche Ampelschaltung ist zwar sicherlich nicht als optimal zu bezeichnen und verbesserungsfähig, wie auch hier nach dem Unfall geschehen; eine Verkehrssicherungspflichtverletzung lag aber nicht vor, denn zur Sicherung der Gleise bzw. Warnung der Fußgänger wurden drei wirksame Maßnahmen ergriffen.
8Dies gilt jedenfalls in Anbetracht des so gesicherten Fußgängerüberweges. Anders mögen die Dinge liegen bezogen auf den daneben verlaufenden Radweg, bei dem (damals) sowohl die gelbe Linie als auch das Warn-Piktogramm fehlten. Der Kläger hat aber nicht den Radweg, sondern den Fußgängerüberweg benutzt, weshalb es auf die Situation des Radweges nicht ankommt.
9Selbst wenn man aber wegen der Ampelschaltung eine – dann allerdings nur geringfügige – Verkehrssicherungspflichtverletzung annehmen wollte, würde es an der Kausalität fehlen. Denn der Kläger hat sich zum Hergang des Unfalls im Einzelnen nicht substantiiert geäußert und kann dies auch nicht, da er unfallbedingt an einer Amnesie leidet. Zeigte aber die weiter entfernt liegende Fahrbahnampel für Fußgänger kein Grünlicht und ist der Kläger nicht durch diese auf der anderen Straßenseite gelegene grüne Fahrbahnampel zum Überqueren der Gleise animiert worden, fehlt es an der Kausalität. Dem Kläger käme im Hinblick auf die Kausalität im vorliegenden Fall auch kein Anscheinsbeweis zugute, was grundsätzlich bei Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und einem damit in Zusammenhang erlittenen Schaden in Betracht kommen kann. Denn die etwaige Verkehrssicherungspflichtverletzung ist hier im Verhältnis zu den tatsächlich zur Verkehrssicherung ergriffenen Maßnahmen (gesonderte große Ampel für die Gleise, Warnstreifen, Piktogramm) von so untergeordneter Bedeutung, dass sich ein Rückschluss auf eine etwaige Kausalität verbietet.
10Selbst wenn aber eine kausale Pflichtverletzung zu bejahen wäre, wäre eine Haftung der Beklagten aufgrund des erheblichen und die geringfügige Pflichtverletzung der Beklagten deutlich überwiegenden Eigenverschuldens des Klägers ausgeschlossen. Denn der Kläger hat sich trotz der Sicherungsmaßnahmen der großen und doppelt „Rot“ zeigenden Ampel, des Warnstreifens und des Warnpiktogramms auf die Gleise begeben, obwohl an der fraglichen Stelle andere Personen warteten, was ihm eine zusätzliche Warnung hätte sein müssen. Auch in Anbetracht des damals noch jugendlichen Alters des Klägers von 14 Jahren, in dem man zu Nachlässigkeit und Leichtsinn neigt, aber doch auch schon über erhebliche Verkehrserfahrung verfügt, beruhte der Unfall, den der Kläger bei nur ansatzweise gewahrter Aufmerksamkeit und Eigenvorsorge ohne weiteres hätte vermeiden können, in einem so hohem Maße auf dem groben Verschulden des Klägers, dass eine Haftung der Beklagten auch deshalb nicht in Betracht kommen könnte.
11III.
12Die prozessualen Nebenfolgen bestimmen sich nach § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
13Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer des Klägers: 12.000,00 €