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Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 19.10.2005 (1 O 314/05) wird zurückgewiesen.
I.
2Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung mutwillig sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung des angefochtenen Beschlusses wird auf diesen Bezug genommen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen begründeten sofortigen Beschwerde. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
3II.
4Die gem. §§ 127 Abs.2 S.2, 567 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Beklagten ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist nach Einschätzung des Senats zwar nicht, wie das Landgericht angenommen hat, mutwillig, weil Mutwilligkeit einer Rechtsverteidigung auf die Fälle beschränkt sein dürfte, in denen der Beklagte der Klage in Wahrheit überhaupt nicht entgegen treten will (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2001, 869 f.; Zöller-Philippi, § 114 ZPO Rn31). Sie bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt, § 114 ZPO.
5Hinreichende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung ist dann gegeben, wenn der von einem Kläger vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht. Bei der dahingehenden Prüfung ist, wenn auch nur in eng begrenztem Rahmen, eine vorweggenommene Beweiswürdigung zulässig. Hält das Gericht aufgrund dieser Prüfung die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache für sehr unwahrscheinlich, so darf es Prozesskostenhilfe selbst dann verweigern, wenn es einem von der Partei gestellten Beweisantrag stattgeben muss. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht mit denen für eine Beweiserhebung identisch. Beide Entscheidungen sind voneinander unabhängig zu treffen, wobei der Begriff der hinreichenden Erfolgsaussicht enger verstanden werden kann als das Gebot zur Beweiserhebung (BGH NJW 1994, 1160, 1161).
6Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landgericht hier mit Recht angenommen, dass dem Vorbringen des Beklagten, der die ihm angelasteten sexuellen Übergriffe bestritten hat, im vorliegenden Verfahren keine Erfolgsaussicht zukommt. Maßgeblich dafür ist aus der Sicht des Senats Folgendes:
7Das Landgericht hat das vorliegende Strafurteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 2.6.2003, mit dem der Beklagte wegen sexuellen Missbrauchs der Klägerin zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden ist, mit Recht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Bestreitens der dort festgestellten sexuellen Übergriffe durch den Beklagten herangezogen. Die Feststellungen eines denselben Sachverhalt betreffenden Strafurteils sind im Zivilverfahren gem. § 286 ZPO bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen; der Zivilrichter kann hierauf seine Überzeugung stützen (BGH, NJW-RR 1988, 1527 f.). Ob insoweit von einem Anscheinsbeweis ausgegangen werden kann, wie das Landgericht gemeint hat – dagegen spricht allerdings, dass sich der Anscheinsbeweis im Grundsatz auf typische Geschehensabläufe bezieht (vgl. BGH VersR 1978, 74 ff.), um die es hier bei der Feststellung bestimmter sexueller Übergriffe des Beklagten aber gerade nicht geht –, kann letztlich dahinstehen. Denn die ausführlichen und in der Beweiswürdigung umfassend begründeten Feststellungen des Strafurteils der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 2.6.2003 vermögen hier auch aus Sicht des Senats die Überzeugung von der Täterschaft des Beklagten zu vermitteln. Damit obliegt es aber dem Beklagten, hiergegen substantiierte Einwendungen zu erheben (BFH, BFH/NV 1998, 738 ff.) und insoweit Gegenbeweis anzubieten (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1527 f.). Das ist hier nicht in ausreichendem Umfang geschehen; der Beklagte hat die eingehende Beweiswürdigung des Landgerichts nicht substantiiert angegriffen und keine neuen, erfolgversprechenden Beweismittel angeboten. Im Einzelnen gilt Folgendes: Die Tatsache, dass der Beklagte im offenen Vollzug untergebracht ist, ist ersichtlich ohne jede Aussagekraft für die Frage, ob er die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat oder nicht. Gleiches gilt für etwaige Einschätzungen von „Kommissionen“ oder Anstaltspsychologen im Strafvollzug und auch ganz allgemein für die Frage, ob bestimmte Personen dem Beklagten eine solche Tat zutrauen oder nicht. Dass der Beklagte bis jetzt kein Geständnis abgelegt hat, stellt ebenfalls kein überzeugendes Indiz gegen seine Täterschaft dar; wie dem Senat aufgrund eigener Sachkunde bekannt ist, liegt die Zahl der auch nach rechtskräftiger Verurteilung nicht geständigen Sexualstraftäter so hoch, dass nicht davon ausgegangen werden kann, diese seien sämtlich Opfer unberechtigter Vorwürfe. Die Erwägungen, mit denen der Beklagte die Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts Köln inhaltlich in Zweifel ziehen will, greifen aus Sicht des Senats schon angesichts der dort überzeugend festgestellten Entstehungsgeschichte der Aussage der Klägerin (zur Beweiswürdigung vgl. Strafurteil S.66-68), die gerade nicht mit inquisitorischen Befragungen, sondern mit frühen Andeutungen (Strafurteil S.34 oben), dann pauschalem Leugnen (Strafurteil S.35 oben) und schließlich der Entdeckung von Tagebucheintragungen durch die Zeugin C N (Strafurteil S.35 ff.) begonnen hatte, nicht durch. Im Übrigen weist die Aussage der Klägerin, wie die Strafkammer ausführlich dargelegt hat (Strafurteil S.55-59), auch inhaltlich eine derartige Häufung sogenannter „Realkennzeichen“ (dazu vgl. BGHSt 45, 164 ff.) auf, dass eine Würdigung als „frei erfunden“ aus Sicht des Senats von vornherein ausscheidet. Der Hinweis auf die vorgelegten, ein positives Bild vom Beklagten wiedergebenden Bilder und Briefe der Klägerin geht offensichtlich fehl; diese stellen keine die Richtigkeit des Strafurteils in Frage stellenden Indizien dar, da auch sexuell missbrauchte Kinder den Tätern aus dem engsten familiären Umfeld bekanntermaßen auch positive Gefühle entgegenbringen und diese etwa in Bildern oder Briefen ausdrücken.
8Dass die Benennung einer Reihe von Zeugen, die nichts von dem festgestellten sexuellen Missbrauch mitbekommen haben sollen, nicht geeignet ist, begründete Zweifel an den Feststellungen des Strafurteils zu wecken, ergibt sich schließlich ohne weiteres daraus, dass sexueller Missbrauch in aller Regel heimlich stattfindet. Auch hier behauptet der Beklagte selbst nicht, dass dieser nach Darstellung der Klägerin in Anwesenheit einer der als Zeugen benannten Personen erfolgt sein soll. Einen Erfahrungssatz dahin, dass Außenstehende von Vorgängen der hier in Rede stehenden Art etwas mitbekommen haben müssten, gibt es aber nicht. Das Beweisangebot „Parteivernehmung der Klägerin“ ist, nachdem die Klägerin bereits schriftsätzlich substantiiert behauptet hat, es sei zu sexuellen Übergriffen des Beklagten gekommen, im vorliegenden Verfahren nicht geeignet, eine hinreichende Erfolgsaussicht dafür zu begründen, dass es diese Übergriffe nicht gegeben hat (vgl. OLG Köln, OLGR 1996, 171). Das Beweisangebot „Parteivernehmung des Beklagten“ ist prozessual unbeachtlich, da die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO ersichtlich nicht erfüllt sind. Das Beweisangebot „Sachverständigengutachten betreffend den Beklagten“ führt ebenfalls nicht weiter. Welcher Art das einzuholende Gutachten sein soll, bleibt völlig offen. Ein Sachverständigengutachten, mit dem unmittelbar die „Unschuld“ des Beklagten bewiesen werden könnte, sei es durch Anwendung eines Polygraphentests, sei es durch ein Glaubwürdigkeitsgutachten, gibt es nicht (BGH, NJW 2003, 2527 ff.).
9Ob das Beweisangebot „Sachverständigengutachten betreffend die Klägerin“ hier gegebenenfalls beachtlich ist, weil das vorliegende schriftliche Gutachten der Sachverständigen K im Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft, und nicht vom Gericht in Auftrag gegeben worden ist (dazu vgl. OLG Koblenz, OLGR 2005, 552 f.), kann für die hier zu treffende Entscheidung dahinstehen. Denn konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieses Gutachten im Ergebnis unrichtig ist, sind entsprechend dem oben Ausgeführten nach Einschätzung des Senats nicht ersichtlich.
10Soweit der Beklagte darüber hinaus die die Höhe des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs maßgeblich mit bestimmenden Folgen der sexuellen Übergriffe bestritten hat, kann eine hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls nicht bejaht werden. Im Hinblick auf § 287 ZPO ist hier nicht erkennbar, dass das Landgericht den insoweit vom Beklagten unter Bestreiten der Feststellungen im Strafurteil (vgl. dort insbesondere zur Strafzumessung, S.96, S.97) angebotenen Beweisen nachgehen müsste.
11Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist nicht veranlasst, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 127 Abs.4 ZPO.