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Die Berufung des Beklagten gegen das Grundurteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2002 - 5 O 520/99 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Landgerichts vom 24.02.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte. Die Kosten der Streithilfe trägt die Streithelferin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe :
2I.
3Mit Schreiben vom 03.06.1996 (Bl. 98 f. AH 1) genehmigte das Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen die Ersatzbeschaffung der Ver- und Entsorgungsanlage (AWT-Anlage) für die Medizinischen Einrichtungen der V. L. mit Gesamtkosten von 35,17 Mio. DM, basierend auf der Kostenberechnung/dem Kostenanschlag des Staatlichen Bauamtes L. vom 28.12.1995 (Bl. 100 ff. AH 1).
4Im August 1997 schrieb das Land Nordrhein-Westfalen, das durch die Verordnung über die Errichtung des V. L. als Anstalt des öffentlichen Rechts vom 01.12.2000 (GV.NRW 2000 S. 721) mit Wirkung vom 01.01.2001 die dem Aufgabenbereich der Medizinischen Einrichtungen zustehenden Rechte und Pflichten des Landes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das beklagte Klinikum übertragen hatte, durch das Staatliche Bauamt L. I als Vergabestelle im Rahmen eines Offenen Verfahrens mit Bekanntmachung vom 07.08.1997 im Bundesausschreibungsblatt und Vorinformation vom 01.08.1997 des Amtes für amtliche Veröffentlichung der Europäischen Gemeinschaften die Ersatzbeschaffung der AWT-Anlage europaweit aus.
5Die "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für schlüsselfertiges Bauen", wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K 14 (im gelben Ordner) Bezug genommen wird, sah zunächst als Einreichungstermin den 08.10.1997, 10.30 Uhr vor, das Ende der Zuschlagsfrist für den 30.11.1997 und die Fertigstellung der Vertragsleistungen im Juni 2001.
6In Ziffer 6.2 der Aufforderung waren als "Kriterien für die Auftragserteilung bei Haupt- und Nebenangeboten/Änderungsvorschlägen" unter 6.2.1 Allgemeine Kriterien (Preis, Fristen, Vergütungsbedingungen) und unter 6.2.2 Technische, wirtschaftliche und sonstige Kriterien (Qualität, Gestaltung, Einbindung in die Umgebung, Wirtschaftlichkeit, Konstruktion, Betriebskosten, Umweltverträglichkeit, Funktionalität und Wartung) genannt.
7Der Aufforderung war unter anderem eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm beigefügt, die neben der Vorplanung und Entwurfsplanung ein Formblatt "Aufgliederung des Pauschalpreises" enthielt, das von dem Anbieter auszufüllen war. In der von der Streithelferin – die von dem Staatlichen Bauamt L. I mit Vertrag vom 18./24.05.1995 unter anderem mit der Fertigung der Leistungsbeschreibung und der Bewertung der Angebote beauftragt war – erstellten funktionalen Leistungsbeschreibung heißt es unter "0.2.1 Pauschalfestpreis":
8"Im Rahmen dieses Vertrages ist zum vereinbarten Pauschalpreis in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen."
9Bis zu dem – später verlängerten – Submissionstermin am 23.10.1997 gingen bei dem Staatlichen Bauamt L. I drei Angebote ein. Das Angebot der Klägerin vom 22.10.1997 (Anlage K 1 im gelben Ordner) endete mit einer Angebotssumme von 69.909.316 DM, das der Firma W. B. Transport- und Montagesystem GmbH (im Folgenden: W. B.) mit 65.182.885 DM und das der Firma E. mit 69.912.295 DM.
10Mit Schreiben vom 07.11.1997 (Bl. 112 AH 1) teilte das Staatliche Bauamt L. I dem Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften mit, das Vergabeverfahren sei aufgehoben worden. Die Klägerin sowie die Firmen W. B. und E. wurden mit gleichlautenden Schreiben vom 07.11.1997 (Bl. 113 ff. AH 1), in denen zur Begründung jeweils ausgeführt wurde, es sei kein Angebot mit einem annehmbaren Preis eingegangen und es werde ein Verhandlungsverfahren durchgeführt, entsprechend informiert.
11In dem anschließenden ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung durchgeführten Verhandlungsverfahren wurden die drei Bieter aufgefordert, ihre fabrikatsspezifischen Besonderheiten zur Optimierung der ausgeschriebenen ATW-Anlage und zur Minimierung der Anlagenkosten bei gleichbleibender Transportaufgabenstellung einzubringen.
12Daraufhin erstellte die Firma W. B. unter dem 24.11.1997 ihr zweites Angebot mit einer Angebotssumme von 24.737.643 DM.
13Mit Telefax vom 25.11.1997 (Bl. 117 AH 1) teilte die Klägerin dem Staatlichen Bauamt L. mit:
14"... wir bestätigen das am 24.11.1997, spät nachmittags, geführte Telefonat, wobei Sie uns mitteilten, daß der für ursprünglich am 28.11.1997 festgelegte Angebots- und Besprechungstermin aufgehoben wird. ...
15Sie haben uns deshalb eingeräumt, die Angebotsausarbeitung bis Mitte/Ende KW 49 ausdehnen zu können ..."
16Das 2. Angebot der Klägerin vom 28.11.1997 endete mit einer Angebotssumme von 22.977.414 DM, das der Firma E. mit einem Betrag von 26.145.825 DM.
17Nachdem am 01.12.1997 im Staatlichen Bauamt L. eine Präsentation der Klägerin stattgefunden hatte, erläuterte die Klägerin mit Telefax vom 02.12.1997 (Bl. 168 ff. AH 1) unter anderem technische Details ihres Systems und teilte dem Staatlichen Bauamt L. mit: "Die aufgeführten Angaben werden wir Ihnen im Laufe des Freitags, den 05.12.97, per Fax durchgeben."
18Mit Telefax vom 03.12.1997 (Bl. 202 AH 1), auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, wandte sich die Klägerin erneut an das Staatliche Bauamt L. I.
19Unter dem 04.12.1997 fertigte die Streithelferin für das Staatliche Bauamt L. I eine Bewertung der Angebote der drei Bieter, auf die Bezug genommen wird (Bl. 171 ff. AH 1).
20Die Bewertung der Angebote der Klägerin und der Firma W. B. schloss jeweils mit dem Fazit "Unter der Voraussetzung, daß die FTS-spezifischen Forderungen von allen Gewerken erbracht werden, erfüllt das angebotene FTS-System die gestellten Logistikaufgaben und kann daher empfohlen werden", während die Streithelferin hinsichtlich des Angebotes der Firma E. zu dem Ergebnis kam, dass dieses in weiten Teilen nicht die im Leistungsprogramm definierten Anforderungen erfüllte.
21Wegen der Unterschiede zwischen den angebotenen Förderkonzepten der beteiligten Bieter normierte die Streithelferin die Angebote zwecks Vergleichbarkeit, indem im Rahmen eines Preisspiegels unter Zugrundelegung von der Streithelferin ermittelter "überarbeiteter Planungsansätze" und der von den Bietern angegebenen Einzelpreise bei einzelnen Ausschreibungspositionen Preise heraus- oder hinzugerechnet wurden. Dies hatte zur Folge, dass sich das Angebot der Firma W. B. um 277.162 DM auf 25.014.805 DM erhöhte, das der Klägerin um 2.094.630 DM auf 25.072.044 DM und das der Firma E. um 2.866.179 auf 29.012.004 DM.
22In der abschließenden Vergabeempfehlung der Streihelferin heißt es:
23"Im Rahmen der durchgeführten Bewertung wird vorgeschlagen, die FTS-spezifischen Gewerke der Ersatzbeschaffung einer Ver- und Entsorgungsanlage an die Fa. W.-B. auf der Basis des Zweitangebotes vom 24.11.97 sowie aller Nebenabsprachen zu vergeben. Dies resultiert aus der technischen Bewertung der Angebote (siehe Teil 2 bis 4) sowie der günstigeren Vergleichssumme (siehe Teil 5)."
24Ebenfalls am 04.12.1997 unterrichtete die Vergabestelle das Ministerium für Wissenschaft und Forschung über die anstehende Vergabe und bat um haushaltsmäßige Deckungszusage. Am 05.12.1997 schlug die Vergabestelle der Bezirksregierung L. vor, der Firma W. B. den Auftrag mit einer Gesamtsumme von 24.737.643 DM zu erteilen. Die Bezirksregierung L. stimmte dem noch am gleichen Tag zu. Mit Telefax vom 05.12.1997 (Bl. 327 ff. d.A.) bot die Klägerin dem Staatlichen Bauamt L. verschiedene Leistungen zu Mehrpreisen an, unter anderem wurde angeboten, die Konturenkontrolle zu einem Mehrpreis von 105.182,00 DM inkl. MwSt. mit optischer Sensorik zur Abfragung der Höhe und der Seitenkontur der AWT-Wagen auszustatten.
25Mit Telefax vom 08.12.1997 reduzierte die Firma W. B. ihr Angebot auf 24.498.200 DM. Daraufhin erstellte die Streithelferin noch am gleichen Tag einen zweiten Preisspiegel (Bl. 118 AH 1), in dem sie unter Berücksichtigung des von der Firma W. B. gewährten Nachlasses vom 08.12.1997 für deren Angebot einen Preis von 24.755.362 DM ermittelte, für das Angebot der Klägerin ergab sich ein Preis von 24.933.952 DM.
26Mit Telefax vom 12.12.1997 (Bl. 82 AH 1) übersandte das Staatliche Bauamt L. I – Herr L. – der Firma W. B. einen Entwurf des Auftragsschreibens und teilte mit: "Ich beabsichtige, Ihnen den Auftrag zur Ersatzbeschaffung einer Ver- und Entsorgungsanlage für die Med. Einrichtungen der V. L. noch in diesem Jahr zu erteilen und bitte Sie, eine Vorauszahlungsanforderung über 8.363.260,- DM vorzubereiten." Dem kam die Firma W. B. noch am gleichen Tag nach (Bl. 120 AH 1). Ebenfalls am 12.12.1997 übersandte die Klägerin dem Staatlichen Bauamt L. – Herrn L. – ein weiteres Telefax (Bl. 83 AH 1), das um 18.02 Uhr einging, in dem es unter anderem heißt:
27"... Bezug nehmend auf unser Gespräch am Mittwoch, 10.12.1997, haben Sie uns mitgeteilt, daß Sie bedauerlicherweise noch nicht die Problematik Finanzierung des Projektes klären konnten.
28Die Entscheidung war jedoch von Ihnen für Ende KW 50 als möglich erachtet. Sie sagten uns zu, nach Klärung der Problematik bis Ende der KW 50 zurückzurufen und die weitere Vorgehensweise abzustimmen. Leider erhielten wir keine diesbezügliche Nachricht, so daß wir versuchten, Sie am Freitag, 12.12.97, spät nachmittags, zu erreichen. Sie waren leider nicht mehr erreichbar. Wir werden uns aus diesem Grunde erlauben, Sie am Montag, 15.12.97, anzurufen, um uns über den Stand der Vergabe bei Ihnen zu informieren.
29Wie anlässlich des Telefonats am Mittwoch, 10.12.97 genannt, liegt uns ein Angebot mit Preisgarantie einschl. Bindefrist zur Demontage des Hängefördersystems von Hoch-Tief vor, das erheblich von unserem ursprünglich angegebenen Angebotspreis in dieser Position nach unten abweicht. Damit sind wir in der Lage, eine Preisreduzierung von mehreren hundertausend DM an sie weiterzugeben. ...
30Aus dieser Überzeugung heraus sind wir deshalb bereit, über die o.g. Preisreduzierung hinaus einen Beitrag zur Überwindung Ihrer Finanzierungsproblematik zu leisten, in dem wir Ihnen zusätzlich einen pauschalen Preisnachlaß von DM 600.000,00 inkl. MwSt. auf den von uns angebotenen Lieferumfang gewähren. ..."
31Das vorgenannte Telefax übersandte die Klägerin dem Staatlichen Bauamt L. nochmals mit Telefax vom 15.12.1997 (Bl. 84 AH 1), in dem unter anderem auf eine Verwechslung des Datums im 3. Absatz des Faxes vom 12.12.1997 hingewiesen wurde (Montag, 08.12.97, anstelle Mittwoch, 10.12.97).
32Mit Telefax vom 16.12.97 (Bl. 331 ff. d.A.) an das Staatliche Bauamt L. bestätigte die Klägerin "das am 15.12.97, nachmittags, geführte Telefonat" und präzisierte den avisierten Preisnachlass auf insgesamt 945.000,00 DM inkl. MwSt. (345.000,00 DM für Demontagearbeiten der Power- and Free-Anlage und 600.000,00 DM Pauschal-Nachlass entsprechend dem Fax vom 12.12.1997).
33Daraufhin wurde unter dem 16.12.1997 ein weiterer Preisspiegel erstellt (Bl. 127 AH 1), der für das Angebot der Firma W. B. eine Wertungssumme von 27.535.362 DM ermittelte und für das Angebot der Klägerin von 27.572.802 DM.
34Unter dem 16.12.1997 erteilte das Staatliche Bauamt L. den Auftrag für die Ersatzbeschaffung der AWT-Anlage (FTS-Anlage) mit einer Auftragssumme von 18.297.041,80 DM der Firma W. B. (Bl. 95 f. AH 1).
35Mit Schreiben vom 18.12.1997 (Bl. 3 AH 1) informierte das Staatliche Bauamt L. die Klägerin darüber, dass der Auftrag an einen Mitbewerber erteilt worden sei.
36Auf die von der Klägerin am 19.12.1997 bei der Bezirksregierung L. eingelegte Vergabebeschwerde stellte die Bezirksregierung L. mit Bescheid vom 15.05.1998 (Bl. 9 ff. AH 1) fest, dass das Vergabeverfahren der Vergabestelle rechtmäßig war. Daraufhin rief die Klägerin unter dem 19.06.1998 den Vergabeüberwachungsausschuss Nordrhein-Westfalen an (Bl. 23 ff. AH 1), der mit Beschluss vom 09.11.1998, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 36 ff. AH 1), die Entscheidung der Vergabeprüfstelle vom 15.05.1998 aufhob und die Vergabeprüfstelle anwies, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Vergabeüberwachungsausschusses erneut zu entscheiden. Mit Bescheid vom 19.10.1999 (Bl. 49 ff. AH 1) stellte die Bezirksregierung L. fest, dass das Vergabeverfahren der Vergabestelle rechtswidrig war.
37Die Klägerin hat geltend gemacht, das Vergabeverfahren sei rechtwidrig gewesen. Die Vergabestelle habe bereits nicht in das Verhandlungsverfahren übergehen dürfen, sie habe das Neutralitätsprinzip und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Im Verhandlungsverfahren hätte ihr – der Klägerin – und nicht der Firma W. B. der Zuschlag erteilt werden müssen, denn sie habe das preisgünstigste, wirtschaftlichste und qualitativ beste Angebot abgegeben. Das beklagte Klinikum sei ihr deshalb zum Ersatz des aufgrund der Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinns verpflichtet, den sie mit 1.793.310,26 € beziffert.
38Die Klägerin hat beantragt,
39das beklagte Klinikum zu verurteilen, an sie 1.793.310,26 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.09.2002 zuzüglich 8,5 % Zinsen aus 511.291,88 € seit 01.01.1999 bis 31.08.2002 zu zahlen.
40Die Beklagte hat beantragt,
41die Klage abzuweisen.
42Sie hat vorgetragen, das Offene Verfahren sei gem. §§ 26 a, 26 VOB/A aus wichtigem Grund aufgehoben worden. Das Verhandlungsverfahren sei gem. § 3 a Nr. 5 VOB/A zulässig gewesen. Bei der Entscheidung, der Firma W. B. den Zuschlag zu erteilen, habe die Vergabestelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bewegt. Der Ausführungsvorschlag der Firma W. B. habe den Vorstellungen und Anforderungen der Beklagten eher entsprochen als der der Klägerin.
43Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 28.11.2001 (Bl. 360 ff. d.A.) sowie seine ergänzende Stellungnahme vom 28.04.2002 (Bl. 495 ff. d.A.) Bezug genommen.
44Mit Grundurteil vom 17.12.2002 hat das Landgericht die Klage als dem Grunde nach gerechtfertigt angesehen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stehe aus culpa in contrahendo nach den Grundsätzen zur Haftung des öffentlichen Auftraggebers bei Vergaberechtsverstößen ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch den interessierten Bieter werde zwischen diesem und dem Ausschreibenden ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes Vertrauensverhältnis begründet. Bei Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden könnten nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen Schadensersatzansprüche des Bieters entstehen. Diese seien auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter dadurch erlitten habe, dass er darauf vertraut habe, dass die Ausschreibung nach den Vorschriften der VOB/A abgewickelt werde. Der Anspruch sei grundsätzlich auf den Ersatz der aufgrund der Beteiligung an der Ausschreibung entstandenen Aufwendungen gerichtet, könne in besonderen Fällen aber auch den Ersatz des positiven Interesses erfassen, wenn der Auftrag tatsächlich vergeben worden sei und der übergangene Bewerber bei rechtmäßiger Durchführung des Vergabeverfahrens den Auftrag hätte erhalten müssen.
45Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.
46Das Vergabeverfahren sei rechtswidrig gewesen, weil nach Aufhebung des Offenen Verfahrens der Wechsel zum Verhandlungsverfahren ohne vorherige Öffentliche Vergabebekanntmachung nicht zulässig gewesen sei.
47Eine weitere Pflichtverletzung durch die Vergabestelle sei darin zu sehen, dass sie bei der Angebotsbewertung aus den Angeboten der beiden Bieter einzelne Positionen heraus- und hinzugerechnet habe und die Mengenangaben verändert habe. Zwar gelte im Verhandlungsverfahren grundsätzlich das Nachverhandlungsverbot des § 24 VOB/A nicht, anders sei dies aber dann, wenn – wie vorliegend – eine Ausschreibung aus Gründen, die nicht im Bereich der Bieter liegen, aufgehoben worden sei und die Vergabe in einem nachgeschalteten Verhandlungsverfahren erfolgen solle. Unabhängig davon gelte für jedes Verhandlungsverfahren der Gleichbehandlungsgrundsatz. Das bedeute, dass der Auftraggeber allen Bietern die gleichen Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben müsse, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben. Werde das Anforderungsprogramm als Ergebnis der Verhandlungen mit einem Unternehmer geändert, müssten die übrigen Bieter auf die Änderungen aufmerksam gemacht werden.
48Besondere Pflichten des Auftraggebers hätten auch im Hinblick darauf bestanden, dass die ausgeschriebene Leistung vorliegend nur funktional beschrieben worden sei. Bei einer funktionalen Ausschreibung entwickelten die Bieter naturgemäß unterschiedliche Lösungen über die Ausführung der Bauaufgabe, was zur Folge habe, dass die unterschiedlichen Angebote kaum miteinander verglichen werden könnten. Vor einer endgültigen Entscheidung hätte die Vergabestelle den Mitbietern die Gelegenheit geben müssen, ihr Angebot im Hinblick auf die Leistungsanforderungen anzupassen, um vergleichbare Angebote zu erhalten.
49Im übrigen hätte die Klägerin den Zuschlag erhalten müssen.
50Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gelte, dass der übergangene Bieter darlegen und beweisen müsse, dass er das preisgünstigste Angebot abgegeben habe. Der Auftraggeber müsse dann darlegen und beweisen, dass andere Umstände, die die Wirtschaftlichkeit des Angebots beeinflussen und dem Bieter nicht bekannt sind, gegen den Zuschlag sprechen.
51Bei der Bestimmung des annehmbarsten Angebots könne der Auftraggeber eine Bewertungsprärogative nicht in Anspruch nehmen.
52Die Klägerin habe den Nachweis erbracht, dass sie das preisgünstigste Angebot abgegeben habe. Der Sachverständige habe überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit das bessere Angebot abgegeben habe. Es stehe jedenfalls zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Angebot der Klägerin dem der Firma W. B. zumindest gleichwertig gewesen sei. Dann müsse der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Da die Vergabestelle die Angebote im Hinblick auf Umfang und Preis nicht habe verändern dürfen, seien die Angebote in der Form ausschlaggebend gewesen, wie sie im Verhandlungsverfahren von den Bietern abgegeben worden seien. Das ursprüngliche Angebot der Klägerin sei jedoch mit einem Preis von 22.977.414 DM deutlich günstiger gewesen als das Angebot der Firma W. B. in Höhe von 24.737.643 DM. Gründe, die eine abweichende Wertung der Angebote hätten rechtfertigen können, habe das beklagte Land nicht hinreichend dargetan.
53Die Vergabestelle habe auch schuldhaft im Sinne von § 276 BGB gehandelt. Dies folge aus der analogen Anwendung von § 282 BGB a.F.
54Gegen dieses dem Beklagten am 30.12.2002 zugestellte Grundurteil hat dieser am 21.01.2003 Berufung eingelegt und rechtzeitig begründet.
55Der Beklagte wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.
56Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es zulässig gewesen, das Offene Verfahren aufzuheben und ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige öffentliche Vergabebekanntmachung einzuleiten.
57Von einer Fehlkalkulation könne im Hinblick auf die aufgestellte Kostenberechnung nicht ausgegangen werden. Jedenfalls sei der von dem Landgericht insoweit angenommene Verstoß gegen Vergabevorschriften nicht kausal für einen etwaigen Schaden der Klägerin gewesen, denn die Klägerin habe im Offenen Verfahren nicht das annehmbarste Angebot abgegeben.
58Preisverhandlungen seien im Verhandlungsverfahren nicht verboten, im übrigen seien sie mit sämtlichen Bietern in gleicher Weise geführt worden und damit habe jeder Bieter die gleiche Chance gehabt.
59Auch sei eine funktionale Ausschreibung zulässig gewesen. Die Vergabestelle sei darüber hinaus berechtigt gewesen, einzelne Positionen bei beiden Bietern heraus- und hinzuzurechnen und die Mengenangaben zu verändern, um die unterschiedlichen Angebote vergleichbar zu machen.
60Entgegen dem Landgericht habe die Klägerin nicht den Zuschlag erhalten müssen. Das Landgericht habe insoweit maßgeblichen Vortrag des Beklagten und der Streitverkündeten übergangen und die Darlegungs- und Beweislast verkannt.
61Bei der Bestimmung des annehmbarsten Angebots habe der Vergabestelle ein Beurteilungsspielraum zugestanden und diesen habe sie nicht überschritten. Weder habe die Klägerin im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit das bessere Angebot abgegeben, noch seien die Angebote der Klägerin und der Firma W.-B. gleichwertig gewesen. Dementsprechend sei auch nicht der niedrigste Preis von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.
62Weiter erhebt der Beklagte Einwendungen gegen das Gutachten und die Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. H. und vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, das Landgericht hätte ein Obergutachten einholen müssen, hilfsweise eine schriftliche Ergänzung des Gutachtens, hilfsweise hätte es eine mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen anordnen müssen.
63Der Beklagte beantragt,
64die Klage unter Aufhebung des Urteils des LG Köln vom 17.12.2002 abzuweisen.
65Die Klägerin beantragt,
66die Berufung abzuweisen.
67Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht in diesem Zusammenhang insbesondere geltend, das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass die Klägerin den Zuschlag hätte erhalten müssen, wenn das Verfahren rechtmäßig durchgeführt worden wäre. Das Angebot der Klägerin sei das preiswerteste, wirtschaftlichste und somit das annehmbarste Angebot gewesen, wie der Gutachter zutreffend ausgeführt habe.
68Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2002 erhebt der Beklagte den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Die Vergabestelle sei berechtigt gewesen, das Verhandlungsverfahren aufzuheben. Im übrigen habe die Klägerin den Schaden selbst verursacht bzw. mitverursacht. Sie hätte gegen die neuerliche Vergabeentscheidung im Verhandlungsverfahren wiederum die Vergabeprüfstelle anrufen können. Auf diese Weise hätte sie mit geringerem Aufwand ihre vermeintliche Rechtsposition durchsetzen können.
69Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien nebst eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
70II.
71Die formell unbedenkliche Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
72Das Landgericht hat die Klage zu Recht als dem Grunde nach gerechtfertigt angesehen.
731.
74Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass es an die in dem Vergabeüberwachungsverfahren am 19.10.1999 ergangene Entscheidung der Bezirksregierung L. nicht gebunden war. Bis zum 31.12.1998 anhängige Nachprüfungsverfahren wurden gemäß Artikel 3 Nr. 2 Satz 1 des Vergaberechtsänderungsgesetzes vom 26.08.1998 nach dem bis dahin geltenden Recht (§§ 57 a bis 57 c des HGrG in der Fassung vom 26.11.1993) in Verbindung mit der Nachprüfungsverordnung vom 22.02.1994 (BGBl. I S. 324)) beendet und entfalteten keine Bindungswirkung im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, in dem der Betroffene Schadensersatzansprüche verfolgte (Dreher, Der Rechtsschutz bei Vergabeverstößen nach "Umsetzung" der EG-Vergaberichtlinie, ZIP 1995, 1869, 1873).
75Darüber hinaus hat das Landgericht die Grundsätze, nach denen im Vergabeverfahren Schadensersatzansprüche des Bieters gegen den Ausschreibenden unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo bestehen, zutreffend dargestellt.
76Danach wird zwischen dem Ausschreibenden einerseits und einem interessierten Bieter andererseits spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch diesen ein auf mögliche Auftragserteilung gerichtetes vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet (BGH NJW 2000, 137, 138; BGH NJW 2000, 661, 662; BGH NJW 1998, 3636; BGH NJW 1998, 3644; BGH NJW 1993, 520; Ingenstau/Korbion, VOB, Kommentar, 14. Auflage, Einleitung Rn 41). Bei schuldhafter Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden können nach den Grundsätzen einer Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) Schadensersatzansprüche des interessierten Bieters nach vertragsrechtlichen Grundsätzen entstehen. Sie sind auf den Ersatz des Schadens gerichtet, den der Bieter dadurch erlitten hat, dass er darauf vertraut hat, dass die Ausschreibung nach den Vorschriften der VOB/A abgewickelt werde. Ein daraus abgeleiteter Anspruch ist im allgemeinen auf den Ersatz des sogenannten negativen Interesses, d.h. auf den Ersatz der durch Beteiligung an der Ausschreibung entstandenen Aufwendungen, beschränkt; er kann aber auch den Ersatz des sogenannten positiven Interesses, insbesondere den durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn, erfassen.
77Dem Bieter erwächst dann ein Anspruch auf den entgangenen Gewinn, wenn er den Auftrag ohne den Rechtsverstoß des Auftraggebers hätte erhalten müssen und ein Zuschlag erteilt worden ist (BGH NJW 2000, 137, 139; BGH NJW 2000, 661, 663; BGH NJW 1998, 3640; BGH NJW 1993, 520). Sind die eingegangenen Angebote auf der Grundlage der in der Ausschreibung genannten Kriterien im Wesentlichen gleichwertig und bestehen Unterschiede lediglich im Preis, muss der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden (BGH a.a.O.).
782.
79Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass der Bieter grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass ihm ohne die Pflichtverletzung des Auftraggebers der Zuschlag – bzw. im Verhandlungsverfahren der Auftrag – erteilt worden wäre (BGH NJW 1993, 520, 521). Es ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass in Fällen, in denen die darlegungs- und beweispflichtige Partei typischerweise ihre prozessualen Pflichten nicht mehr erfüllen kann, weil sie außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs steht und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln kann, sich die Gegenpartei in zumutbarer Weise an der Aufklärung des Sachverhalts beteiligen muss und sich nicht auf ein bloßes Bestreiten bzw. Vortragen der anspruchsausschließenden Tatsachen zurückziehen darf (sog. sekundäre Behauptungslast; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 24. Auflage, Vor 284 Rn 34 m.w.N.). Für das Vergabeverfahren bedeutet dies, dass der übergangene Bieter lediglich einen Vergabeverstoß behaupten sowie darlegen muss, dass er das preisgünstigste Angebot abgegeben hat; es liegt dann am Auftraggeber, seine Vergabeentscheidung detailliert darzulegen (BGH NJW 2000, 137, 139; BGH NJW 2000, 661, 663; OLG Düsseldorf, BauR 1999, 741, 743; Schnorbus, Der Schadensersatzanspruch des Bieters bei der fehlerhaften Vergabe öffentlicher Aufträge, BauR 1999, 77, 98).
803.
81Ob die Aufhebung des Offenen Verfahrens und der Wechsel zum Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung zulässig war, kann letztlich dahinstehen, da sich die Klägerin auf das Verhandlungsverfahren eingelassen hat; sie hat wie die Firma W. B. ein geändertes Angebot abgegeben und Verhandlungen mit der Vergabestelle geführt. Ein unterstellter Vergaberechtsverstoß bei dem Übergang in das Verhandlungsverfahren wäre daher für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden nicht kausal gewesen. Im übrigen ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Klägerin im Offenen Verfahren den Zuschlag hätte erhalten müssen. Das Angebot der Firma W. B. war insoweit mit einer Endsumme von 65.182.885 DM preislich günstiger als das der Klägerin mit 69.909.316 DM.
82Dem Landgericht ist allerdings dahingehend zuzustimmen, dass das Staatliche Bauamt L. I als Vergabestelle im Verhandlungsverfahren gegen für die Vergabe öffentlicher Aufträge maßgebliche Rechtsgrundsätze verstoßen hat.
83a)
84Zwar gilt das Verhandlungsverbot des § 24 VOB/A im Verhandlungsverfahren nicht, d.h. der öffentliche Auftraggeber darf mit dem Bieter grundsätzlich über alle Vertragsbestandteile, auch über die Preise, verhandeln (Jasper in Motzke/Pietzcker/Prieß, Beck´scher VOB-Kommentar, Teil A, 2001, § 24 Rn 9). Es finden jedoch auch im Verhandlungsverfahren die sonstigen grundlegenden Regeln der VOB/A Anwendung. Die Aufträge sind insbesondere im Wettbewerb und im Wege eines transparenten Vergabeverfahrens unter Beachtung des Diskriminierungsverbotes zu vergeben; hinsichtlich der Verhandlung "über den Auftragsinhalt" dürfen die durch § 24 VOB/A gesetzten Zulässigkeitsgrenzen nicht überschritten werden (Ingenstau/Korbion A § 3 a Nr. 1 Rn 5; Jasper in Motzke/Pietzcker/Prieß, § 24 Rn 9). Darüber hinaus muss die Vergabestelle den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter (§ 8 Nr. 1 Satz 1 VOB/A) im Rahmen der gebotenen Grenzen einhalten (Jasper in Motzke/Pietzcker/Prieß, § 24 Rn 9). Dazu gehört ganz allgemein die Wahrung der Chancengleichheit der an der Vergabe beteiligten Bewerber (Ingenstau/Korbion, Einl. Rn 47). Die einseitige Bevorzugung eines bestimmten Bieters muss vermieden werden, da dies gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen würde (Ingenstau/Korbion, A § 2 Rn 32). Um Diskriminierungen zu vermeiden, muss allen ausgewählten Teilnehmern die Gelegenheit für ein letztes und endgültiges Angebot gegeben werden (Ingenstau/Korbion § 101 GWB Rn 5; Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Auflage, § 101 Rn 53; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 10. Auflage, A § 24 Rn 38).
85Entgegen der von dem Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 04.06.2004 vertretenen Auffassung galten vor dem Inkrafttreten des § 97 GWB n.F. nicht nur das Wettbewerbsprinzip und das Diskriminierungsverbot, sondern auch das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot. Abgesehen davon, dass – wie bereits dargelegt – aus dem Diskriminierungsverbot gerade das Gebot folgt, alle Unternehmer gleich zu behandeln, hatte die VOB/A ebenso wie die VOL/A bereits nach der früher geltenden Rechtslage den Zweck, eine Gleichbehandlung aller Bewerber um öffentliche Aufträge und eine Vergabe allein nach sachlichen Kriterien sicherzustellen (BGH NJW 2000, 137, 138 f.; BGH NJW 2000, 661, 662). Mit diesem Zweck ist beispielsweise auch eine Berücksichtigung erst nachträglich gebildeter, in den Verdingungsunterlagen nicht genannter Kriterien unvereinbar. Eine Überprüfung der Vergabeentscheidung muss nach objektiven Kriterien gewährleistet sein; nur auf diese Weise ist im übrigen dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu dem auch die Vorhersehbarkeit, Messbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehört, in dem gebotenen Umfang genügt (BGH a.a.O.). Diese grundsätzlichen Prinzipien gelten auch im Verhandlungsverfahren.
86Vor diesem Hintergrund hätte die Vergabestelle gegenüber der Klägerin – die berechtigterweise davon ausgehen konnte, dass man ihr vor einer abschließenden Entscheidung über die Vergabe Gelegenheit zu einem letzten und endgültigen Angebot geben würde – insbesondere deutlich machen müssen, bis zu welchem Zeitpunkt sie Angebote und Änderungen noch akzeptieren würde.
87Mit ihren Telefaxschreiben vom 02.12., 03.12. und 12.12.1997 hat die Klägerin gegenüber der Vergabestelle unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie davon ausging, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen war. Die Beklagte hätte im Hinblick auf das durch das Vergabeverfahren begründete vertragsähnliche Vertrauensverhältnis, das die Parteien zur gegenseitige Rücksichtnahme und zur Aufklärung über wesentliche, den Vertragsschluss möglicherweise beeinflussende Umstände verpflichtete (Ingenstau/Korbion, Einl 44, OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 1046, 1047), auf diese Telefaxe umgehend reagieren und die Klägerin von dem tatsächlichen Stand des Verfahrens in Kenntnis setzen müssen. Dies ist unstreitig unterblieben. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Vortrag des Beklagten zutrifft, das Angebot der Klägerin vom 28.11.1997 habe in technischer Hinsicht Unklarheiten aufgewiesen, entgegen dem Telefax der Klägerin vom 12.12.1997 habe die Vergabestelle weder die weitere Offenheit des Entscheidungsverfahrens ausdrücklich zugesagt noch habe sie erklärt, eine Entscheidung für Ende der 50. KW als möglich zu erachten, die Klägerin bis Ende der 50. KW zurückzurufen und die weitere Vorgehensweise mit ihr abzustimmen.
88Diese Pflichtverletzungen hatten zur Folge, dass die Vergabestelle die von der Klägerin mit Telefaxschreiben vom 12.12. und 16.12.1997 angebotenen Preisnachlässe nicht in ihre Vergabeentscheidung einbezogen hat, die dem Vortrag des Beklagten zufolge am 12.12.1997 gefallen war. Der Beklagte verweist insoweit zu Recht darauf, dass die Vergabestelle die Firma W. B. mit Telefax vom 12.12.1997 unter Übersendung eines Entwurfs des Auftragsschreibens darüber informiert hatte, dass man beabsichtige, ihr den in Frage stehenden Auftrag zu erteilen und sie eine Vorauszahlungsanforderung über die Summe von 8.363.260 DM vorbereiten solle. Tatsächlich hatte sich die Vergabestelle – worauf es im Ergebnis allerdings nicht ankommt – ersichtlich bereits am 04./05.12.1997 auf die Firma W. B. festgelegt. Nachdem die Streithelferin die eingegangenen Angebote am 04.12.1997 bewertet und empfohlen hatte, der Firma W. B. den Zuschlag zu erteilen, unterrichtete die Vergabestelle noch am gleichen Tag das Ministerium für Wissenschaft und Forschung über die anstehende Vergabe und bat um haushaltsmäßige Deckungszusage, um noch im laufenden Haushaltsjahr Mittel für Montage und Fertigung abfließen lassen zu können. Am 05.12.1997 schlug die Vergabestelle sodann unter Berufung auf die Empfehlung der Streithelferin der Bezirksregierung L. vor, die Firma W. B. mit einer Gesamtsumme von 24.737.643 DM zu beauftragen.
89Der Beklagte kann sich bezüglich der von der Klägerin angebotenen Preisnachlässe nicht darauf berufen, anhand der ihr vorliegenden Unterlagen über die Preisermittlung habe die Vergabestelle die Angemessenheit des sich dann ergebenden Angebotspreises bzw. des Preisnachlasses nicht beurteilen können. In diesem Fall wäre ein Vorgehen nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A angezeigt gewesen; die Vergabestelle hätte von der Klägerin gegebenenfalls unter Festlegung einer zumutbaren Antwortfrist schriftlich Aufklärung verlangen müssen (Ingenstau/Korbion, A § 25 Rn 68, 69).
90b)
91Ob der Vergabestelle bei der Vergabeentscheidung ein Beurteilungsspielraum zusteht, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
92Der Ausschreibende ist – wie sich aus § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 VOB/A ergibt – nicht verpflichtet, dem Angebot mit dem niedrigsten Preis in jedem Fall den Vorzug zu geben. Der Zuschlag ist nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A vielmehr auf das unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen, gegebenenfalls auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkte annehmbarste Angebot zu erteilen.
93Wie sich aus Wortlaut und Überschrift der vorgenannten Bestimmung ergibt, geht es insoweit um eine Gesamtschau zahlreicher, die Entscheidung beeinflussender Einzelumstände. Im Hinblick auf die damit verbundene Wertung wird überwiegend von einem Beurteilungsspielraum des Auftraggebers ausgegangen (BGH NJW 1985, 1466; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 508, 509; OLG München NJW-RR 1995, 1235; OLG Düsseldorf BauR 1996, 98, 101; OLG Oldenburg NJW-RR 1997, 661; OLG Düsseldorf NJW-RR 1990, 1046, 1048; VÜA Bayern, WuW 1996, 153; Thüringer OLG, BauR 2000, 396, 402; Ingenstau/Korbion, Einl Rn 55; A § 25 Rn 73 a, b; Heiermann/Riedl/Rusam, A § 25 Rn 55). Insoweit ist man sich darüber einig, dass der der Vergabestelle in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A eingeräumte Beurteilungsspielraum im Einzelfall auf Null reduziert sein kann, so dass nur eine einzige Vergabeentscheidung rechtlich zulässig ist (vgl. nur VÜA Bayern, WuW 1996, 153, 161).
94Soweit das Landgericht demgegenüber unter Hinweis auf BGH NJW 2000, 137, 139 und BGH NJW 2000, 661, 663 die Auffassung vertritt, der Auftraggeber könne bei der Bestimmung des annehmbarsten Angebotes eine Bewertungsprärogative nicht in Anspruch nehmen und die Zubilligung eines der gerichtlichen Nachprüfung entzogenen Beurteilungsspielraums sei mit Sinn und Zweck des Vergaberechts nicht zu vereinbaren, ist dem Landgericht zuzugeben, dass entsprechende Formulierungen in den zitierten Entscheidungen seine Ansicht zu stützen scheinen. Sieht man jedoch den Gesamtkontext, ist zu berücksichtigen, dass in den von dem BGH entschiedenen Fällen die eingegangenen Angebote auf der Grundlage der in der Ausschreibung genannten Kriterien aus Gründen, die vorliegend keine Rolle spielen, als im Wesentlichen gleichwertig angesehen wurden; Unterschiede bestanden lediglich im Preis. Bei dieser Sachlage musste der Zuschlag jeweils auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erteilt werden. Insoweit besteht dann keine Bewertungsprärogative, wohl aber bei der Bewertung der Angebote. Eindeutig in diesem Sinne hat sich der BGH auch in seiner Entscheidung vom 06.02.2002 – X ZR 185/99 – geäußert, wonach der Ausschreibende die Angebote vor seiner Zuschlagsentscheidung zu bewerten hat. Dabei "steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu. Der in den Angeboten genannte Preis gewinnt für die Vergabeentscheidung allerdings dann ausschlaggebende Bedeutung, wenn die auf eine öffentliche Ausschreibung eingereichten Angebote hinsichtlich der für die Vergabeentscheidung nach den Vergabebedingungen maßgebenden Kriterien sachlich und im Hinblick auf den Inhalt des Angebots in technischer, gestalterischer und funktionsbedingter Hinsicht gleichwertig sind. Als das annehmbarste Angebot, auf das nach § 25 Abs. 3 Satz 2 VOB/A der Zuschlag erteilt werden soll, ist in einem solchen Fall das Gebot mit dem niedrigsten Angebotspreis anzusehen" (BGH ZfBR 2002, 509, 510).
95Unabhängig davon muss der Ausschreibende jeweils berücksichtigungsfähige Gründe darlegen, die ihn veranlasst haben, den Zuschlag nicht auf das preislich günstigste Angebot zu erteilen (BGH NJW 2000, 661, 663).
96Der Senat verkennt nicht, dass sich die dargestellte Rechtsprechung jeweils auf Vergabeentscheidungen im Offenen Verfahren bezieht und dem Auftraggeber im Verhandlungsverfahren ein größerer Wertungsspielraum zusteht. Auch insoweit gelten jedoch die dargestellten allgemeinen Grundsätze des Vergaberechts, insbesondere die der Transparenz, der Gleichbehandlung und des Wettbewerbs. Der Auftraggeber ist insoweit in der Bewertung der Angebote nicht völlig frei mit der Folge, dass seine Bewertung der gerichtlichen Kontrolle entzogen wäre.
97c)
98Für die Beurteilung, ob dem öffentlichen Auftraggeber ein Vergabeverstoß zur Last zu legen ist, ist insbesondere im Hinblick auf das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot auf die Bewertung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Auftragserteilung – vorliegend spätestens auf den 12.12.1997 – abzustellen (vgl. in diesem Zusammenhang BGH NJW 2000, 661, 663; OLG Düsseldorf BauR 1996, 98, 101, die ebenfalls eine entsprechende Tendenz erkennen lassen). Die Berücksichtigung nachträglich gebildeter Kriterien hätte zur Folge, dass eine Überprüfung der Vergabeentscheidung nach objektiven Kriterien nicht mehr gewährleistet wäre.
99Zwar fehlt es an einem Vergabevermerk gem. § 30 VOB/A, bereits die zeitliche Nähe zwischen der "Bewertung der Angebote" durch die Streithelferin am 04.12.1997 und der Vorfestlegung der Vergabestelle auf die Firma W. B. lässt jedoch darauf schließen, dass die Vergabestelle bei ihrer Entscheidung über die Auftragserteilung der Bewertung der Streithelferin gefolgt ist. Gesichtspunkte, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, hat der Beklagte trotz entsprechenden Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 nicht vorgetragen. Nach alledem muss sich der Beklagte an der von der Vergabestelle übernommenen Bewertung der Streithelferin festhalten lassen.
100Die Vergabeempfehlung der Streithelferin resultierte ausweislich der "Bewertung der Angebote" vom 04.12.1997 aus der technischen Bewertung der Angebote sowie der günstigeren Vergleichssumme. Vor diesem Hintergrund sind von dem Beklagten im Verlauf des Rechtsstreits nachgeschobene Bewertungskriterien wie beispielsweise gestalterische Gesichtspunkte unmaßgeblich.
101Das gleiche gilt, soweit zwischen den Parteien Streit über die Gewichtung von Bewertungskriterien besteht. In Ziffer 6.2 der "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots für schlüsselfertiges Bauen" betreffend die AWT-Anlage sind zwar eine Reihe von Kriterien für die Auftragserteilung genannt, von einer Gewichtung dieser Kriterien ist indessen keine Rede; es wird im Gegenteil sogar darauf hingewiesen, dass die Reihenfolge der genannten Kriterien auf die Anwendung keinen Einfluss habe. Bei dieser Sachlage spricht einiges dafür, dass eine Gewichtung sogar gegen für die Vergabe öffentlicher Aufträge maßgebliche Rechtsgrundsätze – insbesondere den Grundsatz der Transparenz stattlichen Handelns – verstoßen hätte. Letztlich kann dies dahinstehen. Auf der Grundlage der Preisspiegel vom 04.12., 08.12. und 16.12.1997 und deren ausführlicher Bewertung der Angebote vom 04.12.1997 (einschließlich des Bewertungsspiegels gleichen Datums), die zu der die Entscheidung der Vergabestelle bestimmenden Empfehlung geführt hat, die FTS-spezifischen Gewerke der Ver- und Entsorgungsanlage an die Firma W. B. zu vergeben, kann eine Gewichtung nicht festgestellt werden. Soweit die Streithelferin mit Schriftsatz vom 29.08.2002 auf eine Ermittlung der Kriteriengewichte gemäß 28. Planungsprotokoll vom 27.08.1997 verwiesen hat und sich der Beklagte die entsprechenden Darlegungen der Streithelferin mit Schriftsatz vom 08.10.2002 zu eigen gemacht hat, ist weder ersichtlich noch dargetan, wie die Gewichtung erfolgt sein soll und wie diese konkret Eingang in die Entscheidung gefunden haben soll.
102Auf diese Gesichtspunkte hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 hingewiesen, die Beklagte erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
1034.
104Die Vergabestelle hat bei der Bewertung einzelner Ausschreibungspositionen den ihr zustehenden Ermessensspielraum überschritten.
105Auszugehen ist insoweit – nachdem der Bewertungsspiegel vom 08.12.1997 nur die Preise betrifft – von dem Bewertungsspiegel der Streithelferin vom 04.12.1997 (Bl. 171 AH 1), wobei die ausführliche Bewertung der Angebote der Firma W. B. und der Klägerin (Bl. 177 ff. AH 1) deutlich macht, dass Ausgangspunkt jeweils die funktionale Leistungsbeschreibung der Streithelferin in der Ausschreibung war.
106Zu den einzelnen Ausschreibungspositionen:
1071.3.4 Strecke
108Die von der Firma W. B. angebotene Lösung ("erfüllt die Anforderungen gut") wurde von der Streithelferin bzw. der Vergabestelle besser bewertet als die Lösung der Klägerin ("erfüllt die Anforderungen"). Dies stimmt mit der Bewertung des Sachverständigen überein und wird auch von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen.
1091.3.5 FTS-Fahrzeuge
110Die Streithelferin bzw. die Vergabestelle hat die hebende Variante der Klägerin besser bewertet ("erfüllt die Anforderungen gut") als die ziehende Variante der Firma W. B. ("erfüllt die Anforderungen"). An dieser Bewertung, der der Sachverständige gefolgt ist, muss sich der Beklagte festhalten lassen. Mit seiner Argumentation in erster Instanz, beide Varianten seien gleichwertig, kann der Beklagte daher ebenso wenig durchdringen wie mit seiner Darlegung in der Berufung, die Variante der Firma W. B. sei besser zu bewerten als die der Klägerin. Einer Zulassung dieses Vorbringens in zweiter Instanz steht im übrigen § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO entgegen, worauf der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 hingewiesen worden war. In seinem nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 werden keine Aspekte aufgezeigt, die insoweit eine abweichende Wertung rechtfertigen könnten.
1111.3.6. Ladestation
112Die Streithelferin bzw. die Vergabestelle hat die Vorschläge der Firma W. B. und der Klägerin jeweils gleich bewertet.
1131.3.7 S- und E-Stationen
114Die Variante der Klägerin wurde schlechter bewertet ("erfüllt die Anforderungen schlecht") als die der Firma W. B. ("erfüllt die Anforderungen"), da die Klägerin nur eine mechanische Konturenkontrolle vorgesehen hatte, die Firma W. B. hingegen eine optische Konturenkontrolle. Ob die von dem Sachverständigen demgegenüber vertretene Ansicht zutrifft, wonach beide vorgeschlagenen Alternativen gleichwertig waren, kann dahinstehen. Selbst wenn man der Bewertung der Streithelferin bzw. der Vergabestelle folgen wollte, wäre nämlich zu bedenken, dass die Klägerin mit Telefax vom 05.12.1997 eine optische Sensorik zu einem Mehrpreis von 105.182,00 DM inkl. MWSt angeboten hatte. Dieser Preis hätte bei der Erstellung des Preisspiegels Berücksichtigung finden müssen. In diesem Fall hätten die Angebote der Klägerin und der Firma W. B. in der Ausschreibungsposition 1.3.7 gleich bewertet werden müssen.
1151.3.8 Bodenförderer
116Die Vorschläge der Klägerin und der Firma W. B. wurden von der Streithelferin bzw. der Vergabestelle und dem Sachverständigen gleich bewertet. Wenn der Beklagte demgegenüber im vorliegenden Rechtsstreit zunächst die Auffassung vertreten hat, der Ausführungsvorschlag der Firma W. B. sei gegenüber dem der Klägerin als höherwertig anzusehen, kann dies im Hinblick darauf, dass für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Vergabeentscheidung abzustellen ist, keine Berücksichtigung finden. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 hingewiesen. Dem Beklagten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
1171.3.9 Leitwarte
118Die Streithelferin bzw. die Vergabestelle bewertete das von der Firma W. B. vorgeschlagene Konzept im Hinblick auf die vorgesehene Oracle-Datenbank und das SCO-UNIX-Betriebssystem besser ("erfüllt die Anforderungen gut") als das der Klägerin ("erfüllt die Anforderungen").
119Soweit der Sachverständige demgegenüber eine umgekehrte Bewertung vorgenommen hat und das Angebot der Klägerin gegenüber dem der Firma W. B. in diesem Leistungsbaustein als höherwertig angesehen hat, bedurfte es trotz der von dem Beklagten insoweit erhobenen Einwände weder der von ihm beantragten Einholung eines Obergutachtens, noch der schriftlichen Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H., noch seiner mündlichen Erläuterung. Vorliegend geht es nicht um die technische Bewertung verschiedener Vorschläge, die mit sachlichen Gründen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen kann, sondern um einen gravierenden und offenkundigen Bewertungsfehler.
120Selbst unter Berücksichtigung der der Vergabestelle im Verhandlungsverfahren zustehenden Bewertungsprärogative ist nicht nachzuvollziehen, warum die Angebote der Klägerin und der Firma W. B. in dieser Ausschreibungsposition nicht zumindest als gleichwertig bewertet wurden, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die von der Firma W. B. vorgeschlagene Variante mit einem Cold-stand-by-Rechner ersichtlich nicht den Anforderungen der Ausschreibung entsprach.
121Dabei ist dem Beklagten im Ansatz dahingehend zuzustimmen, dass die erstmalige Erwähnung des Hot-stand-by-Rechners in der Funktionsbeschreibung von Pos. 1.3.9 (Seite 55 des Leistungsprogramms) als beispielhaft ansehen ist, wenn es dort heißt: "Das Steuerungskonzept des gesamten FTS-Systems muß auf einem 3-Ebenen-Modell mit den Ebenen Disposition (z.B. Leitrechner, Hot-stand-by-Rechner, Wartungsrechner usw.), ... beruhen ...". Aus dem Gesamtkontext ergibt sich jedoch unmissverständlich, dass die Aufzählung nicht fakultativ dahingehend zu verstehen ist, dass anstelle des Hot-stand-by-Rechners auch ein Leitrechner oder ein Wartungsrechner installiert werden konnte, sondern dass die Klammerzusätze die jeweils genannten Ebenen lediglich beispielhaft in dem Sinne umschreiben, dass konkret zu der Ebene Disposition unter anderem die Elemente Leitrechner, Hot-stand-by-Rechner und Wartungsrechner gehören, dies aber zwingend ("muß").
122Dass insbesondere der Hot-stand-by-Rechner nach der Ausschreibung unabdingbar war, ergibt sich weiter daraus, dass es unter dem Punkt Dispositionsebene (Seite 57 des Leistungsprogramms) heißt: "Im Störungsfall muß der Hot-Stand-by-Rechner vollständig und automatisch die Funktion des Leitrechners übernehmen." Der Unterpunkt Technische Daten und Mengengerüst nennt als Hardwarekomponenten mit Industriestandard, die für die Dispositionsebene mindestens zu installieren sind, wiederum den Hot-stand-by-Rechner (Seite 60 des Leistungsprogramms). Ausweislich Seite 61 des Leistungsprogramms müssen zu den Standardschnittstellen weitere Schnittstellen vom Leitrechner aus vorgesehen und konfiguriert werden, unter anderem "1 Schnittstelle für den Hot-stand-by-Rechner". Im Anschluss an die Aufzählung der erforderlichen Schnittstellen wird schließlich darauf hingewiesen, dass der Rechner für die statistische Auswertung neben dem Leitrechner und dem Hot-stand-by-Rechner im Steuerraum installiert werden muß.
123Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung des Beklagten, die Erwähnung des Hot-stand-by-Rechners auf S. 55, 57 und 60 des LV sei nur beispielhaft, nicht gefolgt werden.
124Dass der Streithelferin die insoweit bestehende Problematik bewusst war, ergibt sich aus der ausführlichen Bewertung des Angebotes der Firma W. B. vom 04.12.1997, die Grundlage der Vergabeentscheidung der Vergabestelle war. Unter 1.3.9 Leitstand (Bl. 180 AH 1) heißt es dort unter anderem: "Das Leitstandskonzept entspricht im wesentlichen den gestellten Anforderungen. Ausnahmen bilden z.B. der Cold-Standby-Rechner sowie die zu geringe Anzahl an SPS´en." Bei dieser Sachlage erschließt sich für den Senat in keiner Weise, warum in dem Bewertungsspiegel der Streithelferin vom 04.12.1997 die Ausschreibungsposition 1.3.9 bei der Firma W. B. mit "erfüllt die Anforderungen gut" bewertet wurde.
125Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 geltend macht, gemäß dem LV (S. 60) seien Hardwarekomponenten mit Industriestandard gefordert worden und zum Industriestandard habe zum damaligen Zeitpunkt das gehört, was die Firma W. B. angeboten hatte, nämlich eine Oracle-Datenbank und ein SCO-UNIX Betriebssystem, während die Klägerin nur ein Windows-NT-System angeboten habe, ist dieses Vorbringen bereits gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Erstinstanzlich hatte der Beklagte lediglich behauptet, das Betriebssystem UNIX werde in Industrieanlagen häufiger eingesetzt als Windows NT. Unabhängig davon gilt insoweit das gleiche wie für den bereits in erster Instanz geltend gemachten Einwand des Beklagten, die Lösung der Klägerin habe entgegen S. 56/57 der Ausschreibung eine Beendigung der aktuellen Transportaufträge trotz Ausfalls der kompletten Dispositionsebene nicht gewährleistet: Die Behauptung, das Angebot der Klägerin erfülle in der Position 1.3.9 die Anforderungen der Ausschreibung nicht, ist unbeachtlich, nachdem die Streithelferin das Angebot der Klägerin insoweit ausweislich ihrer Bewertung vom 04.12.1997, die sich die Vergabestelle zu eigen gemacht hat, dahingehend bewertet hat, es "erfüllt die Anforderungen".
126Soweit der Beklagte im übrigen mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 unter Hinweis auf S. 62 des LV die Auffassung vertritt, dass dort von einem Betriebssystem UNIX und einem solchen von Windows-NT die Rede sei, habe sich, wie ein Vergleich mit S. 61 ergebe, allein auf zwei Servicenotebooks bezogen, bei denen das Windows-NT-System handelsüblich sei, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass sich die Bemerkung "WIN NT" auf Seite (60 und) 61 des Leistungsprogramms als Klammerzusatz lediglich unter dem Unterpunkt "zwei Service-Notebooks" findet, der Hinweis auf Windows NT auf Seite 62 des Leistungsprogramms ist jedoch mit Rücksicht auf den Satzzusammenhang umfassender zu verstehen. Danach "sind entsprechend den beschriebenen Aufgaben spezifische Softwareprogramme (unter dem Betriebssystem UNIX und Windows NT)" für "den Leitrechner, den Statistikrechner und den Wartungsrechner" zu erstellen. Die vorgenannten Hardwarekomponenten sind jedoch unter der Überschrift "Technische Daten und Mengengerüst" (Seite 60 des Leistungsprogramms) neben den zwei Service-Notebooks genannt. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass die Installation des Betriebssystems Windows NT (zumindest) auf dem Leitrechner, dem Statistikrechner, dem Wartungsrechner und auf den zwei Service-Notebooks ausschreibungskonform war. Abgesehen davon macht die Verwendung verschiedener Betriebssysteme in den Rechnern der Dispositionsebene, die ausweislich Seite 61 des Leistungsprogramms mittels eines Netzwerkes miteinander zu verbinden waren, keinen Sinn.
1271.3.10 Zusatzfördersysteme
128Der Bewertung dieser Ausschreibungsposition durch die Streithelferin bzw. die Vergabestelle vermag der Senat ebenfalls unabhängig von der Auffassung des Sachverständigen, die von beiden Bietern angebotenen Lösungen seien gleichwertig, nicht beizutreten.
129Dabei kann dahinstehen, ob die Bewertung der Streithelferin vom 04.12.1997 zutrifft, wonach die Firma W. B. insoweit eine "höherwertige Lösung als im LP gefordert" angeboten habe, während die Klägerin lediglich die "geforderte Redundanz erfüllt" habe. Nach den auch im Verhandlungsverfahren geltenden Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz hätte die Vergabestelle die Klägerin vor einer abschließenden Entscheidung über die Auftragserteilung jedenfalls darauf hinweisen müssen, dass sie beabsichtige, bei dieser Ausschreibungsposition höhere Anforderungen zu stellen, als dies nach den Ausschreibungsunterlagen zu erwarten war, indem sie Lastenaufzüge nach TRA 200 höher bewerten werde, als das von der Klägerin angebotene unstreitig ausschreibungskonforme Senkrechtfördersystem. Insoweit geht es entgegen der von der Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 geäußerten Auffassung nicht darum, einem konkurrierenden Mitbewerber technische und wirtschaftliche Einzelheiten des Angebotes eines anderen Bieters zur Verfügung zu stellen und damit gegen die Geheimhaltungspflicht zu verstoßen, sondern lediglich um die Klarstellung der Bewertungsmaßstäbe zwecks Sicherzustellung der Vorhersehbarkeit, Messbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns.
130In diesem Zusammenhang hätte die Vergabestelle der Klägerin die Gelegenheit einräumen müssen, ein modifiziertes Angebot zu unterbreiten, wie dies beispielsweise bei der Ausschreibungsposition 1.3.7 S- und E-Stationen hinsichtlich der optischen Konturenkontrolle geschehen ist.
131Nachdem dies unterblieben ist, war es ermessensfehlerhaft, das Angebot der Firma W. B. hinsichtlich der Zusatzfördersysteme anders zu gewichten als das der Klägerin.
132Die übrigen Ausschreibungspositionen (Wartung, Schulung, Personenschutz) wurden unter Zugrundelegung der Bewertung vom 04.12.1997 jeweils gleich bewertet.
133Soweit der Beklagte das Angebot der Firma W. B. demgegenüber im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der Wartung als höherwertig angesehen hat, muss er sich aus den dargestellten Gründen an der Bewertung der Streithelferin bzw. der Vergabestelle im Zuge der Vergabeentscheidung festhalten lassen.
134Die Referenzen der Bieter haben bei der Entscheidung der Vergabestelle ersichtlich keine Rolle gespielt, weshalb diese keiner weiteren Erörterungen bedürfen. Abgesehen davon sind insoweit keine Gesichtspunkte ersichtlich, die gegen die Klägerin sprechen könnten.
135Nach alledem folgt der Senat dem Landgericht in der Beurteilung, dass die Angebote der Klägerin und der Firma W. B. mindestens als gleichwertig zu bewerten waren und demzufolge dem Angebotspreis maßgebliche Bedeutung zukam.
1365.
137Mit dem Landgericht geht der Senat weiter davon aus, dass die Angebote der Klägerin und der Firma W. B. bei der Ermittlung des preisgünstigsten Angebotes nicht – wie die Streithelferin dies in den verschiedenen Preisspiegeln getan hat – verändert und neu berechnet werden durften, indem einzelne Positionen aus den Angeboten heraus- und hinzugerechnet wurden.
138Entgegen der Auffassung des Beklagten im nachgelassenen Schriftsatz vom 04.06.2004 handelt es sich insoweit nicht um eine tatsächliche technische, sondern um eine rechtliche Beurteilung. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Senat durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 28.11.2001, in dem dieser die Ermittlung vergleichbarer Angebotspreise für eine Bewertung der Angebote als notwendig erachtet hat, nicht zu einer abweichenden Beurteilung veranlasst.
139Mit der funktionalen Ausschreibung hat die Vergabestelle nur Mengenermittlungsparameter vorgegeben. Es ist dann Sache des Auftragnehmers, aus den Plänen und den übrigen Ausschreibungsunterlagen zu ermitteln, wie viel er leisten muss. Der Auftragnehmer geht insoweit zwangsläufig ein erhöhtes (Mengenermittlungs-) Risiko ein (vgl. Kapellmann/Messerschmidt, VOB, Teile A und B, 2003, § 2 VOB/B Rn 233 ff.; Heiermann/Riedl B § 2 Rn 143).
140Es kommt hinzu, dass dann, wenn die geschuldete Leistung Gegenstand einer funktionalen Leistungsbeschreibung ist, Preis und Leistung in der Regel pauschaliert werden, was zur Folge hat, dass Mehr- oder Minderleistungen oder Erschwernisse nicht auszugleichen sind, wenn sich die Parteien im Rahmen des vertraglichen Leistungsumfangs und des von ihnen in den Vordergrund gestellten Leistungsziels halten wollten und deshalb auch den Leistungsumfang pauschalierten (Heiermann/Riedl/Rusam B § 2 Rn 143, 144 b).
141Dass die Ausschreibung von Anfang an auf die Vergabe zu einem Pauschalpreis ausgerichtet war, ergibt sich bereits daraus, dass in der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes betreffend die ATW-Anlage auf die "Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm" verwiesen wurde sowie auf das beigefügte Formblatt "Aufgliederung des Pauschalpreises", das von dem Anbieter auszufüllen war. In Ziffer 3.6 (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm) der Bewerbungsbedingungen wurden für den Fall, dass der Auftraggeber die Leistung – wie vorliegend – durch ein Leistungsprogramm dargestellt hat, weitere Anforderungen an das Angebot des Bieters aufgestellt. Unter anderem heißt es, dass der "anzubietende Pauschalpreis" an der dafür vorgesehenen Stelle in die Verdingungsunterlagen einzusetzen ist. Weiter wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn in den Verdingungsunterlagen eine Aufgliederung des Pauschalpreises gefordert werde, die dort anzugebenden Beträge nur informatorischen Charakter hätten. Verbindlich sei allein der Pauschalpreis.
142In der funktionalen Leistungsbeschreibung heißt es darüber hinaus unter "0.2.1 Pauschalfestpreis":
143"Im Rahmen dieses Vertrages ist zum vereinbarten Pauschalpreis, in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen."
144Dass die funktionale Ausschreibung mit einem Pauschalpreis endete und das Verhandlungsverfahren ebenso wie das vorangegangene Offene Verfahren auf den Abschluss eines Pauschalvertrages gerichtet war, der letztlich auch vereinbart wurde, haben die Parteien im übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2004 unstreitig gestellt.
145Bei einem Pauschalvertrag kommt es aber, wie bereits dargelegt, überhaupt nicht auf die Mengenänderungen an, sondern darauf, ob die Mengenänderung Vergütungsansprüche auslöst. Das ist aber gerade dann nicht der Fall, wenn der Auftragnehmer anhand der Entwurfsplanung und einer sachgerechten Leistungsbeschreibung selbst die Ausführungsplanung übernimmt; dann trägt er das Mengenermittlungsrisiko. Irrt er sich und ist die Menge anders als von ihm ermittelt, so ist das sein Risiko, der Pauschalpreis ändert sich nicht (Kapellmann/Messerschmidt, § 5 VOB/A Rn 34).
146Geht man dementsprechend von den Angebotspreisen und nicht von der von der Streithelferin jeweils ermittelten "Vergleichssumme" aus, kann dahinstehen, welcher Preisspiegel (04.12., 08.12. oder 16.12.1997) zugrunde zu legen ist. Selbst unter Berücksichtigung eines Betrages von 105.182,00 DM für die optische Konturenkontrolle und unter Außerachtlassung der von der Klägerin angebotenen, aber unberücksichtigt gebliebenen Preisnachlässe wäre das Angebot der Klägerin mit einem Angebotspreis von 23.082.596 DM preisgünstiger gewesen als das Angebot der Firma W. B. mit 24.737.643 DM. Bei dieser Sachlage hätte der Klägerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens der Auftrag für die Errichtung der AWT-Anlage erteilt werden müssen.
1476.
148Der Ersatzanspruch der Klägerin scheitert auch nicht im Hinblick auf den seitens der Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 erhobenen Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, der zuvor bereits Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2004 war. Dieser Einwand ist unabhängig davon, dass er gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist, unbeachtlich.
149Dem Beklagten ist allerdings im Ausgangspunkt dahingehend zuzustimmen, dass sich der öffentliche Auftraggeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber einem aus vorvertraglichen Verschulden hergeleiteten Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Auftragsvergabe grundsätzlich darauf berufen kann, der Schaden wäre auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden (BGH BauR 1993, 214; BGH BauR 1997, 636; BGH NJW 2000, 661, 663). Als Alternativverhalten mag zugunsten des Beklagten die rechtmäßige Aufhebung des Verhandlungsverfahrens unterstellt werden, wenngleich insoweit Bedenken bestehen. Soweit der Beklagte nämlich unter Hinweis auf Ingenstau/Korbion, § 26 Rn 8 VOB/A, die Auffassung vertritt, dass ein Verhandlungsverfahren beendet werden könne, ohne dass die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 VOB/A vorliegen, ist anzumerken, dass sich die Kommentierung in erster Linie auf die freihändige Vergabe bezieht. Selbst wenn man die maßgeblichen Erwägungen jedoch auf das Verhandlungsverfahren überträgt, darf nicht übersehen werden, dass die zitierte Kommentierung auch dann eine entsprechende Beachtung des § 26 VOB/A zumindest in den Fällen empfiehlt, in denen der Auftraggeber – wie vorliegend – mit mehreren Bietern Verhandlungen über die Auftragsvergabe geführt hat und diese bereits Aufwendungen gehabt haben. Das durch die Vertragsverhandlungen "geschaffene Vertrauensverhältnis sollte grundsätzlich nur bei Vorliegen von Gründen und durch entsprechende Information über die Aufhebung des Vergabeverfahrens zu Ende gebracht werden." (Ingenstau/Korbion, VOB Kommentar, 15. Auflage, 2004, § 26 Rn 8 VOB/A). Welche Gründe vorliegend eine Aufhebung des Vergabeverfahrens gerechtfertigt haben sollten, ist weder ersichtlich noch dargetan. Ob der Beklagte bzw. die Vergabestelle, "wenn ihr das Angebot der Klägerin als das annehmbarste nicht zusagt hätte" (vgl. insoweit die Ausführungen des Beklagten unter Ziffer 5. seines nachgelassenen Schriftsatzes), das Verhandlungsverfahren hätte aufheben dürfen, erscheint zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen.
150Als Alternativverhalten könnte dem Ersatzverlangen der Klägerin eine rechtmäßige Aufhebung des Verhandlungsverfahrens nur dann mit Erfolg entgegengesetzt werden, wenn nach Aufhebung und erneuter Vergabe der Auftrag nicht dem übergangenen Bieter, sondern dem tatsächlich bedachten Wettbewerber oder einem anderen Unternehmer hätte erteilt werden müssen; dass der Auftraggeber bei pflichtgemäßem Verhalten denselben Erfolg hätten herbeiführen können, reicht nicht aus (BGH BauR 1993, 214, 216; BGH BauR 1997, 636, 638; Ingenstau/Korbion, § 26 VOB/A Rn 65 f.). Für diese Voraussetzungen ist der Auftraggeber darlegungs- und beweispflichtig (BGH a.a.O.; Ingenstau/Korbion § 26 VOB/A Rn 65 f.). Dass die Klägerin nach einer Aufhebung und einer Neuausschreibung bzw. einem erneuten Verhandlungsverfahren den Auftrag gleichfalls nicht erhalten hätte, ist weder ersichtlich noch dargetan.
1517.
152Die Pflichtverletzung der Vergabestelle ist von dem Beklagten zu vertreten.
153Die von der Rechtsprechung für Ansprüche aus culpa in contrahendo in Anlehnung an § 282 BGB a.F. entwickelte Beweislast nach Verantwortungsbereichen gilt auch für den Schadensersatzanspruch des Bieters (Schnorbus, BauR 1999, 77, 100; OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 508, 509). Danach hat der Bieter zunächst den Sorgfaltspflichtverstoß und den Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Gelingt ihm dies, wie vorliegend, wird das Verschulden des öffentlichen Auftraggebers vermutet. Es lag daher an dem Beklagten, seinerseits darzulegen und zu beweisen, dass weder seine Organe noch den Verhandlungsgehilfen ein Verschulden traf und sich insoweit zu entlasten. Dies ist ihm nicht gelungen. Das Verschulden der Streithelferin ist dem Beklagten über § 278 BGB zuzurechnen.
154Der von dem Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 04.06.2004 insoweit erhobene vorsorgliche Einwand, dass die Klägerin den Schaden selbst verursacht bzw. mitverschuldet habe, ist gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO unbeachtlich.
155Unabhängig davon ist – soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die Klägerin hätte gegen die neuerliche Vergabeentscheidung im Verhandlungsverfahren wiederum die Vergabestelle anrufen können – bereits unklar, auf welche Vergabeentscheidung sich dies beziehen soll. Die Klägerin hat gegen die Entscheidung der Vergabestelle die Vergabeprüfstelle und den Vergabeüberwachungsausschuss angerufen. Sollte sich der Einwand des Beklagten auf eine – nach Aufhebung des Verhandlungsverfahrens und Durchführung eines erneuten Vergabeverfahrens – fiktive neue (möglicherweise wiederum fehlerhafte) Vergabeentscheidung beziehen, ist nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin dann "mit geringerem Aufwand ihre vermeintliche Rechtsposition" hätte "durchsetzen können" und inwieweit die Vergabestelle einer Entscheidung der Vergabeprüfstelle bzw. des Vergabeüberwachungsausschusses hätte nachkommen müssen. Tatsächlich wäre die Sachlage nicht anders als im vorliegenden Verfahren.
1569.
157Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
158Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich ist. Es handelt sich um eine an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Einzelfallentscheidung.
159Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für den Beklagten:
1601.793.310,26 €