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Die Berufung der Beklagten gegen das am 11.10.2001 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 10 0 509/99 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
3Das Landgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.
41. Der Klägerin steht auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Rahmen - Teilungsabkommens (im folgenden: TA) vom 23.05.1985 ein Anspruch auf Zahlung von 27.000,-- DM zu .
5a) Die Klägerin ist dem zwischen dem Bundesverband der Innungskrankenkassen und der Beklagten bestehenden Rahmen - Teilungsabkommen beigetreten und demnach berechtigt, aus dem Teilungsabkommen Ansprüche geltend zu machen.
6b) Kann eine dem Abkommen beigetretene Krankenkasse gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten geltend machen, so verzichtet die Beklagte als Haftpflichtversicherer entsprechend dem Teilungsabkommen auf die Prüfung der Haftungsfrage (§ 1 Abs. 1 TA). Diese Voraussetzungen liegen vor.
7Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ausgeschlossen. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 a) RVO, der auf den Schadenfall vom 20.06.1994 anzuwenden ist, (entspricht § 2 Nr. 15 a SGB VII) sind zwar Personen in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall versichert, denen von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Behandlung in einem Krankenhaus gewährt wird. Hierbei sind aber nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert Schädigungen infolge einer medizinischen Behandlung und ihrer Entgegennahme oder die unfallmäßigen Auswirkungen des behandelten Leidens selbst, wie sie sich hier verwirklicht haben (vgl. Gitter in Gesamtkommentar zur Sozialversicherung, Band 6, § 539 RVO, 10/29, 10 /30; Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII, Rn 166, 167 mit Rechtsprechungsnachweisen des BSG). Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften des Sozialversicherungsrechts und aus der Gesetzessystematik. Die Vorschriften haben nicht den Sinn, in den Bereich der Arzthaftung einzugreifen, wie aus den übrigen Regelungen des § 539 RVO hervorgeht. Das Risiko der ärztlichen Behandlung im Krankenhaus soll nicht in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen werden. Eine andere Beurteilung würde zu einer vom Gesetz nicht beabsichtigten Privilegierung der Schadenfälle bei der stationären Behandlung führen.
8c) Voraussetzung für die Anwendung des Teilungsabkommens ist, dass der Haftpflichtversicherer dem Versicherten gegenüber deckungspflichtig ist. (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 67, Rn 59). Es muss ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich vorhanden sein (§ 1 Abs. 2 des TA) . Dies ist vorliegend ersichtlich der Fall.
9Nach § 1 Abs. 4 S. 1 TA findet das Abkommen in der allgemeinen Haftpflichtversicherung allerdings keine Anwendung, wenn nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts- und Verhaltensvorschriften vorliegt. Nach dieser Bestimmung trägt die Beklagte die Beweislast, dass keine objektive Pflichtverletzung in diesem Sinne gegeben war. Diese Voraussetzung hat die Beklagte nicht nachgewiesen.
10Fest steht, dass es dem Geschädigten gelungen ist, das Fenster in der geschlossenen Abteilung im sogenannten Wachraum der Suchtstation im 5. Stockwerk der Rheinischen Landesklinik in L. zu öffnen und herauszuspringen. Aus diesem Geschehen geht hervor, dass entweder die Verschlussvorrichtung des Fensters nicht in Gang gesetzt oder defekt war oder für den Patienten die Möglichkeit bestand, mittels eines an sich gebrachten Schlüssels das Fenster zu öffnen. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass in allen diesen Fällen keine objektive Pflichtverletzung des Krankenhausträgers vorgelegen hat.
11Es liegt auf der Hand, dass in einer geschlossenen Station der vorliegenden Art, in der Akutpatienten mit schwerer Suchtproblematik aufgenommen sind, grundsätzlich konkrete Maßnahmen zum Schutz der Patienten bei erkennbarer akuter und konkreter Selbstmordgefahr oder Verfolgungswahn erforderlich sind (vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2001, 1251; Palandt-Thomas, BGB, 61.Aufl., § 823, Rn 110; zur offenen Station BGH, NJW 2000, 3425; OLG Naumburg, NJW-RR 2001, 1251; OLG Oldenburg, OLGR 1996,146) . Dass eine Freiwilligkeitserklärung für den Aufenthalt in einer geschlossenen Abteilung vorgelegen hat, ist hierbei nicht von Bedeutung. Maßgebend ist die Anordnung der Aufnahme in eine geschlossenen Abteilung durch einen Arzt mit den daraus sich ergebenden Pflichten für den Träger des Krankenhauses. Liegt eine ärztlich angeordnete Aufnahme in eine geschlossene Station vor, muss der Krankenhausträger nämlich durch geeignete, insbesondere bauliche, Maßnahmen verhindern, dass ein Patient den geschlossene Bereich durch Fenster oder Türen verlassen und einen Schaden erleiden kann.
12Vorliegend hat der seinerzeit diensthabende Arzt A. als Zeuge vor dem Landgericht bekundet, dass er zwar auf Grund der Befragung des Patienten zu der Meinung gekommen sei, dass keine suizidalen Absichten vorgelegen hätten. Gleichwohl hat er aber den Geschädigten in eine geschlossene Abteilung aufgenommen, und zwar in eine Station für die Aufnahme von Akutpatienten mit Möglichkeiten von Komplikationen. Daraus geht hervor, dass aus psychiatrischer Sicht in der konkreten Situation die Aufnahme - möglicherweise zur Beobachtung bis zu einer weiteren Abklärung - für erforderlich gehalten wurde. Hierbei ist nicht entscheidend, dass der Zeuge A. - wie er vor dem Landgericht ausgesagt hat - im Nachhinein die Möglichkeit in Erwägung gezogen hat, dass der Sprung des Geschädigten aus dem Fenster Ergebnis eines Verfolgungswahns war und nicht ein Selbstmordversuch. Maßgebend ist seine Beurteilung bei der Aufnahme des Patienten. Insoweit hat die Mutter des Geschädigten, die Zeugin V. vor dem Landgericht bekundet, dass sie dem Arzt die Situation geschildert habe, auch dass der Sohn auf der Balkonbrüstung gestanden habe und erklärt habe, er wolle nicht mehr. Damit war dem Arzt die von der Mutter geschilderten Äußerungen des Geschädigten bekannt und er hat entsprechend den Patienten in die geschlossene Abteilung aufgenommen.
13Die Bekundungen der Zeugen K. und N. führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es kann dahinstehen, ob einige Zeit vorher der Schließzustand der Fenster überprüft worden ist. Jedenfalls ist am 20.06.1994 ein Öffnen des Fensters und ein Sprung aus dem 5. Stockwerk möglich gewesen. Dass dem keine Pflichtverletzung des Krankenhausträgers zugrunde gelegen hat, hat die Beklagte nicht bewiesen. Die Umstände, die es dem Patienten ermöglichten, das Fenster zu öffnen, sind weiterhin ungeklärt.
14Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien unstreitig.
152. Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 284.288 BGB a.F.), nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 17.09.1998 gegenüber der Klägerin eine Leistung abgelehnt hat.
163. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. lagen nicht vor. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
17Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.804,88 EUR (27.000,-- DM).