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Die Berufung des Klägers gegen das am 09. 10.2001 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 0 221/01 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die jeweiligen Sicherheitsleistungen dürfen auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Entschädigung wegen eines durch Brand am 01.02.2000 zerstörten Kiosks in R. - W..
3Der Kläger hatte bei der Beklagten eine gebündelte Sachversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag lagen u. a. die Allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) zugrunde. Versicherungsgrundstück war das Objekt P.straße xx x in xxxxx R.-W..
4Mit Kaufvertrag vom 4.5.1990 verkaufte der volkseigene Einzelhandelsbetrieb (HO) W./Industriewaren in R. dem Kläger den Kiosk auf dem Gelände
5P.straße in W. zum Kaufpreis von 13.200 Mark. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zur Klage Bezug genommen (AH). In § 6 Abs. 1 hieß es, dass der Käufer die mit der Nutzung in Zusammenhang stehenden Kosten der Sache trägt. Abs. 2 lautet: " Mit dem Rechtsträger des Grundstücks, auf dem sich der Kiosk befindet, wird der Käufer unverzüglich nach
6Vertragsabschluß einen Nutzungsvertrag eingehen ". In der Folgezeit zahlte der Kläger eine monatliche Standgebühr an die Hansestadt R. gemäß Anlage 1 zum Kaufvertrag. Zu einem schriftlichen Nutzungsvertrag kam es nicht. Am 15.2.1993 schloss der Kläger mit der Grundstückseigentümerin, der Hansestadt R., einen Mietvertrag für die Dauer vom 1.1.1992 bis 31.8.1995. Über die Frage der Wirksamkeit bestehen unterschiedliche Auffassungen. Der Kläger zahlte in der Folgezeit den im Vertrag vereinbarten monatlichen Mietzins in Höhe von 452,00 DM an die Vermieterin. Diesen Mietvertrag kündigte die Hansestadt R. mit Schreiben vom 8.6.1995 zunächst zum 31.10.1995 und verlangte Räumung des Mietobjekts zu diesem Termin. In dem Kündigungsschreiben wies die Stadtverwaltung darauf hin, dass das vom Amt für Stadtplanung erarbeitete Gesamtgestaltungskonzept für den Bereich des Kurparks keine Integration des Kiosks in das Vorhaben ermögliche. Nachdem der Kläger in der Folgezeit nicht räumte und die Miete weiterzahlte, kündigte die Stadt erneut mit Schreiben vom 8.5.1996 zum 30.9.1996. In diesem Schreiben wies die Hansestadt R. darauf hin, dass sie einer Untervermietung der Grundstücksfläche nicht zustimme. Gleichwohl schloss der Kläger unter dem 1.6.1996 für den Zeitraum vom 1.6.1996 bis 30.09.1996 einen Untermietvertrag mit einer Firma F. L. zum Betrieb einer "Surfschule / Shop".
7Die nach dem Kündigungszeitpunkt eingehenden Mietzahlungen überwies die Stadt an den Kläger zurück. Sie wollte das Gebäude aus städteplanerischen Gründen nicht mehr erhalten, sondern abbrechen. Es kam dann zu einem Rechtsstreit zwischen der Hansestadt R. und dem Kläger wegen Räumung und Nutzungsentschädigung ( 3 O 131/00 LG Rostock ). Nachdem der Kiosk durch den Brand total zerstört war, schlossen die Parteien jenes Rechtstreits am 4.7.2000 einen gerichtlichen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Kläger als Beklagten in jenem Verfahren u.a., bis zum 30.9.2000 die auf dem Grundstück liegenden - näher bezeichneten - Fundamente zu entfernen und die danach entstehenden Hohlräume bis zur Geländehöhe mit Erde aufzufüllen.
8Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Entschädigung in Höhe von 47.000,-- DM für den zerstörten Kiosk mit der Behauptung, der Sachwert habe sich auf diesen Betrag belaufen. I
9Der Kläger hat beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.000,00 DM nebst Zinsen ab
11Rechtshängigkeit in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des
12Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. S. 1242)
13zu zahlen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen, da der Kläger kein Nutzungsrecht mehr gehabt habe, komme es auf den gemeinen Wert an. Dieser Wert sei gleich Null, weil für das Gebäude nach Abzug der Abbruchkosten kein Wert mehr anzusetzen und ein Verkaufspreis nicht mehr zu erzielen sei.
17Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keine wirtschaftliche Rechtsposition mehr innegehabt. Ein Besitzrecht habe nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) nur bis längstens 31.12.1994 bestanden. Das Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) finde nach dessen § 3 wegen des Stichtages 2.10.1990 keine Anwendung. Der Mietvertrag sei wirksam zum 30.9.1996 gekündigt. Der danach maßgeblich gemeine Wert sei mit 0 DM zu veranschlagen. Für den Zeitwert sei der Kläger jedenfalls beweisfällig geblieben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil und seine Verweisungen Bezug genommen.
18Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Gegen das ihm am 10.10.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.11.2001 (Montag) Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 10.01.2002 mit am 09.01.2002 eingegangenem Schriftsatz begründet.
19Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, im vorliegenden Fall sei nach dem Zeitwert des abgebrannten Gebäudes zu entschädigen. Das Nutzungsrecht des Klägers basiere auf dem Kauf aus 1990 und nicht auf dem Mietvertrag vom 15.2.1993. Demnach sei § 49 SchuldRAnpG zu beachten. Daraus ergebe sich eine Restnutzungsdauer noch bis zum 31.12.2020. Der Zeitwert habe
2047.000,-- DM betragen.
21Der Kläger beantragt,
22unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts
23Bonn vom 09.10.2001 - 10 O 221/01 - die Beklagte zu verurteilen,
24an ihn 47.000, 00 DM (24.030,72 EUR) nebst Zinsen in Höhe von
255 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank
26gemäß § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09. Juni
271998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Die Beklagte verteidigt das Urteil des LG. Ein Nutzungsvertrag habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SchuldRAnpG - 1.1.1995 - nicht bestanden. Ein schriftlicher Nutzungs-Vertrag mit der Stadt R. sei vor dem 3.10.1990 nicht zustande gekommen. Ein stillschweigend geschlossener sei durch den Mietvertrag vom 15.2.1993 ersetzt. Im übrigen seien die Kündigungsschutzbestimmungen nicht anwendbar, da aus wichtigem Grund wegen unberechtigter Untervermietung gekündigt sei. Das Besitzrecht sei bis 31.12.1994 befristet gewesen. Der gemeine Wert sei mit Null anzusetzen.
31Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist unbegründet.
34Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.
35I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch nach den §§ 1 Nr.1a), 11 Nr. 1 a, 5 Nr. 1 AFB 87 auf Grund der abgeschlossenen gebündelten Sachversicherung nicht zu.
36Nachdem über den Versicherungsfall zwischen den Parteien kein Streit besteht, ist über die Berechnung der Entschädigung zu entscheiden. Im Ergebnis besteht ein Anspruch nicht.
37a) Nach § 11 Nr. 1 a) AFB 87 ist bei zerstörten Sachen der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles zu ersetzen. Der Versicherungswert von Gebäuden ist in § 5 Nr. 1 AFB 87 definiert. Nach Buchstabe a) ist Versicherungswert der Neuwert, wobei dieser der ortsübliche Neubauwert einschließlich Architektengebühren sowie sonstiger Konstruktions- und Planungskosten ist. Gemäß Buchstabe b) ist Versicherungswert der Zeitwert, falls er weniger als 40 % , bei landwirtschaftlichen Gebäuden weniger als 50 %, des Neuwertes beträgt oder falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist. Der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert des Gebäudes durch einen Abzug entsprechend seinem insbesondere durch den Abnutzungsgrad bestimmten Zustand. Nach Buchstabe c) ist Versicherungswert der gemeine Wert, falls das Gebäude zum Abbruch bestimmt oder sonst dauernd entwertet oder falls Versicherung nur zum gemeinen Wert vereinbart ist. Eine dauernde Entwertung liegt insbesondere vor, wenn das Gebäude für seinen Zweck allgemein oder im Betrieb des Versicherungsnehmers nicht mehr zu verwenden ist. Gemeiner Wert ist der für den Versicherungsnehmer erzielbare Verkaufspreis für das Gebäude oder für das Altmaterial.
38Für den vorliegenden Sachverhalt trifft Buchstabe c) zu. Es liegt eine Entwertung auf Dauer vor.
39Bei der Prüfung der fehlenden Verwendbarkeit können Umstände Berücksichtigung finden, die nicht die Substanz der versicherten Sache selbst betreffen und damit nicht den Baukostenwert als solchen mindern, sondern den Verkehrswert des Gebäudes beeinträchtigen (vgl. BGH, VersR 1984, 843; Senat, r+s 1995, 69; Martin , SVR, 3. Aufl., Q III 67, 72). Wichtig ist eine endgültig und unwiderruflich äußerlich in Erscheinung getretene Abbruchabsicht. Von entscheidender Bedeutung ist das Merkmal "unwiderruflich". Solange der Versicherungsnehmer in seiner Disposition noch frei ist und seine Abbruchpläne jederzeit wieder aufgeben kann, ist das Gebäude nicht in seinem wirtschaftlichen Wert beeinträchtigt. Anders zu beurteilen ist es, wenn der Versicherungsnehmer in seiner Entscheidung über das Schicksal des Gebäudes nicht mehr frei ist, weil er zum Abbruch gezwungen werden kann. Eine solche Situation ist gegeben, wenn der Abbruch zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles zur Disposition eines hierzu entschlossenen Dritten steht (vgl. BGH, VersR 1984, 843; Senat, a.a.O; OLG Hamm, VersR 1987, 148). So liegt es hier.
40Auf Grund der Kündigung zum 30.9.1996 war der Kläger verpflichtet zu räumen. Die Kündigung war - wenn man von einem über den ursprünglich vereinbarten Zeitraum fortgesetzten Mietverhältnis ausgeht - jedenfalls aus wichtigem Grund nach § 553 BGB a. F. wegen vertragswidrigem Gebrauch durch unerlaubte Untervermietung gerechtfertigt (vgl. nur zum alten Recht Palandt - Putzo, BGB, 58. Aufl. § 553, Rn. 7 m.w.N). Es liegt ein Verstoß gegen § 2 des Mietvertrages vom 15.2.1993 vor. Der Kläger hat unberechtigterweise an die Firma Fun Line untervermietet.
41Ein etwaiges Nutzungsverhältnis durch den ursprünglichen Kauf führt nicht zu einer anderen Bewertung. Der nach § 6 Abs. 2 noch zu schließende Nutzungsvertrag ist ausdrücklich nicht geschlossen worden. Man kann allerdings in der Nutzung gegen Zahlung der Standgebühr einen stillschweigenden Vertrag sehen. Dann ist aber anzunehmen, dass dieser konkludent geschlossene Vertrag durch den Mietvertrag vom 15.2.1993, der ja auch rückwirkend zum 1.1.1992 beginnen sollte, einverständlich ersetzt worden ist. Es sind nämlich die Rechtsverhältnisse an dem Grundstück auf der Basis eines Mietvertrages im einzelnen neu geregelt worden, wie aus dem Vertragsinhalt hervorgeht.
42Bedenken am Zustandekommen des Vertrages bestehen - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht. Der Kläger hat den vereinbarten monatlichen Mietzins auch in der Folgezeit gezahlt und damit zum Ausdruck gebracht, dass er an dem Mietvertrag festhalten will.
43Damit sind die Bestimmungen der §§ 43 ff SchuldRAnpG, Art . 232 § 3 EGBGB nicht anwendbar. Bestehende Pacht- oder sonstige Nutzungsverhältnisse werden zwar von der Regelung des § 43 SchuldRAnpG erfasst, wenn für den Nutzer die genannten Voraussetzungen bis zum Ablauf des Stichtages 02.10.1990 vorgelegen haben. Die Verträge müssen aber bei Inkrafttreten des SchuldRanpG zum 01.01.1995 noch bestehen (vgl. Münchener Kommentar - Kühnholz, BGB, 3. Aufl., § 43 SchuldRAnpG, Rn. 7).Dies nicht der Fall.
44Die Bestimmungen der §§ 43 ff SchuldRAnpG würden bei außerordentlicher Kündigung, wie sie hier wegen der verbotenen Untervermietung gerechtfertigt war, aber auch verdrängt (vgl. Münchener Kommentar - Kühnholz a.a.O., § 49 SchuldRAnpG, Rn 3) .
45Ein Besitzrecht nach Art. 233 § 2 a EGBGB (sog. Moratorium) war bis zum 31.12.1994 befristet. § 3 SachenRBerG betrifft andere Fälle der Bereinigung von Grundstücksverhältnissen. Diese Vorschrift bezieht sich auf Ansprüche auf Bestellung von Erbbaurechten oder auf Ankauf von Grundstücken und Gebäuden (vgl. Münchener Kommentar - Wendtland a.a.O., § 3 SachenRBerG, Rn 3 ff). Um solche Ansprüche geht es aber vorliegend nicht.
46Es sind demnach aus dem Übergangsrecht keine Gesichtspunkte erkennbar, die dem Kläger zu einem maßgeblichen Wert für den Kiosk verhelfen.
47Die Höhe des gemeinen Wertes ist unstreitig auf Null gesunken. Die Abbruchkosten übersteigen den Teilewert. Ein Zuschlag für eine ohne den Brand möglich gewesenen Weiternutzung ( vgl. Senat, r + s 1995, 69 (70) ) kommt nicht in Betracht. Hier hatte nämlich die Nutzungsmöglichkeit keinen Wert mehr.
48b) Es konnte dahinstehen, ob Leistungsfreiheit wegen der Verletzung von Auskunftobliegenheiten §§ 13 Nr. 1 e; Nr. 3 AFB 87, 6 Abs. 3 VVG eingetreten ist. Insoweit bestehen Bedenken, weil es - bezogen auf den hier in Rede stehenden Vorwurf - an einer ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers fehlen dürfte. Darauf kam es aber nicht mehr an.
49II. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO n. F. liegen nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt.
51Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
52Streitwert für das Berufungsverfahren: 24.030,72 EUR (47.000,00 DM)