Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 05.04.2001 - 24 O 46/99 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs wird die Sache an das Landgericht Köln zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung hinsichtlich der Kosten der Berufung vorbehalten bleibt.
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung auf Ersatz von Schäden und Aufwendungen als Folge einer Havarie seiner Segelyacht "S.” am 23.4.1998 in Anspruch.
3Der Kläger schloss bei der Beklagten für seine Segelyacht unter anderem eine Kaskoversicherung ab. Dem Vertrag liegen die "Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen 1995” (AVBW) zugrunde. Gegenstand der Versicherung sind danach neben dem Fahrzeug unter anderem auch persönliche Effekten (Nr. 1 AVBW). Für Schäden, die durch eine Fahr- und Seeuntüchtigkeit des Fahrzeugs verursacht worden sind, leistet der Versicherer nach Nr. 3.4.1 AVBW keinen Ersatz.
4Nr. 11 AVBW lautet: "Führt der Versicherungsnehmer, der Fahrzeugführer oder einer der Insassen den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbei oder macht sich der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei”. Nach Nr. 13 besteht Leistungsfreiheit im Fall von Obliegenheitsverletzungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Kopie eingereichten AVBW (GA Bl. 59 ff.) Bezug genommen. Die Versicherungssumme beträgt 200.000,- DM, die Selbstbeteiligung bei Schadensereignissen im Mittelmeer 3.000,- DM.
5Der Kläger hatte die Segelyacht im Sommer 1997 zu einem Kaufpreis von 200.000,-. DM erworben. Im Frühjahr 1998 sollte das Boot von Malta nach Mallorca überführt werden. Die Überfahrt durch das Mittelmeer führte ein Freund des Klägers, der Zeuge Dr. H., als verantwortlicher Skipper in Begleitung des Klägers durch. Nachdem die Yacht L.V. am 21.4.1998 gegen 15.00 Uhr verlassen hatte, führte der Kurs am Abend des 22.4.1998 nördlich der Insel P., die zwischen Sizilien und Tunesien liegt, vorbei. Am Abend des 23.4.1998 lief die Yacht etwa 100 bis 250 m vor der Küste südlich des Hafens von K. (Tunesien) auf Grund und wurde dabei beschädigt.
6Die Einzelheiten der Überfahrt und die Ursachen für die Havarie sind zwischen den Parteien streitig. Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Zeuge Dr. H. am 25.4.1998 einen Seereport, der vom Kläger mit unterzeichnet wurde. Darin ist unter anderem ausgeführt, dass das Schiff am 22.4.1998 um 22.00 Uhr in schlechtes Wetter mit Windstärken von 9-10 Bft und Wellenhöhen von 4-6 m geraten sei. Am 23.4.1998 sei man um 21.00 Uhr erneut in schlechtes Wetter mit Windstärken von 10-11 Bft sowie sehr starkem Regen mit einer Sichtweite von ca. 5 m gekommen und bedingt durch diese Umstände auf eine Sandbank aufgelaufen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die in Kopie vorliegenden Seereporte in französischer und deutscher Sprache (GA Bl. 65 ff.) Bezug genommen.
7Die Beklagte schaltete nach der Meldung des Versicherungsfalles Herrn B. von der tunesischen Firma S.C. ein und beauftragte ihn als Havariekommissar mit der Regulierung des Schadensfalles. In der Folgezeit wurden auf Anordnung der Beklagten in Tunesien einige Reparaturen durchgeführt und die Yacht nach T. transportiert. Anfang Oktober 1998 leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren ein (LG Köln 24 OH 3/98). In der Antragsschrift führte er u. a. aus, am 22.04.1998 gegen 22.00 Uhr sei völlig überraschend schlechtes Wetter aufgekommen. Im Rahmen dieses Beweisverfahrens wurde die Yacht Mitte Oktober von den Sachverständigen B. und F. in T. besichtigt. In dem Gutachten des Sachverständigen B. werden die für eine fachgerechte Instandsetzung der Yacht erforderlichen Kosten auf insgesamt 120.600,- DM einschließlich Mehrwertsteuer geschätzt. Ferner geht der Sachverständige von einem auch nach fachgerechter Reparatur verbleibenden Minderwert von 25.000,- DM aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten der beiden Sachverständigen verwiesen (LG Köln 24 OH 3/98, Bl. 96 ff.).
8Die Beklagte zahlte vorprozessual für Transport und Reparaturen in Tunesien 26.623,- DM sowie weitere 51.812,- DM an den Kläger. Ausweislich ihres Schreibens vom 20.01.1999 wurde die Zahlung auf bestimmte Schadenspositionen geleistet (GA Bl. 132). Die Zahlung teilte die Beklagte dem Kläger nach dem Scheitern von Vergleichsverhandlungen mit Schreiben vom 27.1.1999 mit und bat, diese bei der angekündigten Klage zu berücksichtigen. Am 29.1.1999 veräußerte der Kläger die Yacht für 61.000,- DM an die Herren K. und C. v.d. K.-W. auf Mallorca.
9Der Kläger hat behauptet, er und der Zeuge Dr. H. hätten über die erforderlichen Bootspatente, Führerscheine und ausreichende seemännische Erfahrung verfügt. Dazu hat er für sich selbst verschiedene Meilenbestätigungen und Segelfahrtnachweise vorgelegt. Der Zeuge Dr. H. besitze seit 1962 ein eigenes Segelboot, sei Teilnehmer mehrerer Regatten, besitze einen Sportbootführerschein und verfüge über Segelerfahrung unter anderem im Mittelmeer und als Kapitän von Yachten bei Atlantiküberfahrten.
10Vor der Überfahrt sei die Yacht für ca. 40.000,- DM einschließlich einer Algenreinigung generalüberholt worden und habe sich deshalb in einem technisch einwandfreien Zustand befunden. Außerdem habe man vorher Wetterberichte angefordert, die eine ruhige See und eine günstige Wetterprognose für die Folgetage vorhersagt hätten.
11Am 22.4.1998 sei völlig überraschend schlechtes Wetter mit einer Windstärke von 9-10 Bft und einer Wellenhöhe von 4-6 Metern übergangslos aufgetreten. Bei dem Sturm seien die Rollgenua und der Großbaum beschädigt worden, so dass die Größe der Genua in der Folgezeit nicht mehr habe verändert und das Großsegel nicht mehr habe eingesetzt werden können. Direkt nach 22.00 Uhr habe man mit viel Mühe das Großsegel komplett eingeholt. Durch die hohen Wellen sei Wasser in das Schiff und den Motorraum gelaufen, so dass es nicht gelungen sei, den Motor zu starten. Ohne Motor sei das Einlaufen in den schmalen Hafen der Insel P. nicht möglich gewesen. Die Wetteränderung sei in den Wetterberichten, die laufend abgehört worden seien, nicht angekündigt gewesen. In einem vom Landgericht nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.03.2001 hat der Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu den Vorgängen am 22.04.1998 weiter behauptet, gegen 19.00 Uhr sei die Genua bis auf Sturmsegelgröße eingerollt worden, bis der Rollmechanismus gestreikt habe. Das Großsegel habe zu diesem Zeitpunkt schon im Reff gestanden.
12Der Kläger hat weiter behauptet, per Funk abgesetzte Notrufe oder Kontaktaufnahmen mit Frachtschiffen seien gescheitert. Nachdem man zunächst in der Nacht vor der Insel P. geblieben sei, habe man am nächsten Tag Kurs auf den Hafen von K. in Tunesien genommen. Am Abend des 23.4.1998 habe man gegen 21.00 Uhr versucht, den dortigen Hafen anzulaufen. Wegen eines erneuten Sturmes mit Windstärken von 10-11 Bft und starken Regens mit einer Sichtweite von 5 Metern sei das Schiff auf eine Sandbank gelaufen. Das Schiff sei nur noch eingeschränkt manövrierfähig gewesen, insbesondere habe auch der Motor nicht anderweitig gestartet werden können, da der Motor nicht mit einer Handkurbel ausgestattet gewesen sei. Da das Schiff zu sinken drohte, habe man es gegen 22.50 Uhr verlassen und schwimmend das Ufer erreicht.
13Der Kläger hat seinen aus der Havarie entstandenen Schaden zunächst auf 190.162,- DM beziffert. Wegen der einzelnen Schadenspositionen wird auf die Aufstellung in der Klageschrift (GA Bl. 29 ff.) und die dortigen Behauptungen sowie auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 07.07.1999 (GA Bl. 291 ff.) Bezug genommen. Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere, ob die Reparaturkosten für die Yacht in Höhe von 120.600,- DM oder nur – wie von der Beklagten reguliert – in Höhe von 40.694,- DM ersatzfähig sind. Nach Abzug der Zahlungen sowie der Selbstbeteiligung von 3.000,- DM hat der Kläger den Schaden auf 135.350,- DM beziffert. Klageerweiternd hat er weitere 25.350,-- DM für Überführungskosten gemäß Rechnung der Firma Y. K. vom 15.3.1999 geltend gemacht. Er hat behauptet, er nehme Bankkredit in Höhe der Klageforderung in Anspruch, den er mit 8 % zu verzinsen habe.
14Nachdem der Kläger in der Klage zunächst auch die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden bis zum Erreichen der Versicherungssumme von 200.000,- DM beantragt hat, ist der Rechtsstreit in der ersten mündlichen Verhandlung vom 28.10.1999 insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt worden.
15Der Kläger hat sodann beantragt,
161. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 135.350,- DM zuzüglich 8 % Zinsen seit dem 21.1.1999 zu zahlen;
172. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 25.350,- DM nebst 8 % Zinsen seit Zustellung des Schriftsatzes vom 7.7.1999 (=10.8.1999) zu zahlen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat sich auf Leistungsfreiheit wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles und wegen einer arglistigen Täuschung bzw. Obliegenheitsverletzung berufen.
21Die Havarie sei auf schwere nautische Fehler des Zeugen Dr. H. als verantwortlichem Skipper und des Klägers zurückzuführen. Am Abend des 22.4.1998 sei das Großsegel zu spät gerefft und der Motor nicht rechtzeitig angelassen worden. Es hätte früher der Hafen der Insel P. angelaufen oder zumindest in einer Bucht im Windschatten Zuflucht gesucht werden müssen. Diese Fehler verstießen gegen grundlegende seglerische Regeln.
22Das gelte auch für die Fortsetzung der Fahrt mit der Genua statt mit der Fock bzw. mit einem stark gerefften Großsegel. Außerdem habe die Besatzung am nächsten Tag nicht Kurs auf K. nehmen dürfen, sondern den Hafen von P. anlaufen müssen. Des weiteren seien Positionen falsch markiert und Kurse falsch berechnet worden. So habe sich die Yacht nach den Aufzeichnungen der Crew am Morgen des 23.4.1998 viel zu weit südlich der Insel P. befunden. Auch die Strandung am Abend des 23.4.1998 könne nur auf gröbste nautische oder navigatorische Fehler zurückzuführen sein. Insoweit sei es insbesondere fehlerhaft gewesen, mit auflandigem Wind Richtung Tunesien zu segeln.
23Eine arglistige Täuschung liege deshalb vor, weil die Angaben des Klägers zu einem plötzlichen, schweren Sturm insbesondere in dem Seereport falsch gewesen seien.
24Hinsichtlich der Reparaturkosten hat sich die Beklagte auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Brunner berufen (GA Bl. 266 ff.). Gegen das Gutachten des Sachverständigen B. hat sie insbesondere eingewandt, dieser habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Schäden durch die Havarie verursacht worden seien. Außerdem sei die Schätzung zu hoch und der finanzielle Aufwand nicht im einzelnen kalkuliert. Der merkantile Minderwert sei nach Nr. 3.6 AVBW nicht zu ersetzen. Wegen des weiteren Vortrags zur Schadenshöhe wird auf die Klageerwiderung (GA Bl. 250 ff.) und auf den Schriftsatz vom 12.10.1999 (GA Bl. 367 ff.) verwiesen.
25Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß den Beweisbeschlüssen vom 28.10.1999 (GA Bl. 386 f.) und vom 27.1.2000 (GA Bl. 448). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 31.8.2000 (GA Bl. 506 ff.) sowie auf die Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 15.3.2000 (GA Bl. 460 f). und des Sachverständigen M. vom 25.9.2000 (GA Bl. 517 ff.) Bezug genommen.
26Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei wegen einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles leistungsfrei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Zeuge Dr. H., der Repräsentant des Klägers sei, durch sein fehlerhaftes nautisches Verhalten bei der Überführung des Bootes den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das am 5.4.2001 verkündete Urteil Bezug genommen (GA Bl. 617 ff.).
27Gegen das ihm am 20.4.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16.5.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.8.2001 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet. Er greift insbesondere die Wertung des Landgerichts zur groben Fahrlässigkeit an und beruft sich ergänzend zu seinen erstinstanzlichen Ausführungen hinsichtlich der Vorgänge am 22.4.1998 auf die Sachdarstellung im Schriftsatz vom 27.3.2001. Nach seiner Auffassung ist der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten nicht begründet. Ein subjektiv schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten habe der Sachverständige M. nicht angenommen.
28Der Kläger beantragt,
29Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein grob fahrlässiges Verhalten des Zeugen Dr. H. zur vollständigen Leistungsfreiheit führe, da dieser als Repäsentant des Klägers anzusehen sei. Insoweit haben die Parteien nach entsprechenden Hinweisen des Senats ihren Vortrag im Termin zur mündlichen Verhandlung und in nachgelassenen Schriftsätzen ergänzt. Danach ist es unstreitig, dass der Zeuge Dr. H. als Skipper die alleinige Verantwortung für sämtliche Manöver hatte. Allein der Skipper eines Segelschiffes bestimmt, welcher Kurs mit welcher Besegelung gefahren wird und ob z. B. ein Nothafen oder eine windgeschützte Bucht angelaufen werden soll. Die Beklagte ist im übrigen der Auffassung, die Repräsentantenstellung sei vom Kläger in erster Instanz unstreitig gestellt worden.
33Sie beruft sich weiterhin auf eine Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung, da der Kläger nicht nur in dem Seereport, sondern auch in der Antragsschrift des selbständigen Beweisverfahrens und im Prozess vorsätzlich falsche Angaben zu den Umständen, insbesondere zum plötzlichen Aufkommen des Sturms und zu den Windstärken, gemacht habe. Außerdem hält sie ihre Einwendungen zur Höhe des Schadens aufrecht.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 31.8.2000 und auf die Akte LG Köln 24 OH 3/98, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige Berufung ist mit der Maßgabe begründet, dass die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt ist und der Rechtsstreit zur Höhe nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a. F. an das Gericht der ersten Instanz zurückverwiesen wird.
37Der Kläger hat gegen die Beklagte für den ihm durch das Geschehen am 22./23.04.1998 entstandenen Schaden aus der Kaskoversicherung für die Segelyacht S. nach §§ 1, 49 VVG dem Grunde nach einen Entschädigungsanspruch. Die Beklagte ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt insgesamt von der Leistungspflicht frei.
38I.
39Eine vollständige Leistungsfreiheit ergibt sich nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls. Dem Kläger schadet zwar schon grobe Fahrlässigkeit. Voraussetzung ist jedoch weiter, dass der Kläger selbst oder sein Repräsentant den Versicherungsfall in dieser Weise herbeigeführt haben. Daran fehlt es. Insbesondere ist der Zeuge Dr. H. entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht Repräsentant des Klägers.
401. Der Verschuldensmaßstab ergibt sich aus Nr. 11 AVBW. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung als Transport- oder als Sachversicherung zu werten ist (vgl. dazu Voit, in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 129 Rn. 8; Römer, in Römer/Langheid, VVG, § 129 Rn. 8). Denn der Haftungsausschluss für eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls ist durch Nr. 11 AVBW wirksam auch für die Transportversicherung vereinbart worden. Zwar ist ein Schaden durch nautisches Versehen bei der Führung des Schiffes gemäß § 130 S. 2 VVG nur dann nicht zu ersetzen, wenn dem Versicherungsnehmer eine "bösliche Handlungsweise" zur Last fällt. § 130 S. 2 VVG kann jedoch durch AVB insoweit abbedungen und Leistungsfreiheit schon bei grober Fahrlässigkeit vereinbart werden (OLG Köln, r+s 2000, 305, 306; OLG Hamm, VersR 1997, 572).
412. Es kann dahinstehen, ob der Zeuge Dr. H. die Schäden an der Segelyacht durch nautische Fehler verursacht hat, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigen. Für ein etwaiges Fehlverhalten des Zeugen Dr. H. hat der Kläger jedenfalls nicht einzustehen, da der Zeuge nicht Repräsentant des Klägers ist und auch kein sonstiger Zurechnungsgrund vorliegt.
42a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Repräsentant, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht hierzu nicht aus. Repräsentant im Sinne einer Risikoverwaltung kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (BGH, VersR 1996, 1229, 1230; r+s 1993, 321, 323). In der Kraftfahrzeugkaskoversicherung ist anerkannt, dass allein das Führen eines Kraftfahrzeugs keine Repräsentantenstellung begründet. Dem Dritten müssen vielmehr darüber hinaus auch wesentliche weitere Befugnisse und Aufgaben aus dem Pflichtenkreis des Versicherungsnehmers zur selbständigen Erledigung übertragen sein. Davon kann z. B. ausgegangen werden, wenn der Dritte daneben eigenverantwortlich umfassend für die Verkehrs- und Betriebssicherheit zu sorgen hat (BGH, VersR 1996, 1229, 1231; Senat, VersR 1998, 1541).
43Die Rechtsprechung stellt insgeamt hohe Anforderungen an die Übertragung der Risikoverwaltung auf einen Dritten. Zwar kann die Überlassung der Obhut dann als entscheidendes Merkmal in Betracht kommen, wenn es sich um Sachen handelt, die einer ständigen Betreuung bedürfen. Erforderlich ist aber auch in diesen Fällen zumindest die Übertragung der alleinigen, nicht nur vorübergehenden Obhut. Der Dritte muss also in vollem Umfang die Betreuung der versicherten Sache übernommen und somit an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten sein (BGH, r+s 1993, 321, 323). Der Versicherungsnehmer muss sich der Verfügungsbefugnis und der Verantwortlichkeit für den versicherten Gegenstand vollständig begeben haben (BGH, VersR 1990, 736).
44Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Zeuge Dr. H. nicht als Repräsentant des Klägers anzusehen. Der Zeuge war nicht für die Betriebs- und Verkehrssicherheit der Segelyacht verantwortlich. Der Kläger hatte ihm lediglich die Führung des Schiffes übertragen. Nach den Erklärungen der Parteien im Termin vor dem Senat und den insoweit nachgelassenen Schriftsätzen ist zwar davon auszugehen, dass Dr. H. als Skipper für sämtliche Manöver während der Überfahrt von Malta nach Mallorca die alleinige Verantwortung trug. Er bestimmte, welcher Kurs mit welcher Besegelung gefahren wurde und ob z. B. ein Nothafen oder eine windgeschützte Bucht angelaufen werden sollte. Diese Stellung als Schiffsführer während einer einzigen Überfahrt reicht für eine Repräsentantenstellung jedoch nicht aus. Denn darin liegt allenfalls eine vorübergehende Übertragung der Obhut, nicht aber die vollständige Übertragung auf längere Dauer. Der Kläger hatte sich dadurch der Verfügungsbefugnis und der Verantwortung für die Yacht nicht vollständig begeben. Da er selbst an Bord war, hätte er sogar die Möglichkeit gehabt, auf die Entscheidungen des Zeugen Dr. H. Einfluss zu nehmen. In jedem Fall war aber die Obhutsübertragung auf eine einzige Überfahrt begrenzt, so dass der Zeuge Dr. H. nicht an die Stelle des Klägers getreten ist.
45In Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe den Führer eines Motorbootes nicht als versicherungsrechtlichen Repräsentanten angesehen (VersR 1999, 1237, 1238). Eine andere Wertung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs (VersR 1983, 479, 481). Dort hat der BGH den Kapitän eines Seeschiffes im Rahmen einer Schiffskaskoversicherung als Repräsentanten des Reeders (Versicherungsnehmers) angesehen. Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet worden, dass der Kapitän mit der Bestellung durch den Reeder eine umfassende Führungsmacht und alleinige Obhut über das Schiff übertragen erhalten habe und somit in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehörte, an die Stelle des Reeders getreten sei. Zwischen der Stellung des Kapitäns eines Seeschiffs in der Berufsschifffahrt und derjenigen des Zeugen Dr. H. als Skipper des Bootes eines Hobbyseglers bestehen entscheidende Unterschiede. Der Kapitän eines Seeschiffs erhält vom Reeder die alleinige Obhut über das Schiff übertragen und wird regelmäßig auch für dessen Verkehrs- und Betriebssicherheit verantwortlich sein. Er tritt somit im Sinne eines Risikoverwalters umfassend an die Stelle des Versicherungsnehmers. Davon kann bei der von Dr. H. übernommenen Führung der Segelyacht für eine einzige Überfahrt nicht die Rede sein. Diese Obhutstellung war – wie dargelegt - nur eingeschränkt und vorübergehend.
46Entgegen der Auffassung der Beklagten kann auch nicht deshalb von einer Repräsentantenstellung des Zeugen Dr. H. ausgegangen werden, weil der Kläger diese bis zum Termin vor dem Senat nicht (ausdrücklich) bestritten hat. Denn es handelt sich insoweit nicht um Tatsachenvortrag, sondern um eine rechtliche Wertung. Es obliegt allein dem Gericht festzustellen, ob die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen rechtlich den Repräsentantenbegriff ausfüllen. Das gilt auch dann, wenn die Parteien übereinstimmend von einer anderen – falschen – Rechtsansicht ausgehen. Auf die unzutreffende rechtliche Wertung im Urteil des Landgerichts hat der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung eingehend hingewiesen und den Parteien im Termin und im Wege des Schriftsatznachlasses Gelegenheit gegeben, dazu ergänzend Stellung zu nehmen.
47b) Eine Zurechnung des Verhaltens von Dr. H. ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung in Nr. 11 AVBW, die eine Leistungsfreiheit auch bei grober Fahrlässigkeit des Fahrzeugführers vorsieht. Diese Bestimmung ist nach § 9 Abs. 1, 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des § 61 VVG bzw. des § 130 VVG nicht vereinbar. Diese orientieren sich an der Ausprägung, die die betreffende Norm durch die Rechtsprechung erfahren hat. Danach ist dem Versicherungsnehmer nur das Verhalten eines versicherungsrechtlichen Repräsentanten, nicht aber - wie dargelegt - jedes Fahrzeugführers zuzurechnen. Die Unwirksamkeit von Bestimmungen in AVB, die die Haftung des Versicherungsnehmers für das Verschulden Dritter über den Kreis von Repräsentanten hinaus erweitern, ist vom Bundesgerichtshof für die Hausratversicherung wiederholt entschieden worden (BGH, r+s 1993, 308 f.; VersR 1999, 1004, 1006). Im Rahmen der Schiffskaskoversicherung kann nichts anderes gelten (so auch OLG Karlsruhe, VersR 1999, 1237, 1238).
48c) Eine Zurechnung für den gesamten geltend gemachten Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 79 Abs. 1 VVG. Zwar ist dem Versicherungsnehmer nach dieser Vorschrift bei der Versicherung für fremde Rechnung auch ein schuldhaftes Verhalten eines Mitversicherten zuzurechnen. Nach § 80 Abs. 2 VVG gilt dies jedoch nur insoweit, als fremdes Interesse versichert ist. Hinsichtlich der Versicherung seines eigenen Interesses muss sich der Versicherungsnehmer ein Verschulden des Mitversicherten nicht entgegenhalten lassen (OLG Hamm, VersR 1994, 1464; Römer, a. a. O., § 79 Rn. 4; Prölss, in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 79 Rn. 2). Demnach kann sich eine grobe Fahrlässigkeit des Zeugen Dr. H. nur hinsichtlich eines geringen Teils des Schadens, nämlich für dessen persönliche Effekten auswirken, lässt den Anspruch des Klägers im übrigen – insbesondere bezüglich der Segelyacht - aber unberührt.
493. Der Kläger hat den Versicherungsfall schließlich nicht durch eigenes, grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt. Etwaige nautische Fehler begründen keine grobe Fahrlässigkeit des Klägers. Für nautische Entscheidungen war nicht er, sondern allein der Skipper Dr. H. verantwortlich. Dieser allein bestimmte den Kurs und die Besegelung.
50Ein grob fahrlässiges Verhalten des Klägers lässt sich auch nicht aus einer Überwachungspflicht herleiten. Für einen Verstoß gegen eine Überwachungspflicht ist der Versicherer darlegungs- und beweispflichtig (BGH, VersR 2000, 846, 847). Ein eigenes, schwerwiegendes Fehlverhalten des Klägers hat die Beklagte nicht aufgezeigt. Sie geht vielmehr davon aus, dass an Bord allein der Skipper die Befehlsgewalt hat und seine Entscheidung auch gegen den Widerspruch von Crewmitgliedern oder des Schiffseigners durchsetzen muss. Bei einer derartigen Aufgabenverteilung scheidet ein eigenes Überwachungsverschulden des Schiffseigners hinsichtlich nautischer Entscheidungen regelmäßig aus. Das könnte allenfalls in besonderen Ausnahmefällen anders zu bewerten sein. Dafür ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.
51Ein Auswahlverschulden wird von der Beklagten nicht (mehr) geltend gemacht. Dies hat der Prozessbevollmächtigte im Termin vor dem Senat auf Nachfrage ausdrücklich klargestellt (vgl. unten zu IV.).
52II.
53Eine Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus einer arglistigen Täuschung nach Nr. 11 AVBW oder einer sonstigen Obliegenheitsverletzung des Klägers gem. Nr. 12, 13 AVBW i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG. Nach diesen Vorschriften war der Kläger u. a. zu wahrheitsgemäßen Angaben zur Schadensursache und -höhe verpflichtet. Die beweispflichtige Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger dagegen verstoßen hat.
54Der Kläger hat in dem Seereport keine falschen Angaben über den Schadenshergang gemacht. Die Schilderung hinsichtlich der Vorgänge am 22.4.1998 ist nicht nachweislich falsch. Insbesondere liegt keine überhöhte Angabe der Windstärke mit 9-10 Bft vor. Zum einen waren nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes Böen der Windstärke 8 Bft nicht auszuschließen. Zum anderen handelt es sich bei diesen Angaben notwendigerweise offensichtlich um eine Schätzung, die nur subjektiv sein kann. Dass der Kläger bzw. der Zeuge Dr. H. die Windstärke so einschätzten, lässt sich nicht widerlegen. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen M. Hobbysegler bei schlechten Wetterbedingungen allgemein Windstärken und Wellenhöhen zu hoch einschätzen. Aus denselben Gründen lässt sich auch nicht nachweisen, dass die Angaben zur Windstärke, Wellenhöhe und Sichtweite am 23.4.1998 nicht mit den subjektiven Wahrnehmungen des Klägers und des Zeugen Dr. H. übereinstimmten.
55Der Kläger hat des weiteren nicht wahrheitswidrig angegeben, der Sturm sei plötzlich und ohne jede Vorwarnung aufgetreten. In dem Seereport hat der Kläger eine derartige Schilderung nicht einmal gemacht. Eine objektive Falschangabe in diesem Punkt im Rahmen der vorprozessualen Korrespondenz hat die beweispflichtige Beklagte nicht bewiesen. Dazu reicht die Angabe in der Antragsschrift des selbständigen Beweisverfahrens, am 22.04.1998 sei gegen 22.00 Uhr völlig überraschend schlechtes Wetter aufgekommen, nicht aus. Dass schlechtes Wetter nicht vollkommen übergangslos und ohne jede Vorankündigung auftritt, versteht sich von selbst. Deshalb kann die vorstehende Schilderung nur so verstanden werden, dass der eigentliche Sturm für die Besatzung überraschend gekommen sei.
56Es steht nicht fest, dass eine derartige Angabe falsch war. Die Beweisaufnahme vor dem Landgericht hat nicht ergeben, dass der Sturm vor dem Bergen des Großsegels schon längere Zeit besonders stark war. Vielmehr hat der Zeuge Dr. H. ausgesagt, beim Bergen des Großsegels habe der Wind schlagartig zugenommen. Zwar hatte er nach seinen Bekundungen im Radio erfahren, dass sich das Wetter ändern würde. Schweres Wetter wurde am 22.04.1998 aber nur über Sizilien, nicht jedoch für das Seegebiet in der Nähe der Insel P. gemeldet. Das vom Landgericht eingeholte Gutachten des Deutschen Wetterdienstes beweist ebenfalls nicht, dass vor dem Bergen des Großsegels bereits seit längerem heftiger Sturm herrschte. Nach diesem Gutachten betrug die Windstärke am Abend dieses Tages bei P. 6 Bft mit zunehmenden Schauern. Starke Böen seien jedoch nur vereinzelt aufgetreten. Unter diesen Umständen kann der Sturm für den Kläger und Dr. H. in der Tat überraschend gewesen sein.
57Schließlich räumt der Kläger mit seiner Darstellung in der Berufungsbegründung entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht ein, dass frühere Angaben in diesem Punkt falsch waren. Die Darstellung des Klägers geht weiterhin dahin, dass der eigentliche Sturm beim Bergen des Großsegels schlagartig losgebrochen sei. Die vorangegangene Verkleinerung des Großsegels und der Genua habe ihren Grund darin gehabt, dass schon zuvor eine Windstärke von 5-6 Bft geherrscht und der Wind noch zugenommen habe. Der eigentliche, orkanartige Sturm trat jedoch nach der nicht widerlegten Darstellung des Klägers erst im Zusammenhang mit dem Bergen des Großsegels auf.
58Eine objektive Falschangabe kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Angaben zum Ablauf im einzelnen nicht so ausführlich wie möglich waren, z.B. keine Angaben dazu enthielten, wie sich das Wetter im einzelnen entwickelte und welche Windrichtung am 23.04.1998 herrschte. Sofern dies für die Beklagte von Bedeutung gewesen wäre, hätte sie ihrerseits nachfragen müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte vor der Erstellung des Seereports keine konkreten Fragen gestellt hatte. Dann kann es dem Versicherungsnehmer nicht als Obliegenheitsverletzung angelastet werden, wenn er zwar den eigentlichen Kern des Unfallgeschehens zutreffend schildert, vorhergehende Entwicklungen jedoch nicht im einzelnen darstellt. Für ihn ist nicht ohne weiteres ersichtlich, ob und inwieweit dies für den Versicherer von Bedeutung ist. Die Angaben des Versicherungsnehmers können dann allenfalls als erkennbar unvollständig gewertet werden. In einem solchen Fall ist der Versicherer zur Nachfrage verpflichtet (Senat, r+s 1998, 102 f.; OLG Hamm, VersR 1996, 53). Nachfragen sind von Seiten der Beklagten nicht erfolgt.
59Sonstige konkrete Falschangaben sind von der Beklagten nicht dargelegt. Soweit sie sich auf falschen Vortrag des Klägers während des Prozesses beruft, ist dies nicht geeignet, eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung oder arglistiger Täuschung zu begründen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits ihre endgültige Ablehnung hinsichtlich weiterer Leistungen dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie auf die Klageandrohung hin nur 51.812,- DM zahlte, weitere Verhandlungen nach dem Scheitern von Vergleichsbemühungen also offensichtlich ablehnte. Die Leistungsablehnung hat die Beklagte mit der Ankündigung des Klageabweisungsantrags in der Klageerwiderung wiederholt. Ab der Leistungsablehnung des Versicherers bestehen keine Aufklärungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers mehr, da ihm kein prüfungs- und verhandlungsbereiter Versicherer mehr gegenüber steht (Römer, a. a. O., § 6 Rn. 21, 111 m. w. N.). Selbst arglistig falscher Prozessvortrag des Versicherungsnehmers führt nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, solange dieser an seiner Leistungsablehnung festhält (BGH, r + s 99, 495, 496).
60III.
61Eine Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus Nr. 3.4.1 AVBW wegen einer Fahr- und Seeuntüchtigkeit des Fahrzeugs. Für eine ursprünglich schon bei Beginn der Fahrt vorliegende Fahruntüchtigkeit hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nichts vorgetragen. Das bloße Bestreiten des vom Kläger behaupteten technisch einwandfreien Zustands reicht dazu nicht aus. Es kann dahinstehen, ob auch eine nachträgliche Fahruntüchtigkeit während der Reise zum Versicherungsausschluss führt (vgl. zum Streitstand Voit, a. a. O., Nr. 3 AVBW 1985 Rn. 8). Denn eine Fahruntüchtigkeit führt zumindest dann nicht zum Ausschluss, wenn sie ihrerseits die Folge eines versicherten Schadens ist (OLG Hamm, VersR 1978, 58; Senat, VersR 1997, 613, 615). Eine Fahruntüchtigkeit könnte vorliegend allenfalls durch die Schäden beim ersten Sturm am Abend des 22.4.1998 eingetreten sein. Da es sich insoweit grundsätzlich um einen versicherten Schaden handelt, führt eine etwaige Fahruntüchtigkeit nicht zum Versicherungsausschluss für die nachfolgend am 23.4.1998 entstandenen Schäden.
62IV.
63Ein Risikoausschluss kommt – unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit der Vorschrift auf die Wassersportfahrzeug-Kaskoversicherung - auch nicht nach § 132 Abs. 1 VVG wegen einer nicht gehörigen Bemannung in Betracht. Auch insoweit trifft die Beklagte die Beweislast (Voit, a. a. O., § 132 Rn. 5). Die Beklagte hat den entgegenstehenden Vortrag des Klägers, nach dem sowohl der Kläger als auch der Zeuge Dr. H. über die erforderliche Qualifikation verfügten, jedoch lediglich bestritten. Im übrigen hat die Beklagte im Termin vor dem Senat auf Nachfrage klargestellt, dass ein Auswahlverschulden nicht geltend gemacht werden solle, so dass die gehörige Bemannung im Ergebnis nicht mehr in Frage gestellt wird.
64V.
65Da der Anspruch des Klägers entsprechend den vorstehenden Ausführungen dem Grunde nach gerechtfertigt ist, kann nach § 304 ZPO durch Grundurteil entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass eine etwaige grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Zeugen Dr. H. gem. §§ 79 Abs. 1, 80 Abs. 2 VVG hinsichtlich der eigenen Effekten von Dr. H. zur teilweisen Leistungsfreiheit führen kann. Zwar handelt es sich dabei um eine Frage, die zum Anspruchsgrund gehört. Es ist jedoch zulässig, einzelne Fragen zum Anspruchsgrund der Klärung im Betragsverfahren vorzubehalten, sofern dies im Grundurteil kenntlich gemacht wird. Das gilt dann, wenn diese Fragen nur einen Teil des Anspruchs ergreifen und zu erwarten ist, dass dem Kläger aus dem übrigen Teil ein Betrag zuzusprechen sein wird (BGH, NJW 1968, 2105 f.; 1967, 1002, 1003; Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 304 Rn. 6). So liegen die Dinge hier, da die Effekten von Dr. H. lediglich einen ganz geringen Teil der Klageforderung ausmachen und zu erwarten ist, dass dem Kläger hinsichtlich der übrigen Schadenspositionen jedenfalls irgendein Betrag zuzusprechen sein wird. Es handelt sich auch um einen einheitlichen Entschädigungsanspruch und nicht um zwei selbständige prozessuale Ansprüche. Der Kläger als alleiniger Versicherungsnehmer macht aus demselben Lebenssachverhalt einen einheitlichen Entschädigungsanspruch geltend, der lediglich teilweise nicht sein Interesse, sondern dasjenige des Zeugen Dr. H. betrifft.
66VI.
67Zur Entscheidung über die Anspruchshöhe war der Rechtsstreit nach § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO a. F. an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Streit über den Betrag ist jedenfalls ganz überwiegend nicht entscheidungsreif. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich einzelner Schadenspositionen etwas anderes gilt. Ist bei einem – hier vorliegenden – einheitlichen Anspruch nur bezüglich eines Teils Entscheidungsreife gegeben, so steht es dem Berufungsgericht frei, die Sache insgesamt zurückzuverweisen und vom Erlass eines Teilurteils abzusehen (Grunsky, in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 538 Rn. 27). Es ist ferner nicht sachdienlich, dass der Senat gemäß § 540 ZPO in der Sache selbst entscheidet. Zur Höhe des Anspruchs, die zu Beginn den Kern des Rechtsstreits bildete, bedarf es einer umfangreichen Beweisaufnahme, insbesondere hinsichtlich der ersatzfähigen Reparaturkosten.
68VII.
69Die Kostenentscheidung ist einschließlich der Kosten der Berufung dem Landgericht vorzubehalten.
70Die Revision ist nach § 543 ZPO n. F. nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder eine einheitliche
71Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
72Streitwert: 82.164,61 €.