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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 1.3.2000 (23 O 419/98) abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger unterhält seit 1988 bei der Beklagten zugunsten seiner Tochter, Frau I, eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Diese sieht neben Beitragsbefreiung eine Rentenzahlung von 1500.- DM für den Fall einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit vor. Daneben existieren bzw. existierten bei anderen Versicherungsunternehmen (der I Lebensversicherung und der P Lebensversicherung) zwei weitere Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen zugunsten von Frau I.
3Frau I war von 1991 bis 1993 im Marketingbereich berufstätig. Seit März 1993 übte sie diesen Beruf nicht mehr aus. Sie klagte über verschiedene Beschwerden wie Kopf- und Muskelschmerzen, Nervosität, Konzentrationsstörungen und allgemeines Schwächegefühl, was zunächst auf eine Amalgamvergiftung zurück geführt wurde. Im September 1994 machte sie bei der Beklagten und den beiden anderen Versicherungsunternehmen Berufsunfähigkeit geltend. Unter dem 22.3.1995 schlossen der Kläger einerseits und die Beklagte sowie die I Lebensversicherung andererseits eine Vereinbarung, in der u.a. folgendes geregelt war:
4"Nach den bisher vorliegenden Unterlagen ist es unklar, ob die Zahnmetallvergiftung des Körpers durch Amalgam und Palladium allein die Ursache für die bestehenden Beschwerden ist. Darüber hinaus ist eine vorübergehende mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Marketing-Managerin und in einer vergleichbaren Tätigkeit, die aufgrund der Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und die der bisherigen Lebensstellung entspricht, nicht ausreichend nachgewiesen. Diesbezüglich wird die weitere Prüfung zunächst zurückgestellt. Um trotzdem schnell und unbürokratisch Leistungen erbringen zu können, wird daher folgende Vereinbarung getroffen: Die I Lebensversicherung a.G. und die M AG erbringen zunächst für den Zeitraum vom 1.11.1993 bis 30.11.1995 befristet - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - die vertraglich vereinbarten Leistungen - Beitragsfreiheit und Rente -. Diese Leistungen erfolgen unter der Voraussetzung, dass die versicherte Person alle von ärztlicher Seite verordneten Entgiftungsmaßnahmen befolgt. Für Leistungen, die über den 30.11.1995 hinaus beansprucht werden, ist vom Versicherungsnehmer ein neuer Leistungsantrag zu stellen, mit der Folge, dass dann eine uneingeschränkte neue Leistungsprüfung erfolgt..."
5Dieser Vereinbarung entsprechend erbrachten die Beklagte und die I Lebensversicherung a.G. bis zum 30.11.1995 die vertragsgemäßen Leistungen. Der Antrag des Klägers vom 26.11.1995, über diesen Zeitraum hinaus Leistungen zu erbringen, da seine Tochter nach wie vor trotz durchgeführter Zahnsanierung unter den Beschwerden leide, führte zunächst zu weiteren ärztlichen Untersuchungen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass die geklagten Beschwerden jedenfalls nunmehr nicht mit einer Zahnmetallvergiftung zu erklären seien und auch ansonsten eine organische Erkrankung nicht vorliege. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 29.4.1998 weitere Leistungen endgültig ab.
6Der Kläger hat behauptet, seine Tochter sei jedenfalls seit November 1995 durchgehend berufsunfähig und sei voraussichtlich auch künftig außerstande, ihren Beruf oder eine anderweitige Tätigkeit auszuüben. Sie leide unter einem chronischen Müdigkeitssyndrom. Sie sei im übrigen nach wie vor an das in der Vereinbarung vom 22.3.1995 zu sehende Anerkenntnis gebunden. Ein Nachprüfungsverfahren nach § 7 AVB (BB-BUZ) habe sie nicht durchgeführt.
7Er hat beantragt,
81.
9die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 52.000.- nebst 4% Zinsen seit dem 11.11.1998 zu zahlen;
102.
11festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, monatlich im voraus, beginnend ab dem 1.11.1998, DM 1500.- an den Kläger zu zahlen.
12Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie hat die Auffassung vertreten, die Vereinbarung vom 22.3.1995 beinhalte nur eine kulanzweise Regelung, nicht aber ein Anerkenntnis im Sinne von § 5 AVB, und behauptet, die Tochter des Klägers sei nicht berufsunfähig.
15Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 1.3.2000 antragsgemäß verurteilt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Vereinbarung vom 22.3.1995 ein Leistungsanerkenntnis im Sinne von § 5 AVB beinhalte und die Beklagte im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach § 7 AVB nicht bewiesen habe, dass die Tochter des Klägers weniger als 50% berufsunfähig sei. Wegen aller Einzelheiten der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
16Mit der hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die von der Kammer vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 22.3.1995. Nach dem Wortlaut und den äußeren Umständen sei hierin vielmehr nur ein Entgegenkommen der Beklagten zu sehen, das kein Präjudiz für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach Fristablauf habe darstellen sollen. Die getroffenen Regelungen seien klar und eindeutig gewesen und hätten dem Willen der Beteiligten entsprochen. Ein Auslegungsbedürfnis bestehe nicht. Es liege nicht der Fall eines befristeten Anerkenntnisses vor. Die Beklagte behauptet weiter, dass die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die Annahme von Berufsunfähigkeit bei der Tochter des Klägers nicht vorlägen.
17Die Beklagte beantragt,
18unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
19Der Kläger beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen.
22Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 25.10.2000, 13.3.2001 und 2.5.2001 zu Art und Umfang der zuletzt ausgeübten Tätigkeit der Tochter des Klägers durch Vernehmung der Zeugen I und V und zur Frage der Berufsunfähigkeit der Tochter des Klägers durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Q2 vom 22.10.2001 nebst Ergänzungsgutachten vom 4.1.2002 und mündlicher Erläuterung im Termin vom 22.4.2002. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 23.4.2001 und 22.4.2002 und auf den Inhalt der schriftlichen Gutachten Bezug genommen. Hinsichtlich aller Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere den dort eingereichten Gutachten verwiesen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die Berufung ist zulässig. Sie ist auch in der Sache gerechtfertigt. Der Kläger kann keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zugunsten seiner Tochter beanspruchen, denn er hat nicht beweisen können, dass seine Tochter berufsunfähig ist.
251.
26Der Kläger kann sich zunächst nicht darauf berufen, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht nach § 5 AVB anerkannt habe mit der Folge, dass sie (im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens nach § 7 AVB) die Leistungen erst dann einstellen darf, wenn sie den Wegfall oder die Minderung der Berufsunfähigkeit bewiesen hat.
27a)
28Richtig ist zwar, dass ein Anerkenntnis der Leistungspflicht den Versicherer bis zum vertragsgemäßen Erlöschen der Leistungspflicht bindet, solange seine Wirkungen nicht nach § 7 AVB beseitigt werden, und zwar auch dann, wenn es mit einer zeitlichen Befristung versehen ist (BGHZ 121, 284; OLG Köln r+s 1989, 371; OLG Hamm VersR 1992, 1338; OLG Karlsruhe VersR 1992, 173; Benkel-Hirtschberg § 5 BUZ Rn. 13; Voit in Prölls/Martin § 5 BUZ Rn. 6 m.w.N.). Eine solche Befristung ist grundsätzlich unzulässig und mit dem schützenswerten Bedürfnis des Versicherungsnehmers nicht vereinbar, die Frage der Leistungspflicht geklärt zu haben und nicht in der Schwebe zu halten. Von einem befristeten Anerkenntnis ist jedoch der Fall zu unterscheiden, dass der Versicherer aus Kulanz Leistungen zusagt, obwohl er die Berufsunfähigkeit oder den erforderlichen Grad noch nicht als hinreichend bewiesen betrachtet (BGH NJW-RR 1995, 20; OLG Hamm r+s 1994, 154; r+s 1994, 473). §§ 5, 7 BB-BUZ (die als allgemeine Versicherungsbedingungen von den Beklagten dem Vertrag zugrunde gelegt wurden) hindern den Versicherer nicht, im Einvernehmen mit dem Versicherungsnehmer einen etwaigen Streit oder eine Ungewissheit über das Vorliegen der vertragsgemäßen Voraussetzungen in der Weise zu beseitigen, dass für eine gewisse Zeit im Wege des Entgegenkommens Leistungen zugesagt und erbracht werden, mit dem Ziel, die weitere gesundheitliche Entwicklung abzuwarten. Eine solche vertragliche Absprache ist dann sinnvoll, wenn angenommen werden kann, dass eine mögliche - aber nicht sichere - derzeitig bestehende Berufsunfähigkeit auf Ursachen beruht, von denen zu erwarten ist, dass sie beseitigt werden können, und in Aussicht genommen wird, Maßnahmen zu ihrer Beseitigung zu ergreifen. Sie hat den beiderseitigen Vorteil, dass keine Zeit mit unter Umständen überaus langwierigen Untersuchungen verloren wird, ob und aus welchen Gründen Berufsunfähigkeit vorliegt, sondern die Zeit zur Behebung der Beeinträchtigungen genutzt wird. Es besteht - auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsautonomie - kein Grund, eine solche flexible und aus gesundheitlichen wie wirtschaftlichen Gründen vernünftige Regelung für unzulässig zu erachten. Allein das den §§ 5, 7 BB-BUZ zugrunde liegende schützenswerte Bedürfnis des Versicherungsnehmers, so schnell als möglich Klarheit über die Leistungspflicht des Versicherers zu erlangen und von diesem nicht "hingehalten" zu werden, rechtfertigt dies nicht. Es liegt auch in seinem Interesse, schnellstmöglich die Berufsfähigkeit der versicherten Person wieder herzustellen (jedenfalls wäre ein entgegenstehendes Interesse nicht schützenswert), und er hat den eindeutigen Vorteil, sofort und ohne weitere Auseinandersetzungen Leistungen des Versicherers zu erlangen. Erscheint es ihm unter Abwägung aller Gesichtspunkte wesentlicher, auf endgültige Klarheit zu dringen, ist er nicht gehindert, eine vorübergehende Regelung anzulehnen und auf einer verbindlichen Erklärung über Zusage oder Ablehnung der Leistung zu bestehen. Davon ist ersichtlich auch die Kammer ausgegangen.
29Allerdings muss, wie die Kammer ebenfalls zu Recht festgestellt hat, dem Versicherungsnehmer unmissverständlich vor Augen geführt und vom Versicherer hinreichend klargestellt werden, dass es sich um eine kulanzweise Regelung des Versicherers handelt, dass dieser nach wie vor die vertragsgemäßen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit nicht für gegeben erachtet und dass der Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen darf, die Frage der Berufsunfähigkeit werde grundsätzlich dem Streit entzogen. An die Eindeutigkeit dieser Klarstellung sind grundsätzlich strenge, allerdings auch keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass aus dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Falles beim Versicherungsnehmer vernünftige Zweifel an Sinn und Tragweite der Erklärung des Versicherungsnehmers nicht bestehen.
30b)
31Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte im Rahmen der Vereinbarung vom 22.3.1995 kein Leistungsanerkenntnis abgegeben, sondern lediglich eine kulanzweise Leistung zugesagt, die auf den Zeitraum bis November 1995 befristet war. Schon der Wortlaut der Vereinbarung ist eindeutig. Die Parteien stellen darin übereinstimmend fest, es sei "unklar", ob eine Zahnmetallvergiftung vorliege, und es sei "nicht ausreichend nachgewiesen", dass eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit vorliege. Diesbezüglich werde auf eine weitere Prüfung aber nicht etwa verzichtet, vielmehr werde sie nur "vorläufig zurückgestellt". Schon mit diesen Formulierungen hat die Beklagte für jeden Versicherungsnehmer unmissverständlich klargestellt, dass sie die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht gerade nicht annehme und schon gar nicht anerkennen wolle. Sodann heißt es, dass "trotzdem" - also trotz Nichtvorliegen der Leistungsvoraussetzungen - "schnell und unbürokratisch" geholfen werden solle. Auch hierbei handelt es sich um Formulierungen, die eindeutig auf einen kulanzweisen Charakter des Leistungsversprechens hindeuten. Noch unzweifelhafter kommt dies durch die Wendung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zum Ausdruck. Schließlich wird unmissverständlich gesagt, dass für Leistungen ab dem 30.11.1995 ein neuer Leistungsantrag zu stellen sei. Demgegenüber vermag der Senat auch bei größtmöglicher Strenge keine Formulierung festzustellen, die den Eindruck erwecken könnte, die Beklagte wolle im Grunde die Berufsunfähigkeit der Tochter des Klägers nicht weiter anzweifeln und die Wortwahl diene nur der "Wahrung des Gesichts" oder gar der Irreführung des Klägers. Eine noch eindeutigere sprachliche Verdeutlichung, dass es sich um eine reine kulanzweise Regelung handeln solle, ist kaum vorstellbar.
32Hinzu kommen die äußeren Umstände, die zum Zustandekommen der Vereinbarung vom 22.3.1995 geführt haben und die ebenfalls keine Zweifel begründen, der Kläger könne im Unklaren über die Bedeutung und die Tragweite der Erklärung der Beklagten gewesen sein. Der Kläger hatte mit Schreiben vom 12.9.1994 erstmals die Berufsunfähigkeit geltend gemacht, wobei er ausschließlich auf die diagnostizierte Quecksilber- und Palladiumvergiftung abstellte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Tochter des Klägers bereits eine Sanierung der Zähne zur Behebung dieser Ursache in Angriff genommen. Die Beklagte (bzw. die die Verhandlungen federführend leitende I Lebensversicherung) hatte bereits am 7.12.1994 im Rahmen eines Regulierungsgesprächs dem Kläger eine außervertragliche Vereinbarung angeboten. Diesen Vortrag der Beklagten hat der Kläger nie in Abrede gestellt. Da es sich - wie sich aus den diversen von den Parteien eingeholten ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten ergibt - bei einer Zahnmetallvergiftung um eine Erkrankung handelt, die durch Entfernung der Amalgamfüllungen ohne weiteres auszuheilen ist, konnten die Parteien also praktisch seit der Geltendmachung der Ansprüche davon ausgehen, dass mit gewisser (nicht geringer) Wahrscheinlichkeit sich das Problem für die Zukunft in absehbarer Zeit erledigen werde, und der Streit dann nur um die Frage geführt werden müsse, ob und inwieweit Leistungen für die Vergangenheit zu erbringen seien. Die Klärung dieses Streits allerdings hätte die Behebung der Ursachen behindern und zu einer Verzögerung der Sanierung beitragen können. Es lag damit im beiderseitigen Interesse, und zwar gerade auch im Interesse der Beklagten, der Behebung der Ursachen Priorität einzuräumen, was diese zu einem Entgegenkommen im Hinblick vor allem auf die vergangenen Zeiträume veranlassen musste. Tatsächlich ist dann auch eine Vereinbarung zustande gekommen, die weit stärker auf die Vergangenheit konzentriert war als auf die Zukunft, denn zwei Drittel des Zeitraums, für den die Beklagte die Leistungen versprach, entfielen schließlich auf die vergangene Zeit. Für die Zukunft wurde gerade noch ein Zeitraum zugestanden, in dem mit einiger Sicherheit die Behandlung zu Ende geführt werden konnte. Bei dieser tatsächlichen Ausgangslage kann aber keine Rede davon sein, dass die Beklagte eher von ihrer Leistungspflicht ausgegangen sei oder Anlass gehabt hätte, diese anzuerkennen. Vielmehr war die Frage des "Ob" und des "Inwieweit" der Berufsunfähigkeit völlig offen, und im Vordergrund stand, das Problem für die Zukunft zu beseitigen. Dass der Kläger insoweit von einer anderen Sachlage ausgegangen wäre, ist weder vorgetragen noch irgendwie ersichtlich. Er kann sich nicht darauf berufen, die Beschwerden als solche seien von der Beklagten letztlich nicht angezweifelt worden, und es komme nicht darauf an, worauf diese beruhten. Alle bis dahin vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen gingen damals davon aus, dass die Ursache der behaupteten Beschwerden (Zahnmetallvergiftung) feststehe. Andere Ursachen standen nicht zur Diskussion und wurden vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Eine Trennung von Ursachen und Beschwerden, wie sie auch der Argumentation der Kammer zugrunde liegt, entspricht einer ex-post-Betrachtung, die gerade nicht den Vorstellungen der Parteien bei Abschluss der Vereinbarung vom 22.3.1995 zugrunde lag. Dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die möglichen Folgen der Vereinbarung im Unklaren gewesen wäre, spricht auch im übrigen nichts. Der Kläger ist aufgrund seiner beruflichen Vorbildung in geschäftlichen und rechtlichen Dingen erfahren, was auch in den von ihm verfassten Schreiben deutlich zum Ausdruck kommt, und die Verhandlungen über die Vereinbarung erstreckten sich über viereinhalb Monate, sind also ersichtlich Ausdruck ausführlicher Verhandlungen und nicht eines einseitigen Diktats oder gar eines Versuchs der Beklagten, den Kläger von einer grundsätzlichen Klärung der Leistungspflicht abzuhalten.
33Nichts für sich Günstiges herleiten kann der Kläger aus dem Ausgang des Parallelverfahrens gegen die P-Versicherung (5 U 53/99), wo der Senat ein wirksames Leistungsanerkenntnis bejaht hat. Die dort maßgebliche Erklärung des Versicherers war grundlegend anders formuliert. Dort war tatsächlich das Vorliegen des Versicherungsfalles ausdrücklich anerkannt worden, was im hier zu entscheidenden Fall nicht gegeben ist.
342.
35Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Tochter des Klägers zu mindestens 50% infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls voraussichtlich dauernd außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
36Der Sachverständige Prof. Dr. Q2 hat ausgeführt, dass die von der Tochter des Klägers geklagten Beschwerden auf eine Somatisierungsstörung zurückzuführen seien. Es handele sich um körperlich empfundene Beschwerden, die nicht durch eine Körperkrankheit hervorgerufen würden, sondern rein psychisch bedingt seien, und unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt seien, am häufigsten heute unter der des "chronischen Erschöpfungssyndroms". Es liege eine Neurose vor, bei der es sich um ein seit langem bekanntes Phänomen handele, das früher als "Neurasthenie" bezeichnet worden sei und tatsächlich nichts mit Veränderungen der Umwelt (etwa modernen Umweltgiften) zu tun habe, sondern ausschließlich auf einer psychischen Störung beruhe, die im Falle der Tochter des Klägers mit einem ausgeprägten Wunsch nach finanzieller Versorgung und Absicherung einhergehe. Körperliche Ursachen könnten ausgeschlossen werden. Die geklagten Beschwerden seien typisch für die psychische Störung. Bei den geklagten Kopf- und Rückenschmerzen handele es sich um Muskelanspannungen, die eine Nebenerscheinung vieler Neurosen darstellten. Die Konzentrations-, Gedächtnis- und Sprachstörungen lägen tatsächlich nicht vor, insbesondere seien sie bei der Exploration nicht festzustellen gewesen. Eine eher geringfügige Leistungseinbuße sei zwanglos aus der jahrelangen passiven Lebensweise zu erklären. Nichts spräche dagegen, dass die psychische Störung durch eine entsprechende Therapie grundsätzlich zu beheben sei. Dem stehe derzeit lediglich die strikt ablehnende Haltung der Tochter entgegen, die durch den drohenden Verlust ihrer vermeintlichen Ansprüche verstärkt werde. Berufsunfähigkeit habe danach zu keinem Zeitpunkt bestanden, schon gar nicht unter Berücksichtigung des zuletzt ausgeübten Berufes, der keine erhöhte geistige und körperliche Anstrengung verlangt habe. Die bei ihr vorliegende Neurose beeinflusse nach allgemeiner wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ihre Möglichkeit, ihren Willen und ihren Verstand korrigierend einzusetzen.
37Diese gutachterlichen Feststellungen sind deutlich. Sie bestätigen das Vorliegen einer mindestens 50%igen Berufsunfähigkeit der Tochter des Klägers eindeutig nicht, sondern gehen vielmehr von einer fortwährend bestehenden Berufsfähigkeit von mehr als 50% (im Grunde sogar von einer vollständigen) aus. Hierbei ist der Gutachter trotz der seitens des Klägers erhobenen Einwände sowohl in seiner ergänzenden Stellungnahme als auch im Rahmen der mündlichen Anhörung einschränkungslos geblieben.
38Der Senat folgt dem Gutachter und legt die von ihm getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde, denn das Gutachten ist in jeder Hinsicht erschöpfend, nachvollziehbar und überzeugend. Anlass zu weiterer Aufklärung, insbesondere zu der Einholung einer weiteren gutachterlichen Stellungnahme besteht nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. Q2 ist dem Senat aus jahrelanger Gutachtertätigkeit als überaus erfahrener und sorgfältig abwägender sowie gründlich untersuchender Sachverständiger bekannt. An seiner Qualifikation bestehen keinerlei Zweifel. Erst recht bestehen keine Zweifel an seiner persönlichen wie wissenschaftlichen Unvoreingenommenheit. Der Sachverständige ist dem Senat als ein Gutachter bekannt, der sich mit modernen Auffassungen in der Psychiatrie und Psychologie gründlich und aufgeschlossen auseinandersetzt. Dass er an die anstehenden Fragen im Zusammenhang mit dem Phänomen des "chronischen Erschöpfungssyndroms" kompetent und vorurteilsfrei herangeht und keinesfalls voreilig zu einer ablehnenden oder gar generell "versicherungsfreundlichen" Beurteilung neigt, steht für den Senat außer Zweifel. Auch die hier durchgeführte Beurteilung bietet hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Der Sachverständige hat sich mit allen bislang eingeholten Gutachten und den diesen zugrundeliegenden Untersuchungen und Tests hinreichend auseinandergesetzt. Er hat die Klägerin im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs gründlich untersucht. Er hat ferner das zutreffende Berufsbild zugrunde gelegt, das in jeder Hinsicht der Darstellung des Klägers entspricht und das von den Zeugen I und V bestätigt wurde. Dass der Sachverständige von einer falschen oder unvollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen sei, kann demnach nicht festgestellt werden. Auch der Kläger zeigt nicht auf, welchen relevanten Umstand der Sachverständige etwa außer Acht gelassen haben könnte.
39Die Grundannahme des Sachverständigen Prof. Dr. Q2, dass die Ursache der von der Tochter des Klägers geklagten Beschwerden eine psychische und keine somatische sei, wird von allen eingeholten Gutachten und Stellungnahmen geteilt. Die ursprüngliche Annahme, dass die Beschwerden auf eine Zahnmetallvergiftung zurückzuführen seien, ist seit langem widerlegt und wird auch vom Kläger nicht mehr vertreten. Schon die eindeutigen Ausführungen des Toxikologen Prof. I2, wonach nichts für eine solche Vergiftung spreche, eine solche aber zwingend nach Entfernung der Zahnfüllungen nicht mehr vorliegen dürfe, sind nicht mehr entscheidend angegriffen worden. Andere Gutachter (Prof. C, Prof. Q, Prof. F, Prof. T, Prof. X3, Dr. T2 haben dies ebenso gesehen. Auch die Mutmaßung, andere Umweltstoffe seien Auslöser für die Erschöpfung der Tochter des Klägers, haben nach einhelliger Auffassung dieser Gutachter keine Grundlage. Teilweise ist diesen Vermutungen durch gezielte Tests nachgegangen worden mit ausnahmslos negativem Ergebnis. Alle Gutachter gehen letztlich davon aus, dass es sich bei der Tochter des Klägers um eine psychosomatische Störung handele. Dass dies nicht immer in gleicher Weise "auf den Punkt gebracht" wurde, wie beim Sachverständigen Prof. Dr. Q2, ändert nichts an der Eindeutigkeit dieses Ergebnisses.
40Die weitere Annahme, dass es sich bei der vorliegenden psychischen Störung der Tochter des Klägers um eine solche handelt, die letztlich von ihrem Willen und ihrem Verstand beherrschbar ist und ihre Berufsfähigkeit nicht maßgeblich beeinträchtigt, ist ebenfalls plausibel. Sie entspricht auch zumindest im wesentlichen Kern den Ausführungen der übrigen Sachverständigen. Auch der Gutachter Prof. T, der im Ergebnis zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gelangt, stellt fest, dass die Tochter des Klägers "durchaus in der Lage" sei, "ihren gelernten Beruf einer Diplom-Kauffrau und ähnliche Tätigkeiten prospektiv wieder vollschichtig auszuführen", dies erscheine lediglich"aufgrund des bestehenden chronifizierten Beschwerdebildes im Sinne eines chronischen Erschöpfungssyndroms und der nunmehr fünfjährigen Berufspause mit entsprechendem Trainingsverlust ... ohne vorhergehende therapeutische und berufsrehabilitative Maßnahmen ... als unrealistisch". Das bedeutet aber im Ergebnis nichts anderes, als dass eine dauerhafte teilweise Berufsunfähigkeit eben nicht vorliege. Sehr eindeutig haben ferner die von dem Sozialgericht Wiesbaden eingeschalteten Gutachter Prof. X festgestellt, dass die Tochter des Klägers ohne die Gefahr der Gesundheitsbeschädigung Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne und die konversionsneurotischen Symptome mit depressiver Verstimmung, hypochondrischem Erleben mit Fixierung auf eine bestehende Quecksilberintoxikation grundsätzlich überwindbar seien. Zweifel daran, dass die Hemmnisse, die einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit entgegenstehen, aus eigener Kraft überwindbar seien, äußert nur der Sachverständige Dr. T3 als Gutachter vor dem Landessozialgericht Darmstadt. Auch er begründet diese Zweifel allerdings im Kern mit der strikten Ablehnung der Annahme einer psychischen Störung durch die Tochter des Klägers und ihrer mangelnden Bereitschaft, entsprechende ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, nicht aber mit grundsätzlichen, in der Krankheit selbst liegenden Hinderungsgründen. Im Kern wird also einmütig die Annahme des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Q2 geteilt, dass die sich als "Erschöpfungssyndrom" darstellenden Beeinträchtigungen vom Willen der Betroffenen abhängen. Von dieser als gesichert anzusehenden Grundannahme aus ist die Schlussfolgerung des Sachverständigen Prof. Dr. Q2, dass es sich bei der Tochter des Klägers um keine mindestens 50%ige (dauerhafte) Berufsunfähigkeit handele, aber entschieden nachvollziehbarer als die Annahme von Prof. T, der von einer (zum Zeitpunkt der Begutachtung noch) 50%igen Berufsunfähigkeit ausging. Hier war auch zu berücksichtigten, dass die Frage, ob die Betroffene durch entsprechende Willensanstrengung in der Lage ist, ihren ursprünglichen Beruf (oder eine vergleichbare Tätigkeit) wieder auszuüben, oder ob ihr dies nicht möglich ist, ausschließlich in den Kompetenzbereich eines Psychiaters fällt, nicht aber in die eines Arbeits- und Umweltmediziners wie Prof. Dr. T. Bei ihm - ebenso wie letztlich bei Dr. T3 - bleibt im übrigen der Eindruck, dass für die Frage, ob die Tochter des Klägers zu 50% berufsunfähig sei, eher auf ihr "Wollen" denn auf ihr "Können" abgestellt wird. Maßgeblich für die Beurteilung der Berufsfähigkeit kann aber nur sein, wozu (auch zu welchen Willensanstrengungen) die Betroffene tatsächlich in der Lage ist.
41Der Kläger kann sich auch nicht etwa auf die Vermutungswirkung des § 2 Abs.3 AVB berufen, wonach die Fortdauer einer vollständigen oder teilweisen Berufsunfähigkeit, die sechs Monate ununterbrochen angedauert hat, unwiderlegbar als entsprechende Berufsunfähigkeit gilt. Denn die Vermutungsgrundlage, die der Kläger darzulegen und zu beweisen hat, ist nicht nachgewiesen. Entsprechend dem oben Dargelegten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tochter des Klägers jemals berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen ist. Vielmehr muss aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q2, denen der Senat folgt, angenommen werden, dass der Zustand, so wie er ihn festgestellt hat, von Beginn an bestanden hat und damit zu keinem Zeitpunkt Berufsunfähigkeit vorlag. Anlass, insoweit weitere Feststellungen zu treffen, hat der Senat nicht.
423.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
44Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO n.F.) besteht nicht. Weder weicht der Senat von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts ab noch waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären.
45Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer des Klägers: 52.356,29 Euro.
46Rosenberger Mangen Dr. Thurn