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Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
G r ü n d e
2Die gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 7, § 621 g Satz 2, § 620 c Satz 1 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg. Für die vom Amtsgericht erlassene einstweilige Anordnung ist vorliegend kein Raum, so dass die angefochtene Entscheidung – ersatzlos – aufzuheben war.
3Nach der seit dem 1. Januar 2002 maßgebenden Rechtslage folgt die Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen, die – wie hier – die Zuweisung der Ehewohnung nach Rechtskraft des Scheidungsurteils betreffen, nicht mehr aus der vom Amtsgericht herangezogenen Bestimmung des § 13 Abs. 4 HausratsVO. Vielmehr gilt nunmehr die durch Art. 4 Nr. 7 des Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513, 3515) neu in die Zivilprozessordnung eingeführte Bestimmung des § 621 g ZPO. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht u. a. dann, wenn – wie vorliegend – ein Verfahren nach der Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats anhängig ist, auf Antrag Regelungen im Wege der einstweiligen Anordnung treffen. Dementsprechend wurde durch Art. 12 Nr. 1 des vorbezeichneten Gesetzes vom 11. Dezember 2001 § 13 Abs. 4 HausratsVO durch eine anderweitige, im Streitfall nicht einschlägige Regelung ersetzt.
4Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 621 g Satz 1 ZPO kann eine einstweilige Anordnung nur auf Antrag ergehen. Soweit dem gegenüber – soweit ersichtlich: allein – in der Kommentierung von Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621 g Rdn. 3 die Auffassung vertreten wird, einstweilige Anordnungen könnten weiterhin von Amts wegen erlassen werden, weil es an einer dem § 620 ZPO entsprechenden Regelung fehle, findet diese Auffassung schon im eindeutigen Wortlaut von § 621 g Satz 1 ZPO, der gerade an die Antragstellung anknüpft, keine Grundlage. Auch der weitere Hinweis von Zöller/Philippi (aaO) auf § 620 a Abs. 2 ZPO kann nicht überzeugen, weil die vorbezeichnete Bestimmung nicht den ihr von Zöller/Philippi entnommenen Rückschluss gestattet. Mit der im übrigen einhelligen aktuellen Kommentarliteratur (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 24. Aufl., § 621 g Rdn. 4; Musielak/Borth, ZPO, 3. Aufl., § 621 g Rdn. 2; MünchKommZPO/Finger, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 621 g Rdn. 3) ist vielmehr davon auszugehen, dass einstweilige Anordnungen zur vorläufigen Regelung der Nutzungsverhältnisse an der Ehewohnung nunmehr einer entsprechenden Antragsstellung bedürfen. Dieses Rechtsverständnis deckt sich nicht zuletzt mit der - § 621 g ZPO im wesentlichen entsprechenden – Bestimmung des § 64 b Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGG, die hinsichtlich der Regelung im Wege einstweiligen Rechtschutzes ebenfalls an einen hierauf gerichteten Antrag anknüpft (vgl. dazu Schumacher, FamRZ 2002, 645, 657 f.).
5Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller weder schriftsätzlich noch zu Protokoll des Familiengerichts gestellt. Schon aus diesem Grunde kann der angefochtene Beschluss daher keinen Bestand haben.
6Unabhängig davon liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch in der Sache selbst nicht vor. Die in § 621 g ZPO geregelten einstweiligen Anordnungen ersetzen die von der Rechtsprechung entwickelten vorläufigen Anordnungen und, wie eingangs dargelegt, die in § 13 Abs. 4 HausratsVO vorgesehenen einstweiligen Anordnungen (vgl. Zöller/Philippi aaO § 621 g Rdn. 1). Sie dürfen daher insbesondere nur dann erlassen werden, wenn ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur entgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen, die Interessen nicht mehr genügend wahren würde und eine Entscheidung im Sinne der zunächst vorläufigen Maßnahme wahrscheinlich ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2000, 1240; OLG Frankfurt FamRZ 2000, 1037). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Selbst wenn in den beiden beim Amtsgericht – Familiengericht – Bad Neuenahr-Ahrweiler zu den Aktenzeichen 6 F 80/01 und 6 F 492/01 anhängigen sorgerechtlichen Verfahren betreffend die drei Kinder der Parteien in diesem Jahre keine rechtskräftige Endentscheidung mehr ergehen sollte, ist nicht ersichtlich, weshalb der gegenwärtige Zustand betreffend die Nutzung des ehelichen Hauses – nachdem der Antragsteller seit Oktober 2000 gemeinsam mit den Kindern unter seiner derzeitigen Anschrift lebt – nunmehr eine einstweilige Regelung erforderlich machen sollte. Die in diesem Zusammenhang in der Antragsschrift vom 9. Juli 2002 angeführten Gesichtspunkte, es sei "nicht einzusehen" dass die Antragsgegnerin das eheliche Haus alleine in Anspruch nehme, während der Antragsteller mit den drei Kindern in einer Mietwohnung lebe und zusätzlich die Belastungen des Hauses trage, sind nicht von solchem Gewicht, dass sie einen alsbaldigen Auszug der Antragsgegnerin aus dem in ihrem Miteigentum stehenden Haus im Wege einer einstweiligen Regelung gebieten könnten. Nichts anderes gilt für die vom Antragssteller des weiteren geltend gemachten Umstände, wonach die Anmeldung der beiden älteren Kinder an weiterführenden Schulen in S erforderlich sein soll und überdies die Antragsgegnerin bei einem Umzug der Kinder in das Haus diese "eher besuchen" könne, als wenn die Kinder in H blieben oder nach L zögen. Zum einen ist nicht dargetan, weshalb eine Schulanmeldung gerade in S notwendig und demgegenüber ein Schulbesuch etwa in H selbst oder in C nicht möglich oder auch ein Schulbesuch in S nicht von H aus in zumutbarer Weise zu bewältigen sein soll. Zum anderen setzt ein Umzug des Antragstellers und der Kinder in das Haus zwangsläufig den Auszug der Antragsgegnerin voraus, weshalb es keinesfalls feststeht, dass diese – je nach dem, wo sie alsdann selbst Unterkunft findet – die Kinder unter erleichterten Umständen besuchen kann.
7Auch die in der angefochtenen Entscheidung darüber hinaus angeführten Argumente, die jedenfalls im schriftsätzlichen Vorbringen des Antragsstellers und in der Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts vom 4. Oktober 2002 keinen Niederschlag gefunden haben, vermögen die angefochtene Entscheidung nicht zu rechtfertigen. So ist zum einen an keiner Stelle nachvollziehbar dargetan, dass zwei Kindern in der Wohnung des Antragsstellers tatsächlich nur Kinderzimmer von 7 bzw. 4 qm Größe zur Verfügung stehen sollen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung bewohnt der Antragsteller gemeinsam mit seiner Freundin ein Haus. Unabhängig davon, ob dieses Gebäude über eine Wohnfläche von 190 qm oder lediglich von 90 qm (Flächenangaben auf S. 4 der Beschwerdeschrift) verfügt, ist nicht ersichtlich, dass unter der derzeitigen Anschrift des Antragstellers keine angemessene Unterbringung der Kinder erfolgen kann. Zum anderen können – letztlich nur spekulative – Überlegungen zur voraussichtlichen Dauer der beim Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler anhängigen familiengerichtlichen Verfahren und zur Überzeugungskraft der dort ergehenden Abschlussentscheidungen eine so weitgehende Maßnahme, wie das Amtsgericht sie hier im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes getroffen hat, nicht rechtfertigen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein – je nach Ausgang der Sorgerechtsverfahren unter Umständen nur vorläufiger – Auszug aus der ehelichen Wohnung die Antragsgegnerin, die Sozialhilfeempfängerin ist, aktuell in wirtschaftlich stärkerem Maße belastet als den berufstätigen Antragsteller die derzeitige Situation. Schließlich kann bei der Entscheidung nicht unbeachtet bleiben, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin mit außergerichtlichem Schreiben vom 8. November 2002 (Bl. 30 des Sonderhefts EA I/WH) unter Fristsetzung zum Auszug aus dem ehelichen Haus aufgefordert und ihr für den Fall der Nichteinhaltung der gesetzten Frist den Antrag auf Einleitung eines Teilungsversteigerungsverfahren angedroht hat. Diese Vorgehensweise legt die Annahme nahe, dass es dem Antragsteller – dem bisherigen Vortrag der Antragsgegnerin entsprechend – in erster Linie gar nicht um die eigene Nutzung des ehelichen Hauses, sondern um dessen Verwertung geht. Auf den weiteren Gesichtspunkt, dass die vom Antragsteller für den Auszug gesetzte Frist nicht einmal die Räumungsfrist im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts wahrt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
8Nach alledem konnte die vom Amtsgericht getroffene Eilmaßnahme keinen Bestand haben. Es ist entgegen der Einschätzung des Amtsgerichts bei der gegebenen Sachlage auch insbesondere nicht sicher, dass bei fehlender Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren zwangsläufig - jetzt schon - eine endgültige Wohnungszuweisung an den Antragsteller erfolgen muss.
9Einer Kostenentscheidung – auch – für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht. Gemäß § 621 g Satz 2, § 620 g ZPO gelten die im Verfahren der einstweiligen Anordnung entstehenden Kosten für die Kostenentscheidung als Teil der Kosten der Hauptsache. Das gilt regelmäßig auch für die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde. Insoweit findet der allgemeine Grundsatz Anwendung, dass in einem Beschluss, der der Beschwerde statt gibt, über die Kosten der Beschwerdeinstanz nur zu entscheiden ist, wenn im angefochtenen Beschluss über die Kosten zu entscheiden war (vgl. Zöller/Philippi aaO § 620 g Rdn. 8). Im Streitfall besteht kein Anlass, hiervon abzuweichen.