Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 14. Dezember 2001 - 309 F 236/01 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin erstrebt die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 9.2.2000 (303 F 155/99) abgeschlossenen Kindschaftsverfahrens.
3Gegenstand dieses Prozesses war eine von dem jetzigen Beklagten im Jahre 1999 gegen Herrn E. B. (* xx.xx.xxxx) erhobene Vaterschaftsanfechtungsklage. Der Beklagte galt als eheliches Kind des Herrn B. und seiner (des Beklagten) am 25.9.1988 verstorbenen Mutter. Die Anfechtungsklage war auf die Behauptung gestützt, erst im Februar 1998 habe der jetzige Beklagte erfahren, dass nicht Herr E. B., sondern der bereits verstorbene Herr J. P. J. (* xx.xx.xxxx, xx.xx.xxxx) sein leiblicher Vater sei. Dies habe ihm Herr E. B. damals mitgeteilt.
4Der Beklagte des früheren Prozesses, Herr E. B., trat dem Klagebegehren nicht entgegen. Nach Einholung eines Abstammungsgutachtens, das zum Ausschluss der Vaterschaft des E. B. gelangte, wurde der Vaterschaftsanfechtungsklage stattgegeben. Das Urteil vom 9.2.2000 ist seit dem 4.4.2000 rechtskräftig.
5Im Anschluss hieran hat der hiesige Beklagte ein weiteres Kindschaftsverfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Köln anhängig gemacht (309 F 153/00), in welchem er die gerichtliche Feststellung erreichen will, dass der - als Antragsgegner bezeichnete - verstorbene Herr J. sein Vater ist. Der Sache nach handelt es sich um ein Antragsverfahren nach § 1600e II BGB.
6In diesem Verfahren ist nach Exhumierung des verstorbenen Herrn J. wiederum ein Abstammungsgutachten eingeholt worden, mit dem Ergebnis, dass die Vaterschaft des Herrn J. hinsichtlich des jetzigen Beklagten "praktisch erwiesen" ist.
7Aufgrund der Exhumierung wurde die jetzige Klägerin (* x.xx.xxxx) auf das Verfahren aufmerksam. Der verstorbene Herr J. war ihr Onkel und zunächst von seiner Schwester, der Mutter der Klägerin, beerbt worden. Die Mutter der Klägerin verstarb alsbald nach der Erbschaft ( *xx.xx.xxxx) und wurde nun ihrerseits von der Klägerin und deren Bruder, Herrn Dr. K.-G. W. (* xx.xx.xxxx) zu je 1/2-Anteil beerbt. Die Erbengemeinschaft ist noch nicht auseinandergesetzt.
8Nachdem die Klägerin von der Exhumierung ihres verstorbenen Onkels erfahren hatte, nahm sie Kontakt zum Amtsgericht Köln auf, schaltete einen Anwalt ein und erfuhr von dem laufenden und dem bereits abgeschlossenen Prozess.
9Das Verfahren 309 F 153/00 ist sodann mit Rücksicht auf den vorliegenden Prozess bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss ausgesetzt worden.
10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, als Erbin ihrer Mutter und Erbeserbin des Herrn J. habe sie die Berechtigung gehabt, dem Vorprozess 303 F 155/99 Amtsgericht Köln als Nebenintervenientin beizutreten. Mangels Kenntnis von dem Vorprozess habe sie dieses Recht nicht wahrnehmen können. Sie sei aber befugt, nunmehr im Wege der Restitutionsklage Einwendungen zu erheben, die im Vorprozess keine Berücksichtigung hätten finden können. Der Beklagte habe sich durch wahrheitswidrigen Tatsachenvortrag in dem Vorprozess eine Rechtsposition erschlichen, mit welcher er ihre eigenen Rechte und die ihres Bruders gefährde. Tatsächlich seien dem Beklagten nämlich schon vor 1986, spätestens aber seit September 1988 Umstände bekannt gewesen, die gegen die Vaterschaft des Herrn E. B. gesprochen hätten. Das ergebe sich nicht zuletzt aus einem Schreiben des Beklagten an Herrn J. vom 2. September 1988 (Ablichtung Bl. 13 GA). Die zweijährige Anfechtungsfrist sei deshalb bei Klageerhebung im Jahre 1999 bereits abgelaufen gewesen.
11Die Klägerin hat beantragt,
12Der Beklagte hat beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Er hat die Klageberechtigung der Klägerin in Abrede gestellt. Außerdem hat er geltend gemacht, dass die vorliegende Klage verfristet sei. Schließlich habe er im Vorprozess auch nicht unrichtig vorgetragen. Erst Anfang Februar 1998 habe er relativ sicher von der Vaterschaft des Herrn J. erfahren, vorher sei darüber in der Familie nur gemunkelt worden. Im Bezug auf das Schreiben vom 2.9.1988 hat der Beklagte zunächst vortragen lassen, er habe damit den in der Familie kursierenden Gerüchten, denen er nicht ernsthaft Glauben geschenkt habe, auf den Grund gehen wollen. Da von Herrn J. nie eine Reaktion erfolgt sei, habe er - der Beklagte - sich in seiner Haltung bestärkt gefühlt, dass an den Gerüchten nichts dran sei. Später hat der Beklagte diesen Vortrag korrigiert und behauptet, er habe nachträglich im Gespräch mit seiner früheren Lebensgefährtin erfahren, dass diese - ohne sein Wissen - das besagte Schreiben verfasst und an Herrn J. abgesandt habe.
18Durch Urteil vom 14. Dezember 2001 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig, weil es der Klägerin an der Klagebefugnis fehle. Sie sei an dem Vorprozess weder als Partei noch als Nebenintervenientin beteiligt gewesen und könne deshalb auch nicht Restitutionsklage erheben. In ihrer Person seien auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Nebenintervention nach § 66 ZPO nicht erfüllt gewesen, so dass es dahinstehen könne, ob ein Nebenintervenient erstmals durch Erhebung einer Restitutionsklage dem Rechtsstreit beitreten könne. Auch hinsichtlich des Hilfsantrags sei die Klage unzulässig, die Klägerin sei insoweit auf den Weg einer Leistungsklage, gestützt auf § 826 BGB zu verweisen.
19Gegen dieses ihr am 18.12.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.1.2002 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 18.3.2002 nach entsprechender Fristverlängerung begründet.
20Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und beantragt,
21das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen,
22hilfsweise, das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, schon im Bezug auf den verstorbenen Herr J. habe es an dem notwendigen rechtlichen Interesse für einen Beitritt als Nebenintervenient in den Vaterschaftsanfechtungsprozess gefehlt. Selbst wenn man dies anders sehen wolle, sei aber jedenfalls das Recht zur Nebenintervention nicht auf die Erben und Erbeserben des Herrn J. übergegangen. Abgesehen davon sei die Klägerin als Miterbin neben ihrem Bruder auch nicht allein prozessführungsbefugt.
26Entscheidungsgründe:
27Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
281. Das Amtsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin nicht klageberechtigt ist. Die Klageberechtigung ergibt sich insbesondere nicht aus einer Befugnis der Klägerin zur Nebenintervention.
29Für ihre gegenteilige Ansicht führt die Klägerin zunächst die Kommentierung von Zöller/Greger (Zivilprozeßordnung, 23. Aufl. 2002, Rdn. 6 vor § 578) an. An der zitierten Stelle findet sich der Satz:
30"Auch ein Nebenintervenient ist befugt, Wiederaufnahmeklage zu erheben, auch wenn er dadurch erst beitritt" (ebenso mit weiteren Nachweisen, auch für gegenteilige Auffassungen Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 15 zu § 66; Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung/Braun, 2. Aufl. 2000, Rdn. 28 zu § 578).
31Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ergibt sich daraus noch nichts für die Klagebefugnis der Klägerin im vorliegenden Fall. Entscheidend ist nämlich - auch wenn man die Zulässigkeit des Beitritts durch Erhebung einer Wiederaufnahmeklage grundsätzlich bejaht -, ob die Klägerin dem Vorprozess - dem Anfechtungsprozess 303 F 155/99 AG Köln - als Nebenintervenientin hätte beitreten können, ob sie also ein "rechtliches Interesse" im Sinne von § 66 ZPO für sich hätte reklamieren können. Dies hat das Amtsgericht zu Recht verneint. Ein rechtliches Interesse im Sinne von § 66 ZPO hat nur derjenige, der durch die Entscheidung des Prozesses unmittelbar oder mittelbar in seinen Verhältnissen rechtlich tangiert wird (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 8 zu § 66). Putzo (in Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 24. Aufl. 2002, Rdn. 5 zu § 66) führt dazu aus:
32"Gegeben ist es (das rechtliche Interesse) wenn die Rechtsstellung des Nebenintervenienten irgendwie durch ein der unterstützten Partei ungünstiges Urteil rechtlich (nicht nur tatsächlich oder wirtschaftlich) verschlechtert oder durch ein günstiges verbessert wird."
33Genau daran fehlt es hier, denn das Ergebnis des Anfechtungsprozesses änderte an den rechtlichen Verhältnissen der Klägerin - auch an ihrer Erbenstellung - überhaupt nichts. Rechtlich tangiert werden kann sie vielmehr erst durch den Folgeprozess 309 F 153/00.
342. Die Klägerin meint weiter, mit dem Tode des Herrn J. sei das ihm zustehende Recht zur Nebenintervention gemäß § 1922 BGB auf sie übergegangen. Auch damit kann die Klägerin nicht durchdringen.
35In Anfechtungsprozessen (früher Ehelichkeitsanfechtungsprozessen) steht allerdings nach herrschender Meinung dem als wahren Erzeuger in Betracht kommenden Mann das Recht der Nebenintervention zu (vgl. u.a. BGH NJW 80, 1693; 82, 177; 82, 1653 und 85, 386), wobei ein rechtliches Interesse an der Abweisung der Anfechtungsklage schon aus § 1607 III 2 BGB, 640e II 1 ZPO herzuleiten ist. Dieses Interventionsrecht gilt entgegen der in der Berufungserwiderung geäußerten Auffassung des Beklagten (Bl. 109) nicht nur bei Anfechtungsklagen des "gesetzlichen" Vaters, obwohl die diesbezügliche Kommentierung bei Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 13b zu § 66 diese Vermutung nahe legen mag, sondern auch bei Anfechtungsklagen des Kindes, wie hier. Das hat der BGH in NJW 1982, 177f. [178] klargestellt:
36"Der als außereheliche Erzeuger in Betracht kommende Mann kann im Anfechtungsprozess Nebenintervenient sein und gegen ein der Anfechtungsklage stattgebendes Urteil Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen, dass die Klage abgewiesen wird.... . In welcher Parteirolle das Kind und der Mann den Rechtsstreit führen, ist dabei unerheblich."
37Danach wäre eine Nebenintervention des verstorbenen Herrn J., wenn er während des Anfechtungsprozesses noch gelebt hätte, grundsätzlich in Betracht gekommen. Daraus kann die Klägerin jedoch für sich nichts ableiten. Denn die "Interventionsberechtigung" ist entgegen ihrer Ansicht nicht vererbbar. Aus dem in der Berufungsbegründung (Bl. 80 GA) angeführten Zitat (Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl. 2002, Rdn. 40 zu § 1922) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Denn es geht hier nicht um vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen, die hätten vererbt werden können, sondern um eine prozessuale Berechtigung, die auf dem rechtlichen Interesse des potentiellen Vaters an der Abwehr oder der Herstellung familienrechtlicher Beziehungen zu dem Kind beruht. Derartige Rechte sind wegen ihrer höchstpersönlichen Natur unvererblich. Das ist für auf materiellem Recht beruhende Rechtsstellungen, die ihre Grundlage in familienrechtlichen Beziehungen haben, dem Inhaber nur aufgrund seiner unauswechselbaren Einordnung in ein familiäres System zustehen und nicht überwiegend vermögensrechtlicher Art sind, anerkannt (vgl. Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl. 2002, Rdn. 31 zu § 1922). So ist beispielsweise das Recht des Mannes zur Vaterschaftsanfechtung (früher zur Anfechtung der Ehelichkeit) ebenso unvererblich wie das Recht der Vaterschaftsanerkennung (Staudinger/Marotzke, BGB, 13. Aufl. 1994, Rdn. 141f. zu § 1922; Soergel/Stein, a.a.O.; Palandt/Edenhofer, a.a.O., Rdn. 43 zu § 1922). Nichts anderes kann aber für prozessuale Rechte gelten, die in entsprechender Weise personengebunden sind, wie das Interventionsrecht des potentiellen Kindesvaters (vgl. auch OLG Stuttgart, FamRZ 1982, 193: Keine Vererblichkeit des Rechtes des als Vater festgestellten Mannes, Restitutionsklage nach § 641i ZPO zu erheben).
383. Selbst wenn man aber insoweit anders entscheiden wollte, ergäbe sich im vorliegenden Fall noch ein anderes Bedenken:
39Der Nebenintervenient darf sich nicht im Widerspruch zu Handlungen der unterstützten Hauptpartei setzen, § 67 ZPO. Im Bezug auf Rechtsmittel bedeutet dies, dass er gegen den erklärten Willen der unterstützen Partei Rechtsmittel nicht einlegen darf (Thomas/Putzo[Putzo], a.a.O., Rdn. 16 zu § 67). Dasselbe hat nach Auffassung des Senats für eine Restitutionsklage zu gelten.
40Im vorliegenden Fall hatte sich der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten zugleich für Herrn E. B., den früheren Anfechtungsbeklagten bestellt (Bl. 23 GA) und für beide Klageabweisungsantrag angekündigt (Bl. 31 GA). Damit war aber hinreichend deutlich gemacht worden, dass die unterstützte Hauptpartei - nach Lage der Dinge wäre ein Beitritt der Klägerin nur auf Seiten des Beklagten des früheren Anfechtungsprozesses in Betracht gekommen - eine Wiederaufnahme nicht wünschte, weswegen auch die Klägerin als mögliche Nebenintervenientin gehindert ist, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu betreiben. Ein Fall der streitgenössischen Nebenintervention nach § 69 ZPO, die von den dargestellten Beschränkungen befreien würde (Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung/Braun, a.a.O., Rdn. 29 zu § 578), ist hier nicht gegeben (vgl. dazu allgemein Wieser, Zur Anfechtung der Vaterschaft nach neuem Recht, FamRZ 1998,1004ff. [1006]; Zöller/Philippi, a.a.O., Rdn. 9 zu § 640e mit weiteren Nachweisen; BGH NJW 1985, 386f. - für den Fall der Vaterschaftsanfechtungsklage [Ehelichkeitsanfechtungsklage] des Mannes - ).
414. Auch im Bezug auf den hilfsweise verfolgten Feststellungsantrag ist die Entscheidung des Amtsgerichts richtig. Die Klägerin ist auf die vorrangige Leistungsklage zu verweisen. Was die Berufung hiergegen vorbringt (Seite 4 der Berufungsbegründung, Bl. 81 GA), beruht auf der Annahme, dass die Klägerin berechtigt sei, Restitutionsklage zu erheben. Gerade dies trifft aber nicht zu, wie vorstehend dargestellt.
425. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hatte gemäß §§ 704 Abs. 2, 585 ZPO zu unterbleiben.
43Der Senat lässt die Revision zum Bundesgerichtshof gemäß § 543 ZPO n.F. zu. Die angesprochenen Rechtsfragen zum personellen Anwendungsbereich des § 66 ZPO sind grundsätzlicher Natur. Soweit ersichtlich, sind sie für vergleichbare Sachverhalte bisher höchstrichterlich nicht entschieden, ebenso wenig die Frage der Vererblichkeit der Interventionsbefugnis. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erscheint daher auch zur Rechtsfortbildung erforderlich.
44Streitwert: 15.000,00 EUR
45Auch wenn der vorliegende Prozess nur mittelbare Bedeutung für eine mögliche spätere erbrechtliche Auseinandersetzung der Parteien hat, ist im Hinblick auf den im Raume stehenden Umfang des Nachlasses des Herrn J. eine deutliche Erhöhung des Regelwerts nach § 12 II 3 GKG angezeigt.