Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin nimmt den Beklagten in Höhe eines Teilbetrages von 51.129,19 EUR (100.000,00 DM) aus einer formularmäßigen Höchstbetragsbürgschaft über 383.368,91 EUR (750.000,00 DM) in Anspruch, die der Beklagte am 27.10.1997 für einen seiner Ehefrau gewährten, der Umschuldung des Geschäftskontos und der Finanzierung eines Bauvorhabens in W. dienenden Kredit in gleicher Höhe übernommen hat. Auf die Bürgschaftsurkunde und den Darlehensvertrag vom 28.10.1997 (Anlagen K 5 und K 9 zum Schriftsatz der Klägerin vom 28.3.2000) wird verwiesen. Mit Urkunde vom 17.11.1997 verbürgte sich der Beklagte gegenüber der Klägerin für einen seiner Ehefrau als Inhaberin der Firma I.-Bauplanung unter dem 20.11.1997 eingeräumten Kontokorrentkredit (Anlagen K 1 und K 3 zum vorgenannten Schriftsatz). Auf diese Bürgschaft wird die Teilklage hilfsweise gestützt. Der Beklagte, der die Bürgschaften wegen finanzieller Überforderung für gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig hält, hat im Wege der Widerklage die Herausgabe seiner Bürgschaftserklärungen begehrt.
3Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, insbesondere wegen der von den Parteien gestellten Sachanträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
4Das Landgericht hat sowohl die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft vom 27.10.1997 als auch einen Verstoß gegen die §§ 3, 9 AGBG verneint und der Klage unter Abweisung der Widerklage stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte - lediglich - seinen Klageabweisungsantrag weiter. Er macht geltend, die Bürgschaft vom 27.10.1997 sei bereits nach §§ 3, 9 AGBG unwirksam, weil sie sich ihrem Wortlaut nach auch auf alle künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin erstrecke. Gleiches gelte für die betragsmäßige nicht beschränkte Formularbürgschaft vom 17.11.1997. Im übrigen habe das Landgericht die Grunsätze, nach denen Bürgschaften vermögensloser Ehegatten gem. § 138 Abs. 1 BGB unwirksam sind, fehlerhaft angewandt und die Sittenwidrigkeit der von ihm übernommenen Bürgschaften zu Unrecht verneint. Angesichts eines monatlichen Bruttoeinkommens im Zeitpunkt der Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 1.500,00 DM (766,94 EUR) und der - unstreitig auch der Klägerin bekannten - Abgabe der eidesstattlichen Versicherung werde er durch die Bürgenhaftung finanziell krass überfordert. Die Annahme des Landgerichts, trotz seiner Arbeitnehmerstellung habe er sich in Fortsetzung seiner eigenen gewerblichen Tätigkeit partnerschaftlich an sämtlichen Geschäften seiner Ehefrau und ihrer Unternehmen beteiligt, entbehre jeder Grundlage. Auf bloßen Vermutungen beruhe auch die Schlussfolgerung, aus der beabsichtigten Fortführung eigener Aktivitäten nach Scheitern seiner Selbständigkeit folge ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Bürgschaftsübernahme. Jedenfalls sei die Klägerin gem. § 242 BGB gehindert, ihn in Anspruch zu nehmen. Sofern die Bürgschaft hauptsächlich dem Zweck diene, den Gläubiger vor den Nachteilen einer Vermögensverschiebung zu schützen, seien die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anwendbar. Danach hafte der Bürge nicht, solange in seiner Person kein Vermögen entstanden sei.
5Der Beklagte beantragt,
67
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8Die Klägerin beantragt,
910
die Berufung zurückzuweisen.
11Sie hält die Bürgschaften für AGB-rechtlich unbedenklich. Auch einen Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB habe das Landgericht zu Recht verneint. Die Annahme, der Beklagte habe sich finanziell "gesetzlich eingerichtet", während er in Wahrheit mit seiner Ehefrau deren und die Geschäfte der Firmen T. und I. geführt habe, sei schon deshalb richtig, weil seine Ehefrau nach ihrer Einreise aus der damaligen Tschechoslowakei 1988 zur Führung eines Wirtschaftsunternehmens nicht in der Lage gewesen sei.
12Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 21. Januar 2002 (Bl. 313 ff. GA), in der der Senat den Beklagten und das Vorstandsmitglied S. der Klägerin persönlich angehört hat, Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
14Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht aufgrund der Bürgschaft vom 27.10.1997 in Verbindung mit § 765 BGB zur Zahlung von 51.129,19 EUR (100.000,00 DM) nebst Zinsen verurteilt.
151. Wie der Senat in seinem ablehnenden PKH-Beschluss vom 10. Dezember 2001 (Bl. 258 ff.) dargelegt hat, ist die Bürgschaft nicht wegen formularmäßiger Ausdehnung auf alle künftigen Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin nach §§ 3, 9 AGBG unwirksam. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
162. Die Bürgschaft ist auch nicht wegen krasser finanzieller Überforderung gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.
17a) Nach inzwischen übereinstimmender Rechtsprechung des IX. und XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB bei Bürgschafts- und Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab (vgl. BGHZ 125, 206, 211; 136, 347, 351; 146, 37, 42; WM 01, 1330, 1331; WM 02, 125 und 223, 224). Zwar reicht selbst der Umstand, dass der Betroffene voraussichtlich nicht einmal die laufenden vertraglichen Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens aufbringen kann, in der Regel nicht aus, um das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller Überforderung ist aber - widerlegbar - zu vermuten, dass die ruinöse Bürgschaft oder Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner eingegangen wurde und der Kreditgeber dies in verwerflicher Weise ausgenutzt hat (vgl. BGH WM 01, 1331; 02, 125 und 224). Es ist dann Sache des Kreditgebers, diese Vermutung zu widerlegen, wozu insbesondere der Nachweis eines eigenen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Bürgen oder Mithaftenden an der Kreditaufnahme ausreicht.
18b) Nach diesen Grundsätzen verstößt die Bürgschaft vom 27.10.1997 nicht gegen § 138 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts des ergänzenden Sachvortrags des Beklagten im Schriftsatz vom 15.1.2002 (Bl. 275 ff. GA) zur Höhe seiner Schulden und zu seinen künftigen Erwerbsaussichten an der im PKH-Beschluss vom 10.12.2001 vorgenommenen Zukunftsprognose festzuhalten und eine krasse finanzielle Überforderung durch die Bürgschaftsverpflichtung zu verneinen ist. Selbst eine krasse finanzielle Überforderung des Beklagten im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme würde nämlich unter den hier gegebenen Umständen nicht zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen. Aufgrund seines persönlichen Näheverhältnisses zur Hauptschuldnerin könnte sich der Beklagte zwar grundsätzlich auf die Vermutung stützen, dass für die Übernahme der Bürgschaft nicht eine realistische Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern die emotionale Bindung an seine Ehefrau maßgeblich war und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Diese Vermutung wäre jedoch widerlegt, weil der Beklagte ein eigenes - auf eine freie Willensentscheidung hindeutendes - persönliches und wirtschaftliches Interesse an der Kreditaufnahme seiner Ehefrau hatte. Hiervon ist der Senat - ebenso wie das Landgericht - nach Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen, insbesondere der Anhörung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2002 und seines persönlichen Eindrucks überzeugt:
19aa) Das Landgericht ist davon ausgegangen, der Beklagte habe sich partnerschaftlich an den Geschäften seiner Ehefrau und der ihr gehörenden Firmen im Interesse der Verwirklichung seines eigenen Lebensplanes und zur Sicherung seines gehobenen Lebensstils beteiligt. Dies gelte auch für das Bauvorhaben "A.W.". Die Übernahme der Bürgschaft habe seiner Ehefrau und ihren Firmen die weitere geschäftliche Betätigung ermöglichen sollen, damit die Geschäfte unter Beibehaltung des Beklagten hätten fortgesetzt werden können. Tatsächlich sei der Beklagte bei diesen Geschäften faktisch als Mitunternehmer - in Fortsetzung seiner eigenen früheren Tätigkeit auf gleichem Gebiet - erschienen, der nur zur Verhinderung seiner Inanspruchnahme durch eigene Gläubiger diese Rolle nicht mit rechtlicher Aussenwirkung übernommen habe (LGU 13, 15).
20bb) Diese tatsächliche Würdigung, zu der die Kammer aufgrund ihres - u.a. in den Verfahren 2 0 451/97, 162/98, 180/98, 34/99, 36/00 und 73/00 gewonnenen - Eindrucks von der Persönlichkeit und dem Auftreten des Beklagten gelangt ist, ist nicht zu beanstanden und wird vom erkennenden Senat aufgrund der folgenden Umstände geteilt:
21(1) Der Beklagte besaß - wie sich aus seiner Anhörung vor dem Landgericht ergibt (Bl. 178 GA) - bei Bürgschaftübernahme aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit in der Bauplanungs- und Immobilienbranche umfangreiche Erfahrungen in diesen Bereichen. Unstreitig war er nach der Insolvenz seiner Einzelfirma im Jahre 1988 in die Projekte der Fa. T. und der Fa. I. eingeschaltet, die auf denselben Gebieten tätig waren; auf den Handelregisterauszug der Fa. T. (HRB , AG Waldbröl - Bl. 6 der BA 2 O 34/99 LG Bonn) wird beispielhaft verwiesen. Dabei verfügte der Beklagte nach eigenem Vorbringen über das fachliche Know-how (Bl. 174, 242 GA). Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend festgestellt, dass der Beklagte sich hinsichtliche des Bauvorhabens "A.W. 9" in W., welches mit dem durch die Bürgschaft des Beklagten gesicherten Darlehen finanziert wurde, als weisungsbefugter Bauherr geriert hat. Teilweise war er neben seiner Ehefrau Auftraggeber für deren Bauvorhaben, in einem Fall hat er sich durch Vergleich als Gesamtschuldner mit seiner Ehefrau zur Zahlung von 13.000 DM verpflichtet. Auf die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (LGU 10) und die dort angeführten Verfahren wird verwiesen. Schon diese Umstände machen deutlich, dass sich der Beklagte mit beträchtlichem persönlichen Engagement an den Geschäften seiner Ehefrau beteiligt hat.
22(2) Dass der verbürgte Kredit über 750.000 DM der Ehefrau des Beklagten persönlich - und nicht einer ihrer Firmen gewährt wurde, ist im Ergebnis ohne Bedeutung. Zum einen diente der Kredit gemäß Ziff. 2 des Kreditvertrages der Umschuldung des Geschäftskontos der Ehefrau sowie - ausweislich der Bürgschaftsurkunde (Anlage K 9) als Folgedarlehen für das Bauvorhaben "A.W.", in dem die Fa. T. nach dem Vorbringen des Beklagten ihre Geschäftsräume unterhalten sollte. Zum anderen hat sich der Beklagte - wie die den Verfahren 2 0 451/97, 162/98, 180/98 und 36/00 LG Bonn zugrunde liegenden Sachverhalte belegen - an den Geschäften seiner Ehefrau, jedenfalls soweit sie Bauvorhaben betrafen, in gleicher Weise beteiligt wie an Geschäften der Fa. T. oder der Fa. I..
23(3) Der Beklagte stellt seine Tätigkeit zwar als gering dar und bestreitet, wie ein Mitgeschäftsführer aufgetreten zu sein oder maßgeblichen Einfluss auf die Geschäfte der Fa. T. und der Fa. I. genommen zu haben (Bl. 289 GA). Nach Überzeugung des Senats soll damit aber nur sein Verhalten bei der Vorbereitung und dem Abschluss von Geschäften seiner Ehefrau - auch bei den Verhandlungen über den durch die Bürgschaft gesicherten Kredit vom 28.10.1997 - heruntergespielt werden. In seiner Anhörung vor dem Senat hat der Beklagte zwar anfangs hervorgehoben, zu keinem Zeitpunkt Verhandlungen mit dem Vorstandsmitglied S. oder dem Zweigstellenleiter A. der Klägerin geführt zu haben (Bl. 314 GA). Die weitere Anhörung ergab indessen nicht nur, dass der Beklagte im Juli/August 1997 an den Verhandlungen über eine Erhöhung der Kreditsumme um 300.000 DM teilgenommen hat und bei Unterzeichnung des Kreditvertrages am 28.10.1997 anwesend war (Bl. 314 GA). Vielmehr war er es, der - insoweit nicht protokolliert - nach Widerruf der Finanzierungszusage über 450.000 DM die Dinge in die Hand nahm, mit dem Vorstandsmitglied S. der Klägerin einen Gesprächstermin vereinbarte und letztlich mit seiner Ehefrau die Kreditgewährung erreichte (Bl. 315 GA). Dabei machte er auf den Senat den Eindruck eines erfahrenen, versierten Geschäftsmannes, der jederzeit weiß, was zu tun ist und worauf er sich einlässt. Seine Schilderung der Kredit- und Bürgschaftsverhandlungen ließen nicht ansatzweise erkennen, dass er bei rationaler, seine eigenen Interessen berücksichtigender Entscheidung die Übernahme der Bürgschaft - eigentlich - hätte ablehnen müssen, sich aufgrund der emotionalen Bindung an seine Ehefrau und eines darauf beruhenden Konflikts aber nicht dazu hat entschließen können. Die Übernahme der Bürgschaft für seine Ehefrau war für den Beklagten vielmehr ein normaler, geschäftsmäßiger Vorgang. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch daraus, dass der Beklagte bereits zuvor unter gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen eine Reihe von Bürgschaften für seine Ehefrau und die ihr gehörenden Firmen übernommen hat. So hat er sich gegenüber der Klägerin auch für die dem Kredit vom 28.10.1997 vorangehenden Darlehen an seine Ehefrau vom 20.6.1997 (Anlage K 8), 18.7.1997 (Anlage K 7) und 4.9.1997 ( Anlage K 6 ) verbürgt. Weitere - unbeschränkte - Bürgschaften hat er am 7.11.1997 für einen der Fa. T. in Höhe von 200.000 DM und am 17.11.1997 für einen der Fa. I. in Höhe von 150.000 DM gewährten Kredit übernommen (Anlage K 1). Aus den vom Senat beigezogenen Akten des Verfahrens 2 O 73/00 LG Bonn, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergibt sich (Sitzungsniederschrift vom 21.1.2002 - Bl. 379 ff., 386 der BA 2 O 73/00), dass der Beklagte am 5.3. und 21.5.1997 für jeweils der Fa. T. gewährte Geschäftskredite in Höhe von zuletzt 212.000 DM eine Bürgschaft auch gegenüber der Stadtsparkasse K. eingegangen ist.
24Der Senat verkennt dabei nicht, dass die mehrfache Übernahme einer Bürgschaft durch einen finanziell überforderten Ehegatten - gegenüber dem selben Kreditinstitut - auch auf einer besonders massiven Ausnutzung seiner emotionalen Bindung zum Hauptschuldner beruhen kann. Dies liegt bei jungen, geschäftsunerfahrenen Bürgen sogar nahe. Hier liegen die Dinge jedoch anders. Der Beklagte verfügte bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages über ein beträchtliches Maß an Geschäftserfahrung und -gewandheit. Nach fünfzehn Jahren selbständiger Tätigkeit in der Bauplanungs- und Immobilienbranche und anschließend knapp zehnjähriger Mitarbeit in der von ihm gegründeten Fa. T. waren ihm - davon ist nach der Lebenserfahrung auszugehen - Angelegenheiten der Projektfinanzierung bestens vertraut. Zwar können auch geschäftsgewandte Personen aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Lebenspartner Verbindlichkeiten eingehen, die sie finanziell krass überfordern (vgl. BGH WM 00, 410, 413; BKR 02, 86, 88). Im vorliegenden Fall trifft das jedoch nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob - wofür allerdings einiges spricht - bei geschäftsgewandten, dem Hauptschuldner emotional nahestehenden Bürgen oder Mithaftenden geringere Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung zu stellen sind als etwa bei jungen, berufs- und geschäftsunerfahrenen Erwachsenen wie in dem vom BGH in NJW 94, 1726, 1728 entschiedenen Fall. Der Senat ist jedenfalls nach dem persönlichen Eindruck des Beklagten davon überzeugt, dass die Entscheidung zur Übernahme der streitgegenständlichen Bürgschaft nicht auf einem Konflikt zwischen emotionaler Verbundenheit zu seiner Ehefrau einerseits und der Gefahr einer lebenslangen hoffnungslosen Überschuldung beruhte. Der Beklagte hatte nach eigenen Angaben bereits im Jahre 1988 Schulden in Höhe von ca. 2 Mio. DM, die mangels Tilgung bis zum Jahr 2000 auf das Doppelte angewachsen waren (Bl. 95 GA). Die im Oktober 1997 gegenüber der Klägerin übernommene Bürgschaft war daher keinesfalls ausschlaggebend für seine zukünftige wirtschaftliche Situation. Angesichts der Größenordnung seiner schon bestehenden Schulden konnte es dem Beklagten vielmehr gleichgültig sein, ob sich seine Verbindlichkeiten durch die Bürgschaft um weitere 750.000 DM erhöhten. Damit soll nicht gesagt sein, dass die emotionale Bindung an seine Ehefrau bei der Bürgschaftsentscheidung keine Bedeutung hatte. Sie war aber nicht der maßgebliche oder gar alleinige Grund für die Bürgschaftsübernahme. Die damals existierende Schuldenlast des Beklagten und die Anzahl der übernommenen Bürgschaften sind ein Indiz dafür, dass der Beklagte sich für jeden seiner Ehefrau oder ihren Firmen gewährten Kredit - also auch den durch die Bürgschaft vom 27.10.1997 gesicherten - verbürgte, solange ihm dadurch die Möglichkeit erhalten wurde, sich an den finanzierten Projekten zu beteiligen und seinen gehobenen Lebensstil aufrecht zu erhalten.
25cc) Ob die vorstehend angeführten Indizien jeweils für sich genommen geeignet wären, die Vermutung des Handelns aus emotionaler Verbundenheit und seine - verwerfliche - Ausnutzung durch die Klägerin zu widerlegen, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls bei der im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände (vgl. BGH NJW 97, 257, 258; 96, 513, 514; Halstenberg, FS für Schimansky, 1999, S. 315, 318) hält der Senat die Vermutung für widerlegt.
26dd) Dass der Beklagte aus der Kreditaufnahme seiner Ehefrau keine unmittelbaren geldwerten Vorteile erlangt hat, führt im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung. Zwar reichen lediglich mittelbare Vorteile des dem Hauptschuldner emotional verbundenen Bürgen grundsätzlich nicht aus, um die aus seiner krassen finanziellen Überforderung folgende Vermutung entfallen zu lassen, die Bank habe die emotionale Bindung ausgenutzt (vgl. BGH NJW 00, 1182, 1184; 01, 815, 817). Der Senat hält jedoch an seiner im PKH-Beschluss vom 10.12.2001 geäußerten Auffassung fest, dass unter den hier gegebenen Umständen etwas anderes gelten muss:
27Auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens des Beklagten im Schriftsatz vom 15.1.2002 und seiner Anhörung im Termin vom 21.2.2002 ist der Senat - weiterhin - davon überzeugt, dass der Beklagte bei Übernahme der Bürgschaft "gesetzlich eingerichtet" war.
28Darauf deuten zum einen die gesellschafts- und eherechtlichen Abreden zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau hin. Der die Vereinbarung der Gütertrennung enthaltende Ehevertrag vom 20.4.1989 (Bl. 80 ff. GA) sowie die Zuordnung der Fa. T. und der Fa. I. zur Ehefrau des Beklagten bewirkten, dass der Ehefrau alle wirtschaftlichen Werte einschließlich des Hausrats zustanden, während dem Beklagten außer seinem pfändungssicheren Gehalt bei der Fa. T. von 1.500 DM brutto monatlich nichts verblieb und er auch nichts für seine Gläubiger Verwertbares erwerben konnte. Hierauf hat zu Recht bereits das Landgericht hingewiesen. Auch die drei während der Ehe erworbenen Privathäuser, die nach Angaben des Beklagten im Termin vom 9.8.2000 erhebliche Werte darstellten, standen unstreitig ausnahmslos im Eigentum der Ehefrau. Selbst wenn die damalige Auftragslage bei der Fa. T. - wie der Beklagte geltend macht (Bl. 287 GA) - keine größeren Beschäftigungsmöglichkeiten hergegeben haben sollte, spräche dies im Hinblick auf die bereits erwähnten Schulden des Beklagten in Millionenhöhe nicht entscheidend gegen eine - bewusst - gesetzliche Einrichtung. Alles was der Beklagte über die Pfändungsfreigrenzen hinaus an Einkünften oder Vermögenszuwachs erzielt hätte, wäre von vorneherein nur für seine Gläubiger erwirtschaftet worden. Der Vortrag des Beklagten, nach seinem völligen wirtschaftlichen Scheitern hätten seine Ehefrau und er Wert darauf gelegt, ihre Verhältnisse für die Zukunft sicher zu gestalten, ist eine euphemistische Umschreibung dieses Sachverhalts.
29Zum anderen spricht auch der persönliche Eindruck des Beklagten dafür, dass seine wirtschaftliche Lage nach dem Scheitern seiner Einzelfirma nicht auf einer schicksalhaften Entwicklung, sondern einer bewussten Zukunftsentscheidung beruhte. Der Beklagte machte schon seinem äußeren Erscheinungsbild nach nicht den Eindruck eines Mannes, der nach eigenen Angaben über 4 Mio. DM Schulden hat, sondern wirkte - auch im Hinblick auf seine aus Sicht des Senats gute und gepflegte Kleidung - wie ein erfolgreicher Geschäftsmann. Offensichtlich hat er sich ungeachtet seiner ausweglosen Verschuldung einen gehobenen Lebensstandard bewahren können.
30Ist danach von einer "gesetzlichen Einrichtung" des Beklagten im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme auszugehen, stellt die Erlangung nur mittelbarer geldwerter Vorteile aus der Kreditaufnahme die denknotwendige Kehrseite des Umstandes dar, dass der Beklagte seine wirtschaftliche Situation bewusst unterhalb der Pfändungsfreigrenzen gehalten hat. Auf unmittelbare Vorteile aus der durch die Bürgschaft vom 27.10.1997 gesicherte Kreditgewährung hätten seine Gläubiger nämlich zugreifen können.
31c) Es liegen auch keine sonstigen, der Klägerin zurechenbare Umstände vor, die zur Sittenwidrigkeit der Bürgschaft führen könnten. Das Vorbringen des Beklagten, die Klägerin habe trotz seiner finanziellen Situation auf der Abgabe der Bürgschaftserklärung bestanden (Bl. 23 GA), reicht insoweit nicht aus. Seiner Anhörung vom 21.2.2002 lassen sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er von den Vertretern der Klägerin in unlauterer Weise unter Druck gesetzt wurde.
323. Der danach wirksamen Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten stehen die Grundsätze des Fehlens oder Wegfalls der Geschäftsgrundlage(§ 242 BGB) nicht entgegen.
33Eine Anwendung dieser Grundsätze kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass die Bürgschaft ausschließlich späteren Vermögensverlagerungen des Kreditnehmers vorbeugen sollte. In einem solchen Fall steht dem Bürgen oder Mithaftenden, wenn wegen Änderung seiner persönlichen Beziehung zum Hauptschuldner - wie im Fall einer Ehescheidung - nicht mehr mit künftigen Vermögensverlagerungen zu rechnen ist, der Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu (vgl. BGHZ 128, 230, 236 ff.; BGH NJW 96, 2088; 97, 1003; Nobbe/Kirchhof BKR 01, 5, 11). Für die Annahme einer derartigen Zweckbestimmung ist schon angesichts des festgestellten Eigeninteresses des Beklagten an der Kreditgewährung kein Raum. Im übrigen hat der Beklagte auch nicht dargelegt, dass die Bürgschaft zumindest hauptsächlich den Zweck hatte, Vermögensverschiebungen unter den Eheleuten zu verhindern. Das Vorstandsmitglied S. der Klägerin hat zwar eine entsprechende Zweckbestimmung als möglich dargestellt (Bl. 319 GA), konnte sich aber konkret nicht mehr daran erinnern. Dass die Parteien die Verhinderung künftiger Vermögensverschiebungen übereinstimmend zur Geschäftsgrundlage des Bürgschaftsvertrages erhoben haben, kann deshalb nicht angenommen werden.
344. Die Berufung war danach mit Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 n.F. ZPO), besteht nicht. Die Entscheidung des Senats beruht allein auf einer tatsächlichen Würdigung.
35Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 108, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
36Streitwert des Berufungsverfahrens: 51.129,19 EUR (= 100.000 DM)