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I. Dem Betroffenen wird auf seine Kosten gegen die Versäu-mung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
II. Der Zulassungsantrag wird als unbegründet verworfen.
III. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen (§ 80 Abs. 4 S. 4 OWiG).
IV. Die Kosten des Verfahrens vor dem Beschwerdegericht trägt der Betroffene.
G r ü n d e
2I.
3Gegen den Betroffenen ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 21. Mai 2001 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO (Überschreitung der durch Zeichen 274 angeordneten Höchstgeschwindigkeit) eine Geldbuße von 80,00 DM verhängt worden. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. Mai 2001 hat er die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt. Daraufhin ist ihm das Urteil am 2. Juli 2001 - unter Benachrichtigung des Verteidigers - zugestellt worden.
4Mit Schriftsatz vom 11. August 2001, bei dem Amtsgericht als Telefax eingegangen am 13. August 2001, hat der Verteidiger den Zulassungsantrag begründet. Unter dem Vorbehalt der Nachreichung von Verfahrensrügen hat er die Verletzung des sachlichen Rechts gerügt und dazu unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung zu den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung in den Urteilsgründen ausgeführt, die Ausführungen des angefochtenen Urteils zur Begründung der Überzeugung von der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung seien unzureichend.
5Zugleich hat der Verteidiger für den Fall, dass die Zustellung des Urteils vor dem 13. Juli 2001 an den Betroffenen erfolgt sein sollte, beantragt, dem Betroffenen gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu bewilligen. Er trägt dazu vor, das schriftliche Urteil sei am 13. Juli 2001 in seinem Gerichtsfach gewesen, und übt Kritik an der Praxis des Amtsgerichts, Zustellungen ausschließlich an Betroffene vorzunehmen, weil es dem Gebot der Fairness entspreche, Zustellungen an den Verteidiger zu veranlassen, damit dieser die Fristen wahren könne.
6II.
71.
8Dem Betroffenen ist auf seinen Antrag, über den der Senat in der Besetzung gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG zu entscheiden hat (vgl. dazu OLG Hamm NJW 2000, 451 = DAR 2000, 83 = NZV 2000, 136 = VRS 98, 221; BayObLG NStZ-RR 2001, 23 [24]; SenE v. 09.02.2000 - Ss 43/00 Z -; SenE v. 27.03.2000 - Ss 126/00 Z -; SenE v. 27.02.2001 - Ss 17/01 Z -; SenE v. 07.03.2001 - Ss 82/01 Z - [jeweils zu § 346 II StPO]; vgl. a. Korte NStZ 2000, 413), Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.
9a)
10Das Wiedereinsetzungsgesuch begegnet hinsichtlich seiner Zulässigkeit keinen Bedenken. Es ist insbesondere rechtzeitig angebracht und (noch) hinreichend begründet worden.
11b)
12Die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen ebenfalls vor.
13Der Betroffene hat die Monatsfrist gemäß §§ 345 Abs. 1 StPO, 79 Abs. 3 S. 1, 80 Abs. 3 S. 1 OWiG versäumt. Sie begann mit der Zustellung des angefochtenen Urteils am 2. Juli 2001 und endete demnach mit Ablauf des 2. August 2001, wurde also durch den am 13. August 2001 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nicht gewahrt. Die Zustellung an den Betroffenen war wirksam. Die Bestimmung des § 145 a Abs. 1 StPO, wonach Zustellungen an den gewählten Verteidiger vorgenommen werden können, begründet keine Rechtspflicht, Zustellungen für den Beschuldigten bzw. Betroffenen an den Verteidiger zu bewirken. Zustellungen an den Beschuldigten selbst sind vielmehr wirksam und setzen die Rechtsmittelfristen in Lauf (BayObLG NStZ-RR 2000, 110 = DAR 2000, 78 L.; SenE v. 16.06.2000 - Ss 202/00 Z -; SenE v. 27.02.2001 - Ss 17/01 Z -; SenE v. 30.04.2001 - Ss 159/01 Z -; vgl. a. SenE v. 12.09.2000 - Ss 345/00 Z - = VRS 100, 186 [187]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 145 a Rdnr. 6 m. w. Nachw.). Dem steht auch nicht entgegen, dass in Nrn. 154 Abs. 1 S. 1, 293 Abs. 1 S. 1 RiStBV die Zustellung an den Verteidiger gefordert wird, falls ein solcher sich unter Vorlage der Vollmacht bestellt hat (BayObLGSt 1981, 193 = VRS 62, 197).
14Nach § 44 S. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG kann dem Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er ohne eigenes Verschulden gehindert war, eine Frist einzuhalten. Davon ist hier auszugehen; die Überschreitung der Frist des § 345 Abs. 1 StPO hat nicht der Betroffene zu vertreten.
15Der aus den Akten ersichtliche Verfahrensablauf lässt erkennen, dass der Betroffene das seinerseits Erforderliche veranlasst hatte, um nicht nur die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels gegen das Urteil vom 21. Mai 2001, sondern auch dessen prozessordnungsgemäße Begründung in die Wege zu leiten, indem er nämlich seinen Verteidiger mit der Durchführung des Rechtsmittels beauftragte. Demgemäß hat der Verteidiger hier zunächst den Zulassungsantrag gestellt und danach - ohne weiteres Zutun des Betroffenen - auch die Rechtsmittelbegründung gefertigt. Anders als in Fällen, in denen der Verteidiger nach Rechtsmitteleinlegung untätig bleibt (vgl. dazu SenE v. 01.10.1999 - Ss 457/99 -), bedarf es in einem solchen Fall zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs grundsätzlich nicht der Darlegung, was der Betroffene zur rechtzeitigen Rechtsmittelbegründung veranlasst hatte oder welche Umstände ihn berechtigten, von der Erledigung durch den Verteidiger ohne weiteres auszugehen. Denn grundsätzlich kann der Betroffene, der seinen Verteidiger mit der Durchführung eines Rechtsmittels beauftragt hat, davon ausgehen, dass dieser den Auftrag vollständig und ordnungsgemäß erledigt (vgl. BayObLGSt 1975, 150 [152] = JZ 1976, 185 = VRS 50, 292 [294]; BayObLGSt 1981, 193 [194] = VRS 62, 197 = MDR 1982, 774; SenE v. 12.09.2000 - Ss 345/00 Z - = VRS 100, 186 [187]; SenE v. 24.11.2000 - Ss 342/00 Z -) . Etwas anderes gilt nur, wenn er ausnahmsweise von mangelnder Zuverlässigkeit des Verteidigers ausgehen muss oder die Fristversäumung durch den Verteidiger voraussehen kann (BGHSt 14, 306 [308 f.] = NJW 1960, 1774; BGH NJW 1973, 1138; BGH NStZ 1995, 352), z.B. weil er weiß oder damit rechnen muss, dass der Verteidiger die (nach seiner Einschätzung aussichtslose) Revision nicht begründen wird (BGH NStZ 1985, 493 [Pf./M]; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 44 Rdnr. 18), und gleichwohl gebotene Maßnahmen zur Fristwahrung unterlässt (SenE v. 18.04.2001 - Ss 106/01 -). Anhaltspunkte dafür liegen hier jedoch nicht vor.
16Dem Betroffenen kann auch nicht als schuldhaftes Versäumnis angelastet werden, dass er nach Zustellung des Urteils nicht in Kontakt mit seinem Verteidiger getreten ist und diesem das Zustellungsdatum nicht mitgeteilt hat. Er war nämlich nicht verpflichtet, den Verteidiger vom Zeitpunkt der Urteilszustellung an ihn in Kenntnis zu setzen. Vielmehr durfte er darauf vertrauen, dass der Verteidiger die Mitteilung der Gerichts gemäß § 145 a Abs. 3 S. 2 StPO erhalten und danach von sich aus alles Erforderliche wegen der Rechtsbeschwerdebegründung innerhalb der gesetzlichen Frist veranlassen, sich notfalls auch bei ihm nach dem Datum der Zustellung erkundigen werde (OLG Hamm VRS 47, 272 [273]; BayObLG NStZ-RR 2000, 110 = DAR 2000, 78 L. = VRS 98, 195 = StV 2000, 407 = NZV 2000, 380; BayObLGSt 1981, 193 [194] = VRS 62, 197 = MDR 1982, 774; BayObLGSt 1975, 150 [152] = JZ 1976, 185 = VRS 50, 292 [294]; SenE v. 12.09.2000 - Ss 345/00 Z - = VRS 100, 186 [187]; SenE v. 24.11.2000 - Ss 342/00 Z -).
17Die Fristüberschreitung beruht im vorliegenden Fall ersichtlich darauf, dass der Fristberechnung des Verteidigers ohne weiteres der Eingang des Urteils bei ihm (13. Juli 2001) zugrunde gelegt und versäumt worden ist, das Datum der Zustellung an den Betroffenen festzustellen.
182.
19Der danach zulässige Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
20Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde zugelassen werden, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Nr. 1) oder wenn die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2). Beträgt - wie im vorliegenden Fall - die festgesetzte Geldbuße nicht mehr als 200,00 DM und ist auch im Bußgeldbescheid keine Geldbuße von mehr als 300,00 DM festgesetzt worden, so ist die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde durch § 80 Abs. 2 OWiG noch weiter, nämlich in der Weise eingeschränkt, dass in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur noch die Notwendigkeit einer Rechtsfortbildung bezogen auf das sachliche Recht die Zulassung rechtfertigt.
21Beide Voraussetzungen, die danach die Zulassung der Rechtsbeschwerde ermöglichen, liegen hier nicht vor.
22Eine Versagung des rechtlichen Gehörs ist weder dargetan noch sonst erkennbar.
23Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus auch keine Veranlassung, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. BGH VRS 40, 134 [137]). Zulassungsbedürftige Fragen in dieser Hinsicht wirft die Sache nicht auf.
24In den Urteilsgründen wird ausgeführt, mit dem Radarmeßgerät der Marke N2 sei eine Geschwindigkeit von 129 km/h gemessen worden; abzüglich 4 km/h Toleranz habe die Geschwindigkeit des Betroffenen 125 km/h betragen. Der Betroffene habe erklärt, es treffe zu, dass er die ihm vorgeworfene zu hohe Geschwindigkeit gefahren sei. Der Zeuge K habe ausgesagt, dass er die Messung ordnungsgemäß durchgeführt habe; er habe das Radargerät (Marke N auf einem Stativ aufgebaut und parallel zur Fahrbahn ausgerichtet, eine Nullmessung gemacht, eine Anfangssequenz durchgemessen, zwei Testfotos gemacht und alle bedienerseits erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Er könne ausschließen, dass zwei Fahrzeuge gleichzeitig von dem Radarstrahl erfasst würden. Vorliegend könne man sehr gut erkennen, dass auf dem Foto einzig und allein das Taxi des Betroffenen erfasst sei. Irgendwelche sonstigen Anhaltspunkte für eine Fehlmessung ergäben sich nicht.
25Die mit dem Zulassungsantrag angeführte Rechtsprechung zu den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Beweiswürdigung in den Urteilsgründen betrifft das Strafverfahren und ist auf das Bußgeldverfahren für Fälle der vorliegenden Art nicht zu übertragen. Bezüglich der Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung gelten vielmehr nach höchsrichterlicher Rechtsprechung besondere Grundsätze, die auf der Grundlage des vorliegenden Falles keiner Ergänzung bedürfen.
26Erfolgt die Geschwindigkeitsmessung in einem standardisierten anerkannten Messverfahren, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler gegeben sind, dann reicht es aus, in den Urteilsgründen das angewandte Messverfahren, den Messwert und den vorgenommenen Toleranzabzug mitzuteilen (BGHSt 39, 297 [300 f.] = NJW 1993, 3081 = NStZ 1993, 592 = NZV 1993, 485; OLG Hamm DAR 2000, 129 = VRS 98, 305 [306] = NZV 2000, 264; OLG Hamm NJW 2001, 1876 [1877] = NZV 2001, 178 [179] = DAR 2001, 283 = VRS 100, 372 [374]; OLG Rostock DAR 2001, 421 f.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 3 StVO Rdnr. 56b m. w. Nachw.). Zweifel an der Funktionstüchtigkeit und der sachgerechten Handhabung von Geschwindigkeitsmessgeräten, deren tatsächliche Grundlagen in den Urteilsfeststellungen keinen Niederschlag gefunden haben, können im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht aufgrund einer Sachüge berücksichtigt werden (SenE v. 30.07.1999 - Ss 343/99 B - = DAR 1999, 516 = NZV 2000, 97 [98] = VRS 97, 442 [445]). Unter dem Begriff "standardisiertes Meßverfahren" ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (OLG Saarbrücken NZV 1996, 207; OLG Hamm VRS 97, 144 = DAR 1999, 566 L.; vgl. a. BGHSt 43, 277, 284 = NJW 1998, 321 = VRS 94, 341 = DAR 1998, 110; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 374 = NZV 2000, 92; SenE v. 12.07.1999 - Ss 285/99 (Z) -). Dazu gehören auch Radarmessung mit dem - hier verwendeten - Gerät N2 (OLG Hamm VRS 100, 468).
27Gesteht der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft ein, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein, so bedarf es nicht einmal der Angabe des Meßverfahrens und der Toleranzwerte (BGHSt 39, 291 [303] = NJW 1993, 3081 [3084] = VRS 86, 287; SenE v. 13.08.1999 - Ss 363/99 B -). Das gilt auch für Fälle fahrlässige Begehung (SenE v. 13.08.1999 - Ss 363/99 B - m. w. Nachw.).
28Davon ausgehend ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils entgegen der Auffassung des Verteidigers nicht "völlig unakzeptabel", sondern mehr als ausreichend.
293.
30Die Kostenentscheidung beruht bezüglich der Wiedereinsetzung auf §§ 473 Abs. 7, 46 Abs. 1 OWiG und für das Rechtsmittelverfahren auf §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.
31Schröders |