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T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist der Ehemann der vor Klageerhebung an einer Krebserkrankung verstorbenen Frau Bolz und macht aus eigenem und abgetretenem Recht Ansprüche im Hinblick auf die Behandlung seiner Ehefrau im Rahmen ihrer Krebserkrankung seit 1993 in der Klinik der Beklagten zu 2) geltend.
3Die am 05.11.1995 verstorbene Ehefrau des Klägers, die einen Monat vor ihrem Tod noch im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens vernommen worden war, befand sich seit Beginn der 90-iger Jahre beim Streithelfer in allgemeinärztlicher Behandlung; dieser unterhielt eine Gemeinschaftspraxis mit dem Arzt Dr. G.. Da die Ehefrau des Klägers über chronische Rückenschmerzen klagte, überwies Dr. G. sie am 13.12.1993 an die Frauenärztin Dr. S.. Diese untersuchte die Ehefrau des Klägers am 16.12.1993 und äußerte aufgrund dieser Untersuchung den Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs, welchen Verdacht sie histologisch abklären ließ, wobei dieser sich bestätigte. Die Zeugin Dr. S. empfahl der Ehefrau des Klägers die Aufnahme einer alsbaldigen stationären Behandlung. Die Zeugin beschrieb die Parametrien, d.h. den Bindegewebshalteapparat der Gebärmutter, als glatt und empfahl in einem Arztbrief an den Streithelfer die Durchführung einer operativen Behandlung nach Wertheim-Meigs. Die histologische Untersuchung hatte im Hinblick auf die von der Zeugin Dr. S. festgestellte Geschwulst ein verhorntes Plattenepithelkarzinom mit guter bis mäßiger Differenzierung ergeben.
4In der letzten Dezemberwoche 1993 begab sich die Ehefrau des Klägers in die Frauenklinik der Beklagten zu 2), deren damaliger Leiter, der zwischenzeitlich emeritierte Beklagte zu 1) war. Dieser ordnete aufgrund einer von ihm selbst durchgeführten Untersuchung eine kombinierte Strahlenbehandlung an, wobei er, anders als die Gynäkologin Dr. S., die Tumorausdehnung als einer Operation nicht zugänglich wertete.
5Die Strahlentherapie wurde nachfolgend in der Zeit von Mitte Januar bis Ende März 1994 in der Strahlenklinik der Beklagten zu 2) durchgeführt. Anschließend begab sich die Ehefrau des Klägers zur Nachsorge in die Behandlung des Frauenarztes Dr. S.; bei im April und Juli 1994 durchgeführten Untersuchungen fand dieser ausweislich deren Dokumentation keinen Hinweis für ein Fortschreiten oder einen Rückfall der Erkrankung.
6Anlässlich eines Kuraufenthaltes der Ehefrau des Klägers im August 1994 wurde erstmals der Verdacht auf einen erneut aufgetretenen Tumor geäußert; das vermutete Tumorrezidiv konnte im Oktober 1994 histologisch als Plattenepithelkarzinom nachgewiesen werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Tumor mit der Beckenwand so eng verbunden, dass eine Operation ausschied und deshalb eine Chemotherapie eingeleitet wurde, um so nach Verkleinerung doch noch eine operative Intervention und Entfernung des Tumors zu ermöglichen. Die Chemotherapie zeigte jedoch im Ergebnis nicht den erwarteten Erfolg, so dass es zu einer Ausweitung des Tumors kam; mehrere stationäre Behandlungen u.a. wegen Fisteln pp. schlossen sich an; im November 1995 verstarb die Ehefrau des Klägers.
7Der Kläger hat vorgetragen, nach den Befunden der Gynäkologin Dr. S. sei eine Operation indiziert gewesen, die auch gute Erfolgsaussichten gehabt hätte. Diese Notwendigkeit einer operativen Intervention habe der Beklagte zu 1) als damaliger Leiter der Frauenklinik verkannt, desgleichen die mit der Strahlentherapie befassten Ärzte der Beklagten zu 2); die primäre Durchführung einer Strahlentherapie sei nicht angezeigt gewesen und habe spätere Operationsmöglichkeiten verbaut. Die Strahlenbehandlung habe zu Verbrennungen geführt, die nach dem Wiederauftreten des Tumors eine operative Entfernung des Rezidivs unmöglich gemacht hätten.
8Insoweit habe es auch an einer ausreichenden Aufklärung über die alternativen Behandlungsmöglichkeiten, hier also die Durchführung einer operativen Intervention, gefehlt. Außerdem sei schuldhaft versäumt worden, eine ausreichende Nachsorge der Patientin im Anschluss an die Strahlentherapie sicherzustellen.
9Den ihm bzw. seiner verstorbenen Frau erwachsenen materiellen Schaden in Höhe von insgesamt 15.990,-- DM hat der Kläger dahingehend spezifiziert, dass es sich insoweit um Aufwendungen für einen Heilpraktiker, die Fahrtkosten zu verschiedenen Therapieeinrichtungen sowie die Beerdigungskosten handele. Außerdem hat er eine angemessene Unterhaltsentschädigung in Höhe von 560,-- DM monatlich geltend gemacht sowie ferner ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von mindestens 50.000,-- DM.
10Der Kläger hat demzufolge beantragt,
11die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn
121.
1315.990,-- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie
142.
15ein angemessenes Schmerzensgeld nach dem Ermessen des Gerichts (Größenordnung mindestens 50.000,-- DM) nebst 4 % Zinsen von 25.000,-- DM seit dem 26.07.1995 und von dem Restbetrag seit Rechtshängigkeit sowie
163.
17zum jeweils 1. eines jeden Monats eine Unterhaltsentschädigung zu zahlen, und zwar in Höhe von insgesamt 6.720,-- DM für die Zeit vom 01.07.1994 bis zum 30.06.1995 sowie seit dem 01.07.1995 bis zum 12.07.2014 in Höhe von monatlich 560,-- DM, jeweils zuzüglich 5 % Zinsen hieraus monatlich seit dem 01.07.1995,
18zu zahlen.
19Die Beklagten haben beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie haben die Richtigkeit des Klagevorbringens in Abrede gestellt und vorgetragen, der Beklagten zu 1) sei nicht passiv legitimiert, weil er sich auf das Verweisungsprivileg gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen könne.
22Im übrigen habe kein Behandlungsfehler vorgelegen; die Untersuchung am 27.12.1993 habe ein fortgeschrittenes Cervix-Karzinom mit Übergang auf die Parametrien bis zur Beckenwand sowie bis auf die Scheide ergeben. Bei der Untersuchung sei das Karzinom aufgebrochen, so dass es zu einer heftigen Blutung gekommen sei. Es habe sich nach allem um einen Tumor der Kategorie T 2 B bis T 3 gehandelt, der nach ärztlichem Standard nicht mehr primär zu operieren gewesen sei; eine Operation hätte das Risiko eines unkontrollierten Abganges von Tumorzellen in die Blutbahn zur Folge gehabt mit der Folge einer Ausbreitung von Metastasen in andere Körperbereiche. Deshalb sei nur eine primäre Strahlentherapie in Betracht gekommen; auch die Strahlentherapie sei standardgemäß durchgeführt worden ebenso wie die Nachsorge.
23Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat vorgetragen, zwischen der Entstehung des Plattenepithelkarzinoms und der durch ihn früher erfolgten Hormongabe in Form des Präparates Presomen bestehe kein Zusammenhang. Außerdem sei die Patientin auch mit ihrer Erkrankung zu sorglos umgegangen und habe z.B. einen ersten Nachsorgetermin bei dem Gynäkologen Dr. S. nicht wahrgenommen.
24Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung der Zeugin Dr. S. hat das Landgericht durch Urteil vom 14.02.2001, auf welches wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, eine Haftung des Beklagten zu 1) scheide schon aus rechtlichen Gründen aus. Aber auch eine Haftung der Beklagten zu 2) komme nicht in Betracht, weil Behandlungsfehler nicht festzustellen seien. Nach den Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. S. sei nach dem Stadium des im Dezember 1993 diagnostizierten Cervix-Karzinoms eine Operation nicht mehr in Betracht gekommen, sondern nur noch die Strahlentherapie das Mittel der Wahl gewesen. Die Diagnose und Einordnung des Tumors durch den Beklagten zu 1) nach Maßgabe des Überweisungsscheins an die Strahlentherapie sei zutreffend und habe Veranlassung zur Anordnung einer Strahlentherapie gegeben, wobei dies auch nicht durch die Aussage der fachlich ersichtlich nicht ausreichend qualifizierten Zeugin Dr. S. widerlegt werde. Die Strahlentherapie sei auch situationsadäquat durchgeführt worden und lasse keine Fehler erkennen. Die Durchführung der Nachsorge durch einen niedergelassenen Frauenarzt sei ebenfalls standardgerecht und in sachgerechter Weise erfolgt. Eine Nachbehandlung in der Klinik der Beklagten zu 2) sei nicht zwingend geboten gewesen.
25Gegen dieses dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.02.2001 zugestellte Urteil hat dieser am 19.03.2001 Berufung eingelegt und die Berufung am 21.06.2001, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zu diesem Tag, begründet. Die ursprünglich uneingeschränkt hinsichtlich beider Beklagten eingelegte Berufung hat der Kläger mit seiner Berufungsbegründung hinsichtlich des ursprünglichen Beklagten zu 1) zurückgenommen; er verfolgt seine Berufung demzufolge nur noch hinsichtlich der ursprünglichen Beklagten zu 2).
26Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht zur Begründung seiner Berufung ferner geltend:
271)
28Die zur Strahlentherapie führende Diagnose des Beklagten zu 1) sei unzutreffend gewesen; da insoweit keinerlei Befundunterlagen hinsichtlich der ersten Untersuchung seiner verstorbenen Ehefrau in der Klinik der RWTH Aachen vorlägen, müsse von der Richtigkeit der Feststellungen der niedergelassenen Frauenärztin Dr. S. ausgegangen werden. Hiernach könne aber nicht von einer Klassifikation des Tumors in das Stadium T II B oder T III mit Befall eines Parametriums ausgegangen werden; vielmehr habe sich der Tumor ersichtlich in einem Stadium befunden, in welchem er noch einer Operation zugänglich gewesen wäre;
292)
30demzufolge hätte der Tumor auch zunächst operiert werden müssen. Da die Dokumentation fehle, gehe dies zu Lasten der Beklagten, weil insoweit Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten eingriffen. Diese Beweiserleichterung habe zur Folge, dass zu seinen Gunsten davon auszugehen sei, dass Ende 1993 ein operabler Tumor vorgelegen habe.
313)
32Jedenfalls hätte der ursprüngliche Beklagte zu 1) als Chefarzt seine Ehefrau über die vorhandenen Möglichkeiten einer Operation einerseits und die Alternative einer Strahlentherapie andererseits aufklären müssen, was tatsächlich nicht erfolgt sei, wie seine verstorbene Ehefrau einen Monat vor ihrem Tod im selbständigen Beweisverfahren ausgesagt habe. Hierbei habe der Chefarzt das Ausmaß des Tumors bagatellisiert und darauf hingewiesen, es reiche eine Bestrahlungsbehandlung aus. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte seine Ehefrau sich für eine Operation entschieden, die auch mit gutem Erfolg hätte durchgeführt werden können und eine weitere Ausbreitung des Tumors verhindert hätte.
334)
34Ein weiterer schwerwiegender Behandlungsfehler liege darin, dass im Hinblick auf die Nachsorge der verstorbenen Ehefrau des Klägers jegliche Aufklärung (Sicherheitsaufklärung) unterlassen worden sei. Seine Ehefrau sei in keiner Weise über Art und Umfang der einzuhaltenden Nachsorgemaßnahmen unterrichtet worden. Die Aufklärung habe sich nach Abschluss der Strahlentherapie vielmehr in dem Hinweis erschöpft, die verstorbene Ehefrau solle sich einen Frauenarzt suchen, der sie dann weiter betreuen werde. Der die Nachsorge durchführende Frauenarzt Dr. S. habe auch keine ausreichenden Behandlungsunterlagen und auch keinen ausführlichen Arztbrief erhalten, weshalb er eine adäquate Nachsorge überhaupt nicht habe durchführen können.
35Das bei seiner verstorbenen Ehefrau sich später bildende Rezidiven nicht rechtzeitig erkannt worden, dies beruhe sowohl auf der gänzlich fehlenden Sicherheitsaufklärung als auch auf der unzureichenden Information eines für die Durchführung der Nachsorge zuständigen Frauenarztes. Es sei schon fehlerhaft gewesen, die Nachsorge überhaupt einem niedergelassenen Arzt zu überlassen. Tatsächlich hätte eine Nachsorge im Klinikum stattfinden müssen. Auch sei ein stationäres Anschlussheilverfahren empfehlenswert gewesen, welches ebenfalls regelmäßig im Klinikum der Beklagten zu 2) durchgeführt werde.
36Der Kläger beantragt,
37unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu 2) nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen des Klägers zu verurteilen.
38Die Beklagte zu 2) beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen,
40ihr zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volks- oder Raiffeisenbank zu leisten.
41Der Streithelfer Dr. F. schließt sich dem Antrag der Beklagten zu 2) auf
42Zurückweisung der Berufung an.
43Beklagter und Streithelfer wiederholen ebenfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen ergänzend geltend, das landgerichtliche Urteil sei zutreffend; sowohl die Behandlung als auch die Nachsorge und die Aufklärung seien sachgerecht erfolgt. Dies werde auch durch die Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen bestätigt. Eine Operation sei als echte Behandlungsalternative von vornherein ausgeschieden. Dies habe sowohl der erstinstanzliche Gutachter als auch die Gutachter im Strafverfahren festgestellt. Demzufolge habe auch keine Aufklärung über eine alternative operative Behandlung erfolgen müssen; nur die Strahlenbehandlung sei angesichts des Stadiums des Tumors noch als Behandlungsmöglichkeit in Betracht gekommen. Die Nachsorge sei ebenfalls sachgerecht durchgeführt worden. Tatsächlich habe sich der Tumor schicksalhaft weiter ausgebreitet, was so oder so unvermeidbar gewesen sei.
44Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
45E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
46Die zulässige Berufung des Klägers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
47Das Landgericht hat Ansprüche des Klägers aus eigenem oder abgetretenem Recht wegen der Behandlung seiner Ehefrau in der Klinik der Beklagten zu 2) mit zutreffender Begründung zu Recht verneint. Auch der Senat verneint vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme Behandlungsfehler.
481)
49Im Hinblick auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen ist auch der Senat davon überzeugt, dass der bei der Ehefrau des Klägers Ende 1993 diagnostizierte Cervix-Tumor einem operativen Eingriff nicht zugänglich war, sondern insoweit lediglich eine Strahlentherapie in Betracht gezogen werden konnte.
50Insoweit geht der Kläger zu Unrecht davon aus, es lägen hinsichtlich des Stadiums, also des Umfangs und der Beschaffenheit des Tumors und der sich hieraus ergebenden Behandlungsnotwendigkeit überhaupt keine aussagekräftigen Unterlagen vor. Bei diesem Vorbringen berücksichtigt er nicht den Umstand, dass eine Kopie des Überweisungsscheins der Frauenklinik an die Strahlenklinik mit Datum vom 28.12.1993 vorliegt, dessen Richtigkeit vom Kläger nicht einmal substantiiert bestritten wird.
51In diesem Überweisungsschein heißt es unmissverständlich:
52"Cervix-Plattenepithel CA,
53linkes Parametrium infiltriert bis Beckenwand, rechtsfrei
54hinteres Scheidengewölbe ulceriert".
55Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich noch auch vom Kläger behauptet, dass diese Unterlage, datierend vom 28.12.1993, etwa nachträglich erstellt oder in irgend einer Weise nachträglich verändert bzw. verfälscht worden ist. Auch nach dem Gesamtbild ist insbesondere die Angabe "linkes Parametrium infiltriert bis Beckenwand" im laufenden Text zu finden und nicht etwa nachträglich eingefügt.
56Die Richtigkeit dieser damaligen Diagnose wird auch nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. insoweit erhärtet, als entgegen der Ansicht der niedergelassenen Frauenärztin, der Zeugin Dr. S., angesichts der von ihr selbst angenommenen Tumorgröße von 4,4 cm es gänzlich unwahrscheinlich gewesen wäre, dass der Tumor noch nicht auf Nachbarstrukturen übergegriffen hätte. Der Sachverständige hat hierzu bei seiner mündlichen eingehenden Anhörung u.a. ausgeführt: "Wenn die niedergelassene Frauenärztin bei der Ultraschalluntersuchung die Größe des Tumors mit 4,4 cm angegeben hat, so ist bei Vorliegen einer solchen Geschwulst in diesem Bereich die Chance, dass er noch nicht in die übrigen Bereiche übergegriffen hat, 1 : 10.000. Es mag auch 1 : 1.000 sein, jedenfalls dürfte es ein sehr seltenes Ereignis sein, dass bei einem solchen großen Tumor dieser noch nicht in benachbarte Bereiche sich ausgebreitet hat". Zusätzlich hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach Maßgabe der vorliegenden Unterlagen der Krebs sich bereits über den Gebärmutterhals in den Scheidenbereich hinein ausgebreitet hatte, was ein weiterer Beweis für die richtige Einordnung in das Stadium II B sei, wofür ferner auch der "furchtbare weitere Krankheitsverlauf" bei der verstorbenen Frau B. spreche; es sei nämlich bei ihr "gerade an der Beckenwand weitergegangen".
57Zusätzlich hat der Sachverständige insoweit darauf hingewiesen, dass das von dem ursprünglichen Beklagten zu 1) festgelegte Stadium T 2 B auch bei den weiteren Untersuchungen und Behandlungen insbesondere auch in der Strahlenklinik zugrunde gelegt worden sei, was für die Richtigkeit der Einordnung ebenfalls spreche.
58Nach allem ist festzustellen, dass angesichts des Überweisungsscheins und vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen in der Tat davon auszugehen ist, dass das Stadium T 2 mit Ausbreitung in Nachbarbereiche bis zur Beckenwand hin vorgelegen hat. Bei einer solchen Ausdehnung und Größe des Tumors war aber nach den wiederholten schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen, die den Senat in jeder Hinsicht überzeugen und vom Kläger auch nicht substantiiert angegriffen worden sind, der Sache nach - nur - die Bestrahlungstherapie die Behandlung der Wahl, wohingegen eine Operation hier nicht - mehr - indiziert oder aussichtsreich war, sondern eine Operation sogar die Gefahr eines Ausstreuens von Tumorzellen zur Folge gehabt und außerdem in jedem Fall - bei nicht größerer Erfolgsaussicht - eine Strahlenbehandlung zusätzlich erforderlich gemacht hätte.
59Vor diesem Hintergrund ist den weiteren Feststellungen des Sachverständigen zu folgen, dass nur die Strahlentherapie als Behandlungsmaßnahme indiziert war und demzufolge die Entscheidung zu deren Durchführung fachlich richtig gewählt war.
60Danach ist auch für Beweiserleichterungen wegen des Abhandenkommens von Originalbehandlungsunterlagen über die Untersuchung vom 28.12.93 kein Raum.
612)
62Zusätzlich ergibt sich aus den vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen, dass der ursprüngliche Beklagte zu 1) nicht etwa gehalten war, die Ehefrau des Klägers - auch - über die Möglichkeit einer operativen Entfernung des Tumors hinzuweisen, um ihr eine Wahl zwischen den beiden Behandlungsmöglichkeiten zu ermöglichen; tatsächlich gab es gerade keine solche Alternative, sondern vielmehr nur die Möglichkeit einer Bestrahlung angesichts des konkreten Tumorstadiums. Dem ist auch vor dem Hintergrund des Berufungsvorbringens des Klägers nichts hinzuzufügen. Wenn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen eine operative Intervention vorliegend nicht in Betracht kam und auf keinen Fall sachgerecht gewesen wäre, brauchte der Beklagte zu 1) die Ehefrau des Klägers auf eine solche, tatsächlich nicht existierende, Alternative auch nicht hinzuweisen.
633)
64Die Art der Durchführung der Bestrahlung und die hierbei gewählte Strahlendosis waren nach den Feststellungen des erstinstanzlich hinzugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. S. ebenfalls nicht zu beanstanden, und der Kläger beanstandet diese in zweiter Instanz ersichtlich auch nicht mehr als fehlerhaft. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat sich hierzu in Verbindung mit dem weiteren Sachverständigen für Strahlenkunde Prof. Dr. S. überaus eindeutig dahingehend geäußert, dass die Bestrahlung richtig durchgeführt worden ist und dass insbesondere die jeweilige Bestrahlungsdosis keineswegs zu stark, sondern sehr vorsichtig gewählt worden ist und auch nicht etwa irgend welche Folgeschäden ausgelöst hat, sondern die gesamte fatale Entwicklung ausschließlich Folge der originären Tumorerkrankung war.
654)
66Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der nach seiner Meinung gebotenen Nachsorge und der diesbezüglichen Sicherungsaufklärung erscheint schon nicht ausreichend substantiiert; es ist nämlich nicht recht verständlich, was er insoweit eigentlich beanstanden will. Unstreitig ist die Ehefrau des Klägers tatsächlich auf die Notwendigkeit einer Nachsorge hingewiesen worden; ebenfalls unstreitig ist auch umgehend Dr. S. als niedergelassener Frauenarzt hierfür ausgesucht worden und hat dieser umgehend mit der Ehefrau des Klägers einen ersten Nachsorgetermin vereinbart, dies unmittelbar nach Abschluss der Strahlenbehandlung; allerdings hat die Ehefrau des Klägers diesen Termin aus nicht bekannten Gründen überhaupt nicht wahrgenommen; insoweit ist allerdings ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass für die Sorgfalt der Nachsorge durch Dr. S. bereits der Umstand spricht, dass dieser hinter ihr "hergeforscht" hat, als sie den ersten Termin nicht wahrnahm und sie dann nachfolgend zur Wahrnehmung von Nachsorgeterminen von sich aus aufgefordert
67hat.
68Es ist auch in keiner Weise ersichtlich noch auch vom Kläger substantiiert dargetan, dass Dr. S. als niedergelassener Gynäkologe nicht in der Lage gewesen wäre, eine solche Krebsnachsorge adäquat und sachgerecht durchzuführen. Selbst wenn er nicht alle Behandlungsunterlagen in Bezug auf die vorausgegangene Strahlenbehandlung gehabt haben mag, wusste er aufgrund des Kurzbriefes des Klinikums jedoch, welche Tumorart bei der Ehefrau des Klägers vorgelegen hatte und was insoweit als Strahlentherapie durchgeführt worden war. Die Nachsorge bestand demzufolge nur in der regelmäßigen Überprüfung, ob entweder der Ausgangstumor doch weiter gewachsen war oder aber ob sich eventuell Metastasen gebildet hatten und weitere Behandlungsmaßnahmen erforderlich waren.
69Der Umstand, dass Dr. S. bei zwei Nachsorgeterminen keine pathologischen Feststellungen hat treffen können, zeigt - worauf auch der Sachverständige ausdrücklich hingewiesen hat -, dass die Strahlenbehandlung ersichtlich zunächst zum weitestgehenden Untergang des Ausgangstumors geführt hatte, dann allerdings nach mehreren Monaten entweder der Ausgangstumor doch weiter gewachsen ist oder aber sich an der nämlichen Stelle ein Rezidiv gebildet hat. Es ist nicht erkennbar, was hierbei in der Nachsorge unzulänglich oder gar fehlerhaft gewesen sein soll. Tatsächlich hat der die Nachsorge durchführende Gynäkologe Dr. S. die Ehefrau des Klägers untersucht und nichts festgestellt, wobei nichts dafür spricht, dass er etwa fehlerhafterweise nichts festgestellt hat.
70Erst anlässlich der Kur-Rehabilitationsmaßnahme hat man aufgrund konkreter Symptome eine Fistel und eine Verschlimmerung des Tumorleidens vermutet und weitere Abklärung veranlasst.
71Die Angabe die Klägers, der Tumor habe wegen fehlerhafter Nachsorge "in Ruhe weiterwachsen können", stellt eine reine Vermutung ins Blaue hinein dar und wird durch keinerlei konkrete Anhaltspunkte verifizierbar gemacht. Unzutreffend ist auch die Behauptung des Klägers, ein Tumor pflege nur ganz langsam über längere Zeit hinweg zu wachsen, woraus zu schließen sei, dass angesichts des alsbaldigen Weiterwachsens des Gebärmutterhalskrebses die Ausgangsbehandlung und die Nachfolge nicht sachgerecht durchgeführt worden seien. Tatsächlich ist dem Senat aus einer Vielzahl von Gutachten in vergleichbaren Fällen bekannt und stellt inzwischen sogar in Laienkreisen Allgemeinwissen dar, dass Tumor keineswegs gleich Tumor ist, sondern es vielmehr schnellwachsende Tumore gibt ebenso wie auch ganz langsam wachsende. Rückschlüsse, wie der Kläger sie ziehen möchte, sind demzufolge unzutreffend, so dass ihnen auch nicht weiter nachgegangen werden müsste. Im übrigen kommt es hierauf letztlich auch nicht an, weil der Beklagten in Bezug auf die Nachsorge keine Fehlbehandlung anzulasten ist.
72Insgesamt besteht vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens kein weiterer Aufklärungsbedarf; vielmehr ist auf der Grundlage der vorliegenden Behandlungsunterlagen und Begutachtungen die Berufung zurückzuweisen, wobei insoweit im übrigen ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, dies insbesondere was die Auswertung der erstinstanzlichen Feststellungen der Sachverständigen anbetrifft, Bezug genommen werden kann.
73Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Unterhaltsanspruch auch aus anderen Gründen nicht durchdringen könnte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen zum hypothetischen Verlauf der Tumorerkrankung vor dem Hintergrund der bei der Erstuntersuchung bereits festgestellten Größe des Tumors und der hiermit verbundenen Behandlungsmöglichkeiten spricht alles dagegen, dass die Ehefrau des Klägers überhaupt noch einmal dergestalt hätte geheilt werden können, dass sie ins Berufsleben hätte zurückkehren können. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es jedoch nicht, da der Schadensersatzanspruch daran scheiterte, dass keine fehlerhafte Behandlung bzw. kein Aufklärungsversagen festzustellen ist.
74Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 ZPO.
75Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.
76Berufungsstreitwert und Wert der Beschwer des Klägers: 113.590,-- DM (siehe so schon Senatsbeschluss vom 13.07.2001)