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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.12.2000 (7 O 364/00) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 12.500.- abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
2Der Vater der Klägerin hatte einen Lebensversicherungsvertrag und zwei Aussteuerversicherungsverträge mit der Beklagten abgeschlossen. Widerruflich bezugsberechtigt bezüglich der Forderungen aus diesen Versicherungen waren die Klägerin und ihre Schwester. Die Summe aus der Lebensversicherung sollte zahlbar sein zum 1.12.2001, die Summen aus den Aussteuerversicherungen bei Heirat, spätestens aber am 1.3.2002.
3Anlässlich einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt G. erhebliche Steuerforderungen (im wesentlichen rückständige Einkommensteuer für die Jahre 1993 bis 1995) gegen den Vater der Klägerin fest. Es ordnete daher durch Verfügung vom 14.4.1998 wegen einer Forderung von 503.106,24 DM den dinglichen Arrest in das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Vaters der Klägerin an. Aufgrund dieses Arrestes pfändete es mit Verfügung vom 15.4.1998 die Forderungen des Vaters der Klägerin aus den Versicherungsverträgen mit der Beklagten. Durch Änderungsbescheid vom 25.11.1998 setzte es die Einkommens-, Umsatz- und Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag für die Jahre 1992 bis 1995 neu fest. Mit Verfügung vom 22.2.1999 ordnete es die Einziehung der mit Pfändungsverfügung vom 15.4.1998 gepfändeten Ansprüche an und bat die Beklagte, den Betrag der gepfändeten Forderungen bei Eintritt der Fälligkeit an das Finanzamt Gummersbach zu zahlen.
4Am 23.4.1999 starb der Vater der Klägerin überraschend im Alter von 48 Jahren. Die Klägerin und ihre Schwester schlugen das Erbe aus.
5Mit Schreiben vom 22.6.1999 forderte das Finanzamt G. die Beklagte auf, die Auszahlung der Versicherungen zu veranlassen. Darauf überwies die Beklagte einen Betrag von 161.902,70 DM im Hinblick auf die Lebensversicherung und Beträge von 41.399,70 DM und 37.927,10 DM im Hinblick auf die Aussteuerversicherungen, die zum Stichtag 1.7.1999 abgerechnet wurden.
6Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung der hälftigen Summe für die Lebensversicherung und die auf den Versicherungsfall abgerechnete Versicherungssumme für die höhere der beiden Aussteuerversicherungen. Sie ist sich mit ihrer Schwester einig, dass ihr diese im Innenverhältnis zustehen soll. Sie hat die Auffassung vertreten, das Finanzamt habe die Bezugsberechtigung nicht widerrufen, da weder in der Pfändungs- noch in der Einziehungsverfügung ein Widerruf des Bezugsrechtes gesehen werden könne. Auch sei die Einziehungsverfügung unwirksam, da sie nur aufgrund eines Arrestes erfolgt sei, was nicht zulässig sei.
7Sie hat beantragt,
8hilfsweise festzustellen, dass sie in die Aussteuerversicherung mit der Beklagten vom 4.3.1981 mit dem 23.4.1999 (Tod des ursprünglichen Versicherungsnehmers) als Versicherungsnehmerin eingetreten ist.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat die Ansicht vertreten, in der Einziehungsverfügung sei eine konkludente Widerrufserklärung zu sehen, die auch wirksam sei.
13Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da durch die Einziehungsverfügung das Bezugsrecht der Klägerin wirksam widerrufen worden sei. Nach Sinn und Zweck des Arrestes berechtige dieser zum Widerruf eines Bezugsrechtes. Die Einziehungsverfügung stelle auch eine konkludente Widerrufserklärung dar.
14Mit der hiergegen form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie vertieft ihre Rechtsauffassung, wonach ein Arrest kein tauglicher Titel sei, um eine Forderung einzuziehen. Die Einziehungsverfügung, die schon keine Widerrufserklärung darstelle, sei daher entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als nichtig anzusehen, da für Vollstreckungsmaßnahmen nach der Abgabenordnung die gleichen Grundsätze anwendbar seien.
15Die Klägerin beantragt,
16unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
17Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung ihrer Rechtsansichten.
21Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
23Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin hat weder aus der Lebensversicherung noch aus der Aussteuerversicherung Ansprüche gegen die Beklagte.
24Ein Leistungsanspruch der Klägerin, der hier - da die Klägerin nicht Erbin ist - nur aus ihrem Bezugsrecht nach §§ 166 Abs.2 VVG, 328, 331 BGB iVm 13 ALB (bzw. besonderen Vertragsbedingungen) resultieren könnte, besteht nicht, da das Bezugsrecht durch das Finanzamt G. vor dem Tod des Vaters der Klägerin wirksam widerrufen wurde. Nur mit Eintritt des Versicherungsfalles, also mit dem Tod des Vaters, hätte die Klägerin ein unwiderrufliches Recht auf die Leistung aus den Versicherungen erhalten, wie sich für die Lebensversicherung unmittelbar aus § 166 Abs.2 VVG, für die Aussteuerversicherung aus den vorgelegten Bedingungen ergibt, und zwar unbelastet von etwaigen Pfändungspfandrechten (RGZ 127, 269,271; Stöber, Forderungspfändung, 12. Aufl. Rn. 205).
25Das Finanzamt G. war zum Widerruf der Bezugsberechtigung berechtigt. Es hatte mit Verfügung vom 15.4.1998 die Forderungen aus den Versicherungsverträgen mit der Beklagten aufgrund des Arrestes vom 14.4.1998 gepfändet. An der Wirksamkeit der Arrestanordnung und der darauf erlassenen Pfändung bestehen - auch seitens der Klägerin - keine Zweifel. Bei einer Vollstreckung in eine Lebensversicherung, also auch in eine Aussteuerversicherung, die eine besondere Form der Lebensversicherung darstellt, erfasst die Pfändung automatisch die Gestaltungsrechte als Nebenrechte mit (BGHZ 45, 162, 165; Stöber, aaO., Rn. 194). Ein solches von der Pfändung erfasstes Gestaltungsrecht ist insbesondere das Recht zum Widerruf einer Bezugsberechtigung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vollstreckung auf der Grundlage der ZPO oder - wie hier - der Abgabenordnung erfolgt.
26Der Widerruf der Bezugsberechtigung ist auch erklärt worden, und zwar jedenfalls durch die Einziehungsverfügung vom 22.2.1999. Dass die Einziehungsverfügung dabei nicht ausdrücklich die Begriffe "Widerruf" und "Bezugsberechtigung" verwandt hat, ist ohne Bedeutung. Der vereinzelt in der Literatur zu findenden Auffassung, der vollstreckende Gläubiger müsse eine Bezugsberechtigung "ausdrücklich" widerrufen (Stöber, aaO, Rn. 206; Zöller-Stöber 22. Aufl., § 829 Rn. 33), sollte damit tatsächlich gemeint sein, dass die genannten Begriffe verwendet werden müssen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Widerruf einer Bezugsberechtigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die den allgemeinen Grundsätzen unterliegt. Entscheidend ist, dass aus Empfängersicht unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§§ 133, 157 BGB) hinreichend klar und eindeutig der Wille des Vollstreckungsgläubigers zum Ausdruck kommt, dass die Bezugsberechtigung widerrufen werden soll. Mit dieser Maßgabe bestehen auch gegen eine konkludente Widerrufserklärung keine Bedenken.
27Jedenfalls die Einziehungsverfügung vom 22.2.1999 war aus Empfängersicht eindeutig als Widerruf des Bezugsrechtes der Klägerin aufzufassen. Sie brachte unmissverständlich den Willen des Gläubigers zum Ausdruck, die Versicherungsleistung ihm zur Verfügung zu stellen ("Sie werden gebeten, den Betrag bei Eintritt der Fälligkeit zu zahlen"). Dementsprechend hatte die Beklagte als Drittschuldnerin auch keine Zweifel, dass das Bezugsrecht nicht weiter bestehen sollte. Die Forderung sollte nicht mehr lediglich gesichert (wie bei der Pfändung), sondern realisiert werden. Damit war klar, dass dem Bezugsrecht keine Bedeutung mehr zukommen konnte und sollte. Irgendein Grund, dieses Recht gleichwohl bestehen zu lassen, ist nicht ersichtlich. Es konnte allenfalls die Realisierung der Forderung erschweren oder vereiteln. Der Senat folgt insoweit der herrschenden Meinung, die in vergleichbaren Fällen Erklärungen und Maßnahmen zur Realisierung von Forderungen aus Lebensversicherungen ebenfalls eine konkludente Widerrufserklärung annimmt (so etwa BGH VersR 1993, 689, 690 für die Kündigung eines Lebensversicherungsvertrages durch einen Konkursverwalter; ihm folgend Kollhosser in Prölls/Martin, VVG 26.Aufl., § 13 ALB 86, Rn. 14; Römer/Langheid § 165 Rn.5; für die Einziehung des Rückkaufswertes vgl. OLG Hamburg VersR1952, 112; allgemein für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse Heilmann, VersR 1972, 1000; Benkel/Hirschberg 1990 § 13 ALB Rn. 16). Die entgegengesetzte Auffassung (Stöber, aaO, Rn. 205; Zöller-Stöber, § 829 Rn. 33; Prölls JW 1938, 1661), die sich auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 127, 269,271) stützt, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen, zumal sie eine Begründung vermissen lässt.
28Die Einziehungsverfügung vom 22.2.1999 war auch wirksam. Wirkungslos wäre sie als Verwaltungsakt nur, wenn sie nach § 125 AO nichtig wäre. Bloße Anfechtbarkeit würde an der Wirksamkeit und damit ihrer Durchsetzbarkeit nichts ändern. Auch auf eine fehlerhafte, aber eben nur anfechtbare, Einziehungsverfügung kann sich ein Drittschuldner berufen, denn sie gilt nach § 315 Abs.1 Satz3 AO so lange als rechtmäßig, bis sie aufgehoben ist und der Drittschuldner hiervon erfährt. Nur bei einer nichtigen Verfügung ginge grundsätzlich der Schutz des Schuldners - hier also der Klägerin - vor (vgl. BGHZ 121, 98 ff.; Zöller-Stöber § 836 Rn. 7 m.w.N.). An einem Nichtigkeitsgrund, also einem besonders schwerwiegenden Mangel, leidet die Einziehungsverfügung aber nicht. Auch die Klägerin beruft sich insoweit nur auf das vermeintliche Fehlen einer tauglichen Vollstreckungsgrundlage, weil sie meint, die Einziehungsverfügung beruhe auf der Arrestanordnung vom 14.4.1998. Diese berechtige aber nur zu einer Pfändung, also einer reinen Sicherung der Forderung, nicht aber zu einer Verwertung der Forderung, zu der die Einziehung bereits gehöre. Dass die Einziehung sich auf die Arrestanordnung stütze, folge bereits daraus, dass sie Bezug nehme auf die Pfändung vom 15.4.1998. Richtig daran ist, dass allein aufgrund eines Arrestes keine Verwertung von Forderungen erfolgen darf und dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Einziehung von Forderungen ohne Vorliegen eines Vollstreckungstitels an einem derart schwerwiegenden Mangel leidet, dass die Vollstreckungsmaßnahme als nichtig anzusehen ist (BGHZ 70, 313, 317; 103, 30, 35). Allerdings trifft es nicht zu, dass sich die Einziehungsverfügung nur auf die Arrestanordnung vom 14.4.1998 stütze. Auch die Klägerin bestreitet nicht, trägt es unter Bezugnahme auf den Aussetzungsbescheid vom 3.3.1999 und auf den Einspruchsbescheid vom 20.10.1999 vielmehr sogar selbst vor, dass es unter dem 25.11.1998 und (hier nicht interessierend, da offenbar nur Vermögenssteuer betreffend) unter dem 1.12.1999 Änderungsbescheide des Finanzamtes gegeben habe, gegen die der Vater der Klägerin Einspruch eingelegt habe. Ein Steuerbescheid ist aber ein vollstreckbarer Titel, dessen Vollziehbarkeit auch nicht durch einen Einspruch beseitigt wird (§§ 251, 361 AO). Aus ihm kann das Finanzamt vollstrecken und hat es hier ganz offensichtlich auch getan. Der Bescheid vom 25.11.1998, der sich ausweislich der Einspruchsbescheidung über Vermögens-, Umsatz- und Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag der Jahre 1992 bis 1995 verhielt, deckte sich hinsichtlich des Zeitraums und der Art der Besteuerung weitgehend mit den Forderungen, die in der Arrestanordnung vom 14.4.1998 aufgeführt waren. Da die Einziehungsverfügung auf die Pfändung vom 15.4.1998 Bezug nahm, besteht kein Zweifel daran, dass es um genau diese Schuld ging, die durch die Einziehung der Forderungen gegen die Beklagte befriedigt werden sollte. Davon geht auch die Klägerin aus. Die Möglichkeit, dass sich die Einziehung auf ganz andere, nicht titulierte Forderungen beziehen könnte, trägt sie selbst nicht vor. Diese Forderung war indes - wie gezeigt - durchaus tituliert und nicht lediglich ihre Realisierung durch einen Arrest gesichert.
29Die Klägerin kann hiergegen nicht einwenden, die Einziehungsverfügung stelle sich nur als Fortführung der auf der Grundlage des Arrestes durchgeführten Pfändung vom 15.4.1998 dar. Durch die Pfändung war zunächst ein Arrestpfandrecht entstanden, das tatsächlich allein auf der Grundlage des Arrestes nicht zur Verwertung der gepfändeten Forderungen berechtigte. Allerdings wandelt sich ein Arrestpfandrecht in dem Moment in ein normales Vollstreckungspfandrecht um, in dem der Gläubiger - hier das Finanzamt - einen vollstreckbaren Titel erlangt (BGHZ 66, 394, 397). Dies ist auch zwingend, denn anderenfalls verlöre der Gläubiger den durch die Arrestpfändung erworbenen Rang, womit das Institut des Arrestes sinnlos würde. Auch insoweit macht es keinen Unterschied, ob sich die Vollstreckung nach den Vorschriften der ZPO oder der Abgabenordnung richtet. Dass die Einziehungsverfügung vom 22.2.1999 dabei auf die Pfändung vom 15.4.1998 Bezug nahm, war zwangsläufig und richtig angesichts des Umstandes, dass es die seinerzeit gepfändeten Forderungen waren, die nunmehr eingezogen werden sollten. Es besagte hingegen nicht, dass die Vollstreckung auch weiterhin nur auf der Grundlage eines Arrestes durchgeführt werde.
30Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
31Streitwert und Beschwer: bis 130.000.- DM