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Entscheidungsgründe
2Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
3Das Landgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld mit im wesentlichen zutreffenden Erwägungen, denen sich der Senat anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 543 Abs. 1 ZPO), verneint und der Widerklage zu Recht stattgegeben. Das Berufungsvorbringen bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:
41. Soweit es die Venen-Operation am 6. Februar 1998 betrifft, fehlt es schon an einer nachvollziehbaren Darlegung, inwieweit dieser Eingriff fehlerhaft war und welcher Schaden der Klägerin daraus entstanden sein soll. Die auch insoweit befragte Sachverständige Dr. F. hat Behandlungsfehler nicht feststellen können; dagegen führt die Klägerin in der Berufungsbegründung nichts an.
5Ob die Klägerin über die Risiken des Eingriffs am 6. Februar 1998 hinreichend aufgeklärt war - was sie nunmehr offenbar in Abrede stellen will - bedarf keiner Klärung. Eine Haftung aus unzureichender Aufklärung wäre nur dann gegeben, wenn der behauptete Schaden die Folge des - mangels Einwilligung rechtswidrigen - Eingriffs wäre (vgl. BGH, NJW 1992, 754, 755). Dazu fehlt jede Darlegung. Die in einer mangelhaften Aufklärung liegende Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes eines Patienten allein rechtfertigt die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nicht (OLG Köln, Urt. v. 10. November 1999 - 5 U 162/97 -; Geiß/ Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 3. Aufl., Rdn. C 150; jeweils gegen OLG Jena, VersR 1998, 586).
62. Hinsichtlich der Operation am 22. April 1998 legt die Klägerin dem Beklagten nicht mehr zur Last, den Nervus cutaneus surae lateralis vermeidbar fehlerhaft geschädigt zu haben; dazu finden sich in der Berufungsbegründung keine Ausführungen.
7Dass bei diesem Eingriff der Nervus peronaeus geschädigt wurde, steht nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht fest. Das hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Das ergänzende Vorbringen der Klägerin im Berufungsrechtszug zwingt nicht zu einer weiteren Beweiserhebung. Die Klägerin hat die Kernaussage der Sachverständigen Dr. F. , dass eine Schädigung des Nervus peronaeus während des Eingriffs am 22. April 1998 deswegen ausgeschlossen ist, weil am 16. Juni 1998 bei einer neurologischen Untersuchung durch Dr. V. für den Nervus peronaeus eine normale Nervenleitgeschwindigkeit nachgewiesen wurde, nicht substantiiert angegriffen. Auch im Arzthaftungsprozess ist es indes - vor allem, wenn bereits eine gerichtlich in Auftrag gegebene Begutachtung vorliegt - ein Mindestmass an substantiiertem Sachvortrag erforderlich, wenn die vorliegenden gutachterlichen Äusserungen in Zweifel gezogen werden sollen. Hierzu hätte die Klägerin etwa - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - ein neurologisches Gutachten oder zumindest ein Attest eines Neurologen beibringen können, aus dem sich ergibt, dass der Nervus peronaeus in Höhe des Knies geschädigt worden ist. Stattdessen hat die Klägerin einen Arztbericht des Dr. M. vorgelegt, der jedoch nicht geeignet ist, die gutachterlichen Feststellungen der Sachverständigen Dr. F. in Frage zu stellen. Dem Bericht des Dr. M. ist auch nicht ansatzweise zu entnehmen, dieser habe - wie es die Klägerin behauptet -aufgrund eigener Untersuchungen festgestellt, die Schädigung des Nervus peronaeus sei auf den Eingriff des Beklagten am 22. April 1998 zurückzuführen. Seine Feststellungen beruhen augenscheinlich alleine auf den Angaben der Klägerin, wie schon die Anamnesedarstellung vermuten lässt. Sie erschöpfen sich in der Bemerkung, es liege eine komplette Peronaeusparese "bei Zustand nach Bakerzystenentfernung" vor. Daraus lässt sich nicht schliessen, Dr. M. habe konkrete Feststellungen dazu getroffen, dass die Peronaeusparese die Folge eines behandlungsfehlerhaften Vorgehens des Beklagten bei dem Eingriff am 22. April 1998 (der keine Bakerzystenentfernung zum Gegenstand hatte) ist; es handelt sich vielmehr ersichtlich nur um eine aktuelle Zustandsbeschreibung auf der Grundlage der Angaben der Klägerin. Auch lässt der Arztbericht nicht erkennen, dass Dr. M. - wie es die Klägerin behauptet - andere Ursachen (insbesondere der LWS) für die Parese positiv ausgeschlossen hat. Dazu fehlt jede Dokumentation.
8Soweit die Klägerin gegen die Feststellung der Sachverständigen Dr. F. zum Ergebnis der neurologischen Untersuchung am 16. Juni 1998 einwendet, der Beklagte selbst habe als dessen Resultat eine Schädigung des Nervus peronaeus in den Krankenunterlagen vermerkt, geht dies schon deswegen fehl, weil insoweit alleine die von Dr. V. gestellte Diagnose massgebend sein kann; diese lautet in seinem dem Beklagten übermittelten Kurzbericht: "Läsion d. N. cutanaeus surae lateralis rechts". Im übrigen ist die Eintragung des Beklagten in die Krankenakte ("Läsion des sensiblen Anteils des nervus peronaeus rechts") durchaus zutreffend, denn der Nervus cutanaeus ist ein Ast des Nervus peronaeus.
9Die Klägerin kann der Sachverständigen Dr. F. auch nicht zum Vorwurf machen, sie nicht persönlich untersucht zu haben. Der jetzige Zustand der Klägerin war für die Beantwortung der an die Sachverständige gerichteten Fragen nicht von entscheidender Bedeutung. Die Klägerin mag nunmehr eine Peronaeusparese haben. Zu klären war jedoch nur, ob eine solche Schädigung auf den operativen Eingriff des Beklagten zurückzuführen ist. Dazu bedurfte es keiner Untersuchung der Klägerin.
10Die Grundsätze des Anscheinsbeweises greifen zugunsten der Klägerin nicht ein. Zwar sind Beweiserleichterungen denkbar, wenn die Schädigung eines Patienten nach der Lebenserfahrung auf einen Behandlungsfehler hindeutet (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl., Rdn. 495). Dazu reichen die von der Klägerin vorgetragenen Umstände (Beschwerdefreiheit vor dem Eingriff; Beschwerden unmittelbar nach dem Eingriff; Attestierung einer Peronaeusparese nach dem Eingriff) nicht aus, weil diese keinen zwingenden Rückschluss darauf zulassen, dass der Beklagte die Klägerin fehlerhaft behandelt hat. Denn nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. F. können auch die in den Krankenunterlagen der Klägerin dokumentierten Veränderungen der LWS zu den jetzt bestehenden Beeinträchtigungen geführt haben.
113. Ob die Klägerin - wie es das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme angenommen hat - über die Risiken des Eingriffs am 22. April 1998 hinreichend aufgeklärt worden ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Auch wenn davon auszugehen sein sollte, dass die Klägerin nicht in dem erforderlichen Masse aufgeklärt worden ist, käme eine Haftung des Beklagten gleichwohl nicht in Betracht.
12Der Beklagte hat sich in der Berufungsinstanz ausdrücklich auf eine hypothetische Einwilligung der Klägerin berufen, so dass es ihre Sache ist, einen Entscheidungskonflikt plausibel darzulegen. Daran fehlt es. Im Gegenteil spricht ihr eigenes Vorbringen bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht dafür, dass sie sich auch bei ordnungsgemässer Aufklärung für einen ambulanten Eingriff beim Beklagten entschieden hätte. Die Klägerin hat nicht behauptet, sie hätte bei zutreffender Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen, sondern ihr Vortrag geht dahin, dass sie den Eingriff dann stationär in einem Krankenhaus hätte vornehmen lassen. Das aber erscheint nicht plausibel. Auch bei der Durchführung des Eingriffs in einem Krankenhaus - die sich letztlich kaum von dem ambulanten Eingriff beim Beklagten unterschieden hätte - hätte das Risiko einer Nervverletzung bestanden. Dann aber ist es naheliegend, dass die Klägerin sich in die Hände eines Arztes begeben hätte, dem sie Vertrauen entgegenbringen konnte. Genau das aber hat sie, bezogen auf den Beklagten, bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht mehrfach hervorgehoben. Sie habe "Vertrauen zu dem Beklagten" gehabt; sie sei "voller Vertrauen zu dem Arzt" hingegangen. Dann aber ist es unverständlich, dass die Klägerin sich trotz des gerade dem Beklagten entgegengebrachten Vertrauens bei einer vollständigen Risikoaufklärung zu einer stationären Behandlung entschlossen hätte. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin das Vertrauen in den Beklagten verloren hätte, wenn sie zutreffend über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden wäre, um sich dann in ein Krankenhaus zu einem ihr unbekannten Arzt zu begeben und dort den Eingriff vornehmen zu lassen.
13Unabhängig von diesen Erwägungen scheidet eine Haftung des Beklagten aus einem etwaigen Aufklärungsversäumnis auch deshalb aus, weil nicht feststeht, dass die von der Klägerin jetzt geklagten Gesundheitsschäden auf den Eingriff vom 22. April 1998 zurückzuführen sind. Dafür aber trägt - wie schon unter Ziffer 1. ausgeführt - die Klägerin die Beweislast.
144. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass das Landgericht der Widerklage mit Recht stattgegeben hat.
155. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
16Berufungsstreitwert
17und Wert der Beschwer der Klägerin: 18.023,45 DM
18(s. Senatsbeschluss vom 13. September 2000)