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Entscheidungsgründe:
2Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.
31. In rechtlicher Hinsicht ist zunächst klarzustellen, daß im vorliegenden Fall zwar für die abstammungsrechtliche Vaterschaftszuordnung als solche das alte, bis zum 30.6.1998 geltende Kindschaftsrecht gilt (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB), die hier in Frage stehende Anfechtung der Vaterschaft sich jedoch entgegen dem angefochtenen Urteil nach dem seit 1. Juli 1998 geltenden neuen Kindschaftsrecht richtet, so daß für die Anfechtungsfrist § 1600b BGB und nicht § 1594 BGB a.F. Anwendung findet. Das ergibt sich aus Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB (vgl. zum Ganzen auch Beschluß des Senats vom 25.2.1999 - 14 WF 23/99 -, FamRZ 99, 800 = OLG Report 99, 159f. = NJW-RR 99, 1017 = Kind-Prax 99, 100). Im Ergebnis ändert dies an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nichts. Hinsichtlich der Fristdauer und des Fristbeginns ergeben sich zwischen alter und neuer Regelung keine sachlichen Unterschiede.
42. In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht gelangt der Senat zu der Feststellung, daß der Kläger die Zweijahresfrist für die Anfechtung der Vaterschaft versäumt hat. Auf die Frage, ob die Beklagte tatsächlich von dem Kläger abstammt oder nicht, kommt es deshalb für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.
5Der Kläger hat bereits vor der Geburt der Beklagten davon erfahren, daß die Streithelferin während der Empfängniszeit nicht nur mit ihm, sondern auch noch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr hatte. Dies reichte aus, um den Beginn der Anfechtungsfrist auszulösen (vgl. dazu allgemein Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl. 2001, Rdn. 10 zu § 1600b).
6Nach weiterer Beweiserhebung ist der Senat ebenso wie das Amtsgericht davon überzeugt, daß der Kläger frühzeitig - noch während der Schwangerschaft der Streithelferin - Kenntnis vom Mehrverkehr der Kindesmutter in der Empfängniszeit erlangte. Diese Überzeugung stützt sich auf die glaubhaften Bekundungen der Zeugen C. und S.S.. Die Würdigung der erstinstanzlichen Aussage der Zeugin C.S. im angefochtenen Urteil ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Amtsgericht dabei hervorgehoben, daß die Zeugin auch für die Beklagte durchaus ungünstige Umstände bekundet hat. Soweit die Berufung versucht, aus einzelnen Formulierungen der protokollierten Aussage Zweifel an deren Wahrheitsgehalt herzuleiten, kann sie damit nicht durchdringen. Daß die Zeugin sich nicht mehr an alle Einzelheiten der von ihr bekundeten Gespräche mit dem Kläger und der Streithelferin zu erinnern vermochte, ist nach dem langen Zeitablauf naheliegend und verständlich. Unter diesem Blickwinkel sind auch die vom Kläger besonders angegriffenen Formulierungen "Sinngemäß brachte er zum Ausdruck..." und "...wußte auch der Kläger, nach dem, was er mir gegenüber zum Ausdruck brachte" zu sehen. Sie erklären sich bei verständiger Betrachtung daraus, daß die Zeugin den Wortlaut der damaligen Gespräche nicht mehr wiedergeben konnte, wohl aber den Sinngehalt, und daß sie dies auch deutlich machen wollte.
7Bei ihrer erneuten Vernehmung vor dem Senat hat die Zeugin ihre erstinstanzliche Aussage im Kern wiederholt. Widersprüche haben sich nicht ergeben. Die Bekundungen der Zeugin haben durch die ebenfalls glaubhaften Schilderungen ihres Ehemannes, des Zeugen S.S., eine Bestätigung gefunden. Der Zeuge konnte sich im Bezug auf das "Fremdgehen" der Streithelferin noch an den Ausspruch des Klägers erinnern "ganz B. wußte es, aber ich wußte es nicht". Daß derart prägnante und geradezu volkstümliche Äußerungen einem Zeugen auch nach Jahren noch gegenwärtig sein können, erscheint dem Senat besonders lebensnah.
8Die Aussagen der Zeugen S. lassen weiterhin keinen Zweifel darüber zu, daß der Kläger nach der Eröffnung des "Fremdgehens" der Streithelferin ernstliche Zweifel an seiner Vaterschaft im Bezug auf die Beklagte hegte. Das belegt nicht zuletzt auch die Bekundung der Zeugin S., den Kläger damals auf die Möglichkeit eines Vaterschaftstests hingewiesen zu haben. Daß der Kläger sich in der Folgezeit - möglicherweise auch durch Äußerungen der Kindesmutter - über seine Bedenken hinweggesetzt hat, vermag am Lauf der einmal in Gang gesetzten Anfechtungsfrist nichts zu ändern.
9Die Aussagen der Zeuginnen E.L. und W.S. sind nicht geeignet, den Senat in seiner Überzeugung zu erschüttern, daß der Kläger - wie ausgeführt - frühzeitig Kenntnis von den Umständen hatte, die Zweifel an seiner Vaterschaft begründeten. Es mag sein, daß das von der Zeugin L. geschilderte Gespräch mit der Streithelferin, bei welcher diese die Vaterschaft eines anderen Mannes eingeräumt haben soll, stattgefunden hat. Aus der Aussage der Zeugin geht aber nicht hervor, daß der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht schon über das "Fremdgehen" der Kindesmutter in der Empfängniszeit informiert war. Entsprechendes gilt für die Bekundungen der Zeugin Sch., die dem Kläger erst zu Anfang des Jahres 1998 offenbart haben will, was die Streithelferin der Zeugin L. einige Jahre zuvor hinsichtlich der Vaterschaft eines anderen Mannes erzählt und was die Zeugin L. dann der Zeugin Sch. weitergegeben haben soll. Die Zeugin Sch. vermochte nichts darüber zu sagen, welchen Kenntnisstand der Kläger hatte, bevor sie ihn in der von ihr geschilderten Weise aufklärte.
10Es kann dahinstehen, ob der Kläger durch die von der Zeugin Sch. bekundete Mitteilung zusätzliche Umstände erfuhr, die Zweifel an seiner Vaterschaft begründeten. Denn hierdurch konnte die Anfechtungsfrist nicht neu in Gang gesetzt werden.
11Eine einmal durch die Kenntnis von gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen ausgelöste Anfechtungsfrist beginnt nicht etwa neu zu laufen, wenn der Anfechtungsberechtigte weitere verdächtige Umstände erfährt. Wenn also beispielsweise ein Mann bereits weiß, daß seine Ehefrau während der Empfängniszeit außer mit ihm noch Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatte, dann läuft ab dem Zeitpunkt dieser Kenntnis (frühestens ab Geburt des Kindes) die Anfechtungsfrist. Erfährt der Mann zu einem späteren Zeitpunkt - beispielsweise aufgrund eines Gutachtens - , daß er als Erzeuger ausscheidet, so begründet die Kenntnis hiervon keine neue Anfechtungsfrist.
12Etwas Anderes gilt nur, wenn ursprünglich bestehende und dem Anfechtungsberechtigten bekannte Verdachtsmomente durch gegenteilige Tatsachen widerlegt erscheinen oder wenn die Überzeugung von Verdachtsmomenten bei verständiger Würdigung aufgegeben werden durfte (vgl. dazu Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdn. 12 und 13 zu § 1600b). Letzteres ist etwa bei bloßer Verharmlosung eines Ehebruchs und ständiger Betonung der Ähnlichkeit des Kindes mit dem gesetzlichen Vater der Fall, nicht aber bei der bloßen Versicherung der Frau, der Mann sei der leibliche Vater (Nachweise bei Palandt/Diederichsen, a.a.O.).
13Derartige Umstände, welche die in Gang gesetzte Anfechtungsfrist wieder hätten entfallen lassen können, sind im vorliegenden Fall nicht festzustellen.
14Obwohl es nach den vorstehenden Ausführungen nicht entscheidend darauf ankommt, verbleiben im Übrigen die vom Amtsgericht im Bezug auf die zeitliche Einordnung hervorgehobenen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin Sch. und eine daraus abzuleitende Tendenz der Zeugin, den Kläger - ihren Sohn - zu begünstigen (Seite 6 des angefochtenen Urteils). Auch bei ihrer erneuten Vernehmung hat die Zeugin sich, was die zeitliche Festlegung von ihr geschilderter Ereignisse angeht, widersprüchlich geäußert, und zwar zu der Frage, wann sie erstmals mit ihrem Sohn über die mangelnde Ähnlichkeit zwischen ihm und dem beklagten Kind gesprochen hat. Ihre zunächst abgegebene Erklärung, vor 1998 sei die Ähnlichkeitsfrage kein Thema zwischen ihr und dem Kläger gewesen, hat sie später auf Vorhalt dahin korrigiert, schon ab 1993 ihren Sohn hierauf angesprochen zu haben.
15Die letzte Bekundung steht im Einklang mit der erstinstanzlichen Aussage der Zeugin, sie widerspricht indes auf der anderen Seite klar der Behauptung des Klägers in der Klageschrift, er sei von Mutter und Großmutter erst 3 bis 4 Monate vor Klageeinreichung auf die fehlende Ähnlichkeit zwischen der Beklagten und ihm aufmerksam gemacht worden. "Immer wieder" seit dem Säuglingsalter der Beklagten habe sie ihren Sohn darauf angesprochen, so die Zeugin Sch. bei ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht, aber der sei in dieser Hinsicht blind gewesen.
16In diesem Zusammenhang ist, was das Amtsgericht bereits zutreffend hervorgehoben hat (Seite 6 unten und Seite 7 des angefochtenen Urteils), auch auf die Widersprüche in der eigenen Sachdarstellung des Klägers und die zum Teil fehlende Nachvollziehbarkeit seines Vorbringens zu verwiesen. Dazu bleibt auch die Berufungsbegründung eine Erklärung schuldig.
17Was schließlich die Aussage des Zeugen B. angeht, gilt im Prinzip, was schon zu den Aussagen der Zeugen L. und Sch. ausgeführt worden ist: Einerseits konnte der Zeuge nichts darüber berichten, welchen Kenntnisstand der Kläger im Bezug auf Zweifel an seiner Vaterschaft vor dem von dem Zeugen geschilderten Gespräch hatte. Auch zu einer Reaktion des Klägers, welche Rückschlüsse auf seinen Kenntnisstand zugelassen hätten, wußte der Zeuge nichts zu bekunden. Andererseits waren Informationen, die zusätzliche Zweifel an der Vaterschaft begründeten, nicht geeignet, eine neue Anfechtungsfrist in Gang zu setzen. Abgesehen davon hat der Senat erhebliche Zweifel daran, daß der Zeuge B. wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Sein gespanntes Verhältnis zu der Streithelferin, von der er sich nach längerem Zusammenleben im Streit und mit finanziellen Einbußen getrennt hat, war so deutlich spürbar, daß es nach dem Eindruck des Senats - entgegen der ausdrücklichen Erklärung des Zeugen - nicht ohne Einfluß auf den Inhalt der Aussage geblieben ist.
183. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
19Streitwert für die Berufung: 4.000,00 DM