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Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 06. Mai 1999 - 24 O 303/98 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, den Kläger gegenüber den Rechtsanwälten D. & D. von der Verbindlichkeit aus der Kos-
3tenrechnung vom 24.02.1998 zu AZ 567/96 HE 06 in Höhe von 20.398,50 DM freizustellen. Die Beklagte ist aufgrund der bestehenden Rechtsschutzversicherung des Klägers verpflichtet, dem Kläger für das von ihm beabsichtigte Verfahren Deckung zu gewähren (§§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 VVG, 1 ARB 75). Die Beklagte hat die Erteilung des begehrten Deckungsschutzes zu Unrecht versagt.
4Die Beklagte kann die Deckungserteilung nunmehr auch nicht unter Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Klage ablehnen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 ARB 75).
8Die Beklagte hatte die Deckungserteilung abgelehnt mit der Begründung, den Kläger treffe die Warteobliegenheit gemäß § 15 Abs. 1 d) bb) ARB 75 hinsichtlich des Ausgangs des
9Musterverfahrens, wie ihren Schreiben vom 14.07.1998 und vom 23.09.1998 zu entnehmen ist. Im übrigen hatte sie lediglich Bedenken gegen das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers und damit gegen die Erfolgsaussichten der Klage geäußert, ohne jedoch die Deckungsablehnung hierauf zu stützen. Bei dieser Sachlage ist sie nunmehr gehindert, sich im Rahmen des vorliegenden Prozesses auf mangelnde Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit der Klage zu berufen.
10Will der Versicherer die Leistungsfreiheit im Deckungsprozeß auf mangelnde Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Klage stützen, ist dies nur dann möglich, wenn er bei der Leistungsablehnung - zulässigerweise - einen entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalt gemacht hat (vgl. BGH VersR 1986, 132; OLG Köln r + s 1991, 419 (420)). Ein solcher setzt gem. § 17 Abs. 1 S. 2 ARB 75 voraus, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter Angabe von Gründen unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat, daß er die Leistungspflicht wegen mangelnder Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit verneint. Ferner muß er ihn auf die Möglichkeit des Stichentscheids gem. § 17 Abs. 2 ARB 75 hingewiesen haben. Der Versicherungsnehmer hat dann die Möglichkeit, gem. § 17 Abs. 2 ARB den Stichentscheid des Rechtsanwaltes herbeizuführen, der für beide Seiten verbindlich ist, es sei denn, er weicht offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich ab. Ein solcher Vorbehalt ist in den Ablehnungsschreiben der Beklagten vorprozessual - wie ausgeführt - jedoch nicht erfolgt. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - nicht, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers bezüglich der Erfolgsaussicht und der Mutwilligkeit gem. § 158 n S. 3 VVG als anerkannt (vgl. hierzu OLG Hamm VersR 1999, 1362 (1363); VersR 1994, 1225; 1991, 806; OLG Düsseldorf VersR 1994, 1337; OLG Köln r + s 1991, 419, (420)); OLG Köln VersR 1989, 359, (361); Römer/Langheid, VVG, § 158 n Rdnr. 3; a.A. OLG Karlsruhe VersR 1999, 613). Demzufolge kann sich die Beklagte nun nicht mehr auf fehlende Erfolgsaussicht und / oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Klage berufen.
11Der abweichenden Ansicht des OLG Karlsruhe (VersR 1999, 613) vermag der Senat nicht zu folgen. Bei der Mitteilungspflicht des Versicherers nach § 17 ARB 75 i.V.m. § 158 n VVG handelt es sich nicht um eine Förmelei, die von dem Sinn und Zweck des § 158 n VVG nicht gedeckt wäre. Begründet der Versicherer seine Ablehnung nur mit einem Ausschlußgrund, hat der Versicherungsnehmer keinen Anlaß, die Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit seines Vorgehens in Frage zu stellen. Er wird vielmehr in der Regel davon ausgehen, daß er, wenn der Ausschlußgrund nicht bestehen würde, Rechtsschutz erhalten hätte.
12Unterläßt es der Versicherer, wie im vorliegenden Fall die Beklagte, seine Leistungspflicht unter Hinweis auf (angeblich) fehlende Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit zu verneinen und dies unverzüglich schriftlich mitzuteilen, etwa weil er den Versicherungsnehmer wie im vorliegenden Fall zu Unrecht auf die Warteobliegenheit gem. § 15 Abs. 1 d) bb) ARB 75 verweist, ist die dem Versicherungsnehmer hierdurch genommene Möglichkeit der Herbeiführung eines bindenden Stichentscheids auch nicht im Deckungsprozeß nachholbar. Der abweichenden Ansicht des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH VersR 1986, 132, (133)) vermag der Senat sich nicht anzuschließen. Dem Sinn und Zweck des in § 17 ARB 75 vorgesehenen Verfahrens widerspricht es, dieses erst im Deckungsprozeß durchzuführen. Durch die in § 17 Abs. 1 ARB 75 dem Versicherer auferlegte Verpflichtung, die Gründe der Leistungsablehnung dem Versicherungsnehmer unverzüglich schriftlich mitzuteilen, soll dieser frühzeitig über die Gründe der Leistungsablehnung des Versicherers informiert und in die Lage versetzt werden, seine weitere Vorgehensweise hierauf abzustellen. Wird erst im Deckungsprozeß gegen den Versicherer diese Prüfung der Erfolgsaussicht nachgeholt, hat der Versicherungsnehmer, wenn, wie vorliegend, bereits Kosten angefallen sind, keine Möglichkeit mehr, sein Vorgehen im Hinblick auf die Erfolgsaussichten zu überdenken und eventuell kostenauslösende Maßnahmen zu unterlassen. Der Gesetzgeber hat daher in § 158 n VVG eine formalisierte Betrachtung gewählt, wonach bereits das Fehlen der erforderlichen Mitteilung als Anerkenntnis der Erfolgsaussicht gilt.
13Der Kläger muß sich von der Beklagten auch nicht gemäß § 15
14Abs. 1 d) cc) ARB 75 darauf verweisen lassen, er müsse derzeit nicht klagen, eine Verwertung der Sicherheit für das Darlehen könne er kostengünstiger durch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung verhindern. Eine einstweilige Verfügung würde nur eine vorläufige Regelung erbringen, ein Hauptsacheverfahren würde mit Wahrscheinlichkeit folgen. Angesichts der fortlaufenden Zinsen für das Darlehen und Kosten für die Bankbürgschaft würde auch diese Vorgehensweise die Interessen des Klägers unbillig beeinträchtigen.
15Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Leistungs-
16freiheit wegen Verletzung der Informationsobliegenheit gem. § 15 Abs. 1 a), Abs. 2 ARB 75 berufen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob den Kläger die Informationsobliegenheit überhaupt noch traf, nachdem die Beklagte ihre
17Leistungspflicht im Hinblick auf die Warteobliegenheit des § 15 Abs. 1 d) bb) ARB 75 verneint hatte. Grundsätzlich treffen den Versicherungsnehmer nach Ablehnung der Versicherungsleistung keine Obliegenheiten mehr (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 6 Rdnr. 33 m. w. N.). Vorliegend hatte die Beklagte die Leistung indes noch nicht endgültig abgelehnt, auch hatte sie um Information bezüglich des Ausgangs des sogenannten Musterverfahrens gebeten. Es kann dahinstehen, ob unter diesen Umständen den Kläger generell noch die Informationsobliegenheit des § 15 Abs. 1 a) ARB 75 traf. Der Kläger hatte die Beklagte indes nicht gem. § 15 Abs. 1 a) ARB 75 über den Ausgang des sogenannten Musterprozesses zu informieren, da es sich hierbei nicht um einen Umstand des Versicherungsfalles i. S. v. § 15 Abs. 1 a) ARB 75 handelt. Dies folgt bereits aus dem
18Umstand, daß der Kläger selbst nicht Partei des Musterprozesses war und er folglich keine eigene Kenntnis von Inhalt und Ausgang des Musterprozesses hatte. Vielmehr erfuhr er selbst rein zufällig hiervon, weil sein Prozeßbevollmächtigter aufgrund anderer Mandate vom Ausgang dieses Rechtsstreits wußte. Dies begründet indes keine Informationsobliegenheit des Klägers gemäß § 15 Abs. 1 a) ARB 75. Es war vielmehr Sache der Beklagten, sich entsprechende Informationen zu verschaffen, wenn sie schon den Kläger auf die Warteobliegenheit im Hinblick auf den sogenannten Musterprozeß verwies.
19Die Beklagte hat folglich die begehrte Deckung zu erteilen. Da sich die Beklagte bei der Versagung der Deckung nicht auf fehlende Erfolgsaussichten der Klage oder Mutwilligkeit berufen hat, sondern sie die Deckung im Hinblick auf die Warteobliegenheit versagt hat, sind mangelnde Erfolgsaussichten bzw. Mutwilligkeit weder bezüglich des Klagegrundes noch der Klagehöhe zu berücksichtigen.
20Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
21Streitwert 2. Instanz
22und Wert der Beschwer der Beklagten: 20.398,50 DM