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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.03.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 24 0 192/99 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
2Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
3Der Kläger kann weder Deckungsschutz für eine Schadensersatzklage gegen Notar S. von der Beklagten verlangen, soweit Schadensersatzansprüche betroffen sind, für welche bereits Deckungsschutz durch die Z. R. AG besteht, noch steht ihm ein Anspruch auf Deckungsschutz wegen der weiteren Ansprüche zu.
4Da der Kläger sowohl bei der Z. R. AG als auch bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung unterhält, somit zwei Versicherungen auf Gewährung von Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, liegt eine Doppelversicherung im Sinne von § 59 Abs. 1 VVG vor. Bei einer Doppelversicherung haften die Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber als Gesamtschuldner bis zu dem Betrag, den jeder einzelne Versicherer nach seinem Vertrag zu leisten hat. Auf die Besonderheiten der Rechtsschutzversicherung übertragen bedeutet dies, daß jede Rechtsschutzversicherung bis zum vereinbarten Höchstbetrag Rechtsschutz zu gewähren hat, der Versicherungsnehmer somit nach seiner eigenen Wahl Deckung von der einen oder der anderen Rechtsschutzversicherung verlangen kann (Harbauer, ARB, 6. Aufl., § 15 Rn 37). Nimmt der Versicherungsnehmer eine seiner Rechtsschutzversicherungen in Anspruch, ist die andere Rechtsschutzversicherung nur eintrittspflichtig, wenn der Höchstbetrag der in Anspruch genommenen Rechtsschutzversicherung ausgeschöpft ist.
6Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage Deckungsschutz für folgende gegen Notar S. in E. zu richtende Schadensersatzansprüche:
7(929.400,00 DM - 404.569,00 DM) 524.831,00 DM
9für Erschließungskosten 13.962,00 DM
11Aktienspekulationen 408.600,00 DM
14insgesamt: 1.017.393,00 DM
15Von der Z. R. AG ist die gerichtliche Geltendmachung folgender Schadensersatzansprüche gegen Notar S. kostenmäßig abgedeckt; Verfahren OLG Zweibrücken - 7 U 215/99 -:
16Versteigerungserlös 522.237,87 DM
18für Erschließungskosten 13.926,00 DM
20(richtig wäre der Betrag von
2113.962,00 DM)
22insgesamt: 606.163,87 DM
24Bis auf einen Betrag von 2.593,13 DM und 36,00 DM, die auf dem "Zahlendreher" bei den Erschließungskosten beruhen, sind die Ansprüche 1.-3. deckungsgleich. Diese Differenz resultiert aus einem Rechenfehler des Klägers. Es handelt sich um den Eigenanteil an den Erschließungskosten, den der Kläger versehentlich nicht abgezogen hat und um welchen der Betrag von 524.831,00 DM zu reduzieren ist. Für die unter 1. - 3. aufgeführten Ansprüche besteht somit Deckungsschutz durch die Z. R. AG, so daß die Beklagte allenfalls bei Überschreitung des Höchstbetrages von 100.000,00 DM eintrittspflichtig ist. Der Höchstbetrag der von der Z. R. AG zu leistenden Kosten von 100.000,00 DM wird jedoch nicht erreicht.
25Durch Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 06.08.1998
26- 12 U 289/97 - (Bl. 43 d.A.) ist die Zürich Rechtsschutz-versicherungs AG verurteilt worden, Rechtsschutz für Schadens-ersatzansprüche gegen Notar S. in Höhe von insgesamt 605.335,00 DM zu gewähren. Aufgrund dieses Urteils hat der Kläger zunächst vor dem Landgericht Landau (2 0 389/99) einen Teilbetrag von 61.000,00 DM eingeklagt. Das Landgericht Landau hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und die Klage im Berufungsverfahren auf 606.163,87 DM (siehe oben Ansprüche 1. - 3.) erweitert. Sowohl für die erste Instanz vor dem Landgericht Landau als auch für die zweite Instanz vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Z. R. AG Deckungsschutz gewährt. Die Höchstbetragssumme von 100.000,00 DM wird nicht überschritten, zumal nur um Rechtsfragen gestritten wird und daher vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken keine Beweisaufnahme zu erwarten ist. Schwer zu kalkulierende Sachverständigenkosten können daher nicht anfallen. Folgende Kosten hat die Z. R. AG bisher zu erstatten:
27Streitwert: 61.000,00 DM
293 Gerichtsgebühren: 2.325,00 DM
30Anwaltskosten für 2 Anwälte:
312 Gebühren à 1.705,00 DM, 3.410,00 DM
32Auslagenpauschale 40,00 DM
3316 % Mehrwertsteuer 552,00 DM
344.002,00 DM 8.004,00 DM
35Streitwert: 606.164,00 DM
374,5 Gerichtsgebühren 18.607,50 DM
38Anwaltskosten für zwei Anwälte
392 Gebühren à 6.142,50 DM 12.285,00 DM
40Auslagenpauschale 40,00 DM
4116 % Mehrwertsteuer 1.972,00 DM
4214.297,00 DM 28.594,00 DM
43bisher entstandene Kosten: 57.530,50 DM
44Da bisher nur etwas mehr als die Hälfte der Höchstbetragssumme verbraucht ist und Rechtsschutz nur jeweils für eine Instanz bewilligt wird, kann der Kläger zur Zeit keinen ergänzenden Rechtsschutz durch die Beklagte verlangen. Der Anspruch des Klägers auf Deckungsschutz hinsichtlich der Schadensersatz-ansprüche zu 1. - 3. scheitert sowohl an § 59 Abs. 1 letzter HS VVG als auch am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis. Selbst bei Berücksichtigung einer Revisionsinstanz wird der Höchstbetrag von 100.000,00 DM nicht ausgeschöpft.
45Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rechtsschutz besteht daher nicht, soweit Schadensersatzansprüche in Höhe von 606.163,87 DM in Rede stehen.
46Der Kläger begehrt weiter Deckungsschutz für die Geltendmachung von entgangenem Gewinn gemäß § 252 BGB aus - nicht getätigten - Aktienspekulationen in Höhe von 408.600,00 DM.
48Auch insoweit besteht kein Anspruch des Klägers auf Deckungsschutz, denn die Beklagte beruft sich zu Recht auf §§ 1 Abs. 1, 17 Abs. 1 S. 1 ARB 75. Es besteht keine Leistungspflicht der Beklagten, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers nicht notwendig im Sinne von § 1 Abs. 1 ARB 75 ist; es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht der vom Kläger beabsichtigten Klage gegen Notar S..
49Der von den Rechtsanwälten Baitinger & Baitinger am 02.04.1997 abgegebene Stichentscheid (Bl. 17 d.A.) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Er entfaltet lediglich Bindungswirkung, soweit die grundsätzliche Haftung des Notars S. aus der fehlerhaften Beurkundung des Kaufvertrages mit der Firma M. in Rede steht.
50Bei dem sogenannten Stichentscheid gemäß § 17 Abs. 2 ARB 75 handelt es sich um eine von der reinen Interessenvertretung losgelöste Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Sie muß den Streitstoff darstellen, auf die Beweissituation eingehen, sich im Rahmen der rechtlichen Würdigung auch mit etwaigen Gegenargumenten auseinandersetzen und insbesondere erkennen lassen, in welchen Punkten der Anwalt die Ansicht des Versicherers für unrichtig hält. Im einzelnen hängt der erforderliche Umfang von der Komplexität des Streitstoffes, von den schon bisher in der Korrespondenz mit dem Versicherer ausgetauschten Argumenten und dem Stadium ab, in dem sich die Interessenwahrnehmung gerade befindet (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 17 ARB 75, Rn 6). Gibt der Rechtsanwalt eine den Anforderungen des § 17 Abs. 2 S. 1 ARB 75 entsprechende Stellungnahme ab, dann bindet sie nach § 17 Abs. 2 S. 2 ARB 75 in der Regel sowohl den Versicherungsnehmer als auch den Rechtsschutzversicherer (Harbauer a.a.O., § 17 Rn 14).
51Vorliegend beschäftigt sich der Stichentscheid allein mit der Frage, ob überhaupt eine Amtspflichtverletzung besteht, nicht aber mit einzelnen vom Kläger begehrten Schadenspositionen. Im damaligen Stadium des Verfahrens sind Grund und Höhe einzelner Schadensersatzansprüche noch nicht erörtert worden. Die Bindung des Versicherers an eine dem Versicherungsnehmer günstige Stellungnahme bedeutet hier somit, daß sich der Versicherer nicht mehr auf das Fehlen der Erfolgsaussicht oder auf Mutwilligkeit der Klage berufen kann, soweit eine grundsätzliche Haftung des Notars S. in Frage steht. Sonstige Einwendungen des Versicherers bleiben unberührt (Prölss/Martin, a.a.O., § 17 Rn 6). Allein mit dem Einwand, es bestünde keine Haftung des Notars aus Amtspflichtverletzung gemäß § 19 Abs. 1 BNotO ist die Beklagte nach § 17 Abs. 2 S. 2 ARB 75 ausgeschlossen.
52Dem vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 408.600,00 DM mangelt es an der notwendigen Erfolgsaussicht, weil ein Anspruch nach § 252 BGB nicht ausreichend substantiiert vorgetragen ist. Außerdem steht diesem Anspruch die Einrede der Verjährung entgegen.
53Die Frage nach der Notwendigkeit der Interessenwahrnehmung durch den Rechtsschutzversicherer und damit die Frage der hinreichenden Aussicht auf Erfolg bemißt sich nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen (BGH VersR 87, 1186; Harbauer, a.a.O., § 1 Rn 33 a.E.). Unter Berücksichtigung der im Prozeßkostenhilfeverfahren zu beachtenden Grundsätze wäre hier Prozeßkostenhilfe zu verweigern.
54Der Kläger hat die geltend gemachten "Folgeschäden" schon nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Nach dem Sachvortrag des Klägers ist eine hinreichende Erfolgsaussicht auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes zu verneinen.
55Grundsätzlich ist nach § 252 BGB auch ein Gewinn erstattungsfähig, den der Geschädigte durch die Verhinderung oder Störung einer Geldkapitalanlage gemacht hätte. Nach der Entscheidung des BGH vom 29.11.1982 (NJW 83, 758) gilt dies unter bestimmten Voraussetzungen auch für entgangenen Gewinn aus Spekulationsgeschäften in Aktien. Der Geschädigte muß aber Umstände dartun und beweisen, aus denen sich mit Wahrscheinlichkeit ergibt, daß er den Gewinn erzielt hätte, wenn der Schuldner ohne Verzug gezahlt haben würde. Dies kann er einerseits, wenn er darlegt, daß er bereits vor Verzugseintritt Vorkehrungen für den Kauf der Wertpapiere getroffen hatte oder besondere Umstände des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinns, wie er vom Kläger dargelegt wird, ergeben (BGH NJW 83, 758; RG JW 29, 2508; Staudinger/Schiemann, 13. Aufl. § 252 Rn 56).
56Keine dieser Voraussetzungen wird hier vom Kläger vorgetragen. Besondere Vorkehrungen zum Kauf der Wertpapiere hat der Kläger offensichtlich nicht getroffen. Er trägt auch keine Umstände vor, die auf die behaupteten Wertpapiergeschäfte schließen lassen. Der Kläger behauptet weder, daß er Kapital auch sonst üblicherweise spekulativ angelegt hat, noch, daß er nach seiner wirtschaftlichen Situation konkret in der Lage gewesen wäre, in der behaupteten Größenordnung in Aktien zu spekulieren. Die den Akten zu entnehmenden Umstände lassen eher das Gegenteil vermuten. So war der Kläger nicht in der Lage, die Erschließungskosten zu zahlen, so daß das erworbene Grundstück zwangsversteigert werden mußte. Auch hat er nicht dargelegt, daß er den Erlös aus dem Zwangsversteigerungsverfahren in Aktien investiert hat. Hinzu kommt, daß er für die Schadensersatzansprüche, die er vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken bereits verfolgt, Verzugszinsen von mehr als 4 % begehrt. Dies steht in Widerspruch zu der hier behaupteten Absicht, das Geld in Wertpapieren anlegen zu wollen.
57Dem Schadensersatzanspruch gegen Notar S. mangelt es auch an der notwendigen Erfolgsaussicht, weil diesem Anspruch die Einrede der Verjährung entgegensteht. Trotz des Stichentscheids vom 02.04.1997 kann die Beklagte sich auf den Verjährungseinwand berufen. Im Stichentscheid wird zur Verjährungsproblematik schon nicht ausreichend Stellung genommen, so daß er insoweit keine Bindungswirkung entfaltet. Außerdem kommt es nicht auf die Frage an, ob die Forderungen des Klägers zum Zeitpunkt der Anfertigung des Stichentscheides am 02.04.1997 verjährt waren, sondern ob sie zum jetzigen Zeitpunkt verjährt sind.
58Das Landgericht Landau (2 0 389/99) hat die Verjährungsfrage zutreffend entschieden. Schadensersatzansprüche des Klägers gegen Notar S. sind spätestens seit Mitte 1998 verjährt.
59Die Verjährungsfrist beginnt mit der Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen. Dem Kläger war durchaus bewußt, daß die Verjährungsfrist mit der Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag am 02.09.1994 begonnen hatte. Dies ergibt sich schon aus dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 15.03.1996 (Bl. 12 ff d.A.). Das Schreiben des Notars vom 31.05.1997 (Bl. 117 d.A.) hat die laufende Verjährungsfrist allenfalls gehemmt, diese Hemmung ist jedenfalls mit Schreiben vom 17.04.1998 (Bl. 118 d.A.) aufgehoben worden.
60Insgesamt verneint die Beklagte zu Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht, soweit der Kläger entgangenen Gewinn aus Aktienspekulationen von Notar S. verlangen will.
61Da weder ein Anspruch auf ergänzenden Deckungsschutz besteht, soweit die Z. R. AG bereits eingetreten ist, noch Deckungsschutz für den aus § 252 BGB hergeleiteten Anspruch von der Beklagten zu gewähren ist, war das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Beklagten abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
62Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Klägers vom 06.11.2000 enthält keinen Vortrag, der Anlaß gibt, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Die Revision zum Bundesgerichtshof war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht vorliegen.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, ZPO.
64Streitwert für die 1. Instanz: 42.728,80 DM
65Streitwert für die 2. Instanz und Beschwer des Klägers: 42.728,80 DM (Kosten einer Instanz nach einem Streitwert von 408.600,00 DM)