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G r ü n d e :
2I. Die Klägerin hat nach ihrem Vorbringen rechtskräftig titulierte Mietzinsforderungen in Höhe von mehr als 60.000,-- DM gegen eine Fa. A. Backwaren GmbH ##blob##amp; Co. KG, deren Geschäftsführer und Kommanditist der Beklagte ist. Sie nimmt den Beklagten im vorliegenden Verfahren vor dem Landgericht Köln aus einer selbstschuldnerischen Höchstbetragsbürgschaft über 21.400,-- DM, die der Beklagte zur Sicherung etwaiger Mietzinsansprüche der Klägerin übernommen hatte, sowie in Höhe von weiteren 15.000,-- DM wegen Nichterbringung seiner Kommanditisteneinlage in Anspruch. Der Kammervorsitzende ordnete das schriftliche Vorverfahren an, ohne dass eine Verteidigungsanzeige gem. § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO einging. Darüber hinaus erteilte er der Klägerin den Hinweis, dass es sich bei der Klageforderung um Ansprüche aus einem Mietverhältnis und damit um einen Fall des § 29 a ZPO handeln dürfte. Nachdem die Klägerin eingewandt hatte, § 29 a ZPO sei im Hinblick auf die geltend gemachte Bürgen- und Kommanditistenhaftung nicht einschlägig, hat das Landgericht die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Versäumnisurteil als unzulässig abgewiesen. Den daraufhin eingelegten Einspruch der Klägerin hat es durch Beschluss als unzulässig mit der Begründung verworfen, der Einspruch sei unstatthaft, weil das Versäumnisurteil nicht aufgrund einer Säumnis der Klägerin, sondern aufgrund der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ergangen sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.
3II. Das Rechtsmittel ist gem. § 341 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässig. In der Sache führt es zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
41. Das Landgericht hat den Einspruch der Klägerin gegen das im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil vom 15.10.1999 zu Unrecht als unzulässig verworfen. Es trifft zwar zu, dass nach § 338 ZPO Einspruch nur gegen ein echtes Versäumnisurteil eingelegt werden kann. Bei dem vom Landgericht erlassenen Prozessurteil handelt es sich dagegen - ungeachtet seiner anderslautenden Bezeichnung - um ein sog. unechtes Versäumnisurteil und damit in Wahrheit um ein kontradiktorisches Endurteil, welches grundsätzlich nur mit der Berufung anfechtbar ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl. Vor § 330 Rdnr. 11; Stein-Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl. vor § 330 Rdnr. 30).
52. Gleichwohl ist der Einspruch hier zulässig, denn das Landgericht hat die angefochtene Entscheidung - fälschlich (vgl. Zöller/Herget a.a.O.) - als Versäumnisurteil bezeichnet, obwohl sie nicht aufgrund, sondern trotz der unterbliebenen Verteidigungsanzeige des Beklagten (§§ 276 Abs. 1 S. 1, 331 Abs. 2 ZPO) ergangen ist. In derartigen Fällen einer inkorrekten Entscheidung steht der Partei nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung nicht nur der bei richtiger Entscheidung gegebene Rechtsbehelf zu. Sie kann auch den Rechtsbehelf einlegen, der gegen die verlautbarte Entscheidung statthaft ist (h.M., vgl. BGHZ 98, 362, 364 f.; OLG Köln NJW-RR 97, 955, 956; Stein-Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl. § 338 Rdnr. 2 u. Einl. III vor § 511 Rdnr. 37 ff.; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher Vorb. § 511 Rdnr. 49 - jew. m.w.N.). Dieses Wahlrecht gilt nur dann nicht, wenn die korrekter Weise zu erlassende Entscheidung nicht rechtsmittelfähig ist, denn die formal fehlerhafte Verfahrensweise darf nicht zu einer Erweiterung des Instanzenzuges führen (vgl. BGH NJW 97, 1448; BGHZ 95, 182, 187/188; Stein-Jonas/Grunsky a.a.O. Einl. III vor § 511 Rdnr. 52; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher a.a.O. Rdnr. 51). Da im vorliegenden Fall die für eine Berufung erforderliche Beschwer erreicht ist, durfte das Landgericht den Einspruch der Klägerin nicht als unzulässig behandeln.
63. Dieser Verfahrensfehler hat die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Folge.
7a) Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Rechtsmittelverfahren im Falle inkorrekter Entscheidungen nach überwiegender Meinung so durchzuführen ist, als habe das Untergericht die Entscheidung in der richtigen Form erlassen und sei dagegen das statthafte Rechtsmittel eingelegt worden (vgl. etwa BGHZ 95, 191; OLG Köln NJW-RR 99, 1084; OLG Zweibrücken NJW-RR 98, 508; VGH Mannheim NJW 82, 2460; Baumbach/Albers, ZPO, 58. Aufl., Grundz § 511 Rdnr. 29; Stein-Jonas/Grunsky a.a.O. Rdnr. 49; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher a.a.O. Rdnr. 50; a.A. OLG Köln NJW-97, 955, 956; OVG Münster NJW 74, 1102 - Wahlrecht des Rechtsmittelgerichts). Als Grund hierfür wird angeführt, dass der dem Meistbegünstigungsprinzip zugrunde liegende Gedanke des Vertrauensschutzes lediglich den Zweck habe, der betroffenen Partei die wirksame Anfechtung mit dem durch die fehlerhafte Entscheidung vorgezeichneten Rechtsmittel zu ermöglichen, nicht aber, den Formfehler zu perpetuieren (BGHZ a.a.O. S. 190; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher a.a.O. Rdnr. 50).
8Diese Sichtweise macht insbesondere dann einen vernünftigen Sinn, wenn der verfahrensmäßige Fortgang auf dem "falschen Gleis" des Untergerichts darauf hinaus liefe, die angefochtene Entscheidung im Ergebnis formrichtig zu fassen, nur um der beschwerten Partei Gelegenheit zur Einlegung des zutreffenden Rechtsmittels zu geben (vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher a.a.O.). Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr würde eine Durchführung des Rechtsmittelverfahrens als Berufungsverfahren zu einem unter prozesswirtschaftlichen Gesichtspunkten misslichen Ergebnis führen, denn die Klägerin müsste sich dann durch einen beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Mit den ihr hierdurch entstehenden zusätzlichen Kosten würde sie - jedenfalls zunächst - nicht nur belastet, obwohl sie gerade keine Berufung, sondern den Rechtsbehelf des Einspruchs gewählt hat. Vielmehr müsste - wie bereits jetzt feststeht - auch ein Berufungsverfahren vor dem Senat zur Aufhebung des "Versäumnisurteils" und zur Zurückverweisung an das Landgericht nach § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO führen, ohne dass der Senat in der Sache entscheiden kann:
9b) Die Auffassung des Landgerichts, die Entscheidung über die Klageforderung falle gem. § 29 a ZPO in die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, ist unhaltbar. Es entspricht einhelliger Ansicht, dass isolierte Forderungsstreitigkeiten dritter Personen mit dem Vermieter oder Mieter, in denen das Bestehen eines Mietvertrages lediglich Vorfrage ist, vom Zweck des § 29 a ZPO nicht erfasst werden (vgl. OLG München ZMR 73, 84; Stein-Jonas/Schumann a.a.O. § 29 a Rdnr. 18; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 29 a Rdnr. 6). Die Vorschrift ist daher für und gegen einen - wie hier - selbstschuldnerischen Bürgen oder Geschäftsführer des Mieters nicht anwendbar, weil diese Personen nicht Partei des Miet- oder Pachtvertrages sind (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O.). Nichts anderes gilt für die hier geltend gemachte Kommanditistenhaftung aus § 171 Abs. 1 HGB, denn auch der Kommanditist haftet unter der dort genannten Voraussetzung nicht aufgrund des Miet- oder Pachtverhältnisses, sondern allein aufgrund seiner Gesellschafterstellung. Dem vom Landgericht hervorgehobenen Gesichtspunkt der Abhängigkeit der Bürgenhaftung von Bestand und Umfang der Hauptschuld kommt in diesem Zusammenhang schon deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Hauptschuld rechtskräftig zugunsten der Klägerin tituliert ist.
10Auch die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ist ersichtlich gegeben, denn der Beklagte unterhält in Köln einen - zur Begründung des allgemeinen Gerichtsstandes gem. § 13 ZPO ausreichenden - zweiten Wohnsitz, an dem bisher auch sämtliche Zustellungen erfolgt sind.
11Da das Landgericht die Klage somit zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat und eine eigene Sachentscheidung des Senats gem. § 540 ZPO wegen des Verlustes einer Tatsacheninstanz nicht sachdienlich wäre, käme bei Durchführung eines Berufungsverfahrens nur eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in Betracht. Es macht aber keinen Sinn, die zusätzlichen Kosten eines Berufungsverfahrens auszulösen, obwohl dieses zu keinem anderen Ergebnis führen könnte als eine Aufhebung des angefochtenen Verwerfungsbeschlusses und Zurückverweisung an das Landgericht im Rahmen des Einspruchsverfahrens.
12Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht Gelegenheit, die gebotene mündliche Verhandlung nachzuholen und sich materiell-rechtlich mit der Klageforderung zu befassen.
13Wert des Beschwerdeverfahrens: 36.400,-- DM