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Bauliche Veränderung mit Zustimmung der Denkmalbehörde
WEG § 22 Abs. 1 Das Unterfangen eines bisher nur auf Stützen ruhendes Balkons durch einen geschlossenen Anbau, durch den ein Abstellraum unter dem Balkon auf einer im Gemeinschaftseigentum stehenden bisherigen Gartenfläche gewonnen wird, stellt auch dann eine erhebliche, nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer zulässige bauliche Veränderung des unter Denkmalschutz stehenden Bauwerks dar, wenn die Denkmalbehörde dem Anbau ausdrücklich zugestimmt hat.
16 Wx 10/2000 29 T 136/99 LG Köln 202 II 30 /99 AG Köln
OBERLANDESGERICHT KÖLN
B E S C H L U S S
In dem Wohnungseigentumsverfahren
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr.Ahn-Roth am 31. Januar 1999
b e s c h l o s s e n :
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner vom 5.1.2000 gegen den Beschluß der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9.12.1999 - 29 T 136/99 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsbeschwerde fallen den Antragsgegnern zur Last. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 20.000,- DM
G r ü n d e
2Die in förmlicher Hinsicht gem. §§ 45 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG nicht zu beanstandende sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung weist keine Rechtsfehler auf ( §§ 27 FGG; 550 ZPO ). Das Landgericht hat zu Recht die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigt, wonach die Antragsgegner zur Entfernung des unterhalb ihrer Terrasse eingebauten Anbaus verpflichtet sind und der (Hilfs-) Antrag abgewiesen werden. Ebenfalls zu Recht ist der weitere Hilfantrag der Antragsgegner - in den Gründen - abschlägig verbe schieden worden.
3Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
4Den Antragstellern stehe ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 22 WEG zu, da es sich bei dem Anbau um eine bauliche Veränderung handle. Zur Beurteilung sei auf den Zeitpunkt abzustellen, als das Wohnungseigentum gebildet worden sei. Damals habe es sich um eine auf Stützen gelagerte Terrasse bzw. Balkon gehandelt. Die für die Zulässigkeit einer baulichen Veränderung erforderliche Einstimmigkeit liege nicht vor. Diese könne auch nicht aus dem Verhalten der Antragsteller geschlossen werden. Die erforderliche Zustimmung sei nicht durch das Einverständnis des Stadtkonservators zu ersetzen. Schließlich hätten die Antragsteller die Beseitigungskosten des von ihnen eigenmächtig erstellten Anbaus zu tragen.
5Diese Erwägungen des Landgerichts sind rechtlich zutreffend. Bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs.1 WEG ist jede auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, die von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht und über die ordnungsgemäße Instandhaltung und -setzung hinausgeht (vgl. beipielsweise BayObLG WE 92, 194; Beschluß des Senats vom 19.12.1997 - 16 Wx 293/97 -; ebenso OLG Hamm OLGZ 76, 61 ). Zu Recht sind die Vorinstanzen im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass zum hier entscheidenden Zeitpunkt der Teilungserklärung im November 1988 die zur Wohnung der Antragsgegner gehörende Terrasse auf Stützen lagerte - z.T. gemauerte Stützen, z.T. Holzbalken -, so dass sich unter dieser Terrasse ( besser: Balkon ) eine Freifläche in einer Höhe von ca. 1,60 m befand, wie der Bestandsplan von 1988 ( Bl. 62 ) ausweist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob diese Fläche als Hof- oder Grünfläche genutzt wurde, damals mit Schutt beladen war und ob der damalige Zustand im einzelnen baurechtlichen Vorschriften entsprach. Vielmehr ist entscheidend, dass sich unter dem Balkon der Erdgeschoßwohnung offene Hoffläche und kein Kellerraum befand. Der jetzige Anbau, mit dem eine Fläche von ca. 9 m 2 umbaut worden ist, stellt mithin eine bauliche Veränderung dar (ebenso OLG Hamm, aaO. zur Unterkellerung einer Terrasse). Dass diese nachteilig für die übrigen Eigentümer ist ( §§ 22 Abs. 1, S.2; 14 WEG ), ergibt sich schon daraus, dass einerseits ein Teil des Gemeinschaftseigentums, nämlich der Hoffläche, jeglicher Nutzung durch die übrigen Eigentümer entzogen wird, andererseits eine intensivere Nutzung des Kelleranteils durch die Antragsgegner ermöglicht und schließlich der Gesamteindruck der rückwärtigen Fassade nachhaltig verändert wird. Daran ändert auch das den Antragsgegnern für die Hof- und Gartenfläche eingeräumte Sondernutzungsrecht nichts. Denn in der Einräumung eines solchen Rechts liegt nicht zugleich die Gestattung, bauliche Veränderungen vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluß vom 21.1.1997 - 16 Wx 8/97 - OLGR 1997, 205; Schuschke, Die Sondernutzung an Gartenflächen der Wohnungseigentumsanlage, NZM 98, 737 m.w.N.). Im Übrigen sieht die geltende Gemeinschaftsordnung in § 3 Nr. 2 vor, dass das Sondernutzungsrecht nur zu einer Nutzung im Rahmen der "derzeitigen Bestimmung", d.h. als "Garten- und Hoffläche" berechtigt (Bl. 10 GA), somit eine Bebauung nicht vorgesehen ist.
6Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg auf die Vereinbarungen anläßlich des Erwerbs der Eigentumswohnungen berufen. Zwar wurde damals mit allen Erwerbern gleichlautend in den Kaufverträgen vereinbart, dass der Erwerber der EG-Wohnung die Sanierung der Terrasse im Erdgeschoß in Einklang mit den Bauordnungsvorschriften übernimmt, wobei eine Terrassenerweiterung zugelassen wurde. Sämtliche Maßnahmen sollten mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt werden ( vgl. Ziff. 4 g der Kaufverträge ). Gleichwohl berechtigt diese Vereinbarung nicht zu dem die Terrasse unterkellerenden Anbau. Denn auch diese Vereinbarung geht davon aus, dass die Terrasse als freistehend, d.h. auf Stützen gelagert und ohne Unterkellerung erhalten bleibt. Dies zeigt -abgesehen davon, dass die Antragsgegner eine abweichende Vereinbarung nicht behauptet haben - nämlich zweifelsfrei der Hinweis in dem fraglichen Passus auf eine Erweiterung der Terrasse "in Beton- oder Stahlkonstruktion", was bei einer anderen Lösung unverständlich wäre. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang der damalige bauliche Zustand des im Gemeinschaftseigentums befindlichen Kellerausgangs ohne Belang. Dessen Erneuerung durch die Eigentümergemeinschaft war ebenfalls zwischen allen Erwerbern vereinbart (vgl. Ziff. 4 h ) und konnte - auf der Nordseite - unabhängig von der Terrassensanierung erfolgen.
7Dass die jetzige Ausführung öffentlich-rechtlichen Vorgaben entspricht und im Einvernehmen mit der Denkmalschutzbehörde erfolgt ist, ändert nichts daran, dass für die Vornahme baulicher Veränderungen die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich ist, denn die öffentlich-rechtlichen Anforderungen und Genehmigungen wirken sich nicht auf das Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander aus. Vielmehr ergehen sie regelmäßig vorbehaltlich der Rechte Dritter, d.h hier der Wohnungseigentümergemeinschaft. Insbesondere können sie eine privatrechtlich erforderliche Zustimmung nicht ersetzen (vgl. Beschluß des Senats v. 21.1.1998, OLGR 99, 137; LG Hamburg v. 16.6.1999, WE 2000, 6; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 22 Rz. 18 ).
8Eine konkludente Zustimmung der Antragsteller hat das Landgericht mit zutreffender Argumentation verneint, die der Senat sich zu eigen macht.
9Mit ihrem Hinweis auf den ursprünglich schlechten Bauzustand, der durch den Anbau angeblich beseitigt worden ist, können die Antragsgegner nicht gehört werden. Denn nach der Vereinbarung anläßlich des Eigentumserwerbs wurde der Erwerber zur Sanierung der Terrasse in Einklang mit den baurechtlichen Vorschriften verpflichtet. Eine bauliche Sanierung wäre auch ohne die eigenmächtige Unterkellerung durch eine Lösung mit Auflagerung auf Stützen möglich gewesen. Dass eine solche Sanierung aus baulichen Gründen nicht möglich ( gewesen ) sein sollte, wird zwar mit dem Beschwerdevorbringen geltend gemacht. Diese Ausführungen vermögen indes nicht zu überzeugen, da nicht deutlich wird, warum der Untergrund eine Grundierung nicht zulassen soll, wenn sich über Jahrzehnte dort ein auf Stützen stehender Balkon befunden hat. Gegebenenfalls müßte die Terrasse kleiner dimensioniert und auf die ursprünglichen Maße reduziert werden. Auch spricht nicht gegen das Abruchverlangen der Antragsteller, dass für diese Maßnahme wiederum eine Baugenehmigung und eine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde erforderlich sind. Derjenige, der als Handlungstörer eine unzulässige bauliche Anlage beseitigen muß, ist nämlich verpflichtet, die dazu erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung einzuholen (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8.Aufl., § 22 Rz. 229 m.Hinweis auf BayObLG WE 87,51 ). Es ist im Übrigen weder schlüssig dargetan noch sonst erkennbar, dass diese Genehmigungen hier - evtl. nach Erfüllung entsprechender Auflagen - nicht zu erlangen sind.
10Der Beseitigungsanspruch ist entgegen der Meinung der Antragsgegner nicht verwirkt. Neben dem "Zeitmoment", das hier im Untätig-Sein für die Dauer von ca. 18 bis 24 Monaten liegt und bereits kaum erfüllt sein dürfte, müssen weitere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Senat v. 21.1.1998, OLGR 98,137). Hierzu fehlt bereits ein hinreichender Vortrag.
11Die Vorinstanzen haben zu Recht den Hilfsantrag auf Kostenübernahme durch die Gemeinschaft abgelehnt, da die Herstellung des früheren Zustandes auf Kosten des Handlungsstörers zu erfolgen hat ( vgl. Bärman/Pick/Merle, a.a.O. ).
12Aus dem oben Dargelegten ergibt sich ferner, dass der im Rahmen der Erstbeschwerde gestellte weitere Hilfsantrag der Antragsgegner auf Verpflichtung der Gegenseite, eine Genehmigung der Baubehörde und Denkmalschutzbehörde für die Beseitigungsarbeiten beizubringen, zutreffend vom Erstbeschwerdegericht abgelehnt worden ist.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Veranlassung zur Abweichung vom Regelfall, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, besteht nicht, § 47 S.2 WEG.
14Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der nicht angegriffenen Festsetzung für die Erstbeschwerde.
15Dr. Schuschke Jennissen Dr.Ahn-Roth