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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin ist in der Sache nicht begründet.
3Der Klägerin stehen aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratversicherungsvertrag Versicherungsleistungen gemäß §§ 1, 49 VVG nicht zu, weil die Beklagte gegen Verletzung der die Klägerin treffenden Obliegenheit, bei Eintritt eines Versicherungsfalles unverzüglich der zuständigen Polizeidienststelle ein Verzeichnis der abhandengekommenen Sachen einzureichen (§ 21 Nr. 1 c, Nr. 3 VHB 92 i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG) von einer etwaig bestehenden Leistungspflicht frei geworden ist.
4Die Klägerin hat die sog. Stehlgutliste der zuständigen Polizeidienststelle nicht unverzüglich vorgelegt. Unverzüglich heisst nach der auch im Versicherungsvertragsrecht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 2 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Der Einbruchdiebstahl wurde am 12.01.1996 entdeckt, an diesem Tag erfuhr auch die Klägerin - aus dem Urlaub zurückgekehrt - hiervon. Die Stehlgutliste fertigte sie und übermittelte sie der Polizei am 06.02.1996, ausweislich des Posteingangsstempels der Polizei ging sie dort am 07.02.1996 ein. Die dreieinhalb wöchige Dauer zwischen Kenntnis der Klägerin vom Eintritt des Schadensfalls bis zur Vorlage der Stehlgutliste bei der Polizei ist nicht als unverzüglich im Sinne des § 21 Nr. 1 c VHB 92 anzusehen. Der Klägerin konnte hierzu nur eine Frist von wenigen Tagen eingeräumt werden. Die dem Geschädigten einzuräumende Frist zur Erstellung einer Stehlgutliste ist danach zu bemessen, wieviel Zeit er benötigt, um sie anzufertigen (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1993, 860 (861)). Innerhalb einer Frist von wenigen Tagen wäre die Klägerin in der Lage gewesen, die Stehlgutliste bei unverzüglicher Bearbeitung zu erstellen. Nur die Vorlage einer Stehlgutliste innerhalb kurzer Zeit erfüllt den Zweck der Obliegenheit des § 21 Nr. 1 c VHB 92, zum einen der Polizei eine Erfolg versprechende Fahndung nach den entwendeten Gegenständen zu ermöglichen, um den von dem Versicherer gegebenenfalls auszugleichenden Schaden zu vermindern und zum anderen, auch den Versicherungsnehmer zu veranlassen, den eingetretenen Schaden zeitnah zu ermitteln und sich insoweit frühzeitig festzulegen, um die Hemmschwelle für vorgetäuschte Schäden und nachträgliche Aufbauschung des Schadens zu erhöhen und somit die Vertragsgefahr zu mindern (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1996, 1055 (1056)).
5Die objektiv gegebene Obliegenheitsverletzung führt im Streitfall zur Leistungsfreiheit der Beklagten.
6Gemäß der Bestimmung des § 6 Abs. 3 VVG, auf die § 21 Nr. 3 VHB 92 verweist, tritt Leistungsfreiheit nicht ein, wenn die Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht, was von dem Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen ist (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 6 Rn. 124). Die Klägerin hat nicht dargelegt bzw. den Beweis erbracht, dass die in Rede stehende Obliegenheitsverletzung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht.
7Soweit die Klägerin behauptet, der Zeuge K. habe sich in dem Telefonat am 12.01.1996 erboten, die Übersendung der Stehlgutliste an die Polizei zu gegebener Zeit zu übernehmen, hat sie die Richtigkeit dieser Behauptung nicht zu beweisen vermocht. Dass der Zeuge K. bei dem Telefonat vom 12.01.1996 solches gegenüber der Klägerin geäußert habe, hat weder der Zeuge R., der das Telefonat mitgehört haben will, noch der Zeuge K. bestätigt.
8Die Klägerin hat auch nicht zu beweisen vermocht, dass der Zeuge K. ihr bei dem Telefonat vom 12.01.1996 erklärt habe, die Erstellung der Stehlgutliste habe Zeit bis zu dem vereinbarten Besichtigungstermin vom 06.02.1996. Dies hat zwar der Zeuge R. bei seiner Vernehmung im Wege der Rechtshilfe durch seine Aussage bestätigt. Seine Aussage ist jedoch nicht glaubhaft, abgesehen davon, dass ihr die Aussage des Zeugen K. entgegensteht. Der maßgebliche Inhalt der protokollierten Aussage des Zeugen R. ist in sich nicht folgerichtig und widerspricht jeder Lebenserfahrung. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass - nach der Bekundung des Zeugen R. - der Zeuge K. als in Versicherungsangelegenheiten kundiger Schadenregulierer der Beklagten - wider besseres Wissen - geäußert haben soll, die Erstellung der Stehlgutliste habe Zeit bis zu dem vereinbarten Termin am 06.02.1996, um bei diesem Termin zu monieren, dass die Klägerin noch keine Stehlgutliste erstellt habe. Hinzu kommt - darauf sei am Rande hingewiesen - dass der Zeuge R. nicht erklärt hat, wie es dazu kam, dass er das Telefonat mitgehört haben will. Es handelte sich bei der Schadensanzeige um kein bedeutendes Telefonat, bei dem ein Mithören nahegelegen hätte. Zudem wusste der Zeuge nicht anzugeben, wer von beiden, die Klägerin oder er, den Zeugen K. nach dem erforderlichen Zeitpunkt der Erstellung der Stehlgutliste gefragt habe.
9Die Aussage des Zeugen K. hingegen ist glaubhaft. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass der Zeuge K. es ausgeschlossen hat, der Klägerin gesagt zu haben, die Aufstellung einer Stehlgutliste und/oder Übersendung an die Polizei sei nicht eilig. Dies hat der Zeuge dahingehend überzeugend begründet, er hätte den falschen Beruf, wenn er eine solche Auskunft erteilt hätte, da es sich hierbei um die elementarsten Pflichten eines Versicherungsnehmers handele. Die Aussage des Zeugen K. wirkt ausgewogen und damit wahrheitsgemäß. Der Zeuge hat beispielsweise nicht wahrheitswidrig bekundet, dass er die Klägerin bei dem Telefonat über das Erfordernis belehrt habe, eine Stehlgutliste unverzüglich erstellen und diese der Polizei zukommen lassen zu müssen, womit er sich in einem besonders kompetenten Licht gezeigt hätte. Er hat desweiteren von sich aus - nicht auf Nachfrage oder auf Vorhalt - ausgesagt, dass sich die Klägerin wohl darüber beklagt habe, dass der Termin nicht früher stattfinden sollte, wofür er versucht habe, Verständnis zu erwecken. Insoweit ist zu erwarten, dass der Zeuge K. auch angegeben hätte, wenn er mit der Klägerin über das Erfordernis der Erstellung einer Stehlgutliste gesprochen hätte.
10Bei dieser Sachlage ist eine weitere Sachaufklärung durch erneute Vernehmung der Zeugen R. und K. vor dem Senat nicht geboten. Die Wiederholung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht nach §§ 526, 398 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Senats. Von ihrer Wiederholung sind keine weitergehenden Erkenntnisse zugunsten der Klägerin zu erwarten. Auch bei der erneuten Vernehmung des Zeugen R. wird dieser nicht in der Lage sein, den von ihm bekundeten, nicht nachvollziehbaren Widerspruch im Verhalten des Zeugen K., zunächst die Auskunft, die Erstellung der Stehlgutliste habe Zeit bis zu dem vereinbarten Treffen - sodann die Beanstandung, dass noch keine Stehlgutliste erstellt worden sei durch die Klägerin - zu erklären. Damit bliebe seine Aussage, wie ausgeführt, unglaubhaft, selbst wenn er eine plausible Erklärung dafür fände, weshalb er das Telefonat mitangehört haben will. Für die Erwartung, dass der Zeuge K. bei erneuter Vernehmung die Behauptung der Klägerin bestätigen wird, spricht nichts. Wie der protokollierten Aussage des Zeugen zu entnehmen ist, hatte er bei eingehender Vernehmung eine detaillierte Erinnerung an den Inhalt des Gesprächs. Nichts spricht dafür, dass er bei seiner Vernehmung vergessen hatte, dass er mit der Klägerin über die Erforderlichkeit der unverzüglichen Erstellung und Übersendung der Stehlgutliste an die Polizei gesprochen habe, was nach der Behauptung der Klägerin und der Bekundung des Zeugen R. ein wichtiger Punkt des Gesprächs gewesen sein soll. Zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit beider Zeugen ist ihre erneute Vernehmung vor dem Senat nicht geboten, da die Aussage des Zeugen R. - wie ausgeführt - bereits unglaubhaft ist. Auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugen R. und K. kommt es daher nicht an.
11Nach der Durchführung der Beweisaufnahme in erster Instanz ist es als unstreitig anzusehen, dass die Klägerin den Zeugen K. anlässlich des Telefonats vom 12.01.1996 drängte, einen Termin zur Schadenregulierung vor dem 06.02.1996 zu ermöglichen. Aus der Aussage des Zeugen K. folgt zudem zugunsten der Klägerin, dass er sie nicht darauf hingewiesen hat, dass sie vor dem 06.02.1996 - und zwar unverzüglich - eine Stehlgutliste zu erstellen und diese auch der Polizei zu übermitteln habe. Bei dieser Sachlage glaubte die Klägerin - so ihr Vortrag -, ihrerseits alles zur Einleitung der Schadenregulierung durch die Beklagte Erforderliche getan zu haben.
12Der aufgezeigte Irrtum der Klägerin entlastet sie zwar von dem Vorwurf der vorsätzlichen, nicht jedoch von den der grob fahrlässigen Pflichtverletzung. Die Klägerin räumt mit diesem Vorbringen nicht den Vorwurf aus, die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt zu haben, das heisst dass sie nicht dasjenige beachtet hat, was in ihrer Lage jedem hätte einleuchten müssen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 6 Rn. 117 m.w.N.). Die Klägerin hat eingeräumt, gewusst zu haben, dass sie eine Stehlgutliste vorzulegen hatte. Jedermann, auch der Klägerin, leuchtet es ohne weiteres ein, dass dieser Verpflichtung unverzüglich nach Entdeckung eines Einbruchdiebstahls nachzukommen ist, um der Polizei gezielte Sachfahnungsmaßnahmen zu ermöglichen und auch, um den Versicherer in Kenntnis zu setzen über das Ausmaß des eingetretenen Schadens. War sich die Klägerin insofern nicht sicher, binnen welcher Frist die Stehlgutliste vorzulegen war, hätte sie sich über ihre vertraglichen Pflichten informieren müssen, entweder durch Einsichtnahme in die Versicherungsbedingungen (vgl. OLG Hamm, VersR 1992, 489) oder durch Nachfragen bei dem Zeugen K.. Beides hat sie nicht getan. Dass sie sich anhand der Versicherungsbedingungen über ihre Pflichten informiert hätte, behauptet die Klägerin selber nicht. Dass sie den Zeugen K. diesbezüglich befragt hätte, steht nicht fest. Soweit der Zeuge R. die diesbezügliche Behauptung der Klägerin durch seine Aussage bestätigt hat, ist seine Aussage - wie ausgeführt - nicht glaubhaft, da es jeder Lebenserfahrung widerspricht, dass der Zeuge K. auf diese Frage geantwortet haben soll, es reiche, wenn die Stehlgutliste bei dem vereinbarten Termin am 06.02.1996 erstellt werde, er dort aber moniert haben soll, dass keine Stehlgutliste erstellt worden sei. Insoweit ist - wie ausgeführt - die Aussage des Zeugen K. glaubhaft, dass über das Erfordernis der Erstellung einer Stehlgutliste bei dem Telefonat vom 12.01.1996 nicht gesprochen worden ist.
13Das Ausmaß des Verschuldens der Klägerin erscheint auch nicht deshalb in einem milderen Licht, weil sie nach dem Inhalt des von dem Zeugen K. bekundeten Telefonats hätte erwarten können und müssen, dass dieser sie auf das Erfordernis der unverzüglichen Erstellung und Übersendung einer Stehlgutliste hinwies. Hiervon ist nach dem Inhalt des von dem Zeugen K. bekundeten Gesprächs nicht auszugehen. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen K. fragte die Klägerin nicht, ob etwas, gegebenenfalls was, nach Eintritt des Einbruchschadens zu tun sei, sie erweckte vielmehr den Eindruck, zu wissen, was zu tun sei, so dass sich für den Zeugen K. kein Erfordernis zur Belehrung der Klägerin ergab. Der Zeuge K. konnte und musste das Anliegen der Klägerin anlässlich des Telefonats als Drängen auf baldige Schadenregulierung verstehen, nicht aber als Bitte um Mithilfe bei der Erfüllung der klägerischen Obliegenheiten. Letzteres Verständnis lag für den Zeugen K. fern, weil nur die Klägerin - nicht er - feststellen konnte, was nach dem angeblichen Einbruchdiebstahl im Hause der Klägerin fehlte.
14Die Klägerin hat auch den ihr gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG obliegenden Kausalitätsgegenbeweis (vgl. Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 6 Rn. 124) nicht geführt. Die unverzügliche Einreichung der Stehlgutliste soll zum einen eine zeitnahe polizeiliche Fahndung nach dem Diebesgut ermöglichen, um den Schaden wenn möglich zu verringern, und zum anderen der Gefahr vorbeugen, dass der Versicherungsnehmer im nachhinein den Schaden aufbauscht, was durch eine frühzeitige Festlegung der abhanden gekommenen Sachen in der Stehlgutliste erschwert wird (OLG Köln r + s 1995, 148 f.). Unter beiden Gesichtspunkten ist die Obliegenheitsverletzung kausal.
15Die Anforderungen an den von dem Versicherungsnehmer zu führenden Kausalitätgegenbeweis hinsichtlich etwaiger Fahndungserfolge der Polizei müssen sich daran ausrichten, ob überhaupt ein Fahndungserfolg unter den gegebenen Umständen des Einzelfalls realistisch gewesen wäre. Dies hängt insbesondere von der Art des gestohlenen Guts ab (vgl. OLG Köln, r + s 1995, 148 f.), insbesondere von seiner Idividualisierbarkeit (Baumgärtl/Prölss, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 5, § 13 AERB 87, Rn. 5). Vorliegend besteht das Stehlgut im Gesamtwert von mehr als 54.200,00 DM aus wenigen, sehr wertvollen individualisierbaren Schmuckstücken, teuren, vergleichsweise selten vorkommenden Markenkleidungsstücken sowie einen wertvollen, auffällig grün eingefärbten Nerzmantel. Bei dieser Sachlage hätte bei zeitnahen Sachfahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen der Polizei eine wesentlich größere Chance der Wiedererlangung der Beute bestanden als nach Vorlage der Stehlgutliste dreieinhalb Wochen nach dem angeblichen Einbruch.
16Was die zweite Zweckrichtung der Obliegenheit betrifft, nämlich eine nachträgliche Aufbauschung des Schadens zu verhindern, ist gleichfalls nicht auszuschließen, dass die verspätete Einreichung der Stehlgutliste bei der Polizei zur Aufbauschung des Schadens geführt hat. Die Beklagte bestreitet inzwischen, dass die in der Stehlgutliste aufgeführten Gegenstände bei dem angeblichen Einbruchdiebstahl vom 11./12.01.1996 gestohlen worden sind - und somit das Ausmaß des Schadens. Die verspätete Erstellung der Stehlgutliste hat es der Klägerin nicht ausschließbar erleichtert, den Schaden aufzubauschen, wie sich aus der Aussage des Zeugen K. ergibt, dass er den Eindruck gehabt habe, dass es ein spontaner Einfall der Klägerin gewesen sei, anzugeben, eine bestimmte Sache sei auch noch weggekommen.
17Soweit in Fällen der vorsätzlichen, aber folgenlosen Verletzung von Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheiten zusätzlich noch eine Belehrung des Versicherungsnehmers über den Eintritt der Leistungsfreiheit gefordert wird (vgl. dazu Prölss/Martin, VVG, 26. Auflage, § 34 Rn. 22), ist das für den vorliegenden Fall schon deshalb ohne Bedeutung, weil die Obliegenheit zur unverzüglichen Einreichung der Stehlgutliste konkret in § 21 Nr. 1 c VHB 92 festgelegt ist und vom Versicherungsnehmer daher bei Eintritt des Versicherungsfalles ohne eine vorherige Aufforderung durch den Versicherer mit entsprechender Belehrung spontan zu erfüllen ist (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1996, 1055 (1056)).
18Die prozessualen Nebenentscheidungen bezüglich der Kosten und der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
19Streitwert für das Berufungsverfahren und
20Wert der Beschwer der Klägerin: 54.200,00 DM