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Tatbestand
2Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wassersport-Unfallversicherung geltend.
3Die Klägerin zu 1. schloß als Eigentümerin der Segelyacht "E. " bei der Beklagten mit Wirkung vom 11. April 1980 eine Wassersport-Unfallversicherung nach Maßgabe der AUB 61 sowie der "Erläuterungen und Bedingungen zum Antrag auf Wassersport-Unfallversicherung" ab, in denen es u.a. heißt:
4"1) Die Versicherung bezieht sich auf Unfälle im ursächlichen Zusammenhang mit
5a) dem Lenken und Benutzen des in diesem Antrag bezeichneten Fahrzeuges und seiner Beiboote auf privaten Fahrten und Regatten, dem Liegen, Festmachen und der Benutzung in Häfen ...
62) Versicherte Personen, soweit für sie laut Antrag Versicherungsschutz vereinbart wurde, sind:
7a) bei Unfällen auf privaten Fahrten und Regatten sowie in Häfen (siehe oben 1) a):
8aa) der Fahrzeugeigner
9bb) folgende berechtigte Personen: Fahrzeugführer ..."
10Als Versicherungsleistung ist eine Pauschaldeckung für alle Personen vereinbart, die für den Todesfall 500.000,- DM beträgt und an die gesetzlichen Erben des Getöteten auszuzahlen ist.
11Der Ehemann der Klägerin zu 1. und Vater der Beklagten zu 2., 3. und 4., Herr W. J. , verließ am 13. August 1984 gegen 8.30 Uhr in büromäßiger Kleidung (Anzug und Krawatte) mit einem Firmenwagen die eheliche Zweitwohnung in Glücksburg-Schausende mit der Ankündigung, in das Büro seiner Reederei zu fahren. Mit der Klägerin zu 1. verabredete er sich für 13.20 Uhr zum Mittagessen.
12Gegen 11.30 Uhr verließ die Segelyacht "E. " bei sommerlichem Wetter und einer Windstärke von 2-3 den Hafen G.-M.. An Bord befand sich nach Beobachtung des Hafenmeisters ein Mann, der dunkel gekleidet gewesen sein und eine weiße Stoffmütze getragen haben soll. Gegen 13.30 Uhr wurde die bei laufendem Motor auf Sand gelaufene Yacht führerlos vor dem Strand von Kronsgaard in der G. er Bucht aufgefunden. An Bord wurden der zum Betrieb des Bootes benötigte Schlüssel, der zuvor im Besitz von W. J. war, sowie seine Straßenschuhe, die er an diesem Tag getragen hatte, und seine Brille gefunden. Das Fahrzeug, mit dem Herr J. am Morgen von der Wohnung aus losgefahren war, stand ordnungsgemäß verschlossen auf dem Hafenparkplatz in G. . In dem Wagen sich befanden sich die Anzugjacke und die Krawatte von Herrn J. , mit denen er beim Verlassen der Wohnung gekleidet war.
13Der seit diesem Tag verschollene W. J. wurde mit Beschluß des Amtsgerichts Flensburg vom 24. Mai 1996 - 8 II 60/85 - für tot erklärt; als Todeszeitpunkt wurde der 13. August 1984, 24.00 Uhr, festgestellt. Seine gesetzlichen Erben sind die Kläger.
14Nach längerer außergerichtlicher Korrespondenz, die die Beklagte mit den Rechtsanwälten H. ##blob##amp; S. aus F. führte, lehnte sie mit einem an diese Anwaltskanzlei gerichteten Schreiben vom 6. November 1996 Leistungen aus der Wassersport-Unfallversicherung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG ab. Wann dieses Schreiben den Anwälten zugegangen ist, ist ungeklärt. Am 25. April 1997 reichten die Kläger beim Landgericht Aachen Klage auf Zahlung von 500.000,- DM ein. Die gerichtliche Aufforderung zur Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 10.635,- DM ging den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 30. April 1997 zu. Nach Einzahlung des Vorschusses am 28. Mai 1997 wurde die Klage am 4. Juni 1997 zugestellt.
15Die Kläger haben zur Begründung ihres Anspruchs vorgetragen, es müsse davon ausgegangen werden, daß W. J. am 13. August 1984 mit der Segelyacht "E. " den Hafen G. verlassen habe und während der Fahrt als Folge eines Unfalls an Bord ins Wasser gefallen und ertrunken sei. Nur diesen Schluß ließen die umfangreichen Ermittlungen, die nach seinem Verschwinden durchgeführt worden seien, zu. Er habe an einer im M. beginnenden Regatta teilnehmen wollen und sich daher wahrscheinlich spontan entschlossen, das Boot zu überführen. Daß er davon die Klägerin zu 1. nicht frühzeitig unterrichtet habe, sei damit zu erklären, daß er sie, wenn es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, jederzeit über den Bordfunk hätte erreichen können.
16Die Kläger haben beantragt,
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18die Beklagten zu verurteilen, an sie 500.000,- DM nebst 4% Zinsen seit dem 25. Oktober 1996 zu zahlen.
19Die Beklagte hat beantragt,
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21die Klage abzuweisen.
22Sie hat die Ansicht vertreten, die Kläger hätten den von ihnen zu führenden Beweis, daß W. J. beim Betrieb des Segelbootes einen Unfalltod erlitten habe, nicht geführt. Es stehe nicht einmal sicher fest, daß er an Bord des Bootes gewesen sei. Er hätte ein weißes Hemd und eine helle Anzugshose tragen müssen; so aber habe der Hafenmeister den Mann, der sich beim Auslaufen auf der Segelyacht befunden habe, nicht beschrieben. Es habe auch nicht der Lebensweise von W. J. entsprochen, sich ohne vorherige Benachrichtigung zu einer Segeltour zu entscheiden. Angesichts der guten Witterungsbedingungen sei auch kein Grund ersichtlich, weshalb Herr J. , wenn er denn auf dem Boot gewesen sei, über Bord gefallen sein sollte. Im übrigen sei nach den Bestimmungen des Verschollenheitsgesetzes davon auszugehen, daß der Tod erst um 24.00 Uhr eingetreten sei, während die Yacht schon gegen 13.30 Uhr führerlos gefunden wurden sei. Das spreche dagegen, daß der Tod im Zusammenhang mit dem Betrieb des Segelbootes gestanden habe.
23Das Landgericht hat der Klage nach Beiziehung und Auswertung der Akten 102 Js 20661/85 Staatsanwaltschaft Flensburg, E-Nr. 124/84 Seeamt Flensburg und 23 O 192/97 Landgericht Köln mit Urteil vom 12. Februar 1999 stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten Ermittlungen bestehe kein begründeter Zweifel daran, daß W. J. am 13. August 1984 an Bord der Segelyacht den Hafen G.-M. verlassen und während des Bootsbetriebes durch ein irgendein Ereignis, das den Unfallbegriff des § 2 Abs. 1 AUB 61 erfülle, von der Segelyacht ins Meer gefallen und ertrunken sei. Konkrete Anhaltspunkte für einen natürlichen Tod oder für einen Selbstmord seien nicht ersichtlich.
24Gegen dieses ihr am 18. Februar 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. März 1999 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 18. Mai 1999 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Mai 1999 verlängert worden war.
25Die Beklagte beruft sich erstmals darauf, die Kläger hätten die Klagefrist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG nicht eingehalten. Sie behauptet, ihr Ablehnungsschreiben vom 6. November 1996 sei am 7. November 1996 bei der Kanzlei H. ##blob##amp; S. eingegangen. Der in diesem Anwaltsbüro tätige Rechtsanwalt F. sei von allen Klägern mit der Durchsetzung der Ansprüche aus der Wassersport-Unfallversicherung beauftragt gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, die danach am 7. Mai 1996 abgelaufene Klagefrist sei nicht gemäß § 270 Abs. 3 ZPO durch die Einreichung der Klage am 25. April 1997 gewahrt worden, weil die Einzahlung des Kostenvorschusses nicht innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen nach der Zahlungsaufforderung durch das Gericht erfolgt und daher die Klagezustellung erst am 4. Juni 1997 auf ein nachlässiges Verhalten der Kläger zurückzuführen sei.
26In der Sache selbst wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie beruft sich insbesondere auf die Vermutungswirkung der Todeserklärung durch das Amtsgericht Flensburg vom 24. Mai 1996. Danach sei davon auszugehen, daß der Tod erst am 13. August 1984 um 24.00 Uhr eingetreten sei. Es streite dann aber auch eine gesetzliche Vermutung dafür, daß W. J. bis zu diesem Zeitpunkt noch gelebt habe. Da die Segelyacht bereits um 12.50 Uhr von einem Offizier der MS "S. " führerlos gesehen worden sei, müsse er über 11 Stunden in der Ostsee geschwommen sein, bevor es um 24.00 Uhr zum Ertrinkungstod gekommen sei. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Jedenfalls hätte er in diesem Fall durch die sofort eingeleiteten Suchmaßnahmen gefunden werden müssen. Da der Tod - entsprechend der gesetzlichen Vermutung - erst um 24.00 Uhr eingetreten sei, fehle es überdies am Zusammenhang zwischen dem Tod und dem Lenken und Benutzen des Segelbootes. Unabhängig davon stehe nicht fest, daß W. J. sich tatsächlich am 13. August 1984 auf der Segelyacht befunden habe. Es sei unwahrscheinlich, daß er sich ohne Benachrichtigung spontan zu einem Segeltörn entschlossen habe, zumal an diesem Tag der Kläger zu 3. in der Reederei ein Praktikum angetreten habe. Wenn er als erfahrener Segler wirklich über Bord ins Wasser gefallen sein sollte, hätte man seine Leiche gefunden, denn etwa 98% der Leichen der in der Ostsee ertrunkenen Menschen würden aufgefunden. Schließlich sei keineswegs ausgeschlossen, daß er an Bord eines natürlichen Todes gestorben und der Leichnam über Bord gespült worden sei. Auch bleibe die Möglichkeit der Selbsttötung.
27Die Beklagte beantragt,
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29unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Aachen vom 12. Februar 1999 die Klage abzuweisen.
30Die Kläger beantragen,
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32die Berufung zurückzuweisen.
33Die Kläger behaupten, Rechtsanwalt F. sei nicht von ihnen allen - insbesondere nicht von den Klägern zu 1. und 2. - zur Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagte beauftragt gewesen. Dieser habe das Ablehnungsschreiben auch nicht am 7. November 1996 erhalten. Wann das Schreiben dort eingegangen sei, könne heute nicht mehr geklärt werden. Frühestens sei von einem Zugang am 8. November 1996 auszugehen. Die Klagefrist sei somit erst am 9. Mai 1997, dem Freitag nach Christi Himmelfahrt, abgelaufen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Anforderung durch das Gericht nicht sofort habe bearbeitet werden können und immerhin von 4 Personen Vorschüsse hätten angefordert werden müssen, sei die Einzahlung noch rechtzeitig erfolgt.
34Im übrigen verteidigen die Kläger das erstinstanzliche Urteil mit Sach- und Rechtsausführungen.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
36Die Akten 102 Js 20661/85 Staatsanwaltschaft Flensburg, E-Nr. 124/84 Seeamt Flensburg und 23 O 192/97 Landgericht Köln haben auch dem Senat vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
37Entscheidungsgründe
38Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache erfolglos.
39Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern als gesetzliche Erben des für tot erklärten W. J. die vereinbarte Versicherungsleistung in Höhe von 500.000,- DM gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG in Verbindung mit §§ 1, 8 I AUB 61 sowie den Erläuterungen und Bedingungen zum Antrag auf Wassersport-Unfallversicherung zu erbringen.
401. Von der Verpflichtung zur Leistung ist die Beklagte nicht schon deshalb frei, weil der Anspruch auf die Leistung nicht, wie es § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG verlangt, innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Ablehnung gerichtlich geltend gemacht worden ist. Auch wenn man zu Lasten der Kläger davon ausgeht, daß die Frist von sechs Monaten durch den Zugang des Ablehnungsschreibens bei den Anwälten H. ##blob##amp; S. am 7. November 1996 wirksam in Gang gesetzt worden ist und daher die Klagefrist am 7. Mai 1997 abgelaufen war, war die Zustellung der Klage am 4. Juni 1997 nicht verspätet. Soll durch die Zustellung der Klage eine Frist gewahrt werden, tritt nach § 270 Abs. 3 ZPO die Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Eine Zustellung "demnächst" bedeutet eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen Frist, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben (BGH, NJW 1993, 2811, 2812). Dies ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen haben. Als in diesem Sinne geringfügig ist ein Zeitraum von bis zu 14 Tagen anzusehen (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 254; NJW 1999, 3125; NJW 1999, 3717, 3718). Dieser Zeitraum beginnt allerdings erst, wenn der Partei oder ihrem Bevollmächtigten ein nachlässiges Verhalten zur Last gelegt werden kann. Eine solche Nachlässigkeit liegt nicht bereits darin, daß der Gerichtskostenvorschuß nicht schon mit der Einreichung der Klage beigefügt wurde, denn dazu ist eine Partei nach der vom Senat geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs selbst dann nicht gehalten, wenn die Klage erst kurz vor dem Ablauf der Frist eingereicht wird (vgl. BGH, NJW 1994, 1073). Darf eine Partei somit mit der Einreichung einer Klageschrift, die eine Frist wahren soll, bis zum letzten Tag des Fristablaufs zuwarten und darf sie gleichwohl noch eine gerichtliche Aufforderung zur Einzahlung des Kostenvorschusses abwarten, ohne daß ihr dies - zumindest dann, wenn diese Aufforderung kurzfristig erfolgt - sogleich als vermeidbare Nachlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden kann, muß ihr, nachdem sie zur Zahlung des Vorschusses aufgefordert wurde, ein gewisser Zeitraum eingeräumt werden, in dem sie für die Einzahlung des Kostenvorschusses sorgen kann. Ein nachlässiges Verhalten liegt erst dann vor, wenn die Bearbeitung der Kostenvorschußanforderung nicht zügig erfolgt. Insoweit kann nach Ansicht des Senats nichts anderes gelten als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, daß eine Partei zulässigerweise eine Streitwertanfrage des Gerichts abwartet; dann nämlich steht ihr nach zutreffender Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Beantwortung der Anfrage ein Zeitraum von ca. 1 Woche ab deren Zugang zur Verfügung, der nicht als schuldhafte Verzögerung zu werten ist (BGH, aaO, S. 1074). Ein verzögerliches Verhalten ist erst nach Ablauf dieser Bearbeitungsfrist gegeben und - wie dargelegt - unschädlich, wenn diese Verzögerung einen Zeitraum von 14 Tagen nicht überschreitet. Im zu entscheidenden Fall bedeutet dies, daß den Klägern bzw. ihren Prozeßbevollmächtigten nach Zugang der Aufforderung zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses und nach Ablauf der Klagefrist am 7. Mai 1997, bis zu dem sie ohnehin ohne den Vorwurf einer nicht gewissenhaften Prozeßführung hätte zuwarten dürfen, noch mindestens ein Zeitraum von einer Woche zuzubilligen ist, um die Gerichtskostenanforderung zu bearbeiten. Die 14-Tages-Frist begann somit frühestens am 14. Mai 1997 und ist mit der Einzahlung des Kostenvorschusses am 28. Mai 1997 noch gewahrt worden.
412. Auch zur Überzeugung des Senats steht fest, daß der für tot erklärte W. J. am 13. August 1984 an Bord der Segelyacht "E. " war und während der Benutzung des Bootes durch ein Ereignis, das als Unfall im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB 61 zu werten ist, zu Tode gekommen ist. Hierzu muß ein bestimmtes Unfallgeschehen nicht festgestellt werden; es reicht aus, wenn als Ursache für den Tod der versicherten Person nur solche Geschehensabläufe in Betracht kommen, die den Unfallbegriff erfüllen (vgl. BGH, VersR 1977, 736).
42a) Der Senat ist zunächst davon überzeugt, daß W. J. am 13. August 1984 gegen 11.30 Uhr den Hafen G.-M. an Bord der Segelyacht verlassen hat. Dafür spricht eine Vielzahl von im wesentlichen unstreitigen Indizien. So wurde der Firmenwagen, den Herr J. an diesem Morgen benutzte, auf dem Hafenparkplatz gefunden; in ihm befanden sich Kleidungstücke, die von ihm stammten, sowie eine ihm gehörende Aktentasche. Brille und Straßenschuhe von Herrn J. wurden an Bord des Bootes gefunden. Der Schlüssel, mit dem das Boot gestartet wurde, ist eindeutig Herrn J. zuzuordnen. Gegen 11.30 Uhr ist das Boot mit einer männlichen Person an Bord aus dem Hafen ausgelaufen. Seit dem 13. August 1984 gibt es kein Lebenszeichen mehr von Herrn J. ; aufgrund der Todeserklärung des Amtsgerichts Flensburg ist gemäß § 9 Abs. 1 des Verschollenheitsgesetzes (VerschG) zu vermuten, daß er an diesem Tag um 24.00 Uhr verstorben ist. Diese Indizien reichen dem Senat zur Überzeugungsbildung vor allem deswegen aus, weil es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gibt, daß nicht Herr J. selbst, sondern eine unbekannt gebliebene dritte Person mit dem Boot auf die Ostsee hinausgefahren sein könnte. Sicher erscheint es auf den ersten Blick ungewöhnlich, daß Herr J. am Morgen des 13. August 1984 niemanden von der Absicht, das Boot zu benutzen, in Kenntnis gesetzt hat und nicht in der Reederei erschienen ist, obwohl der Kläger zu 3. dort an diesem Tag mit einem Praktikum beginnen sollte und obgleich er sich mit der Klägerin zu 1. zum Mittagessen verabredet hatte. Ein Motiv, gleichwohl spontan die Segelyacht zu benutzen, mag aber - dagegen hat die Beklagte nichts vorgebracht - darin gelegen haben, daß er das Boot zwecks der beabsichtigten Teilnahme an einer Regatta überführen wollte und im übrigen von dieser Absicht jederzeit Dritte durch das Bordtelefon hätte in Kenntnis setzen können. Bei dieser Sachlage ist, auch wenn der Hafenmeister die männliche Person, die er aus einer Entfernung von ca. 200 m gesehen hat, nicht als W. J. identifizieren konnte, davon auszugehen, daß W. J. tatsächlich am 13. August 1984 gegen 11.30 Uhr an Bord der Segelyacht den Hafen verlassen hat. Dafür, daß eine dritte Person an seiner Stelle das Boot benutzt hat, ist nichts ersichtlich. Angesichts der sonstigen Umstände - insbesondere des Auffindens persönlicher Gegenstände von Herrn J. an Bord - würde es nur dann einen Sinn machen, daß ein Dritter das Boot auf die Ostsee hinaussteuert, wenn auf diese Weise der Unfalltod von Herrn J. inszeniert werden sollte. Dafür aber gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
43Auch der Umstand, daß die Leiche von W. J. bis heute nicht gefunden worden ist, spricht nicht dagegen, daß er an Bord des Bootes war und während der Fahrt über Bord gegangen ist. Es bleibt bloße Spekulation und stellt eine Behauptung der Beklagten ins Blaue hinein dar, daß die Leiche des Herrn J. in diesem Fall an Land angeschwemmt worden sei, da etwa 98% der Leichen der in der Ostsee ertrunkenen Menschen aufgefunden würden. Im vorliegenden Fall steht nicht einmal der genaue Unfallort fest. Unabhängig davon kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Leiche des Herrn J. zu den - vielleicht wenigen - Leichen der ertrunkenen Personen gehört, die nicht an Land angeschwemmt wurden oder die, obwohl sie angeschwemmt worden waren, nicht gefunden wurden.
44b) Die Kläger haben auch bewiesen, daß Herr J. durch ein Geschehen, das den Unfallbegriff des § 2 Abs. 1 AUB 61 erfüllt und das im Zusammenhang mit dem Lenken und Benutzen des Segelbootes stand, getötet wurde. Diese Beweisführung ist den Klägerin durch die Vermutung des § 9 Abs. 1 VerschG und des § 180 a VVG erleichtert. Nach § 9 Abs. 1 VerschG begründet die Todeserklärung die Vermutung, daß der Verschollene in dem im Todeserklärungsbeschluß festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Die Kläger müssen daher nicht die Möglichkeit ausräumen, daß W. J. zu einem anderen als dem festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Gemäß § 180 a VVG ist weiterhin zugunsten der Kläger zu vermuten, daß der Tod von Herrn J. unfreiwillig war; ein Selbstmord, für den selbst die Beklagte nichts vorzubringen vermag, scheidet mithin als Todesursache aus.
45Da zur Überzeugung des Senats feststeht, daß Herr J. am 13. August 1984 an Bord der Segelyacht war, bleiben als mögliche Todesursachen, die keinen Unfall im Sinne von § 2 Abs. 1 AUB 61 darstellen würden, zum einen, daß Herr J. nach dem Verlassen des Hafens freiwillig und ohne die Absicht einer Selbsttötung von Bord gegangen ist oder zum anderen, daß er an Bord eines natürlichen Todes verstarb und danach über Bord gespült wurde. Beide Möglichkeiten schließt der Senat aus.
46Daß Herr J. an Bord eines natürlichen Todes gestorben ist, ist schon deswegen höchst unwahrscheinlich, weil es angesichts der Witterungsverhältnisse nahezu ausgeschlossen erscheint, daß der Leichnam über Bord gespült worden sein könnte. Darauf kommt es allerdings nicht einmal an. Auch insoweit kommt den Klägern nämlich die Vermutung des § 9 Abs. 1 VerschG zugute. Vermutet wird aufgrund des Todeserklärungsbeschlusses des Amtsgerichts, daß Herr J. am 13. August 1984 um 24.00 Uhr verstorben ist und bis zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hat (kombinierte Todes- und Lebensvermutung, vgl. Staudinger-Weick/Habermann, BGB, 13. Bearb., § 9 VerschG, Rdn. 23). Da Herr J. sich unstreitig spätestens ab 13.30 Uhr nicht mehr an Bord des Bootes befunden hat, ist mithin zu vermuten, daß er lebend über Bord gegangen ist. Das Gegenteil hätte wegen der Vermutungswirkung des § 9 Abs. 1 VerschG die Beklagte zu beweisen; dafür hat sie aber nichts dargetan.
47Die weitere Alternative, daß Herr J. zwar zunächst an Bord gegangen ist, aber das Boot anschließend freiwillig und ohne die Absicht, sich selbst zu töten, verlassen hat, erscheint dem Senat gänzlich abwegig. Für einen solchen in jeder Hinsicht unvernünftigen Entschluß gab es keinen auch nur ansatzweise nachvollziehbaren Grund. Selbst wenn Herr J. mit dem Boot technische Schwierigkeiten gehabt hätte, hätte er ohne weiteres mittels Bordfunk Hilfe herbeiholen können. In einer solchen Situation das Boot mehrere Kilometer vom Land entfernt zu verlassen und den Versuch zu unternehmen, das Land schwimmend zu erreichen, erscheint dem Senat fernliegend.
48Damit bleibt nach allem nur, daß Herr J. durch ein in seinen Einzelheiten ungeklärt bleibendes Unfallereignis von Bord des Segelbootes gefallen und ertrunken ist. Dieser Schlußfolgerung und auch der Feststellung, daß sich der Unfall im ursächlichen Zusammenhang mit dem Benutzen des Bootes ereignet hat, steht, anders als die Beklagte meint, die Vermutungswirkung des § 9 Abs. 1 VerschG nicht entgegen. Die Beklagte übersieht, daß die Vermutung, Herr J. sei erst um 24.00 Uhr zu Tode gekommen und habe bis dahin noch gelebt, widerleglich ist. Die gesamten festgestellten Umstände lassen indes nur den Schluß zu, daß Herr J. bereits vor 13.30 Uhr lebend von Bord der Segelyacht ins Meer gefallen ist. Daß er dann selbst als geübter Schwimmer nicht nahezu 11 Stunden im Wasser hätte überleben können, räumt auch die Beklagte ein. Damit ist insoweit die Vermutung des § 9 Abs. 1 VerschG hinsichtlich des genauen Todeszeitpunktes widerlegt.
49Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50Berufungsstreitwert
51und Wert der Beschwer der Beklagten: 500.000,- DM