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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin betreibt - im wesentlichen zu gastronomischen Zwecken - den Import und Handel mit Süßwasserkrebsen. Die Krebse werden teilweise von ihr zu Produkten weiterverarbeitet, zu einem größeren Teil lebend an den Zwischenhandel, an den Einzelhandel, an die gehobene Gastronomie und vereinzelt an sonstige Endabnehmer geliefert. Nach den (insoweit allerdings etwas wechselnden) Angaben der Klägerin entfallen von ihren geschäftlichen Aktivitäten etwa 90% auf den Handel mit Krebsen und Krebsprodukten. Von den importierten Krebsen verarbeitet sie etwa 20% zu gastronomischen Produkten wie Krebsbutter, Krebspaste u.ä., die übrigen vermarktet sie lebend weiter, davon den wohl überwiegenden Teil an den Zwischenhandel. Im hier näher interessierenden Zeitraum von 1989 bis 1994 bezog die Klägerin Süßwasserkrebse der Arten astacus leptodactylus und procambarus clarkii überwiegend aus Kenia und der Türkei (hier hatte die Klägerin auch zu Zuchtzwecken einen See gepachtet), zu einem geringen Anteil aus Portugal. Seit Ende 1992 kam - mit zunehmender Bedeutung - der Import australischer Krebse hinzu.
3Mit Wirkung vom 1.8.1989 trat die am 24.7.1989 erlassene erste Verordnung zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung (BGBl. I S. 1525) in Kraft. Danach wurden neben zahlreichen weiteren Tier- und Pflanzenarten auch Süßwasserkrebse unter Schutz gestellt und den Beschränkungen des damaligen § 21 b BNatSchG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.3.1987, BGBl. I 889) unterworfen, wonach eine Einfuhr der in der Anlage zur Bundesartenschutzverordnung genannten Arten nur noch zu wissenschaftlichen Zwecken möglich war. Zweck dieser Unterschutzstellung war es nach der Begründung des Bundesrates, auf dessen Initiative die Änderung der Bundesartenschutzverordnung insoweit zurückging, der Bedrohung der bundesdeutschen Bestände an Süßwasserkrebsen durch Einschleppung der Krebspest sowie der Gefahr einer Verfälschung der heimischen Fauna vorzubeugen (BRat-Drs. 290/89 S.11).
4Das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft (heute Bundesamt für Naturschutz) gestattete der Klägerin ab dem 1.8.1989 den Import von Krebsen in Anwendung der Härtefallregelung des
5§ 31 Abs.1 Nr. 1 BNatschG zwar vorerst weiter, allerdings nur im Rahmen von zeitlich (im Regelfall auf etwa sechs Monate) befristeten Einfuhrgenehmigungen, die an verschiedene Auflagen gebunden waren. So standen die ersten beiden am 1.8.1989 erteilten Genehmigungen des Bundesamtes unter der Auflage, dass lebend importierte Krebse im Betrieb der Klägerin zu gastronomischen Produkten zu verarbeiten seien. Ab dem 19.10.1989 erteilte Genehmigungen sahen durchgängig zwar die Möglichkeit einer Weitervermarktung lebender Krebse vor, allerdings nur an Endabnehmer, nicht an den Zwischenhandel. Außerdem wurde der Klägerin aufgegeben, die Krebse so zu halten, dass eine Auswilderung verhindert werde, die Hälterungswässer zu desinfizieren (diese Auflage wurde später abgemildert) und die Endabnehmer auf bestimmte Verhaltensmaßregeln zu verpflichten. Auch australische Krebse wurden von den Auflagen ausgenommen, da sie als Krebspestüberträger und Faunenverfälscher nicht in Betracht kamen. Insgesamt stellte die Klägerin im Zeitraum von 1989 bis 1994 40 Anträge auf Importgenehmigung, denen unter den genannten Auflagen entsprochen wurde. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 9.8.1996 (Bl. 519 ff. GA) samt dem Anlagenkonvolut BK 16 und der Beklagten vom 14.12.1994 (Bl. 126 ff. GA) samt Anlage.
6Gegen die Auflagen, mit denen die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 versehen worden waren, legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein, der (bis auf die oben genannten Ausnahmen) erfolglos blieb. Eine unter dem 24.8.1990 unter Auflagen erteilte Genehmigung war Gegenstand zweier vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und dem Verwaltungsgerichtshof Kassel geführten Eilverfahren sowie einer verwaltungsgerichtlichen Klage, die nach Erledigung der Hauptsache infolge Zeitablaufs der Genehmigung als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführt wurde. Auch diese verwaltungsgerichtlichen Verfahren blieben für die Klägerin erfolglos. Insoweit wird auf die beigezogenen Akten der Verfahren I/1-G 2925/90, I/1-H 3072/90 und 13 E 2913/90 VG Frankfurt Bezug genommen.
7Das auf der Bundesartenschutzverordnung und dem Bundesnaturschutzgesetz beruhende Importverbot war Gegenstand einer im Jahre 1992 erhobenen Aufsichtsklage der Kommission der Europäischen Gemeinschaft vor dem EuGH (Rechtssache C-31/93). Mit Urteil vom 13.7.1994 stellte der EuGH fest, dass die Beklagte hierdurch gegen Art. 30 EGV verstossen habe und dass das Importverbot auch nicht durch Art. 36 EGV gerechtfertigt sei.
8Mit der Richtlinie des Rates 91/67/EWG vom 28.1.1991 betreffend die tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren und anderen Erzeugnissen der Aquakultur (sog. "Aquakultur-Richtlinie") harmonisierte die Gemeinschaft die tierseuchenrechtlichen Vorschriften für die Vermarktung von Tieren der Aquakultur in der Weise, dass für die Einfuhr die Einhaltung bestimmter Gesundheitskontrollen vorgeschrieben wurde. Diese Richtlinie war von den Mitgliedstaaten bis zum 1.1.1993 umzusetzen, was in der Bundesrepublik Deutschland durch den Erlass der zum 1.1.1993 in Kraft getretenen Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbingen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Sachen der Aquakultur vom 23.12.1992 (BGBl. I S. 2437 ff.) geschah. Ab Mitte 1993 genehmigte das Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft der Klägerin den Import lebender Krebse auflagenfrei. Das Importverbot für Süßwasserkrebse wurde schließlich durch eine weitere Änderung der Bundesartenschutzverordnung vom 9.7.1994 (BGBl. I. S. 1523) vollständig aufgehoben. Seitdem ist die Einfuhr von Süßwasserkrebsen wieder genehmigungsfrei möglich.
9Die Klägerin macht mit ihrer Klage Schadensersatzansprüche geltend, und zwar wegen entgangenen Gewinns durch die Beschränkung der Vermarktungsmöglichkeiten, wegen Mehrkosten, die durch die Auflagen insbesondere für die aufwendigere Art der Versendung der Krebse und für die Änderung von Betriebsabläufen entstanden seien, wegen Verlustes des Firmenwertes, wegen Anwalts- und Gerichtskosten, wegen abgetretener Ansprüche ihres Geschäftsführers und wegen zukünftig noch zu erwartenden Gewinnausfalls. Wegen der Einzelheiten der Schadensberechnung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 20.9.1994 (Bl. 32 ff. GA) Bezug genommen.
10Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe insoweit ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch zu, außerdem ein Anspruch aus Amtshaftung und aus enteignungsgleichem Eingriff. Das sich aus der Bundesartenschutzverordnung ergebende Importverbot und die vor diesem Hintergrund verhängten Auflagen verstießen gegen europäisches Recht, was schon aus der Entscheidung des EuGH vom 13.7.1994 folge.
11Sie hat beantragt,
12die Beklagte zu verurteilen, an sie
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15249.770,- DM nebst 12,5% Zinsen seit dem
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181.8.1992 sowie weitere 1.043.731,93 DM
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21nebst 10,5% Zinsen seit dem 6.10.1994 zu
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24zahlen.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie hat gemeint, eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht liege nicht vor, jedenfalls könne sich die Klägerin darauf nicht berufen, da dieses nur den innergemeinschaftlichen Handel regele und Direktimporte aus der Türkei und aus Kenia nicht erfasse. Im übrigen verhalte sich die Entscheidung des EuGH vom 13.7.1994 nur über das Importverbot, das die Klägerin aber nicht betroffen habe, nicht hingegen über die Zulässigkeit der gegen die Klägerin verhängten Auflagen.
28Mit Urteil vom 8.12.1995 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach aus Art. 34 GG, § 839 BGB für berechtigt erklärt, soweit die Beklagte noch nach dem 1.1.1993 - dem Zeitpunkt, der dem nationalen Gesetzgeber für die Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie gesetzt worden war - Genehmigungen nur unter Auflagen erteilt hat, weil diese Richtlinie im Hinblick auf die Änderung der Bundesartenschutzverordnung zu spät umgesetzt worden sei. Im übrigen stünden der Klägerin keine Ansprüche zu. Das Importverbot selbst stelle sich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar, so dass schon deshalb Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff entfielen. Eine Erdrosselungswirkung auf die Klägerin sei nicht eingetreten. Gemeinschaftsrechtliche Ansprüche seien nicht gegeben, weil der Direktimport aus Ländern außerhalb der Gemeinschaft nicht von gemeinschaftsrechtlichen Schutznormen erfasst werden könne. Auch aus Abkommen zwischen der Gemeinschaft und der Türkei bzw. Kenia seien keine die Klägerin schützenden Normen ersichtlich. Ein Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG, § 839 BGB wegen der Auflagen sei für die Zeit vor dem 1.1.1993 nicht gegeben, da die Klägerin keinen Anspruch auf auflagenfreie Genehmigungen gehabt habe.
29Die Klägerin verfolgt mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung ihr ursprüngliches Klagebegehren weiter. Sie hält insbesondere die Annahme des Landgerichts für verfehlt, dass ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch nicht in Betracht komme. Sie verweist auf verschiedene gescheiterte Versuche, auflagenfreie Genehmigungen für die Einfuhr türkischer oder kenianischer Krebse über Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (Belgien, Portugal oder Spanien) zu erreichen, und meint, es könne für die Verletzung von Gemeinschaftsrecht keinen Unterschied machen, ob Krebse direkt importiert oder zunächst in ein Mitgliedsland eingeführt, dort abgefertigt und dann in die Bundesrepublik Deutschland verbracht würden. Im übrigen verstoße das Importverbot auch gegen das Assoziierungsabkommen mit der Türkei und gegen die Abkommen mit den sog. AKP-Staaten, zu denen auch Kenia gehört. Die Klägerin meint ferner, nicht nur das Importverbot selbst, sondern auch alle gegen sie verhängten Auflagen stellten einen gewichtigen, hinreichend qualifizierten Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften dar. Dies gelte insbesondere für das sie besonders hart treffende Verbot des Zwischenhandels.
30Die Klägerin beantragt,
31das angefochtene Urteil des Landgerichts
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34Bonn teilweise abzuändern und die Beklagte
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37zu verurteilen, an sie 249.770,- DM nebst
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4012,5% Zinsen seit dem 1.8.1992 sowie weite-
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43re 1.043.731,93 DM nebst 10,5% Zinsen seit
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46dem 6.10.1994 zu zahlen,
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49hilfsweise,
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53die Klage dem Grunde nach auch über den zu-erkannten Umfang hinaus für die Zeit vom 1.8.1989 bis 31.12.1992 für gerechtfertigt zu erklären.
54Die Beklagte beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Sie tritt den Auffassungen der Klägerin unter Verteidigung des angefochtenen Urteils, soweit die Klage für nicht gerechtfertigt erklärt wurde, entgegen. Im übrigen verfolgt sie mit ihrer fristgerecht eingelegten selbständigen Anschlussberufung ihrerseits das Ziel völliger Klageabweisung weiter. Nach ihrer Auffassung habe das Landgericht verkannt, dass die Änderung der Bundesartenschutzverordnung im Jahre 1994 nichts mit der Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie zu tun habe. Tatsächlich seien die Auflagen auch nach dem 1.1.1993 noch unter dem Gesichtspunkt des Faunenschutzes gerechtfertigt gewesen.
57Sie beantragt,
58das Urteil des Landgerichts Bonn vom
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628.12.1995 teilweise abzuändern und die Kla-ge insgesamt abzuweisen.
63Die Klägerin beantragt,
64die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
65Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
66Die Akten der Verfahren I/1-G 2925/90, I/1- H 3072 und 13 E 2913/90 VG Frankfurt waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
67E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
68I.
69Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber nur zu einem geringen Teil Erfolg. Zwar hat die Beklagte sowohl durch das generelle Importverbot für lebende Süßwasserkrebse als auch teilweise durch die hierauf gestützten Auflagen, unter denen der Klägerin die Einfuhr trotz des allgemeinen Importverbots gestattet wurde, Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verletzt, die den Schutz der Klägerin bezwecken. Jedoch besteht deswegen ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch der Klägerin nur insoweit, als ihr die Weitervermarktung lebender Krebse gänzlich untersagt wurde, und soweit Auflagen noch nach Umsetzung der Aquakultur-Richtlinie verhängt wurden, denn nur hierin liegt ein hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß der Beklagten. Andere Auflagen, insbesondere das die Klägerin besonders belastende Verbot des Zwischenhandels, stellen hingegen einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß nicht dar. Insoweit scheidet ein Anspruch sowohl auf gemeinschaftsrechtlicher als auch auf nationaler Rechtsgrundlage aus.
70Im einzelnen gilt folgendes:
711.
72Nach der inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urt. vom 19.11.1991, Slg. 1991,I-5357 - Francovich, NJW 1992,165 f.; Urt. v. 5.3.1996 Rs. C-46/93 und C-48/93 - Brasserie du Pècheur und Factortame, NJW 1996, 1267 ff.; Urt. v. 8.10.1996 Rs. C-178/94, C-179/94, C-188/94 und C-190-94 - Dillenkofer u.a., NJW 1996, 3139 ff.; sowie weitere Urteile, vgl. hierzu Sänger, JuS 1997, 865 ff.) können Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht, die einem Mitgliedstaat zuzurechnen sind, Schadensersatzansprüche gegen diesen Mitgliedstaat auslösen. Voraussetzung ist, dass eine gemeinschaftsrechtliche Norm verletzt ist, die den Zweck hat, dem Verletzten unmittelbar Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Diese Grundsätze gelten für jeden Fall des Verstoßes eines Mitgliedstaates gegen das Gemeinschaftsrecht unabhängig davon, welches mitgliedschaftliche Organ durch sein Handeln oder Unterlassen den Verstoß begangen hat (EuGH Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O.,Tz. 32; Urt. v. 8.10.1996 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 20). Erfasst ist damit nicht nur legislatives Unrecht, also etwa die verspätete Umsetzung von Richtlinien durch den nationalen Gesetzgeber, sondern auch ein Verstoß des Verordnungsgebers und ebenso ein Verstoß nationaler Behörden im Bereich rein administrativen Handelns (zu letzterem ausdrücklich EuGH, EuZW 1996,435 ("Lomas"); Sänger, JuS 1997, 865,868). Das durch die Änderung der Bundesartenschutzverordnung vom 24.7.1989 geregelte Importverbot für lebende Süßwasserkrebse ist damit grundsätzlich ebenso dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch zugänglich wie die auf administrativer Ebene anzusiedelnde Verhängung von Auflagen. Der von den Parteien angeregten Vorlage dieser Frage an den EuGH bedarf es nicht.
732.
74Sowohl das Importverbot selbst als auch alle auf § 31 BNatSchG gestützten Auflagen verstießen objektiv gegen Art. 30 EGV. Im Hinblick auf die Beschränkungen des Imports aus der Türkei liegt darüber hinaus eine Verletzung von Art. 21 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der (damaligen) Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19.12.1972, ABl. der europäischen Gemeinschaften Nr. L 293/1 vom 29.12.1972) vor, im Hinblick auf die Beschränkungen des Imports aus Kenia eine Verletzung von Art. 169 des Vierten AKP-EWG-Abkommens vom 15.12.1989 (Viertes Lome-Abkommen, BGBl. 1991, S.2) bzw. für die vor dem Inkrafttreten dieses Abkommens liegende Zeit ein Verstoß gegen Art. 131 des Dritten AKP-EWG-Abkommens vom 8.12.1984 (Drittes Lome-Abkommen, ABl. der EG Nr. L 86/3 vom 31.3.1986).
75a)
76Über die Frage einer etwaigen Rechtsverletzung hatte der Senat in eigener Verantwortung zu entscheiden. Die Rechtskraft der Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt bzw. des VGH Kassel in dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit und den beiden Eilverfahren entfaltet keine Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren. Der Senat wäre nur an eine rechtskräftige Entscheidung in der Sache selbst, und zwar im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens, gebunden gewesen (st. Rspr., etwa BGHZ 113, 17,20). Die Klage (13 E 2913/90 VG Frankfurt), die zunächst auf Aufhebung der unter Auflagen erteilten Importgenehmigung vom 24.8.1990 gerichtet und nach Erledigung der Hauptsache als Fortsetzungsfeststellungsklage weiter betrieben wurde, ist aber in beiden Instanzen als unzulässig abgewiesen worden. Zur Sache selbst - der Frage der Rechtswidrigkeit der erteilten Auflagen - haben Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof nicht Stellung genommen. Gleiches gilt für das Verfahren I/1-G 2925/90 VG Frankfurt. Im Verfahren I/1-H 3072/90 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt zwar durch Beschluss vom 6.5.1991, mit dem der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs herzustellen, zurückgewiesen wurde, zur Rechtmäßigkeit der Auflagen Stellung genommen und diese bejaht, allerdings nur im Rahmen einer summarischen Prüfung. Hierdurch tritt eine Bindung im Rahmen eines Staatsahftungsprozesses nicht ein.
77b)
78Nach Art. 30 EGV sind alle mengenmäßigen Beschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Ein vollständiges (bzw. auf alle anderen als wissenschaftliche Zwecke bezogenes) Importverbot stellt die extremste Form einer mengenmäßigen Beschränkung dar (Müller-Graff in von der Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 4.Aufl. 1991, Art. 30 Rn. 9 m.w.N.). Dass insoweit ein tatbestandlicher Verstoß gegen Art. 30 EGV vorliegt, bedarf keiner weiteren Ausführung. Im übrigen hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 13.7.1994 (C-131/93) unmissverständlich ausgeführt, dass die Beklagte durch das Importverbot für lebende Süsswasserkrebse Art. 30 EGV verletzt hat (EuGH aaO. Tz. 9 ff.).
79Die aus § 31 BNatschG resultierende Genehmigungspflicht und die hierauf gestützten Auflagen stellen zwar keine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung, wohl aber Maßnahmen gleicher Wirkung dar. Hierunter sind nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH alle Handelsregelungen von Mitgliedstaaten zu verstehen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern (EuGH - Dassonville Rs. 8/74, Slg. 1974, 837,847 und viele weitere, vgl. Müller-Graff aaO. Rn. 22 m.w.N.). Potentielle Eignung zur Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels besitzt aber schon die bloße Genehmigungspflicht für die Einfuhr (so für den hier zu entscheidenden Fall schon der EuGH Urt. v. 13.7.1994, Tz. 12), erst recht aber jede noch so geringfügige Auflage, von deren Erfüllung die Einfuhr abhängig gemacht wird.
80c)
81Allerdings bezieht sich der Schutz des Art. 30 EGV nur auf Waren, die aus der Gemeinschaft stammen oder - gleich woher sie ursprünglich stammten - in einem Mitgliedstaat in freien Verkehr gebracht worden sind (EuGH Urt. v. 15.12.1976 - Donckerwolcke, Slg. 1976, 1921, Tz. 18; Urt. v. 13.7.1994, Tz. 10). Das bedeutet, wie das Landgericht grundsätzlich zu Recht ausgeführt hat, dass eine unmittelbare Verletzung von Art. 30 EGV nur insoweit in Betracht kommt, als die Einfuhr von Krebsen aus Mitgliedstaaten betroffen ist. Der unmittelbare Import aus Drittländern, also namentlich aus der Türkei und Kenia, ist durch Art. 30 EGV jedenfalls nicht direkt geschützt.
82Gleichwohl kann sich die Klägerin auch insoweit grundsätzlich auf eine Verletzung von Art. 30 EGV stützen, denn es steht fest, dass die Beklagte weder hinsichtlich des generellen Importverbots noch hinsichtlich der erteilten Auflagen zwischen Einfuhren aus Mitgliedstaaten und Einfuhren aus Drittstaaten unterschieden hat. Unstreitig hat die Klägerin im Zeitraum von Mai 1990 bis Januar 1993 insgesamt sieben Mal die Genehmigung von Importen aus Mitgliedstaaten beantragt, nämlich einmal aus Belgien, einmal aus Spanien und fünfmal aus Portugal. Unstreitig sind auch in diesen Fällen die Genehmigungen nur unter den sonst üblichen Auflagen und Befristungen erteilt worden. Dabei geht der Senat entsprechend dem Vortrag der Klägerin davon aus, dass jedenfalls die den Genehmigungen vom 7.5.1990 (Belgien), vom 26.11.1990 (Portugal) und vom 5.6.1991 (Spanien) zugrunde liegenden Importe sich nicht auf Krebse beziehen sollten, die aus den jeweiligen Ländern stammten (namentlich heimische Krebse aus Belgien - falls es solche überhaupt gibt - und aus Spanien hat die Klägerin unstreitig nie eingeführt). Vielmehr hätte es sich um solche aus Kenia oder der Türkei handeln sollen, die lediglich über einen anderen Mitgliedstaat in die Gemeinschaft verbracht werden sollten, damit sie sich in der Gemeinschaft "in freiem Verkehr" befänden. Indem die Beklagte unterschiedslos alle Krebse den gleichen Auflagen unterwarf, stand für die Klägerin fest, dass sich auch durch eine rechtmäßige Verbringung in die Gemeinschaft, um sie von dort in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen, für sie nichts änderte. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich Krebse schon in der Gemeinschaft hatte abfertigen lassen und damit nach Art. 10 EGV in den Verkehr gebracht hatte. Erst recht ist nicht von Bedeutung, dass die Klägerin nur vereinzelt Anträge auf Einfuhr aus Mitgliedstaaten gestellt hat. Entscheidend ist allein, dass ihr auch der Ausweg versperrt blieb, Krebse aus der Türkei und aus Kenia durch ein legales Einführen in die Gemeinschaft auflagenfrei in die Bundesrepublik einführen zu können.
83Ob die Klägerin tatsächlich dauerhaft oder auch nur in nennenswertem Umfang diesen Weg gewählt hätte, wären Importe aus den Mitgliedstaaten vom grundsätzlichen Verbot und von der Verhängung von Auflagen ausgenommen worden, ist keine Frage der Verletzung von Art. 30 EGV, sondern allein eine Frage der Kausalität und der Berechnung des Schadens. Es liegt auf der Hand, dass Importe über ein Drittland die Einfuhr für die Klägerin verteuert hätten, denn sie bedingten weitere Wege, längere Zeiten und die Einschaltung dritter Personen, um die Formalitäten in den jeweiligen Mitgliedstaaten zu erledigen. Solange diese Mehrkosten aber nicht dazu führten, dass Importe grundsätzlich wirtschaftlich sinnlos wurden, wofür der Senat auch ohne nähere Angaben zu diesen möglichen Mehrkosten keinerlei Anhaltspunkte hat, ist davon auszugehen, dass die Klägerin diesen Weg mangels besserer Alternativen tatsächlich gewählt hätte.
84d)
85Allerdings kommt es auch für die Schadensberechnung auf die vorstehenden Ausführungen nicht entscheidend an, denn hinsichtlich der Direktimporte aus der Türkei und aus Kenia, die den weit überwiegenden Anteil der Einfuhren der Klägerin ausmachten, sind die oben genannten weiteren gemeinschaftsrechtlichen Normen aus den Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten unmittelbar betroffen. Nach Art. 21 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und der Europäischen Gemeinschaft (damals Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung unbeschadet der nachfolgenden Bestimmungen zwischen den Vertragsparteien verboten. Aus den nachfolgenden Bestimmungen (Art. 22 ff. des Zusatzprotokolls) ergeben sich bis auf die Vorschrift des Art. 29, die derjenigen des Art. 36 EGV nachgebildet ist und auf die im Folgenden näher einzugehen sein wird, keine hier einschlägigen Beschränkungen. Schon der mit Art. 30 EGV identische Wortlaut von Art. 21, aber auch die Identität hinsichtlich Systematik und Regelungszweck zwischen den Vorschriften der Art. 21 ff. des Zusatzprotokolls einerseits und der Art. 30 ff. EGV andererseits belegen, dass insbesondere im Hinblick auf den Begriff der "Maßnahmen gleicher Wirkung" die gleiche Betrachtungsweise geboten ist wie bei Art. 30 EGV. Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Regelungen der Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten, zu denen Kenia gehört. Nach Art. 169 Abs.1 des Lome-IV-Abkommens (wortgleich insoweit Art. 131 Abs.1 des Lome-III-Abkommens) wendet die Gemeinschaft bei der Einfuhr von Ursprungswaren der AKP-Staaten keine mengenmäßigen Beschränkungen und keine Maßnahmen gleicher Wirkung an. Auch hier enthält sodann Art. 170 (bzw. Art. 132) eine Art. 36 EGV vergleichbare Regelung.
863.
87Sowohl Art. 30 EGV als auch die genannten Vorschriften aus den Assoziierungsabkommen entfalten unmittelbare Drittwirkung, das heißt, sie bezwecken den Schutz der Klägerin.
88a)
89Dass nicht nur sekundäres Gemeinschaftsrecht (Richtlinien, Verordnungen), sondern auch Normen des EGV selbst dem Einzelnen unmittelbar Rechte verleihen können, und dass dies namentlich bei Art. 30 EGV, der den Schutz des freien Warenverkehrs regelt, anzunehmen ist, ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O., Tz. 23).
90b)
91Ebenso steht fest, dass auch Bestimmungen von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten unmittelbare Wirkung entfalten können. Welche Normen dies im einzelnen sind, bestimmt sich durch eine an Sinn, Aufbau und Wortlaut des Abkommens orientierte Auslegung (EuGH Urt. v. 12.12.1972 - Int. Fruit Company, Slg. 1972, 1219; Urt. v. 12.12.1995 - Chiquita, EuGRZ 1996, 158 ff. Tz. 25; Geiger, aaO, Art. 238 m.w.N. aus der EuGH-Rechtsprechung). Entscheidend ist hierbei, ob das Abkommen klare und eindeutige Regelungen enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass weiterer Rechtsakte abhängen. Danach können namentlich in den Abkommen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten Bestimmungen enthalten sein, die dem Einzelnen Rechte verleihen, auf die er sich vor den nationalen Gerichten unmittelbar berufen kann (EuGH Urt. v. 5.2.1976 Rs. 87/75 - Bresciani, Slg. 1976, Tz. 25; Urt. v. 12.12.1995, Tz. 34 f.). Eine solche Wirkung hat der EuGH angenommen für eine Vorschrift des Jaunde-Abkommens vom 21.7.1969, die hinsichtlich der Abschaffung von Abgaben zollgleicher Wirkung auf Art. 13 EGV verwies (EuGH Urt. v. 5.2.1976, aaO Tz. 25). Für die hier maßgeblichen Vorschriften der Art. 169 (Art. 131) der Lome-Abkommen hat der EuGH zwar noch keine entsprechende ausdrückliche Feststellung getroffen. Der Senat hält allerdings die dort entwickelten und zugrunde gelegten Grundsätze auf Art. 169 (Art. 131) der Abkommen für übertragbar. Zwar ordnen diese Vorschriften nicht unmittelbar die Geltung von Art. 30 ff. EGV durch einen ausdrücklichen Verweis auf diese Vorschriften an. Wohl aber greifen sie den Wortlaut der Regelungen nahezu vollständig auf und lassen auch von ihrem Regelungszweck keinen Zweifel aufkommen, dass eine identische Regelung gewollt war. Hierbei ist berücksichtigt, dass durch die Abkommen mit den AKP-Staaten eine vollständige Gleichstellung der Entwicklungsländer mit den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft weder beabsichtigt war noch erreicht wurde, und dass in Bezug auf spezielle Einzelaspekte in den Vertragswerken unterschiedliche Regelungen enthalten sind, die auch für den freien Warenverkehr bedeutsam sind, wie die Entscheidung des EuGH vom 12.12.1995 zeigt, wo sich wegen einer hinsichtlich Art. 95 EGV unterschiedlichen Regelung ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Art. 169 des Lome-Abkommens verbot. Allerdings gibt es derartige spezielle Regelungen im vorliegenden Fall nicht. Die Beschränkung der Einfuhr lebender Süßwasserkrebse aus Gründen des Artenschutzes richtet sich für den Bereich der Gemeinschaft abschließend nach Art. 30 und 36 EGV. Diese Materie ist in den Abkommen von Lome inhaltlich identisch mit dem EGV geregelt. Hier steht der Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung folglich nichts entgegen.
92Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Regelungen in Art. 21 ff des Zweiten Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der Gemeinschaft und der Türkei, wo ebenfalls eine abschließende und mit den Bestimmungen des EGV übereinstimmende Regelung hinsichtlich artenschutzrechtlicher Beschränkungen in Art. 29 getroffen worden ist.
934.
94Inwieweit ein objektiver Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Vorschriften einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen auslöst, hängt davon ab, ob es sich um eine hinreichend qualifizierte Rechtsverletzung handelt. Diese ist nur anzunehmen, wenn ein Mitgliedstaat die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat (EuGH Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O., Tz. 55; Urt. v. 8.10.96 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 25). Besteht allerdings nur ein erheblich verringerter oder gar auf Null reduzierter Ermessensspielraum, so genügt schon die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen (EuGH Urt. v. 8.10.1996 - Dillenkofer, a.a.O., Tz. 25). Zu den Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung heranzuziehen sind, gehören das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschriften, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen wurde oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und ein etwaiger mitwirkender Einfluss von Gemeinschaftsorganen (EuGH Urt. v. 5.3.1996 -Brasserie, a.a.O., Tz. 56). In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich folgendes:
95a)
96Das aus §§ 3 ff. der Bundesartenschutzverordnung in Verbindung mit § 21 a und b BNatschG resultierende Importverbot selbst verstieß in qualifizierter Weise gegen Art. 30 und 36 EGV. Es war nicht durch Art. 36 EGV gerechtfertigt, wonach die Bestimmungen des Art. 30 EGV Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegenstehen, die u.a. zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen gerechtfertigt sind. Der EuGH hat hierzu in seinem Urteil vom 13.7.1994 ausgeführt, dass durch Art. 36 EGV nur solche Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels gerechtfertigt sind, die für die Zwecke eines wirksamen Schutzes der Gesundheit und des Lebens der Tiere unerlässlich sind, und dass sie durch Art. 36 EGV nicht gedeckt sind, wenn dieses Ziel auf ebenso wirksame Weise durch Maßnahmen erreicht werden kann, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränken (Tz. 18). Das von der Beklagten verfolgte Ziel des Schutzes vor Krebspest und vor Faunenverfälschung sei aber ohne weiteres durch andere Maßnahmen als durch ein absolutes Importverbot erreichbar gewesen, nämlich durch Gesundheitskontrollen oder durch inländische Vermarktungs-Regelungen, insbesondere einer Genehmigungspflicht für das Aussetzen von Krebsen (Tz. 24 f.). Im übrigen zeigten die von der Beklagten den Importeuren auferlegten Auflagen, dass die Beklagte selbst mildere Maßnahmen als ein Importverbot für ausreichend erachte (Tz. 27).
97Der Senat schließt sich diesen Erwägungen jedenfalls in ihrer generellen Tendenz auch für die Beurteilung der Frage an, ob das Importverbot einen qualifizierten Verstoß darstellte. Wie der EuGH im Rahmen des von der Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens vermag auch der Senat im vorliegenden Rechtsstreit keinen triftigen Grund zu erkennen, warum die von der Beklagten verfolgten Ziele ausschließlich durch ein völliges Importverbot zu erreichen gewesen wären. Dass Krebse, die zu Speisezwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden, die schon immer gegebene, latente Gefahr des Ausbruchs von Krebspest-Epedemien erhöhen können, reicht als Grund für ein Importverbot als der drastischsten aller denkbaren Maßnahmen nicht aus. Die Beklagte hat auch nicht etwa dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Änderung der Bundesartenschutzverordnung im Sommer 1989 eine ganz außergewöhnlich gefährliche Situation vorgelegen habe, die rasches und entschiedenes Handeln zum Schutz der heimischen Krebsarten erfordert hätte. Das Gegenteil folgt schon daraus, dass die Änderung der Bundesartenschutzverordnung nicht nur Krebse, sondern eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten erfasste. Vielmehr lag die Motivation für die enorme Verschärfung der Bestimmungen offensichtlich im allgemein gestiegenen Umweltbewusstsein. Aus dieser für sich genommen legitimen Motivationslage heraus erklärt sich aber nicht die Notwendigkeit zu derart extremen Schutzmaßnahmen und der Verzicht auf moderate, auch die schutzwürdigen Belange anderer berücksichtigenden Vorgehensweise. Solche moderatere und gleichwohl geeignete und wirksame Maßnahmen wären aber, wie der Entscheidung des EuGH vom 13.7.1994 zu entnehmen ist, in vielfältiger und abgestufter Weise durchaus möglich gewesen. Der Umstand, dass die Beklagte im Falle der Klägerin und anderer Importeure jahrelang mit unterschiedlichen Auflagen operiert hat, und in dieser Zeit nie Anlass sah, die Auflagen weiter zu verschärfen oder die Genehmigungen ganz zu versagen, zeigt deutlich, dass mildere Mittel als ein generelles Importverbot nicht schlechthin ungeeignet waren, um den Schutz der heimischen Krebse zu gewährleisten, vielmehr auch von der Beklagten als eine grundsätzlich taugliche Möglichkeit angesehen wurden.
98b)
99Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen zum generellen Importverbot, das ja selbst zu keinem Zeitpunkt gegen die Klägerin wirkte und deshalb nicht unmittelbar ursächlich für einen Schaden wurde, sind auch die Auflagen, mit denen die ersten Importgenehmigungen BE 1210/89 und BE 1242/89 vom 1.8.1989 versehen waren, als hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 30 und 36 EGV sowie die entsprechenden Vorschriften aus den Assoziierungsabkommen zu werten. Es machte für die Klägerin keinen wesentlichen Unterschied, ob sie lebende Süßwasserkrebse erst gar nicht einführen durfte, oder ob sie diese zwar einführen durfte, sie dann aber umgehend zu Produkten verarbeiten musste. Gegenüber dem ansonsten notwendigen Import abgekochter Tiere zur Weiterverarbeitung mochte sich dies als eine in gewissem Rahmen wirtschaftlich günstigere Alternative darstellen, zumal ihr dies ermöglichte, die eigenen vorhandenen Anlagen (z.B. Kochkessel) weiter zu nutzen. An der wirklich bedeutsamen Weiterführung ihres Geschäftsbetriebes, dem Handel mit lebenden Krebsen, der den überwiegenden Teil ihres Umsatzes ausmachte, war die Klägerin allerdings auch mit diesen Auflagen vollständig gehindert. Auch aus Sicht der Beklagten konnte sich eine Genehmigung unter solchen Auflagen nicht als eine Regelung darstellen, die - wie durch § 31 BNatschG intendiert - die bei der Klägerin eingetretene unbeabsichtigte Härte vermeiden sollte; sie ersetzte nur ein Übel durch ein annähernd gleich großes. Ob die Krebse kurz nach ihrer Anlandung in Hamburg abgekocht wurden oder kurz vor Erreichen des bundesdeutschen Hoheitsgebietes (etwa bei einer Behandlung auf entsprechenden Schiffen), machte keinen Unterschied. Insofern stellt das Gebot, lebende Krebse sofort abzutöten, als Ausnahme zum Verbot, lebende Krebse einzuführen, eine "Maßnahme gleicher Wirkung" dar, die von ihrem Gewicht, von ihrer Zielsetzung und von ihren handelsbeschränkenden Auswirkungen her dem völligen Importverbot gleichzusetzen ist. Insofern gelten die oben zu a) gemachten Ausführungen hier in gleicher Weise.
100c)
101Für die Auflagen, mit denen die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 bis Ende 1992 versehen wurden, beurteilt der Senat diese Frage jedoch anders. Dies gilt zunächst für die Auflage, lebende Krebse nur an den Endverbraucher und nicht an den Zwischenhandel zu beliefern, die durchgängig bis ins Jahr 1993 hinein gegenüber der Klägerin verhängt wurde. Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese die Klägerin stark beeinträchtigende Auflage letztlich noch mit Art. 30 und 36 EGV vereinbar ist oder nicht, insbesondere, ob eine solche Auflage noch als verhältnismäßig anzusehen ist oder nicht. Insoweit sieht sich der Senat zu einer Festlegung nicht veranlasst. Es geht nur darum, ob die Auflage unter Berücksichtigung der oben im einzelnen dargelegten Grundsätze einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß bedeutet, was der Senat verneint.
102Von entscheidender Bedeutung ist dabei der Umstand, dass Art. 36 EGV der Beklagten bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Aquakultur-Richtlinie des Rates vom 21.1.1991 umzusetzen war, grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum zubilligte. Durch diese Richtlinie wurden insbesondere tierseuchenrechtliche Vorschriften innerhalb der Gemeinschaft harmonisiert und damit in weiten Teilen der gemeinschaftsrechtlichen Regelung unterworfen. Bis dahin aber war es weitgehend der Einschätzung des jeweiligen nationalen Gesetzgebers überlassen, ob er heimische Krebse schützen wollte und wie er dies tat. Jenseits des als unverhältnismäßig festgestellten generellen Importverbots (bzw. der auf den gleichen Erfolg abzielenden Auflagen) stand der Beklagten grundsätzlich jede sinnvolle Schutzmaßnahme offen. Sie musste nur berücksichtigen, dass Art. 36 EGV (bzw. die entsprechenden Vorschriften aus den Assoziierungsabkommen) als Ausnahmevorschrift zu einem generell freien Handel zwischen den Mitgliedstaaten eng zu verstehen war, und dass eine Maßnahme, die geeignet war, den innergemeinschaftlichen Handel zu hemmen - was bei einer den Zwischenhandel ausschließenden Regelung der Fall ist -, strikt am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten war. Bei der Einschätzung der Effizienz und der Erforderlichkeit von Maßnahmen war ihr ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Die Beklagte war nicht gehalten, den Interessen des innergemeinschaftlichen Handels bei der Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten den Vorzug zu geben, wenn die für den Handel mildere Möglichkeit nach eigener Einschätzung den verfolgten Schutzzweck weniger verwirklichen oder gar gefährden konnte.
103Das bedeutet, dass das Verbot des Zwischenhandels sich nur dann als ein hinreichend qualifizierter Rechtsverstoß darstellte, wenn diese Maßnahme entweder schlechthin ungeeignet war, um den verfolgten Zweck (vor allem Schutz vor Krebspest) zu erreichen, oder wenn die Maßnahme völlig außer Verhältnis zu dem hiermit zu erzielenden Erfolg stand (wie dies bei der Auflage, Krebse nur in verarbeitetem Zustand weiter zu vermarkten, der Fall war). Beides kann aber nicht angenommen werden.
104Das Verbot des Zwischenhandels war aus tierseuchenrechtlicher Sicht keine ungeeignete Maßnahme. Sie bewirkte, dass der Weg der von der Klägerin importierten Krebse von der Einfuhr bis zum Teller des Verbrauchers nachvollziehbar und kontrollierbar blieb. Schon allein die Möglichkeit einer solchen Kontrolle hatte zur Folge, dass das eigentliche Ziel, keine importierten lebenden Krebse oder möglicherweise infizierte Abfälle in heimische Gewässer gelangen zu lassen, ernst genommen wurde, und es erhöhte beträchtlich die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Verbote, mit denen die Klägerin ihre Abnehmer privatrechtlich zu belegen hatte, befolgt wurden. Der Senat teilt insofern die Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt im Beschluss vom 6.5.1991 und des Landgerichts, dass schon die Möglichkeit, den Endverbraucher wirksam auf ein an den Zielen des Naturschutzes ausgerichtetes Verhalten verpflichten zu können, von ganz anderer Qualität ist als die bloße Weitergabe der Verpflichtung an einen Zwischenhändler, dessen weiteres Verhalten sich dem Einfluss der Klägerin entzog. Zu bedenken ist ferner, dass die Gefahr, importierte lebende Krebse könnten in heimische Gewässer mit Krebspopulationen gelangen, weniger von uneinsichtigen Tierliebhabern ausgehen dürfte, als vielmehr von Händlern oder auch Gastronomen, die verkaufte Ware entsorgen müssen. Auch insoweit war es daher durchaus plausibel, die Vertriebswege so kurz und unmittelbar wie möglich zu halten.
105Bei den durch den Ausschluss des Zwischenhandels erweiterten Kontrollmöglichkeiten handelt es sich auch offensichtlich nicht um ein von der Beklagten nur vorgeschobenes Argument. Aufgrund des letzten Vorbringens der Parteien und der zuletzt vorgelegten Unterlagen ist unstreitig, dass jedenfalls bei den Importeuren die Einhaltung der Auflagen kontrolliert wurde. Insoweit räumt selbst die Klägerin ein, dass sowohl sie als auch die Konkurrentin Atlantik-Fisch im Januar 1990 von einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Ernährung und Forstwirtschaft aufgesucht wurde und dass dieser insbesondere die Bekanntgabe von Adressen der Kunden verlangte, was nichts anderes bedeutet, als dass die Einhaltung des Verbots des Zwischenhandels kontrolliert wurde. Daraus und auch aus der Tatsache, dass die Beklagte weitere Firmen in Süddeutschland einer Kontrolle vor Ort unterzogen hat - diesen substantiierten Vortrag der Beklagten in Zweifel zu ziehen, sieht der Senat keinen Anlass -, wird deutlich, dass die Auflage nicht willkürlich erfolgte, sondern "mit Leben erfüllt" wurde. Ob letztlich auch Kontrollen bei den Endverbrauchern durchgeführt wurden, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte eine "lückenlose Überwachung" durchführen ließ oder zumindest beabsichtigte. Eine Maßnahme hat nicht nur dann Sinn, wenn sie lückenlos überwacht wird. Es wäre auch schlechterdings unmöglich, jedenfalls aber unzumutbar gewesen, jedem einzelnen importierten Krebs nachzuforschen. Der Sinn der Auflage war vielmehr schon dadurch erfüllt, dass Importeur und Abnehmer ernstlich mit staatlichen Kontrollen rechnen mussten.
106Die Beklagte hat auch nicht gegen das Gebot verstoßen, unter zwei geeigneten Mitteln grundsätzlich das die Klägerin am wenigsten belastende zu wählen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin angebotene Beibringung von Gesundheitszertifikaten der jeweiligen exportierenden Länder. Wenn die Beklagte diese Maßnahme gegenüber den von ihr gewählten als weniger geeignet ansah, handelte sie im Rahmen des ihr zustehenden Auswahlermessens. Die Beklagte war - insbesondere vor dem Hintergrund einer unstreitig noch in den achtziger Jahren grassierenden Krebspestepedemie in der Türkei - nicht gehindert, bloße tierärztliche Bescheinigungen aus dritten Ländern als eine weniger sichere und damit weniger geeignete Möglichkeit anzusehen, sei es aus Misstrauen gegen die nötige Sorgfalt bei den tierärztlichen Untersuchungen, sei es wegen der immerhin denkbaren Manipulationsmöglichkeiten auf Seiten der exportierenden Firmen, sei es, weil sie eine ausreichende eigene Kontrolle insoweit nicht für möglich oder nicht für zumutbar hielt. Auf die Frage, ob die von der Klägerin angebotenen Bescheinigungen tatsächlich das von ihr behauptete Maß an Zuverlässigkeit gewährleisteten, kommt es nicht an.
107Das mit dem Verbot des Zwischenhandels verfolgte Ziel stand auch nicht völlig außer Verhältnis zu den hierdurch auf Seiten der Klägerin oder anderen Importeuren bewirkten wirtschaftlichen Folgen. Die von der Klägerin in Bezug auf den eigenen Betrieb vorgetragenen Folgen mögen gravierend gewesen sein. Der Senat zweifelt nicht daran, dass die Untersagung des Zwischenhandels zu erheblichen Ertragseinbussen geführt hat. Zu Recht - wenn auch in anderem Zusammenhang - hat das Landgericht allerdings ausgeführt, dass den Auflagen eine erdrosselnde Wirkung nicht zukam. Nach den eigenen Angaben der Klägerin sowohl in erster Instanz als auch noch im Rahmen des Berufungsvorbringens (S. 8 des Schriftsatzes vom 20.5.1996, Bl. 440 GA) entfiel auf den Lebendhandel mit Krebsen ein Geschäftsanteil von 65 - 70%, wovon der Zwischenhandel etwa die Hälfte ausmachte, also 32,5 bis 35% oder rund ein Drittel des gesamten Geschäftsanteils. Bei einem derartigen Anteil kann noch nicht von einer unmittelbar existenzbedrohenden Wirkung gesprochen werden. Mit Schriftsatz vom 9.8.1996 (Bl. 519 ff., 532) hat die Klägerin sodann detailliert vortragen lassen, der Anteil der an den Zwischenhandel abgegebenen Krebse in den Jahren 1988/89 habe bei ca. 68% aller importierten Krebse gelegen, was bedeuten würde, dass mehr als die Hälfte des Geschäftsanteils auf den Sektor Zwischenhandel entfielen. Die Klägerin hat diese offenkundigen Widersprüche in ihren eigenen Angaben nicht erklärt. Maßgeblich kann aber nur sein, wovon die Beklagte bei ihrer Entscheidung auszugehen hatte, nämlich im Zweifel von den jahrelang von der Klägerin selbst vorgetragenen weniger dramatischen Zahlen. Hinzu kommt, dass die Klägerin die Situation nicht tatenlos hinnehmen musste, sie hatte vielmehr - in gewissem Rahmen - Möglichkeiten, die durch den Wegfall des Zwischenhandels verursachten Verluste teilweise aufzuholen. Sie konnte - wenn auch möglicherweise erst nach einer Übergangsphase - auf andere Produkte ausweichen und sich um neue Kunden bemühen. Anders als der Zwischenhandel, dem - sofern er sich nicht illegal verhielt - keine lebenden Süßwasserkrebse aus dem Ausland mehr zur Verfügung standen, konnte die Klägerin immerhin noch an Endverbraucher liefern und versuchen, diesen Markt sich weiter zu erschließen, insbesondere ihn von den Zwischenhändlern zu übernehmen. Sie hatte ferner die Möglichkeit, auf Krebsarten auszuweichen, die als Krankheitsüberträger nicht in Betracht kamen, wie sie es ab Ende 1992 auch tatsächlich mit dem australischen Yabbi-Krebs getan hat. Warum sie diese Möglichkeit nicht noch früher wahrgenommen hat, ist nicht vorgetragen worden und auch nicht ohne weiteres einsichtig. Sie hatte folglich Möglichkeiten, durch geschickte geschäftliche Maßnahmen die durch den Verlust eines Teiles ihrer traditionellen Abnehmer verursachten wirtschaftlichen Nachteile in gewissem Maße zu kompensieren. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände war es der Beklagten nicht verwehrt, die von ihr verfolgten naturschützerischen - also gemeinwohlbezogenen - Ziele im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Abwägung über die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin zu stellen. Jedenfalls aber könnte eine diesbezügliche Fehleinschätzung nicht als so gewichtig angesehen werden, dass sie sich als klarer und eindeutiger Ermessensverstoß darstellt.
108d)
109Die vorstehenden Ausführungen gelten erst recht für die übrigen Auflagen, mit denen die Genehmigungen ab dem 19.10.1989 versehen wurden, nämlich die Krebse so zu halten, dass eine Auswilderung verhindert wird, Krebsabfälle und Hälterungswasser zu desinfizieren und die Endabnehmer zu verpflichten, die Tiere nur im eigenen Betrieb zu verwerten und Abfälle, Abwasser und überzählige Tiere zu desinfizieren. Diese Auflagen setzten unmittelbar an der Behandlung der Krebse an und bezogen sich unmittelbar auf den verfolgten Schutzzweck. Zudem ist dem Vortrag der Klägerin nicht zu entnehmen, dass sie in nennenswertem Maße durch diese Auflagen beschwert worden wäre. Die Verpflichtung der Endabnehmer zu entsprechenden Vorsorgemaßnahmen hat die Klägerin selbst der Beklagten von Beginn an angeboten. Die Sinnhaftigkeit der Auflage, Krebse so zu halten, dass ihre Auswilderung verhindert werde, erschließt sich unmittelbar - sie ist das Minimum dessen, was von der Klägerin verlangt werden durfte, und es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Auflage besondere Nachteile verursacht hat. Letzteres gilt auch für die an sich einleuchtende Auflage, Abfälle und Hälterungswasser vorsorglich zu desinfizieren, wobei zu berücksichtigen ist, dass selbst diese geringfügige Auflage später noch gelockert wurde, indem die Desinfektionspflicht entfiel, falls Hälterungswässer der Kanalisation zugeführt wurden. Soweit die Klägerin in ihrer Schadensaufstellung schließlich auf erheblich erhöhte Verpackungsaufwendungen verweist, ist ein Bezug zu den Auflagen nicht ohne weiteres ersichtlich, denn zur Art und Weise des Versandes von lebenden Krebsen verhalten sich sämtliche Bescheide nicht. Hierauf kommt es aber nicht einmal an, da auch bei verschärften Auflagen, die sich auf den Transport der Krebse bezogen hätten, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht zweifelhaft ist.
110e)
111Einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht stellt es hingegen wieder dar, dass die Beklagte auch nach dem 1.1.1993 die Einfuhr nur mit den unter c) und d) genannten Auflagen genehmigte. Im Hinblick auf den tierseuchenrechtlichen Aspekt war ab diesem Zeitpunkt durch die Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 28.1.1991 (91/67/EWG - Aquakultur-Richtlinie) der durch Art. 36 EGV eröffnete Ermessenspielraum entfallen. Diese Richtlinie regelt erschöpfend und abschließend die gemeinschaftlichen Anforderungen an die Einfuhr von Tieren und anderen Erzeugnissen der Aquakultur, insbesondere von Krebsen, aus Drittländern, indem sie vor allem gesundheitliche Überwachungen vorsieht und näher regelt. Raum für weitergehende Maßnahmen, insbesondere durch das innerstaatliche Verbot der Vermarktung über den Zwischenhandel war danach nicht mehr vorhanden. In dieser Überschreitung des ihr noch gesetzten Entscheidungsspielraums, der nicht mehr durch freies Ermessen geprägt war, liegt der Verstoß der Beklagten gegen Gemeinschaftsrecht. Er liegt hingegen nicht, wie das Landgericht irrig angenommen hat, in der verspäteten Umsetzung einer Richtlinie, denn die Beklagte hat durch den Erlass der Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren vom 23.12.1992 (BGBl. I S. 2437 ff. - Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung), die am 1.1.1993 in Kraft trat, ihre gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen rechtzeitig erfüllt. Auf die spätere Anpassung der Bundesartenschutzverordnung kam es hierfür nicht mehr an.
112Die Beklagte kann hiergegen nicht einwenden, die von ihr nach dem 1.1.1993 weiter verhängten Auflagen seien aber jedenfalls noch durch den Gesichtspunkt des Schutzes heimischer Krebsarten vor Faunenverfälschung gerechtfertigt gewesen. Dabei soll die Frage offen bleiben, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt einen Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 36 EGV darstellen kann, denn dort ist ausdrücklich nur der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren und Pflanzen angesprochen, nicht aber die Bewahrung der "genetischen Identität lokaler Populationen vor Verfälschung durch artgleiche Tiere ferner Herkunft mit genetischer Anpassung an ganz andere biotische und abiotische Verhältnisse" (so die Beklagte in ihrer Stellungnahme an die Kommission vom 1.2.1991 und im Schriftsatz vom 14.6.1996, Bl. 517 f. GA). Nicht vertieft werden soll auch die Frage, ob - falls Art. 36 EGV in diesem weiten Sinne zu verstehen sein sollte - dann nicht die Aquakultur-Richtlinie wegen der engen Sachnähe diesen Schutzzweck ebenfalls mit umfassen sollte, was zur Konsequenz hätte, dass der Beklagten auch insoweit keinerlei Ermessenspielraum mehr zugestanden hätte.
113Maßgeblich ist, dass bei der Verhängung der Auflagen noch nach dem 1.1.1993, die nur noch unter dem Aspekt des Faunenschutzes standen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt wurde. Weder für die Erforderlichkeit der Maßnahmen, hier vor allem des Verbots des Zwischenhandels, noch für eine sorgfältige Abwägung der Belange des Faunenschutzes mit denen der betroffenen Importeure, lässt sich dem Vortrag der Beklagten Hinreichendes entnehmen. Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Faunenschutz schon in der Begründung des Bundesrates zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung (BRat-Drs. 290/89 S.11) eine wesentliche Rolle gespielt habe. Tatsächlich aber ist dieser Begründung keineswegs zu entnehmen, dass es sich hierbei um ein besonders wichtiges Schutzziel handelt, vielmehr wird als erstes Ziel die Vermeidung der Einschleppung von Krebspest vor allem durch amerikanische Krebsarten genannt und zugleich ist dieses Ziel das einzige konkret bezeichnete. Der an zweiter Stelle genannte Gesichtspunkt der Faunenverfälschung mit der hieraus angeblich resultierenden, nicht näher bezeichneten Gefahr der "Schädigung heimischer Populationen" war ersichtlich von nachrangiger Bedeutung. Dass der Gedanke des Faunenschutzes für sich allein gewiss nicht zur Änderung der Bundesartenschutzverordnung mit dem hier geregelten totalen Importverbot für lebende Krebse geführt hätte, ergibt sich auch aus den Stellungnahmen der Beklagten im Rahmen der diversen Widerspruchsverfahren, der diversen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, der Behandlung der Angelegenheit vor dem EuGH und nicht zuletzt der Behandlung im Rahmen der ersten Instanz dieses Rechtsstreits, wo Faunenschutz keine oder allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle spielte. Wenn die Bedeutung dieses Schutzzwecks in zweiter Instanz nunmehr besonders in den Vordergrund rückt, so erweckt dies zunächst den Anschein vornehmlich prozesstaktischer Motivation. Tatsächlich ist es der Beklagten auch trotz der Erkenntnis, dass allenfalls mit dieser Begründung die verhängten Auflagen noch zu rechtfertigen seien, und trotz einer ausgiebigen Erörterung dieser Frage im Rahmen der Verhandlung vom 13.6.1996 nicht gelungen, die Gefahren, die den heimischen Krebspopulationen drohen könnten, nachvollziehbar und überprüfbar darzulegen. Sie hat nicht etwa dargelegt, dass das Aussetzen von Krebsen beispielsweise amerikanischer Art zwangsläufig oder auch nur mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu einer Verdrängung heimischer Arten führen könne. Sie hat auch nicht dargelegt, warum beispielsweise der von der Klägerin am weitaus häufigsten importierte Krebs, nämlich der astacus leptodactylus, eine auch in Deutschland vorkommende Krebsart, die heimische Fauna "verfälschen" kann. Welche Folgen es haben kann, wenn Krebse europäischer Art aus Deutschland mit Krebsen der gleichen Art aus der Türkei in Kontakt kommen, ist nicht plausibel dargelegt worden. Ebenso ist nicht erkennbar, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit zur Verwirklichung welcher Gefahr führt. Anders als im Falle der Krebspest, wo unmittelbar einleuchtet, dass schon ein einzelnes ausgesetztes infiziertes Tier oder sogar nur der achtlose Umgang mit Krebsabfällen eine verheerende, den Bestand der einheimischen Arten bedrohende Epidemie auslösen können, ist nicht ohne weiteres einsichtig, inwiefern vereinzelt ausgesetzte lebende Krebse fremder Arten oder gar der gleichen Art, aber anderer geographischer Herkunft, derartige Einwirkungen auf die heimischen Populationen bedeuten können, dass diese ernsthaft in ihrem Bestand bedroht sind. Es spricht in diesem Zusammenhang für sich, wenn die Beklagte schon nach Ablauf eines halben Jahres, nachdem die Auflagen nicht mehr auf die Gefahr der Einschleppung von Tierseuchen gestützt werden konnten, auf die Auflagen ganz verzichtete. Die hierfür gegebene Erklärung, nach dem 1.1.1993 sei das Importverbot (und die hierauf gestützten Auflagen) aus Gründen der Faunenverfälschung "kaum noch durchsetzbar" gewesen (Schriftsatz vom 1.4.1996, Bl. 376 f.), vermag schwerlich zu überzeugen. Wenn es sich um ein wirklich wichtiges naturschützerisches Ziel gehandelt hätte, wäre der entsprechende politische Durchsetzungswillen der Beklagten zu erwarten gewesen. Warum aber eine Durchsetzung ab Mitte 1993 nicht mehr opportun war, vom 1.1.1993 bis Mitte 1993 hingegen schon, ist nicht einzusehen und wird auch von der Beklagten nicht erklärt. Aus allen genannten Umständen folgt, dass der Beklagten, sollte dem Faunenschutz wirklich eine besonders wichtige Bedeutung beigemessen werden, eine Darlegung der verfolgten Ziele, der zugrunde liegenden Gefahren und der Logik des eigenen Verhaltens abzuverlangen war, die deutlich über allgemein gehaltene, nicht greifbare Fakten hinausging. Auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrages sah sich der Senat jedenfalls nicht veranlasst, dem angebotenen Sachverständigengutachten, das letztlich auf Ausforschung der erfoderlichen Tatsachen gerichtet gewesen wäre, nachzugehen.
114Wenn aber dem Faunenschutz nicht eine Bedeutung zukam, die derjenigen der Seuchengefahr auch nur in etwa gleichzusetzen war, dann verstieß es gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die Auflagen, die vorher primär zum Schutz vor Krebspest (und zudem zum Schutz vor Faunenverfälschung) dienten, nun unverändert beizubehalten. Die Belange der Klägerin bekamen dann ein ganz anderes Gewicht bei der Abwägung, und die die Klägerin am stärksten belastende Auflage, nämlich das Verbot des Zwischenhandels, hätte in besonders kritischer Weise auf seine Notwendigkeit und Angemessenheit überprüft werden müssen. Tatsächlich aber lässt der seinem Wortlaut nach unveränderte Text der Auflagen aus den Bescheiden nach dem 1.1.1993 nicht einmal erkennen, dass die veränderte Sachlage überhaupt Eingang in die Abwägung gefunden hat. Eine Begründung dafür, warum die Beklagte gleichwohl an den einzelnen Auflagen unverändert festhalten musste, findet sich hier jedenfalls nicht.
1155.
116Soweit die Beklagte mit ihren Auflagen gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen hat, ist der Klägerin ein materieller Schaden entstanden, der unmittelbar kausal auf der Rechtsverletzung beruht. Die Klägerin hat in konkreter und substantiierter Weise dargelegt, in welchem Umfang sich die Importe, der Verkauf und der Erlös in der Zeit nach dem 1.8.1989 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt haben. Daraus ergeben sich beträchtliche Um-satzeinbussen, die gerade für die Monate August bis Oktober 1989 besonders deutlich ausfallen. Dass diese Einbussen unmittelbar durch das Verbot, lebende Krebse weiter zu vermarkten, verursacht wurden, steht außer Frage. Ebenso kann ein Vermögensschaden der Klägerin in erhöhten Aufwendungen für Verpackungen liegen, die durch eine verstärkte Vermarktung abgekochter Tiere bedingt sind. Auch dies wäre ein Schaden, der unmittelbar auf die Auflagen ab dem 1.8.1989 zurückzuführen wäre. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass insoweit erhöhten Kosten ein entsprechender erhöhter Gewinn (in dieser Sparte) gegenüber stehen dürfte. Inwieweit hier tatsächlich ein Schaden entstanden ist, muss dem Höheverfahren überlassen bleiben. Schließlich haben die Auflagen ab dem 1.1.1993, insbesondere das Verbot des Zwischenhandels, dazu geführt, dass die Klägerin sich diese Absatzmöglichkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder erschließen konnte, was ebenfalls einen Schaden in Form entgangenen Gewinns bedeutet, der unmittelbar auf der Rechtsverletzung beruht. Nicht schadensursächlich geworden ist demgegenüber das grundsätzliche Importverbot, da die Klägerin hiervon zu keinem Zeitpunkt betroffen war, ihr vielmehr von Anfang an Ausnahmegenehmigungen erteilt wurden.
1176.
118Die Höhe des Schadens bedarf hier keiner Untersuchung. Für den Erlass des Grundurteils genügt, dass der geltend gemachte Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgend einer Höhe besteht (BGHZ 110,201; 111, 133). Wie unter Punkt 5. dargelegt, hat die Klägerin in substantiierter Weise einen Schaden insbesondere durch entgangenen Gewinn, der mit dem gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend gemacht werden kann (EuGH Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, Tz. 87), dargelegt. Allein für die Monate August bis Oktober 1989 errechnet sie aufgrund des nicht möglichen Geschäfts mit lebenden Krebsen einen Gewinnausfall von über 200.000.- DM (vgl. Schriftsatz vom 20.5.1996, Bl. 442 GA). Die Beklagte hat das Zahlenwerk der Klägerin zwar pauschal (wenn auch prozessual zulässig) bestritten, nicht hingegen hat sie das Entstehen jeglichen Schadens auf Seiten der Klägerin bestritten. Auch der Senat geht schon aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ohne weiteres davon aus (§ 287 ZPO), dass das Verbot, Krebse lebend weiter zu vermarkten sowie ab dem 1.1.1993 das Verbot des Zwischenhandels zu ganz erheblichen Umsatz- und Gewinneinbußen bei der Klägerin geführt haben. Für eine Verurteilung der Beklagten dem Grunde reicht dies aus.
1197.
120Ein Mitverschulden der Klägerin an der Schadensentstehung liegt nicht vor. Insbesondere kann ihr nicht vorgeworfen werden, sie habe ihr zur Verfügung stehende Rechtsschutzmöglichkeiten schuldhaft nicht wahrgenommen. Dass diese Form einer Schadensbegrenzung bei der gemeinschaftsrechtlichen Haftung zu berücksichtigen ist, hat der EuGH ausdrücklich festgestellt (Urt. v. 5.3.1996 - Brasserie, a.a.O., Tz. 84). Dabei kann die Frage offen bleiben, ob dies die direkte oder entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 839 Abs.3 BGB bedeutet, oder ob insoweit ein milderer Maßstab zugrunde zu legen ist. Denn auch nach den zu § 839 Abs.3 BGB entwickelten Grundsätzen käme eine Befreiung der Beklagten hier nicht in Betracht.
121Gegen die Bescheide ab dem 1.1.1993 hat die Klägerin ausnahmslos jeweils Widerspruch eingelegt, dessen Bescheidung wegen des vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt anhängigen Verwaltungsrechtsstreits allerdings in beiderseitigem Einvernehmen bis zur Entscheidung des Gerichts zurückgestellt war. Da die Beklagte zu erkennen gegeben hatte, sich auch in den Verfahren, die nicht unmittelbar an das Verwaltungsgericht herangetragen worden waren, entsprechend der gerichtlichen Entscheidung verhalten zu wollen, bedurfte es weiterer Schritte der Klägerin nicht.
122Hinsichtlich der Bescheide vom 1.8.1989 hat die Klägerin zwar weder Widerspruch eingelegt noch verwaltungsgerichtlichen Schutz, insbesondere im Rahmen eines Eilverfahrens, beantragt. Allerdings hat sie sich unstreitig im Rahmen intensiver weiterer Verhandlungen mit der Beklagten um eine Abänderung der Auflagen bemüht, was auch insoweit Erfolg hatte, als sie deutlich vor Ablauf der Befristung in den Genehmigungen vom 1.8.1989 neue Einfuhrgenehmigungen beantragte, die ihr unter dem 19.10.1989 mit moderateren Auflagen auch bewilligt wurden. Hätte sie daneben oder gar statt dessen Widerspruch eingelegt und ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren angestrengt, wäre es zu keiner früheren Entscheidung über die Abmilderung der Auflagen gekommen. Dafür, dass die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt, als sie es tatsächlich tat, die ersten strengen Auflagen aufgehoben hätte, gibt es keinen plausiblen Anhaltspunkt. Für ebenso ausgeschlossen hält es der Senat, dass ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren früher zum Erfolg geführt hätte. Immerhin benötigte das VG Frankfurt im Verfahren I/1-G 2925/90 rund sechs Monate, um den Antrag vom 5.11.1990, gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Klägerin mildere Auflagen erzingen wollte, zu bescheiden, und im Verfahren I/1-H 3072/90 etwa fünfeinhalb Monate, um den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe der Klägerin zurückzuweisen. Dass bei gleich komplexer Rechtslage entsprechende Eil-Anträge im August 1989 deutlich schneller (und zwar für die Klägerin positiv) beschieden worden wären, ist schwerlich anzunehmen. Selbst wenn der Klägerin also hier ein schuldhaftes Nichteinlegen von Rechtsmitteln vorgeworfen würde, wäre dieses nicht ursächlich geworden.
1238.
124Soweit ein gemeinschaftsrechtlicher Anspruch nach dem insbesondere unter Punkt 4. Ausgeführten nicht angenommen werden kann, scheidet auch ein Anspruch auf nationalrechtlicher Grundlage aus. Weder kann sich die Klägerin auf Art. 34 GG, § 839 BGB noch auf das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs stützen.
125Hinsichtlich der Verletzung von Gemeinschaftsrecht dürften die Grundsätze des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs den nationalrechtlichen Staatshaftungsanspruch in der Weise überlagern (wenn nicht gar als lex specialis ganz verdrängen), dass für die Frage der objektiven Amtspflichtverletzung bei beiden Anspruchsgrundlagen die gleichen Maßstäbe gelten. Dies gilt namentlich für das Erfordernis eines qualifizierten Rechtsverstoßes. Es wäre wenig plausibel, dass ein Staat gemeinschaftsrechtlich wegen der Verletzung von Gemeinschaftsrecht nur haftet, wenn eine Ermessensüberschreitung "klar und eindeutig" ist, hingegen nach nationalem Recht jede noch so geringfügige Ermessensüberschreitung schon ausreicht. Die Frage mag aber letztlich dahinstehen, denn es fehlt für die Haftung aus § 839 BGB jedenfalls am Verschulden der Beklagten. Mit den gleichen Erwägungen, die dazu geführt haben, eine qualifizierte Rechtsverletzung, insbesondere für das Verbot des Zwischenhandels, zu verneinen, ist ein Fahrlässigkeitsvorwurf der Beklagten abzulehnen. Die Beklagte hat sich ersichtlich mit der Rechtslage sorgfältig auseinandergesetzt, und dafür, dass die Belange der Klägerin der Beklagten hinreichend vor Augen standen, hat die Klägerin selbst Sorge getragen. Wenn die Beklagte nach Abwägung aller Belange die von ihr verhängten Auflagen als ausreichend, aber auch als erforderlich ansah, und dabei der Klägerin gegenüber den vorangegangenen Bescheiden erheblich entgegen kam, handelte sie selbst dann nicht schuldhaft, wenn die Maßnahmen letztlich nicht mehr vor dem Verhältnismäßigkeitsgebot standhalten würden, was der Senat oben offen gelassen hat.
126Auf die Verletzung nationalen Rechts kann eine Amtspflichtverletzung ebenfalls nicht gestützt werden. Die verhängten Auflagen beruhten auf den §§ 21 b, 31 BNatschG in Verbindung mit der Bundesartenschutzverordnung, wonach die Beklagte zum Zwecke der Vermeidung einer unbeabsichtigten Härte Ausnahmen vom absoluten Importverbot des § 21 b BNatschG genehmigen konnte. § 31 BNatschG ermächtigte dabei die Beklagte, mildere Maßnahmen als das Importverbot vorzusehen und im Wege der Auflage anzuordnen. Bei der Anwendung des § 31 BNatschG war die Beklagte zwar gehalten, höherrangiges Recht - namentlich Art. 14 GG - zu beachten, doch ergaben sich hieraus keine über das bisher Genannte hinaus gehende Einschränkungen. Schon das erheblich einschneidendere Importverbot begegnete aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen durchgreifenden Bedenken, erst recht aber nicht die sonstigen Auflagen. Es entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein aus Gründen des Gemeinwohls erlassenes Import- oder Vermarktungsverbot grundsätzlich nicht die Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung überschreitet und keinen unzulässigen Eingriff in den geschützten Kernbereich des Eigentums darstellt, denn es gibt keinen aus Art. 14 GG herzuleitenden Anspruch auf Fortbestand der früheren günstigen Absatzbedingungen. Eigentumsmäßig geschützt ist vielmehr nur das Vertrauen darauf, dass bei etwaigen Änderungen die berechtigten Belange des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden und eine schonende, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Übergangsregelung geschaffen wird (vgl. BGH NJW 1968, 293; BGHZ 111, 349, 357; Urt. v. 11.3.1993 - III ZR 110/92 -, vgl. auch Urt. d. Senats vom 9.1.1992 - 7 U 64/91). Eine solche schonende, die Belange der Klägerin angemessen berücksichtigende Regelung stellt § 31 BNatschG dar. Dass es sich hierbei nicht um eine Übergangsregelung im eigentlichen Sinne handelt, sondern um eine Härtefallregelung, ändert an der verfassungsrechtlichen Beurteilung nichts. Entscheidend ist, dass eine flexible, auch die Belange der Klägerin berücksichtigende Einzelfallregelung jenseits des sofort wirksamen Importverbots möglich war und praktiziert wurde. Der einzige möglicherweise hiergegen sprechende Umstand, nämlich die Tatsache, dass § 31 BNatschG mangels einer klaren zeitlichen Vorgabe der Klägerin keine zuverlässige vorausschauende Planung ermöglichte, ist nicht zum Tragen gekommen. Die Klägerin hatte zu keiner Zeit die Absicht, den eigenen Betrieb grundlegend umzustellen. Sie hat vielmehr mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln für den Wegfall des Importverbots gekämpft und sich - letztlich ja mit Erfolg - auf die hiermit verbundenen Hoffnungen gestützt.
127Damit könnte ein Amtspflichtverstoß wegen Verkennung der Tragweite von Art. 14 GG nur dann angenommen werden, wenn die Auflagen nicht einmal diese Mindestanforderungen (schonende, auch die Belange der Klägerin berücksichtigende Übergangsregelung) erfüllt hätten. Davon kann aber nicht die Rede sein. Weder das Verbot des Zwischenhandels noch die sonstigen, auf die Behandlung der Krebse abzielenden Auflagen griffen unmittelbar existenzbedrohend in den Betrieb der Klägerin ein. Die Klägerin verlor zwar, wie oben (Punkt 4. c)) gezeigt, etwa ein Drittel ihrer bisherigen Absatzmöglichkeiten. Eine solche Beeinträchtigung ist aber noch weit entfernt von einer erdrosselnden Wirkung, zumal ihr nicht verwehrt war, die Nachteile durch entsprechende geschäftliche Maßnahmen zu mindern. Verglichen mit dem völligen Importverbot und mit dem vorangegangenen Verbot, Krebse lebend weiter zu vermarkten, stellte die Beschränkung der Weiterverkaufsmöglichkeiten auf Endverbraucher, zu denen immerhin die Gastronomiebranche selbst gehörte, ein Entgegenkommen der Beklagte dar, mit dem ein Weiterbetrieb möglich war. Zu einer Verschärfung der Maßnahmen und zu einer klaren Befristung ist es zudem nie gekommen. Ergänzend wird auf die Erwägungen unter Punkt 4. c) und d) Bezug genommen. Die dort zur Frage des qualifizierten Eingriffs angestellten Überlegungen gelten entsprechend für die Frage, ob die Auflagen vor Art. 14 GG Bestand haben.
128Erst recht gilt das hier Gesagte für einen Anspruch der Klägerin aus dem Institut des enteignungsgleichen Eingriffs, denn auch insoweit ist ein Eingriff in den durch Art. 14 GG geschützten Kernbereich des Eigentums Voraussetzung.
1299.
130Zu einer - von den Parteien mehrfach angeregten - Vorlage der Angelegenheit an den Europäischen Gerichtshof sieht sich der Senat nicht veranlasst. Die hier zugrunde gelegten Annahmen zum gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch sind durch die mehrfach zitierten Entscheidungen des EuGH abschließend geklärt. Für die Frage, wann ein Rechtsverstoß als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, hat der EuGH hinreichend praktikable Kriterien entwickelt, deren Anwendung auf den konkreten Einzelfall den nationalen Gerichten obliegt. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht. Noch nicht ausdrücklich entschieden hat der EuGH allenfalls, ob den erwähnten Vorschriften der jeweiligen Assoziierungsbakommen tatsächlich drittschützender Charakter beikommt. Zur Beantwortung dieser Frage sah sich der Senat allerdings unter Berücksichtigung der aufgefundenen Rechtsprechung selbst in der Lage.
131II.
132Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, hat aber aus den dargelegten Gründen keinen Erfolg. Auf die Ausführungen unter Punkt I.4.e) wird Bezug genommen.
133III.
134Gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird der Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Anspruchs, soweit dieser dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden ist, an das Landgericht zurückverwiesen. Die Anspruchshöhe ist nicht entscheidungsreif. Der Senat hält es nicht für sachdienlich, selbst die erforderliche Aufklärung zur Höhe vorzunehmen (§ 540 ZPO): Dem Landgericht ist auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorzubehalten, da von dessen abschließender Entscheidung abhängt, in welchem Umfang die Berufung der Klägerin letztlich Erfolg hat.
135IV.
136Streitwert 2. Instanz: 1.293.501,93 DM.
137Beschwer für beide Parteien: über 60.000.- DM.