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T a t b e s t a n d
2Der Kläger und die Klägerinnen wurden während des Zweiten Weltkrieges wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebieten verfolgt und im Konzentrationslager Auschwitz inhaftiert. Sie besaßen damals bis auf die Klägerin zu 20), die Deutsche war, die polnische (Kläger zu 1) bis 7), 9) bis 11), 13), 14), 17), 19), 21) und 22)) bzw. die ungarische Staatsbürgerschaft (Kläger zu 8), 12), 15), 16) und 18)). Die Mehrzahl von ihnen erwarb später die israelische Staatsbürgerschaft, und zwar die Kläger zu 2) bis 6), 11) bis 13) und 17) im Jahre 1948, die Kläger zu 1) und 9) im Jahre 1949, die Klägerin zu 7) im Jahre 1950, die Klägerin zu 10) im Jahre 1954, die Klägerin zu 18) im Jahre 1958, die Klägerinnen zu 8) und 16) im Jahre 1959, der Kläger zu 15) im Jahre 1964 und die Klägerin zu 19) im Jahre 1968. Die Klägerin zu 14) ist seit 1965 Kanadierin, die Klägerinnen zu 21) und 22) sind seit 1957 bzw. 1963 Staatsangehörige der USA.
3Auf Anordnung der SS wurden die Kläger in der Zeit von September 1943 bis zur Aufgabe des Konzentrationslagers Auschwitz am 18.01.1945 (mit unterschiedlichen Einsatzzeiten) zur Zwangsarbeit herangezogen. In der nahe Auschwitz gelegenen Waffenfabrik der Firma W.-Metall-Union KG stellten sie Artilleriezünder, Granaten und Munition her. Ein Entgelt erhielten sie hierfür nicht. Die Rechtsverhältnisse der Firma W.-Metall-Union KG sind seit der Aufgabe des Werkes bei Kriegsende ungeklärt.
4Die Kläger haben nach dem Krieg entweder von den Entschädigungsbehörden der Bundesländer auf der Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes bzw. der Vorläuferregelungen oder im Einzelfall von der C. Conference Entschädigungsleistungen in unterschiedlicher Höhe, zumeist als Kapitalentschädigung und/oder als Rente, erhalten. Überwiegend wird ihnen auch heute noch eine Rente gezahlt.
5Mit der vorstehenden Klage nehmen die Kläger oder ihre Rechtsnachfolger - der Kläger zu 15) und die Klägerin zu 22) sind im Laufe des Verfahrens verstorben - die beklagte Bundesrepublik für die von ihnen oder ihren Rechtsvorgängern geleistete Zwangsarbeit auf Schadensersatz bzw. Zahlung einer Entschädigung in einer Höhe zwischen 27.000,00 DM und 68.000,00 DM in Anspruch.
6Dazu haben sie im wesentlichen geltend gemacht:
7Die Heranziehung zur Zwangsarbeit stelle völkerrechtliches Unrecht dar und erfülle damit den Tatbestand der unerlaubten Handlung. Als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs sei deshalb die Bundesrepublik Deutschland zum Schadensersatz verpflichtet. Überdies ergäben sich Entschädigungspflichten aus der Begründung von faktischen Arbeitsverhältnissen zwischen ihnen und der Firma W.-Metall Union KG als Erfüllungsgehilfin des Deutschen Reichs.
8Die Ausschlussklausel des § 8 Abs. 1 BEG stehe daraus hergeleiteten Ersatzansprüchen nicht entgegen. Denn das Bundesentschädigungsgesetz stelle keine abschließende Regelung für sämtliche Formen nationalsozialistischer Verfolgung dar. Insbesondere erfasse § 43 Abs. 3 BEG nicht die hier geltend gemachten Ansprüche, sondern lediglich einen Teil der Zwangsarbeit, nämlich die immateriellen Beeinträchtigungen als Folge der mit der Zwangsarbeit verbundenen Freiheitsentziehung.
9Auch die Regeln des Völkerrechts stünden der Inanspruchnahme der Beklagten nicht entgegen, da der individualrechtliche Charakter von Entschädigungsansprüchen für geleistete Zwangsarbeit völkerrechtlich seit Jahrzehnten anerkannt sei und dies über Art. 25 GG auch die Beklagte binde.
10Ebensowenig schließe § 1 Abs. 1 des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG) die mit der Klage verfolgten Ansprüche aus, da dieses Gesetz als nationales Recht die Ansprüche ausländischer Staatsangehöriger nicht verdrängen könne. Im übrigen gingen die Bestimmungen des Londoner Schuldenabkommens aus dem Jahre 1953 als speziellere Regelungen, wie sich aus § 101 AKG ergebe, denen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vor. Aber auch hiernach sei eine Inanspruchnahme der Beklagten nicht ausgeschlossen: Zum einen beziehe sich die in Art. 5 Abs. 2 dieses Abkommens geregelte Stundung lediglich auf Reparationen, wohingegen es im vorliegenden Fall um den hiervon zu unterscheidenden Begriff der Wiedergutmachung gehe. Zum anderen habe aber auch die Beklagte durch die Ratifizierung des Zwei-plus-Vier-Vertrages ihre uneingeschränkte Souveränität wiedererlangt, weshalb dieses Abkommen als endgültiger Friedensvertrag anzusehen sei. Letztlich sei aber auch eine Berufung der Beklagten auf die Bestimmungen des Londoner Schuldenabkommens wegen der zwischenzeitlich erfolgten wirtschaftlichen Konsolidierung der Bundesrepublik Deutschland verfassungswidrig.
11Ferner liege auch im Abschluss völkerrechtlicher Verträge zwischen Polen und Ungarn einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits kein Forderungsverzicht, da diese die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht erfassten.
12Schließlich verweisen die Kläger noch darauf, dass es eine Ungleichbehandlung darstelle, wenn die Verfolgten aus dem osteuropäischen Raum anders als die aus den westlichen Ländern keine Entschädigung erhielten. Auch die Art. 134 Abs. 4, 135 a GG rechtfertigten eine solche Regulierungspraxis nicht.
13Die Kläger haben zuletzt - mit Schriftsätzen vom 21. und 25.11.1996 - beantragt,
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15die Beklagte zu verurteilen,
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171. an die Klägerin zu 1) 68.000,00 DM,
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192. an die Klägerin zu 2) 68.000,00 DM,
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213. an die Klägerin zu 3) 63.000,00 DM,
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234. an die Klägerin zu 4) 27.000,00 DM,
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255. an die Klägerin zu 5) 63.000,00 DM,
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276. an die Klägerin zu 6) 63.000,00 DM,
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297. an die Klägerin zu 7) 63.000,00 DM,
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318. an die Klägerin zu 8) 28.000,00 DM,
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339. an die Klägerin zu 9) 68.000,00 DM,
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3510. an die Klägerin zu 10) 68.000,00 DM,
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3711. an die Klägerin zu 11) 68.000,00 DM,
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3912. an die Klägerin zu 12) 28.000,00 DM,
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4113. an die Klägerin zu 13) 63.000,00 DM,
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4314. an die Klägerin zu 14) 68.000,00 DM,
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4515. an die Klägerin zu 15) 32.000,00 DM,
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4716. an die Klägerin zu 16) 28.000,00 DM,
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4917. an die Klägerin zu 17) 68.000,00 DM,
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5118. an die Klägerin zu 18) 29.000,00 DM,
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5319. an die Klägerin zu 19) 55.000,00 DM,
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5520. an die Klägerin zu 20) 53.000,00 DM,
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57jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 22. November 1996,
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59sowie
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6121. an die Klägerin zu 21) 52.000,00 DM,
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6322. an die Klägerin zu 22) 52.000,00 DM,
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65jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 25. November 1996,
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67zu zahlen.
68Die Beklagte hat beantragt,
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70die Klage abzuweisen.
71Dazu hat sie im wesentlichen ausgeführt: Über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus stünden den Klägern weitergehende Entschädigungs- oder Zahlungsansprüche nicht zu, weil Entschädigungsansprüche für Verfolgungsmaßnahmen im Bundesentschädigungsgesetz abschließend geregelt seien und § 8 BEG weitergehende Ansprüche als die dort erfassten ausschließe. In diesem Zusammenhang seien aber auch die Zahlungen der Conference on Jewish Material C. against Germany zu berücksichtigen, welche heute bei im westlichen Ausland lebenden jüdischen Verfolgten als Einrichtung für deutsche Wiedergutmachungsleistungen in Erscheinung trete, da diese von ihr, der Beklagten, finanziert werde und die Entschädigungsleistungen in vollem Umfang von ihr getragen würden. Die Leistungen der C. Conference seien von den Stichtagsvoraussetzungen des Bundesentschädigungsgesetzes unabhängig. Einzige Voraussetzung sei, dass die Antragsteller ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt außerhalb des "Ostblocks" haben. Demgemäß bedeute es keine unbillige Härte für die Kläger, dass ein gesonderter Anspruch auf Vergütung für geleistete Zwangsarbeit nicht bestehe.
72Darüber hinaus seien ihre Ansprüche auch nach § 1 Abs. 1 AKG erloschen. § 101 AKG bedeute lediglich, dass Ansprüche, die nach dem Londoner Schuldenabkommen nicht zu erfüllen oder erloschen seien, auch nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht zu erfüllen seien.
73Ein Erlöschenstatbestand ergebe sich ferner aus der Bestimmung des Art. 5 Abs. 4 LSchA, da die Volksrepublik Polen in ihrer Erklärung vom 23.08.1953 auf Reparationen gegenüber ganz Deutschland verzichtet habe. Dieser Verzicht sei auch im Rahmen der Verhandlungen zum Warschauer Vertrag im Jahre 1970 von Polen ausdrücklich bestätigt worden. Ebenso habe Ungarn in Art. 30 Abs. 4 des Friedensvertrages von 1947 auf alle Ansprüche gegenüber Deutschland verzichtet. Dies müssten jedenfalls die Kläger als ehemals polnische und ungarische Staatsangehörige gegen sich gelten lassen.
74Ferner bestehe die Stundung nach Art. 5 Abs. 2 LSchA fort und sie stehe deshalb einer Erfüllung der mit der Klage verfolgten Ansprüche nach wie vor entgegen, da es sich hierbei um Reparationsforderungen im Sinne des Abkommens handele. Dies sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, da dem Gesetzgeber - wie dies das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach bestätigt habe - bezüglich Grund und Höhe zu erfüllender Ansprüche aus dem Kriegsfolgenrecht ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe.
75Bei den geltend gemachten Ansprüchen handele es sich überdies um sogenannte Reparationsforderungen, die nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nicht individuell geltend gemacht werden könnten; ein Ausgleich derartiger Ansprüche müsse zwischenstaatlichen Regelungen vorbehalten bleiben.
76Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da eine Ungleichbehandlung der Kläger gegenüber anderen gleichgelagerten Fällen nicht gegeben sei.
77Schließlich hat die Beklagte hilfsweise die Einrede der Verjährung erhoben.
78Das Landgericht hatte das Verfahren zunächst gemäß Art. 100 Abs. 1 und 2 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, und zwar soweit es das Verfahren der deutschen Klägerin (Klägerin zu 20)) betrifft zu der Frage,
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80ob § 1 AKG mit dem Grundgesetz vereinbar sei,
81und soweit es das Verfahren der ausländischen Kläger betrifft zu der Frage,
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83ob eine allgemeine Regel des Völkerrechts bestehe, nach der die mit der Klage verfolgten Ansprüche nicht individuell durchsetzbar, sondern nur auf zwischenstaatlicher Ebene geltend zu machen seien.
84Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorlage als unzulässig erachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 13.05.1996 - 2 BvL 33/93 - (Bl. 351 - 363 d. GA) verwiesen.
85Das Landgericht hat alsdann nur der Klage der Klägerin zu 19) - sie hat als einzige keine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhalten - teilweise stattgegeben. Es hat darauf erkannt, dass der Klägerin dem Grunde nach, nicht jedoch in der geltend gemachten Höhe ein - unverjährter - Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG für die von ihr geleistete Zwangsarbeit zusteht, für den die beklagte Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs haftet.
86Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt, dass sich die Beklagte auf die in § 7 RBHG normierte Haftungsbeschränkung nicht berufen könne, weil über Art. 25 GG die allgemeinen Regelungen des Völkerrechts dieser Bestimmung vorgingen. Ebensowenig stünden dem Zahlungsanspruch der Klägerin zu 19) Art. 5 Abs. 2 LSchA, die polnische Reparationsverzichtserklärung vom 24.08.1953, das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel vom 10.09.1952, das Abkommen der Conference on Jewish Material C. against Germany, ein im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages etwa von Polen konkludent erklärter Forderungsverzicht, § 8 Abs. 1 BEG, § 1 AKG und § 839 Abs. 3 BGB entgegen. Die Beklagte hafte daneben, so hat es weiter ausgeführt, auf Wertersatz nach § 852 Abs. 3 BGB i.V.m. § 812 BGB bzw. aus dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
87Dagegen könnten die Kläger zu 1) bis 18), 21) und 22) keine Entschädigung für die von ihnen geleistete Zwangsarbeit verlangen, weil sie bereits Entschädigungszahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhalten hätten mit der Folge, dass damit etwaige Vergütungsansprüche abgegolten seien. Ein gesonderter Vergütungsanspruch für geleistete Zwangsarbeit neben den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes stehe ihnen wegen des abschließenden Charakters dieses Gesetzes nicht zu. Für die Klägerin zu 20) folge der Anspruchsausschluss überdies aus § 1 Abs. 1 AKG.
88Gegen das den Klägern und der Beklagten am 05.11.1997 zugestellte Urteil haben die Kläger zu 1) bis 20) mit einem bei Gericht am 28.11.1997 eingegangenen Schriftsatz und die Beklagte mit einem bei Gericht am 05.12.1997 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Beide Seiten haben die Berufung innerhalb der ihnen eingeräumten Fristverlängerung begründet, und zwar die Kläger mit einem bei Gericht am 25.03.1998 eingegangenen Schriftsatz und die Beklagte mit einem bei Gericht am 23.03.1998 eingegangenen Schriftsatz.
89Die Kläger wiederholen ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertiefen es mit Rechtsausführungen. Insbesondere wenden sie sich gegen die vom Landgericht vertretene Auffassung, dass mit den auf der Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes erfolgten Entschädigungszahlungen auch die Ansprüche wegen der von ihnen geleisteten Zwangsarbeit abgegolten seien.
90Die Kläger zu 1) bis 20) beantragen,
911. | unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Schlussanträgen der Kläger zu 1) bis 18) und 20) in der I. Instanz zu erkennen, |
2. | die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 19) über die zuerkannten 15.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 09.02.1992 hinaus weitere 40.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25.11.1996 zu zahlen. |
Ferner beantragt die Klägerin zu 19),
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94die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
95Die Beklagte beantragt,
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97das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und auch die Klage der Klägerin zu 19) insgesamt abzuweisen.
98Ferner beantragt sie,
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100die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
101Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere verweist sie darauf, dass § 8 Abs. 1 BEG generell Ansprüche wegen geleisteter Zwangsarbeit ausschließe.
102Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseits gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
103E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
104Beide Berufungen sind in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. In der Sache selbst hat jedoch nur die Berufung der Beklagten Erfolg.
105I.
1061) Den Klägern stehen gegenüber der Beklagten wegen der von ihnen geleisteten Zwangsarbeit aufgrund n a t i o n a l e n
107Rechts weder Schadensersatz- noch Entschädigungsansprüche zu.
108a) Allerdings sind die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs auch nach Auffassung des Senats fraglos gegeben. Sie richten sich nach dem zur Tatzeit maßgeblichen Rechtszustand, wobei (auch) bei im Ausland begangenen Amtshaftungsdelikten deutsches Recht anzuwenden ist (vgl. z.B. Beitzke, ÖstZfRVgl 1977, 136; Staudinger-von Hoffmann, 12. Aufl., Art. 38 nF, Rd. 228 a m.w.N.). Diese kollisionsrechtliche Sonderbehandlung der Staatshaftung ergibt sich aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatssouveränität, der die staatliche Immunität für hoheitliches Handeln festlegt. Einschlägig ist danach § 839 BGB mit seiner damaligen staatsrechtlichen Verankerung in Art. 131 WeimVerf., die auch noch nach den politischen Wandlungen nach 1933 bestehen geblieben ist (RGZ 160, 193 (196)). Für danach begründete Reichsverbindlichkeiten hätte an sich die Beklagte in Funktionsnachfolge des Deutschen Reichs einzustehen (vgl. z.B. Sachs-Ipsen/Koch, Grundgesetz, 1. Aufl., (1996), Art. 134, Rd. 7 m.w.N.; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Komm. zum Grundgesetz, Art. 134, Rd. 10).
109Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs sind auch gegeben. Die Heranziehung der Kläger zur Zwangsarbeit in der hier gegebenen menschenverachtenden Form (vgl. den mit Schriftsatz vom 25.03.1998 überreichten Bericht einer Betroffenen) stellen schwerste Eingriffe in die körperlichen und seelischen Lebensvorgänge dar. Sie waren keinesfalls durch Art. 52 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18.10.1907 (Haager Landkriegsordnung) gedeckt. Auf das abweichende Rechtsverständnis der damaligen Machthaber kommt es nicht an (vgl. dazu BGH RzW 1959, 219 und NJW 1952, 1139). Anders als in dem vom Senat durch Urteil vom 27.08.1998 - 7 U 167/97 - entschiedenen Fall, bei dem es um dem Kriegsrecht unterliegende bewaffnete Auseinandersetzungen ging, ist auch die Drittbezogenheit im Streitfall fraglos zu bejahen.
110b) Ebensowenig kommt es auf den vom Landgericht problematisierten Gesichtspunkt der fehlenden Verbürgung der Gegenseitigkeit gemäß § 7 RBHG an. Es ergibt sich schon aus der Natur der Sache, dass ein Staat, dessen oberste Organe anordnen, in den damals besetzten Gebieten alle Menschen jüdischer Abstammung zu verschleppen und unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten zu lassen, sich nicht der Verantwortung dafür mit der Rüge entziehen kann, dass für seine Inanspruchnahme die Gegenseitigkeit nicht verbürgt sei. Auf Fälle wie den vorliegenden ist § 7 RHBG nicht anwendbar.
1112) Die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs wie auch eines öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruchs ist aber nach § 8 Abs. 1 BEG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetztes (BEG-Schlußgesetz) vom 14.09.1965 (BGBl. I S. 1315) ausgeschlossen.
112a) In § 8 BEG-SchlG ist bestimmt:
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114(1) Ansprüche gegen das Deutsche Reich, die Bundesrepublik Deutschland und die deutschen Länder können unbeschadet der in § 5 genannten und der durch § 228 Abs. 2 aufrechterhaltenen Vorschriften nur nach diesem Gesetz geltend gemacht werden, wenn sie darauf beruhen, dass durch Maßnahmen, die aus den Verfolgungsgründen des § 1 getroffen worden sind, Schaden entstanden ist.
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116(2) Ansprüche gegen andere Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder gegen Personen des privaten Rechts werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Sie gehen, soweit nach diesem Gesetz Entschädigung geleistet ist, auf das leistende Land über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Berechtigten geltend gemacht werden.
117Aus Abs. 1 dieser Vorschrift folgt, dass mit ihr die Konkurrenz von Ansprüchen nach dem Bundesentschädigungsgesetz mit solchen nach allgemeinen, nicht wiedergutmachungsrechtlichen Vorschriften geregelt werden soll. Legt man der Auslegung den allgemeinen Sprachgebrauch zugrunde, so bestehen Ansprüche wegen verfolgungsbedingter Schädigung (§ 1 i.V.m. § 3 BEG-SchlG) nur nach den Regelungen des Bundesentschädigungsgesetzes sowie daneben nach besonderen - hier nicht weiter interessierenden - wiedergutmachtungsrechtlichen Rechtsvorschriften (§ 5 BEG-SchlG) und den durch § 228 Abs. 2 BEG-SchlG aufrechterhaltenen Entschädigungsvorschriften des weitergehenden Landesrechts. Dies gilt allerdings nur insoweit, als sich die Ansprüche gegen das Deutsche Reich, die Bundesrepublik Deutschland und die deutschen (Bundes-)Länder richten. Weitergehende Ansprüche gegenüber den in Abs. 2 genannten Körperschaften und Personen sollen dagegen bestehen bleiben. Dabei spricht das Gesetz in beiden Fällen ganz allgemein von "Ansprüchen", ohne zwischen solchen nach öffentlichem oder bürgerlichem Recht zu differenzieren.
118Bereits der Wortlaut des Gesetzes weist danach darauf hin, dass Ansprüche wegen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen abschließend und ausschließlich nach dem Bundesentschädigungsgesetz befriedigt werden sollen.
119b) Auch die Regelungsabsichten, Zwecke und Normvorstellungen des (historischen) Gesetzgebers verdeutlichen, dass er die Ansprüche der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung aus dem Haftungsverband des Delikts- und Entschädigungsrechts insgesamt herauslösen und - als Teilgebiet nationalsozialistischen Unrechts - gesondert regeln wollte.
120Dafür waren insbesondere zwei Gründe maßgebend:
121aa) Der militärische und politische Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Frühjahr 1945 offenbarte zugleich eine wirtschaftliche und finanzielle Katastrophe größten Ausmaßes. Abgesehen von allen Belastungen, die die Niederlage und der Wiederaufbau noch zur Folge haben mussten, bestanden bereits Schulden des Reiches in zunächst unübersehbarer Höhe; die Bundesregierung hat sie später auf achthundert Milliarden Reichsmark geschätzt. Die Höhe dieser Verschuldung schloss es einerseits aus, die Frage der Reichsverbindlichkeiten ungeregelt zu lassen (BVerfGE 15, 127). Andererseits hätte eine "vollständige Schadloshaltung der Verfolgten, auch wenn sie sich nur auf die durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verursachten Schäden beschränkt hätte, die finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik weit überstiegen" (so die Einzelbegründung zu § 5 des Entwurfs zu § 8 BEG, BT-Drucks. II Nr. 1949 S. 96/97). Hergebrachte Ansprüche konnten deshalb nach einer Staatskatastrophe einmaligen Ausmaßes gegenüber einem in seinem Leistungsvermögen entscheidend geschwächten Staat, der sich in einer Situation ähnlich der des Konkursverwalters sieht, keine unbeschränkte Geltung beanspruchen (Bachof, Öff.Verw. 54, 33 (36) und 225 (226/227)). Der Gesetzgeber hat sich daher bescheiden und darauf beschränken müssen, an bestimmte Schadenstatbestände die Verpflichtung des Staates zu finanziellen Entschädigungsleistungen zu knüpfen und dadurch nach Maßgabe der Finanzkraft der Bundesrepublik wenigstens für die materiell messbaren Schäden eine tunlichst umfassende und rasche Entschädigung zu leisten (so die Präambel zum Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes, BT-Drucks. II 1949 S. 84).
122Festzuhalten ist deshalb, dass im Rahmen der Gesamtliquidation der Folgen des nationalsozialistischen Regimes eine volle Schadloshaltung auch der durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen Geschädigten nicht stattfinden konnte und deshalb ein Schadensausgleich nach dem allgemeinen Delikts- und Entschädigungsrecht ausgeschlossen war.
123Dies findet im Bundesentschädigungsgesetz schon sprachlich seinen Niederschlag. So vermeidet es bereits in seiner Bezeichnung und in seinen Einzelbestimmungen die Anwendung des - zuvor in der politischen Diskussion noch gebrauchten - Begriffs "Wiedergutmachung", weil eine Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in allen seinen Erscheinungsformen ein aussichtsloses Unterfangen wäre, das Geschehene ungeschehen zu machen (Blessin-Ehrig-Wilden, Bundesentschädigungsgesetze, 3. Aufl., Art. I ÄndG, Rn. 33) und auch das Leistungsvermögen der Bundesrepublik Deutschland überstiegen hätte. Ebensowenig spricht es von "Schadensersatz", weil nach dem Grundgedanken des Schadensersatzrechts ein "völliger Ausgleich der entstandenen Nachteile nicht zu leisten wäre". Das Bundesentschädigungsgesetz bezeichnet deshalb in Anlehnung an seinen Vorläufer, nämlich das US-EG (Entschädigungsgesetz der Länder in der amerikanischen Zone), den im Gesetz stipulierten Anspruch als einen öffentlich-rechtlichen Anspruch (BVerfG NJW 1953, 1137) auf Entschädigung.
124Zwar knüpft die zu leistende Entschädigung an einen "Schaden" an; allerdings wird nur der materiell messbare Schaden, nicht der sogenannte immaterielle Schaden berücksichtigt. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich die Kapitalentschädigung für die Entziehung und Beschränkung der Freiheit (§§ 43 ff. BEG-SchlG).
125Insbesondere werden Entschädigungsansprüche nicht für jeden Schaden gewährt, sondern nur für Schäden an bestimmten typisierten Rechts- und Lebensgütern, wie sie § 1 BEG-SchlG erschöpfend aufzählt. Auch besteht für die oft unter schwersten unerträglichen Bedingungen geleistete Zwangsarbeit kein entschädigungsrechtlicher Anspruch auf das - sonst verdiente - Arbeitsentgelt. Fernerhin macht das BEG den Anspruch auf Entschädigung davon abhängig, dass der Verfolgte eine räumliche Beziehung zu dem betreffenden Land hat oder doch wenigstens gehabt hat (Grundsatz des subjektiv-persönlichen-räumlichen Territorialitätsprinzips). Schließlich gibt das Entschädigungsrecht, um noch eine weitere Ausnahme vom allgemeinen Haftungsrecht zu nennen, dem Berechtigten zum Ausgleich des erlittenen Schadens verschiedenartige Ansprüche, die auf einen mittelbaren oder unmittelbaren finanziellen Ausgleich des Schadens zielen (vgl. z.B. §§ 67 Abs. 2, 115 Abs. 2, 68, 89, 29, 69, 70, 72, 90 BEG einerseits und 45, 50, 51, 54, 56, 57, 79, 74, 91 BEG andererseits).
126bb) Ferner enthält das Entschädigungsrecht zur erleichterten und beschleunigten Durchsetzung der Ansprüche in Abweichung von den Verfahrensvorschriften, die sonst Anwendung finden würden, besondere Vorschriften, wie die Pauschalierung und Schematisierung des Anspruchs (in Anlehnung an die Beamtenversorgung), die Geltung des Amtsermittlungsprinzips (§ 176 Abs. 1 BEG), die Kostenfreiheit des Verfahrens und das Eingreifen von Beweiserleichterungen (§ 176 BEG), um nur die wichtigsten zu nennen.
127cc) Schließlich zeigt auch die Regelung über die Verteilung der Entschädigungslast, deren Höhe bereits vorher festgestellt worden war, sehr deutlich, dass die Befriedigung des nationalsozialistischen Unrechts einem eigenen Regelwerk unterworfen werden sollte. Ein Nebeneinander von Entschädigungsrecht und allgemeinem Haftungsrecht widerspräche daher der Intention des Gesetzgebers, leistungsfähig zu bleiben, um so die eingegangenen Verpflichtungen auch erfüllen zu können.
128c) Dieses Anliegen lässt sich auch dem gesetzlichen Auftrag und den Gesetzesmaterialien entnehmen:
129aa) Im "Vertrag zur Regelung der aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen" (Überleitungsvertrag) zum "Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten" (Deutschlandvertrag) vom 26.05.1952 i.d.F. vom 23.10.1954 (BGBl. 1955 II S. 405; hier: vierter Teil, S. 431) verpflichtete sich die Bundesrepublik, Personen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in ihrem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hatten, eine angemessene Entschädigung nach Maßgabe der Bestimmungen der Absätze (2) und (3) sicherzustellen. In Abs. 3 dieser Vorschrift heißt es dann:
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131"Die Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik kann bei Festsetzung der Zeit und Methode für Entschädigungszahlungen gemäß Abs. (1) dieses Teils sowie bei der Bereitstellung ausreichender Mittel gemäß Unterabsatz (f) des Abs. (2) dieses Teils berücksichtigt werden."
132bb) Ferner heißt es in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung (37. Ausschuss; BT-Drucks. II/2382; Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Greve) zu § 8 BEG:
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134"Abs. 1 ist gegenüber der Regierungsvorlage neu gefaßt. Er bringt noch stärker, als dies dort geschehen ist, zum Ausdruck, daß das Bundesentschädigungsgesetz, soweit es sich um Ansprüche gegen das Deutsche Reich, die Bundesrepublik Deutschland und die deutschen Länder handelt, eine abschließende und ausschließliche Regelung darstellt, die insoweit das in Vorbereitung befindliche Kriegsfolgenschlußgesetz ergänzt."
135cc) In dem von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf (BR-Drucks. 336/55) wird dazu ausgeführt:
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137"Zu § 5
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139Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 9 (vgl. § 5 US-EG).
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141Sie behandelt das Verhältnis von Ansprüchen nach BEG zu Ansprüchen nach anderen Rechtsvorschriften, vor allem denen des bürgerlichen Rechts.
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143Durch Abs. 1 soll klargestellt werden, daß das BEG, soweit es sich um Ansprüche gegen das Reich, den Bund oder ein Land handelt, eine abschließende und ausschließliche Regelung darstellt. Das bedeutet, daß Ansprüche, die darauf beruhen, daß der Verfolgte durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen Schaden erlitten hat, gegen das Reich, den Bund oder ein Land nur in dem durch das BEG gezogenen, nach Art und Umfang begrenzten Rahmen geltend gemacht werden können und daß, soweit diese Ansprüche durch dieses Gesetz nicht geregelt sind, gegen das Reich, den Bund oder ein Land auch nicht aufgrund anderer Rechtsvorschriften Ansprüche erhoben werden können. Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz nur insofern, als es sich um Ansprüche handelt, die sich nach den in den §§ 3 und 104 genannten Rechtsvorschriften richten.
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145Die Rechtfertigung der Begrenzung von Art und Umfang der Ansprüche in Abs. 1 beruht darauf, daß auch diese Regelung eine Teilregelung der in Art. 134 Abs. 4 GG vorbehaltenen gesetzlichen Regelung darstellt. Bei Ausführung dieser grundgesetzlichen Vorschrift ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, soweit er nicht etwa völkerrechtlich gebunden ist. Der Gesetzgeber war daher zu einer Begrenzung der durch dieses Gesetz gegebenen Ansprüche nach Art und Umfang berechtigt; auf der anderen Seite war eine solche Begrenzung aber auch im Hinblick auf die beschränkte finanzielle Möglichkeit des Bundes und der Länder unabweislich."
146Aus alledem ergibt sich sonach der (historische) Wille des Gesetzgebers, das Entschädigungsrecht umfassend im Rahmen des finanziell Möglichen zu regeln und Ansprüche nach anderen Vorschriften auszuschließen. Mit der Kodifizierung des Bundesentschädigungsgesetzes übernimmt und begrenzt die öffentliche Hand, soweit sie durch Bund und Länder repräsentiert wird, ihre Haftung für Verfolgungsschäden aus Gründen der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, praktischen Rechtsanwendung und der notwendigen finanziellen Limitierung und Lastenberechnung.
147d) Die hier vertretene Ansicht wird auch ganz überwiegend von der Kommentarliteratur zum Bundesentschädigungsgesetz geteilt. Sie hebt hervor, dass andere und weitergehende Ansprüche neben Ansprüchen nach dem Bundesentschädigungsgesetz weder nach bürgerlichem Recht (Vertrag, unerlaubte Handlung) noch nach öffentlichem Recht (Amtspflichtverletzung) geltend gemacht werden können (so Blessin-Giessler, BEG, 1. Aufl. (1967), § 8, Anm. II; ähnlich: Brunn/Hebenstreit, BEG, 1. Aufl. (1965), § 8, Rn. 1; Blessin-Ehrig-Wilden, a.a.O., 3. Aufl. (1960), § 8, Rn. 1; Becker/ Huber/Küster, BEG (vom 18.09.1953), 1. Aufl., Rn. 9, Vorbem.; Grimpe, BEG (vom 18.09.1953), 1. Aufl., § 9, Anm. 2 zu Abs. 1; van Dam/Loos, BEG (vom 29.06.1956), 1. Aufl., § 8, Rn. 2; wohl auch Winklmaier, BEG (1961), 1. Aufl., § 8, Anm. 1 und Kossoy, Handbuch zum Bundesentschädigungsgesetz, Stand 01.07. 1967, Kom. zu § 8; ferner: Pagendarm, Über Umfang und Rechtfertigung des Ausschlusses von Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 BEG und zur Frage der persönlichen Haftung der tätig gewesenen Beamten, RzW 1958, 41; Zorn, Das Zweite Änderungsgesetz zum Bundesentschädigungsgesetz (BEG-SchlG), RzW 1965, 385; a.A. allerdings im Rahmen der Anhörung, 73. Sitzung des Innenausschusses am 14.12.1989, Ausschlussdrucksache 11/80, S. 125), Gießler, Die Grundsatzbestimmungen des Entschädigungsrechts, in: Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV S. 1/2; Féaux de la Croix, Kom. zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz, § 5, Anm. D 2.; OLG Celle, RzW 1956, 179).
148e) Das Landgericht beruft sich zu Unrecht darauf, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 11.02.1954 (BGHZ 12, 278) den gegenteiligen Standpunkt einnehme. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof unter Bezugnahme auf zwei vorangegangene Entscheidungen (BGHZ 11, 198 und 12, 10) daran festgehalten, dass Ansprüche, die auf nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen beruhen, nach § 9 BEG-1953 grundsätzlich nur nach den Vorschriften des Bundesentschädigungsgesetzes geltend gemacht werden können, soweit nicht die Ausnahmen nach §§ 7, 9 Abs. 2 und 104 BEG-1953 greifen. Dieser Grundsatz soll allerdings nur gelten, soweit für einzelne Folgen der unerlaubten Handlung Entschädigung gewährt wird, mag sie auch dem Umfang nach hinter dem Amtshaftungsanspruch zurückbleiben. Diese Einschränkung war aber wohl Folge der missglückten Vorschrift des § 9 BEG-1953. Beabsichtigt war, den abschließenden Charakter der gesamten Wiedergutmachungsgesetzgebung für Schäden aus nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen festzulegen, soweit die hauptsächlichen Wiedergutmachungsschuldner, Bund und Länder, in Frage kommen, und weitergehende Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften gegen Bund und Länder auszuschließen (Becker-Huber-Küster, a.a.O., § 9, Vorbem.). Da die gesetzgebenden Organe erkannt hatten, dass aufgrund der missglückten Fassung des § 9 die Rechtsprechung eine Fehlentwicklung nahm, ist dieses bereits in der novellierten Fassung vom 29.06.1956 (BGBl. I S. 652) korrigiert worden. Dies ist in der amtlichen Begründung verdeutlicht worden.
149Dort heißt es zu § 5 des Entwurfs:
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151"Durch Abs. 1 soll klargestellt werden, dass das BEG, soweit es sich um Ansprüche gegen das Reich, den Bund oder ein Land handelt, eine abschließende und ausschließliche Regelung darstellt..."
152Soweit sich das Landgericht und die Kläger für ihre gegenteilige Ansicht auf das Urteil des OLG Stuttgart (in: RzW 1964, 425) berufen, steht diese Entscheidung der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Dort handelte es sich nämlich um die Klage eines Zwangsarbeiters gegen eine private Firma. Für die Frage der Haftungskonkurrenz war in diesem Fall, wovon das Oberlandesgericht auch ausgegangen ist, § 8 Abs. 2 BEG maßgeblich. Nach dieser Vorschrift bleiben jedoch Ansprüche nach allgemeinem Haftungsrecht ausdrücklich bestehen. Allerdings hat das Oberlandesgericht im Rahmen des Forderungsüberganges (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BEG) die Frage thematisiert, ob die an den Kläger gezahlte Entschädigungsleistung zum Ausschluss des Anspruchs führe. In diesem Zusammenhang hat es sich lediglich damit auseinandergesetzt, ob Zwangsarbeit einen Fall der Freiheitsentziehung (§ 43 BEG) oder der Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens darstellt. Nur letzteres hat es für möglich gehalten. Zur Ausschlusswirkung der Zwangsarbeit nach § 8 Abs. 1 BEG-SchlG gibt aber diese Entscheidung nichts her.
153f) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der teilweise Ausschluss von im Bundesentschädigungsgesetz nicht geregelten Sachverhalten, wie hier die Zwangsarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen, die Verfassung verletzt.
154Durch Art. 134 Abs. 4, 135 a GG steht der Beklagten u.a. die Gesetzgebungskompetenz zu, die Reichsverbindlichkeiten zu regeln und dabei zu bestimmen, dass sie nicht oder nicht in voller Höhe zu erfüllen sind. Die beiden Artikel erlauben deshalb nach ihrer klaren Zielsetzung auch gegenüber Grundrechten abweichende Regelungen (Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, a.a.O., Art. 135 a, Anm. II 2). Allerdings geben sie dem einfachen Gesetzgeber keine volle Gestaltungsfreiheit. Sie begründen nicht schlechthin eine Annullierung von Rechtsverbindlichkeiten, sondern nur eine Regelungskompetenz für ihn, bei der er zu beachten hat, dass bestehende Forderungen gegen das Reich als dem Grunde nach existent ihm zur Berücksichtigung nach Maßgabe des Möglichen überwiesen sind; nur mit dieser Einschränkung darf er die Befriedigung kürzen oder verweigern (BVerfGE 15, 142 ff.).
155Dies rechtfertigt sich, wie bereits angesprochen, daraus, dass das Reich sich in der Lage des Staatsbankrotts befand; es war nicht nur vorübergehend zahlungsunfähig, sondern konkursreif (BVerfGE a.a.O.). Da das allgemeine Konkursrecht für einen Staatsbankrott weder gedacht noch geeignet ist, mussten spezielle gesetzliche Maßnahmen getroffen werden. Dabei bezweckt Art. 134 Abs. 4, 135 a GG nicht (allein) die Bereinigung der Konkurslage des Reiches "um ihrer selbst willen, sondern wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für eine geordnete künftige Finanzwirtschaft in Bund und Ländern, die sonst größten Unsicherheiten und Risiken ausgesetzt gewesen wäre" (BVerfGE, a.a.O., S. 136). Im Vordergrund stand nicht die Abrechnung über die Vergangenheit, sondern die Schaffung einer Grundlage für die Zukunft.
156Es ist auf dieser Grundlage nicht ersichtlich, dass das Bundesentschädigungsgesetz, soweit es nach allgemeinem Recht gegebene Ansprüche kürzt oder sogar ganz ausschließt, gegen das Grundgesetz verstößt. Das Bundesverfassungsgericht hat für die Kriegsfolgenregelung bereits mehrmals entschieden, dass durch sie weder die Eigentumsgarantie noch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden sei (vgl. vor allem BVerfGE a.a.O.; 19, 150; 23, 153; 24, 203; 27, 153; 41, 126; 79, 240; 94, 375). Art. 14 GG gebietet nicht, bestimmte Gruppen von Reichsverbindlichkeiten zu erfüllen. Der einzelne kann sich wegen der Nichtberücksichtigung einer ihm zustehenden Forderung nicht auf den allgemeinen Gleichheitssatz berufen (BVerfGE 24, 215 unter Hinweis auf BVerfGE 15, 110 und 32, 166).
1573) Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung ergibt sich für den Streitfall folgendes:
158a) Die Kläger zu 1) bis 18) sind entweder nach § 160 BEG oder Art. V Ziff. 1 Abs. 4 lit. b) des BEG-SchlG (wie sich aus den mit Schriftsatz vom 25.03.1998 überreichten Unterlagen, die allerdings nur in fragmentarischer Form vorliegen, ergibt) entschädigungsberechtigt. Dies hat der mit Entschädigungsfragen befasste Vertreter der Beklagten auf Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Sie haben auch sämtlich auf unterschiedlicher Grundlage und in unterschiedlicher Höhe Entschädigungsleistungen erhalten.
159Anspruch auf Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz für geleistete Zwangsarbeit besteht nicht. Aus § 43 Abs. 3 BEG kann dies nicht entnommen werden. Aus dieser Regelung ergibt sich lediglich, dass Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen der Freiheitsentziehung gleichgesetzt wird. Dahinter stand der Gedanke, alle entschädigungswürdigen Formen aufgrund nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen zu erfassen (Klee, Die Entschädigung wegen Schadens an Freiheit, in: Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV S. 448).
160Der Regelung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass mit ihr, wie das Landgericht angenommen hat, Vergütungsansprüche wegen geleisteter Zwangsarbeit mit abgegolten sein sollten. Es kann auch nicht angenommen werden, dass die von den Klägern geleitete Zwangsarbeit unter die Regelung des § 65 BEG - Schädigung in der Nutzung der Arbeitskraft - fällt. Denn dieser Schaden trat bei Verfolgten, die sich in einem Konzentrationslager befanden, unabhängig davon ein, ob sie Zwangsarbeit leisteten oder nicht.
161Vielmehr hat der Gesetzgeber, wie oben bereits ausgeführt, bewusst davon abgesehen, für die durch geleistete Zwangsarbeit eingetretenen materiellen Schäden einen Ausgleich zu gewähren. Wie sich aus den im Zweiten Abschnitt aufgeführten Schadenstatbeständen ergibt - Schaden an Leben (§§ 15 ff.), Schaden an Körper oder Gesundheit (§§ 28 ff.), Schaden an Freiheit (§§ 43 ff.), Schaden an Eigentum (§§ 51 ff.), Schaden an Vermögen (§§ 56 ff.), Schaden durch Zahlung von Sonderabgaben, Geldstrafen, Bußen und Kosten (§§ 59 ff.), Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen (§§ 64 ff.) -, sollten nur bestimmte Folgen der Verfolgung entschädigt werden. Dafür, dass der Gesetzgeber angesichts der zuletzt etwa drei bis fünf Millionen umfassenden Zahl von Zwangsarbeitern den weiteren Entschädigungstatbestand "Zwangsarbeit" übersehen hat, gibt es keinen Anhaltspunkt.
162Auch die vorangegangenen Gesetzeskodifikationen und völkerrechtlichen Verträge, die sich zum Verfolgungsunrecht verhielten, sahen für Zwangsarbeit keine Regelung vor. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang "Das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" (US-EG) vom 26.04.1949, das "Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel" (sog. Israel-Vertrag) vom 10.09.1952 (BGBl. 1953 II S. 35 ff.), der Überleitungsvertrag vom 26.05.1952 i.d.F. vom 23.10.1954 (BGBl. 1955 II S. 405) und das Bundesergänzungsgesetz zur Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts (BErgG) vom 18.09.1953 (BGBl. I S. 1387).
163Wenn sich aber der Gesetzgeber die Erweiterung des Kreises der Entschädigungsberechtigten hätte vorbehalten oder die Entschädigungsleistungen dem allgemeinen Haftungsrecht hätte unterwerfen wollen, so hätte nichts näher gelegen, als diese - ähnlich wie es in § 8 Abs. 2 BEG für andere Anspruchsgegner geschehen ist - entsprechend zu regeln. Da die Entschädigungsverpflichtung an den Begriff des Verfolgten und nicht an den Schadenstatbestand anknüpft, hätte der Kreis der Schadenstatbestände entsprechend erweitert werden müssen. Gerade auch der Umstand, dass der Gesetzgeber die Entschädigungsberechtigung mit dem Begriff des Verfolgten verbindet, zeigt, dass er eine abschließende Regelung hinsichtlich aller nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen hat treffen wollen. Ihm ist durch völkerrechtliche Verträge und von Verfassungs wegen auferlegt worden, im Rahmen des Möglichen Wiedergutmachung zu leisten. Die Möglichkeiten waren einerseits bestimmt von der auf achthundert Milliarden Reichsmark geschätzten Schuldenlast und der Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit andererseits. Dies ließ eine Gesamtbereinigung nicht zu, so dass hinsichtlich des Entschädigungsumfangs sachliche und personale Einschnitte vorgenommen werden mussten. Hierunter fiel die Zwangsarbeit. Wäre den geschädigten Opfern die Möglichkeit eröffnet, für die durch das Bundesentschädigungsgesetz nicht abgedeckten Entschädigungsleistungen über das allgemeine Haftungsrecht einen Schadensausgleich zu suchen, so wäre das Ausmaß der zu befriedigenden Reichsverbindlichkeiten unkalkulierbar und damit der Weg aus der Konkurslage heraus (möglicherweise) verhindert worden.
164Zusammenfassend ist deshalb festzustellen:
165Der Ausschluss anderer als wiedergutmachungsrechtlicher Ansprüche gilt auch, soweit ganze Schadenstatbestände oder Personenkreise vom Bundesentschädigungsgesetz nicht erfasst werden: Denn diese notwendige Abgrenzung der Wiedergutmachung wäre sinnlos, wenn sie auf dem Weg über Ansprüche nach allgemeinem Haftungsrecht umgangen werden könnte (Becker/Huber/ Küster, a.a.O., § 9, Rn. 1).
166Soweit die Kläger auf die Verlautbarung der parlamentarischen Staatssekretärin vom 23.07.1996 verweisen, wird darin der von ihnen eingenommene Standpunkt gerade nicht bestätigt. In der Erklärung wird vielmehr die vom Senat geteilte Auffassung vertreten, dass (lediglich) für Zwangsarbeit keine Entschädigung gewährt wird. Dies besagt aber nicht, dass eine Haftung der Beklagten nach allgemeinem Haftungsrecht für möglich gehalten wird. Aus dem Gesamtzusammenhang der Verlautbarung, wonach für Härtefälle eine Stiftungslösung gesucht wird, ergibt sich sogar das Gegenteil. Einer solchen Stiftungslösung bedürfte es nicht, wenn die Beklagte nach Staatshaftungsrecht Ersatz zu leisten hätte.
167b) Die Klägerin zu 20) war und ist deutsche Staatsangehörige jüdischer Abstammung und ist damit als Verfolgte entschädigungsberechtigt nach § 1 BEG. Der Umfang der Anspruchsberechtigung beurteilt sich insoweit nicht anders.
168Die Kammer hat in diesem Zusammenhang den Anspruchsausschluss auch auf § 1 Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG) gestützt. Insoweit gilt jedoch folgendes: Nach § 1 Abs. 2 AKG bleiben Gesetze der Bundesrepublik Deutschland ... unberührt, in denen Ansprüche dieser Art geregelt sind oder wegen bisher bestehender Ansprüche dieser Art Leistungen gewährt werden.
169Danach bleiben aber auch die Negativregelungen der anderen Entschädigungsgesetze - hier also § 8 Abs. 1 BEG - unberührt (vgl. Féaux de la Croix, Allgemeines Kriegsfolgengesetz, Einführung II 2; Pagenkopf, Kommentar zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz, § 1 Anm. 4). Auch die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 3 AKG bestätigt die Exklusivität des Bundesentschädigungsgesetzes. Danach ist der Komplex von Ansprüchen aus NS-Gewaltmaßnahmen abschließend im Bundesentschädigungsgesetz geregelt, und zwar in positiver und negativer Hinsicht (Féaux de la Croix, a.a.O., § 5, Anm. D).
170Das Allgemeine Kriegsfolgengesetz sollte mithin nur zu Materien gelten, die nicht bereits Gegenstand einer anderen Entschädigungsregelung waren.
171Mit anderen Worten: Ein "w e i t e r e r" Ausschluss der Vorschriften über das allgemeine Haftungsrecht findet nicht statt. Rechtssystematisch wäre dies auch verfehlt.
172Angesichts der anspruchsvernichtenden Wirkung des Bundesentschädigungsgesetzes gibt es keine aus nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen ableitbare Reichsverbindlichkeit, die von der Erlöschungsklausel des § 1 AKG erfasst werden könnte (so Féaux de la Croix, a.a.O., § 1, Anm. 16; Pagenkopf, a.a.O., § 1, Anm. 4; Döll, Handkommentar zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz, § 1, Anm. 9; vgl. ferner BT-Drucks. 1659 S. 46 Tz. 30). § 5 AKG ändert hieran nichts.
173Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 1 kommt es daher nicht an.
174c) Die Klägerin zu 19) war polnische Staatsangehörige und ist seit 1968 israelische Staatsangehörige. Sie fällt danach unter die Wohnsitzregelung des § 4 BEG, weil sie bis zum 31.12.1965 (vgl. Art. V 1 Abs. 4 lit. b) BEG-SchlG) noch keinen Wohnsitz in Israel genommen hatte. Sie wird deshalb in Anwendung des subjektiv-personalen Territorialitätsprinzips vom Ausschluss des § 8 Abs. 1 BEG erfasst und erhält deshalb nur Entschädigungsleistungen durch die C. Conference nach dem Haager Protokoll Nr. 1 und 2 (BGBl. II S. 35, 85).
175Die Klägerin zu 19) erfüllt also als jüdische Verfolgte polnischer Staatsangehörigkeit, die in ihrem eigenen Land während der deutschen Besetzung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt wurde, die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nicht. Ehemalige polnische Staatsangehörige können nur dann, wenn sie in einem DP-Lager waren, nach § 4 BEG, als Staatenlose oder als Flüchtlinge nach § 150 ff. BEG, und als Nationalverfolgte nach Art. VI des Änderungsgesetzes Ansprüche geltend machen.
176Diese Nichteinbeziehung bestimmter Verfolgter in den Kreis der Berechtigten bedeutet eine Schlechterstellung einzelner Verfolgter, also eine Ungleichbehandlung, die mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz einer besonderen Rechtfertigung bedurfte. Die maßgebenden Gesichtspunkte waren hierbei, um dies noch einmal herauszustellen, folgende: Die Entschädigungsgesetzgebung gehörte, finanzpolitisch gesehen, in den Rahmen der Gesamtliquidation des nationalsozialistischen Regimes und der von ihm verursachten Schäden. Das Ausmaß dieser Schäden und die finanzielle Situation der Bundesrepublik Deutschland, deren Gebiet sich nur auf einen Teil des ehemaligen Deutschen Reiches erstreckt, und die deshalb auch nur über einen Teil der Finanzkraft des ehemaligen Deutschen Reiches verfügt, machte eine Schadloshaltung aller durch das nationalsozialistische Regime Geschädigter unmöglich. Weder konnte ein voller Schadensersatz noch konnte allen Geschädigten ein Schadensausgleich gewährt werden, vielmehr waren Beschränkungen nötig. Wo und wie diese vorzunehmen waren, stand weitgehend im freien Gestaltungsermessen des Gesetzgebers (so ausdrücklich: Gießler, a.a.O., S. 52/53 unter Hinweis auf BVerfG NJW 1970, 799 und RzW 1975, 24 Nr. 22).
177Bei Erlass der Entschädigungsgesetze unterschied der Gesetzgeber hauptsächlich zwischen in der Bundesrepublik Deutschland und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebenden Verfolgten. Eine unmittelbare Wiedergutmachungspflicht erkannte er grundsätzlich nur gegenüber den eigenen Staatsbürgern und solchen Verfolgten an, die eigenen Staatsbürgern gleich zu achten waren. Das waren Verfolgte, die in der Bundesrepublik Deutschland lebten oder im ehemaligen Reichsgebiet als dem Gebiet des Rechtsvorgängers der Bundesrepublik Deutschland gelebt hatten. Dagegen bestand keine Veranlassung, den in der Deutschen Demokratischen Republik lebenden Verfolgten, deren Wiedergutmachung dieser oblag, Entschädigung zu gewähren. Dasselbe galt grundsätzlich für andere Verfolgte ausländischer Staatsangehörigkeit, die während des Krieges in ihren Heimatländern verfolgt worden waren und dort noch lebten. Denn sie konnten sich wegen ihrer Schäden an ihren eigenen Staat als ihren Schutzstaat wenden. Dieser konnte seinerseits im Wege der völkerrechtlichen Reparation den deutschen Staat auf Regress in Anspruch nehmen. Von dieser Möglichkeit haben ausländische Staaten, wie oben bereits dargelegt, auch Gebrauch gemacht (Gießler, a.a.O., S. 53).
178Das persönliche Territorialitätsprinzip, das diesen Gesichtspunkten Rechnung trug, beruhte demnach auf sachbezogenen Erwägungen (so wohl auch BVerfG RzW 1975, 24 Nr. 22). Es grenzte die innerdeutsche Entschädigung der Bundesrepublik Deutschland von derjenigen der Deutschen Demokratischen Republik ab, ferner die eigentlichen Entschädigungstatbestände von Tatbeständen reparationsrechtlicher Art. Lediglich Verfolgte, die Vertriebene, Staatenlose oder Flüchtlinge waren, wären bei strenger Durchführung des Territorialitätsprinzips leer ausgegangen. Diesen Verfolgten gegenüber übernahm deshalb die Bundesrepublik Deutschland eine individuelle Entschädigungspflicht, indem sie sie als besondere Verfolgtengruppe in den Kreis der Berechtigten einbezog.
179Ferner ist es, wie oben bereits dargelegt, auf Druck westlicher Länder zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge gekommen, mit denen nach § 1 BEG Verfolgte - über diese Länder - entschädigt wurden. Solche Globalabkommen sind geschlossen worden mit:
180Luxemburg am 11.07.1959 über 18 Millionen DM,
181Norwegen am 07.08.1959 über 60 Millionen DM,
182Dänemark am 24.08.1959 über 16 Millionen DM,
183Griechenland am 18.03.1960 über 115 Millionen DM,
184Niederlande am 08.04.1960 über 125 Millionen DM,
185Frankreich am 15.07.1960 über 400 Millionen DM,
186Belgien am 28.09.1960 über 80 Millionen DM,
187Italien am 02.07.1961 über 40 Millionen DM,
188Schweiz am 29.06.1961 über 10 Millionen DM,
189Österreich am 27.11.1961 über 101 Millionen DM,
190Großbritannien am 09.06.1964 über 11 Millionen DM und
191Schweden am 03.08.1964 über 1 Million DM.
192Außer diesen auf zwischenstaatlichen Verträgen beruhenden Zahlungen hat die Bundesregierung bestimmte Fonds mit besonderer Zweckbestimmung errichtet oder sonstige durch das Bundesentschädigungsgesetz nicht berücksichtigte Geschädigte durch Entschädigungsleistungen bedacht. So wurden aufgrund der Vereinbarung vom 08.09.1952 mit der C. Conference an diese Organisation 450 Millionen DM "für die Unterstützung, Eingliederung und Ansiedlung jüdischer Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung außerhalb Israels" gezahlt.
193Als nach dem Ungarn-Aufstand im Bereich der Ostblockstaaten lebende Verfolgte in den Westen strömten, wurde auch diese Verfolgtengruppe mit dem BEG-SchlG erfasst und entschädigt.
194Auch an diesen Regelungen wird deutlich, dass das Bundesentschädigungsgesetz gegenüber allen Verfolgten eine abschließende Regelung darstellen sollte. Denn sonst hätte es dieser Ausweitung auf andere Verfolgtengruppen durch gesetzliche Maßnahmen bzw. durch Abschluss völkerrechtlicher Verträge nicht bedurft.
195d) § 238 BEG, auf den sich die Kläger zur Stützung ihres Standpunktes berufen, gibt für eine Widerlegung der Ausschlusswirkung nichts her. Es handelt sich schlicht um einen Wiedervereinigungsvorbehalt. Gemeint sind nicht die Verfolgten aus den Verfolgungsgebieten, sondern diejenigen Personen, die örtliche Beziehungen zum Gebiet der ehemaligen DDR haben. Im Zuge der deutschen Einigung hat der Gesetzgeber durch Überleitung des Bundesentschädigungsgesetzes und Verabschiedung des Entschädigungsrentengesetzes (ERG) vom 22.04.1992 (BGBl. I S. 906) den in § 238 BEG enthaltenen Vorbehalt erfüllt.
196Aus Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden (Londoner Schuldenabkommen) vom 27.02.1953 (BGBl. II 333) kann nicht gefolgert werden, dass Entschädigungsansprüche nach allgemeinem Haftungsrecht bestehen. Wie der Wortlaut:
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198"Eine Prüfung der aus dem zweiten Weltkrieg herrührenden Forderung ... wird ... zurückgestellt."
199zeigt, wird im Abkommen nicht vorausgesetzt, dass ein solcher Anspruch besteht. Schon gar nicht sollte ein solcher Anspruch begründet werden.
200Aus dem Zwei-plus-Vier-Vertrag kann deshalb auch nicht hergeleitet werden, dass mit seinem Abschluss Entschädigungsansprüche von Opfern nationalsozialistischer Verfolgung wieder aufleben.
201e) Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich auch folgende Erwägung: Der Leistungsumfang nach dem Entschädigungsrecht ist sehr viel geringer als derjenige nach allgemeinem Haftungsrecht. So billigt das Entschädigungsrecht, um nur ein Beispiel zu nennen, dem Verfolgten kein Schmerzensgeld zu. Für den geringeren Leistungsumfang war u.a. die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik in den Jahren nach dem Kriege maßgebend. Es widerspräche aber den Intentionen des Gesetzgebers, wenn gerade die Verfolgtengruppe, die aus Gründen der nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit von Entschädigungsleistungen ausgenommen sein sollte, über das Amtshaftungsrecht letztlich doch anspruchsberechtigt wäre und sogar noch günstiger dastünde als die Verfolgten, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz Entschädigungsleistungen erhalten.
202II.
203Den Opfern der nationalsozialistischen Verfolgung steht danach aufgrund der b e s t e h e n d e n Gesetze ein Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch gegen die Bundesrepublik für die von ihnen geleistete Zwangsarbeit nicht zu. Hieran ist der Senat, der allein nach Recht und Gesetz zu entscheiden hat, gebunden. Es steht allein im Ermessen der gesetzgebenden Organe, zu Gunsten der Opfer eine hiervon abweichende Entschädigungsregelung zu treffen.
204III.
205Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
206Streitwert des Berufungsverfahrens und Wert der Beschwer:
2071.071.000,00 DM