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T a t b e s t a n d :
2Die bundesweit tätige Klägerin ist eine Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit mit Sitz in G.. Die Beklagte ist eine 1992 von der S. AG, G., gegründete Lebensversicherung. Zusammen mit der S. AG und anderen Unternehmen vor allem aus dem Segment Finanzdienstleistung bildet sie die "G. Gruppe".
3Unter dem 18. Oktober 1996 versandte die Beklagte die als Anlage K 1 (Bl. 19 f d.A.) zur Klageschrift eingereichte und im Tenor dieses Urteils in Ablichtung wiedergegebene Werbemappe nach Köln, in der die Rentenversicherung "SECHZIG PLUS5" mit den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Aussagen beworben wird.
4Die Klägerin hält diese Werbung für irreführend und damit für wettbewerbswidrig. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagte versuche mit dieser Werbung ihre Kunden dadurch zu gewinnen, daß sie diesen vorgaukele, die bei ihr abschließenden Versicherungsnehmer würden - anders als bei den anderen Versicherungen - "an den stillen Reserven" beteiligt, wobei die Beklagte diese Beteiligung sogar garantiere. Der unbefangene Empfänger der Werbung der Beklagten erwarte daher aufgrund der beanstandeten Aussagen eine Beteiligung an den durch regulären Wertzuwachs der Kapitalanlagen gebildeten stillen Reserven. Daß die Beklagte ihre Versicherungsnehmer in Wahrheit nicht an diesen stillen Reserven beteilige, sondern sich ausweislich § 17 ihrer "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" (Anlagen K 2, Bl. 29 d.A., und B 1, Bl. 54 f. d.A.) lediglich verpflichte, Wertanpassungen gemäß § 280 Abs. 1 HGB vorzunehmen, werde jedenfalls ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise nicht annehmen.
5Die Klägerin hat beantragt,
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7die Beklagte zu verurteilen, es bei Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
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9im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit den nachfolgenden Aussagen
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11- Stempelabdruck:
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15GARANTIERTE BETEILIGUNG
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19AN DEN STILLEN RESERVEN
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21und/oder
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23- Sie werden garantiert an den mit Ihren Beiträgen erwirtschafteten stillen Reserven beteiligt.
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25und/oder
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27- DER ENTSCHEIDENDE "MEHRWERT": BETEILIGUNG AN DEN STILLEN RESERVEN!
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29und/oder
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31- Sie bekommen nicht nur die erwirtschafteten Überschüsse ausgezahlt, sondern werden auch an den stillen Reserven beteiligt. Dies garantieren wir Ihnen in den Versicherungsbedingungen.
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33und/oder
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35- Insbesondere die garantierte Beteiligung an den stillen Reserven bedeutet einen echten "Mehrwert" für Sie.
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37und/oder
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39- Rente + Überschuß: Plus garantierte Beteiligung an den stillen Reserven.
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41die Angabe zu machen, daß die Versicherungsnehmer der Rentenversicherung SECHZIG plus5 garantiert an den stillen Reserven beteiligt werden, wie nachfolgend wiedergegeben:
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44Die Beklagte hat beantragt,
45die Klage abzuweisen.
46Sie hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln nicht für gegeben erachtet. Zur Sache hat sie die Ansicht vertreten, von einer Irreführung durch die beanstandete Werbung könne keine Rede sein, weil sie - die Beklagte - ihre Versicherungsnehmer an den stillen Reserven beteilige, soweit dies rechtlich zulässig sei. Im übrigen würden die Versicherungsnehmer über den Umfang der Beteiligung an den stillen Reserven in den "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" (Anlage B 1) sowie in den "Allgemeinen Vertragshinweisen" (Anlage B 2) aufgeklärt.
47Mit Urteil vom 11. März 1997 hat das Landgericht seine örtliche Zuständigkeit gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 UWG bejaht und der Klage gemäß § 3 UWG antragsgemäß stattgegeben. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, die mit der Klage angegriffenen Werbeaussagen der Beklagten seien grob irreführend und damit unzulässig, denn sie seien in der konkreten Form geeignet, jedenfalls bei einem nicht unbeachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Eindruck zu erwecken, als garantiere die Beklagte eine Beteiligung an allen stillen Reserven, insbesondere auch an den durch regulären Wertzuwachs der Kapitalanlagen gebildeten stillen Reserven. Die Beklagte habe aber in ihrer Klageerwiderung selbst ausgeführt, daß eine derartige Beteiligung nicht erfolge. Die Aufklärung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und in den Allgemeinen Vertragshinweisen könne die Gefahr der Irreführung nicht ausräumen. Zum einen seien diese der beanstandeten Werbemappe unstreitig nicht beigefügt gewesen. Zum anderen werde die garantierte Beteiligung an den stillen Reserven in der beanstandeten Werbung blickfangmäßig beworben, so daß eine spätere Richtigstellung nicht ausreiche. Hinzu komme, daß der weitaus überwiegende Teil der Verbraucher die Aufklärung in den "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" und den "Allgemeinen Vertragshinweisen" nicht verstehen werde.
48Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
49Gegen dieses ihr am 21. März 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. April 1997 Berufung eingelegt und diese rechtzeitig am 17. Juli 1997 - nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - begründet.
50Die Beklagte wiederholt und vertieft mit ihrer Berufung ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie macht geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts könne von einer Irreführung des Verkehrs im Sinne von § 3 UWG durch die beanstandete Werbebroschüre keine Rede sein, denn diese Werbung vermittle keinen unrichtigen Eindruck. Viele flüchtige Leser hätten nur eine unscharfe Vorstellung vom Begriff der "stillen Reserven". Diese Leser erwarteten mit dem Hinweis auf eine "Mehr-Beteiligung an den stillen Reserven" eine Bilanzpolitik, die zu einer anlegerfreundlichen Gewinnausweisung führe. Ein Leser, der der angegriffenen Werbung diesen Erklärungsinhalt beimesse, werden jedoch nicht getäuscht, denn der Verzicht auf das Wahlrecht des § 280 Abs. 2 HGB sei in der Versicherungsbranche nur selten festzustellen. Durch die von ihr - der Beklagten - vorgenommenen Zuschreibungen würden damit im Vergleich zu anderen Versicherungsunternehmen aufgrund einer anderen Bilanzpolitik höhere Gewinne zugunsten der Anleger ausgewiesen.
51Von einer Irreführung durch die beanstandete Werbung könne aber auch schon deshalb keine Rede sein, weil dort nur eine "Beteiligung" an den stillen Reserven versprochen werde bzw. eine "Mehr-Beteiligung". Dies bedeute jedoch, daß ein bestimmter Anteil an den stillen Reserven weitergegeben werde, nicht aber, daß, wie es das erstinstanzliche Urteil ausgeführt habe, eine Beteiligung an sämtlichen stillen Reserven erfolge. Jedem Leser, sofern er überhaupt konkretere Vorstellungen zum Begriff der "stille Reserven" entwickle, sei im übrigen einsichtig, daß die Beteiligung selbstverständlich nur im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorschriften erfolgen könne. Damit gehe es von vornherein nur um die stillen Reserven im Sinne der sogenannten "Ermessensreserven", d. h. um die zusätzliche Differenz zwischen den nach dem Gesetz vorgesehenen "normalen" Buchwerten und den durch den Gesetzgeber zugelassenen Unterbewertungsentscheidungen des Kaufmanns. Zu diesen "Ermessensreserven" aufgrund handelsrechtlicher Bewertungswahlrechte enthalte aber der von der Klägerin angegriffene Werbeprospekt keine täuschenden Angaben. Aufgrund des Verzichts auf das Wahlrecht nach § 280 Abs. 2 HGB und die hierdurch erfolgten Zuschreibungen wiesen die Bilanzen der Beklagten vergleichsweise höhere Gewinne aus als die Bilanzen konkurrierender Versicherungsunternehmen, die aufgrund einer anderen Bilanzpolitik erstellt würden.
52Schließlich gehe das Landgericht nicht darauf ein, daß entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil "Kofferschaden" (GRUR 1983/654) bei der Prüfung des Erklärungsinhalts einer Werbeaussage auch die dort in bezug genommenen Versicherungsbedingungen oder Vertragsbedingungen zu berücksichtigen seien. In ihren - der Beklagten - Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Allgemeinen Vertragshinweisen werde aber ausreichend erläutert, welche stillen Reserven in dem beanstandeten Werbeprospekt gemeint seien. Aufgrund von § 5 a VVG sei zudem sichergestellt, daß der Versicherungsnehmer vor Zustandekommen des Versicherungsvertrages Kenntnis von den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den Verbraucherinformationen erhalte.
53Die Beklagte beantragt,
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55unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Köln vom 11. März 1997 - 31 O 762/96 - die Klage abzuweisen,
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57hilfsweise, ihr - der Beklagten - nachzulassen, eine Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbringen zu können.
58Die Klägerin beantragt,
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60die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 11. März 1997 (AZ - 31 O 762/96 -) mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß der vollständige Werbeprospekt der Beklagten, wie aus Blatt 20 - 28 d.A. ersichtlich, als konkrete Form in den Unterlassungsantrag aufgenommen wird.
61Auch die Klägerin wiederholt und ergänzt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Ansicht, die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz seien nicht geeignet, zu einer von der des Landgerichts abweichenden Beurteilung der angegriffenen Werbeaussagen zu führen. Dies gelte auch für die von der Beklagten angeführten "Erläuterungen" in den "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" und in den "Allgemeinen Vertragshinweisen". Zum einen seien diese Unterlagen der streitgegenständlichen Werbung der Beklagten nicht beigefügt gewesen. Die Beklagte habe zudem - anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 1993 (GRUR 1983/654) zugrunde liegenden Fall - in ihren Werbeunterlagen auf die "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" nicht im Hinblick auf den Leistungsumfang verwiesen, sondern lediglich erklärt, an welcher Stelle der Verbraucher die in dem Werbeprospekt enthaltene Garantiezusage schriftlich fixiert wiederfinde. Hinzu komme, daß, wie bereits vom Landgericht zutreffend ausgeführt, der weitaus überwiegende Teil der Verbraucher durch § 17 der "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" nicht aufgeklärt werde, denn er werde dieser Regelung nicht den Inhalt beimessen, den die Beklagte aus ihm abzuleiten suche. Ohne Erfolg wende die Beklagte auch gegenüber den Feststellungen des Landgerichts ein, sie sei nach § 5 a VVG gehalten, dem Versicherungsnehmer vor Zustandekommen des Versicherungsvertrags die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation im Sinne von § 10 a VAG zu überlassen. Eine Verpflichtung des Versicherers zur Überlassung entweder der Versicherungsbedingungen oder der Verbraucherinformation oder gar kummulativ beider Unterlagen lasse sich § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG nicht entnehmen. Die Beklagte sei daher gerade nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungshinweise auszuhändigen, und könne sich deshalb zur Begründung der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit ihrer Werbemaßnahme nicht auf deren Inhalt berufen.
62Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf deren zweitinstanzlichen Schriftsätze bezug genommen.
63E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
64Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
65Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte gemäß § 3 UWG zur Unterlassung der von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen verurteilt. Diese Aussagen sind in der konkreten Form des im Urteilstenor wiedergegebenen Prospekts der Beklagten geeignet, die damit umworbenen Interessenten in relevanter Weise irre zu führen, wie die Mitglieder des Senats als Teil der von der Werbung der Beklagten angesprochenen Verkehrskreise aus eigener Sachkunde und Erfahrung beurteilen können. Das vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsgebot war lediglich im Hinblick auf den von der Klägerin im Berufungstermin geänderten Klageantrag neu zu fassen. Eine Veränderung oder gar Einengung des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin ist damit nicht verbunden, denn die Änderung des Klageantrags beschränkt sich darauf, daß nunmehr die vollständige Werbebroschüre der Beklagten zur Konkretisierung der mit der Klage beanstandeten Wettbewerbshandlung in den Klageantrag aufgenommen worden ist.
66Sämtliche von der Klägerin angegriffenen Werbeaussagen der Beklagten versprechen dem Interessenten bei einem Abschluß der Versicherung "SECHZIG PLUS5" die Beteiligung an "den stillen Reserven". Dies wird sogar von der Beklagten garantiert, wie zum Beispiel in der Ankündigung des mehrfach in dem Prospekt zu findenden, blickfangartig herausgestellten Stempels "GARANTIERTE BETEILIGUNG AN DEN STILLEN RESERVEN". Da jedoch die Beklagte von "den stillen Reserven" spricht, ohne in ihrer Werbebroschüre diesen Begriff näher zu erläutern, und die Beklagte auch in anderer Weise ihre Anpreisung nicht einschränkt, wird nicht nur ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verbraucher die Werbung der Beklagten dahin verstehen, daß sie bei einem Abschluß des in Rede stehenden Versicherungsvertrags an sämtlichen stillen Reserven der Beklagten - garantiert - beteiligt werden. In dieser Erwartung werden aber die Verbraucher getäuscht, denn die Beklagte beteiligt ihre Versicherungsnehmer unstreitig keineswegs an allen stillen Reserven. Vielmehr beschränkt sich die tatsächliche Leistung der Beklagten auf den Verzicht des ihr in § 280 Abs. 2 HGB eingeräumten Wahlrechts, bei außerplanmäßigen Abschreibungen auf das Anlagevermögen sowie bei sämtlichen Abschreibungen beim Umlaufvermögen von der Auflösung (= "Zuschreibung" im Sinne des § 280 HGB) der einmal gebildeten Abschreibungen unter den in § 280 Abs. 2 HGB genannten Voraussetzungen in Ausnahme vom Wertaufholungsgebot des § 280 Abs. 1 HGB abzusehen, wenn die ursprünglich für die Abschreibung relevanten Gründe wieder weggefallen sind. Damit umfaßt die von der Beklagten tatsächlich gewährleistete Beteiligung ihrer Versicherungsnehmer an den stillen Reserven entgegen ihrer Auslobung nicht sämtliche stillen Reserven, nämlich insbesondere nicht diejenigen stillen Reserven, die durch den regulären Wertzuwachs ihrer Kapitalanlagen gebildet werden. Auch wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, daß ohne den - unstreitig bei Versicherungsunternehmen nicht üblichen - Verzicht auf das Wahlrecht des § 280 Abs. 2 HGB die Gewinne und folglich die Beteiligung der Versicherungsnehmer dauerhaft niedriger ausfallen, erfüllt somit die von der Beklagten angebotene Versicherung trotz dieser Vorteile nicht die Erwartungen, die mit der beanstandeten Werbung bei den Interessenten geweckt werden, um das Produkt der Beklagten attraktiv zu machen und gegenüber den Konkurrenzprodukten als etwas Besonderes und Neues herauszustellen.
67Ohne Erfolg macht die Beklagte gegenüber dieser Beurteilung ihrer Werbeaussagen geltend, sie verspreche in ihrem Prospekt nur eine "Beteiligung" an den stillen Reserven bzw. eine "Mehr-Beteiligung" und stelle auf diese Weise klar, daß an den Versicherungsnehmer nur ein bestimmter Anteil an den stillen Reserven weitergegeben werde. Der Begriff "Beteiligung" kann zwar auch die von der Beklagten angeführte Bedeutung umfassen. Geht es aber wie im Streitfall, um Vermögenswerte, die dem einzelnen Versicherungsnehmer nur zusammen mit allen anderen Versicherungsnehmern der Beklagten zustehen, so daß der einzelne Versicherungsnehmer ohnehin lediglich einen Teil dieser Werte erhalten kann, und wird nichts darüber gesagt, daß nur bestimmte Teile dieser Werte den (allen) Versicherungsnehmern zur Verfügung stehen sollen, liegt es nicht nur nach dem spontanen Verständnis nahe, den Hinweis auf die "Beteiligung an den stillen Reserven" in dem oben dargelegten Sinne zu verstehen, also als Beteiligung der Versicherungsnehmer an sämtlichen bei der Beklagten angesammelten stillen Reserven.
68Die Beklagte vermag ebenfalls nicht mit ihrem Einwand zu überzeugen, von einer Irreführung im Sinne von § 3 UWG könne bei der beanstandeten Werbung keine Rede sein, weil die meisten Verbraucher keine feste oder allenfalls nur eine ungenaue Vorstellung vom Begriff der "stillen Reserven" hätten, zudem jeden Verbraucher, sofern er überhaupt konkretere Vorstellungen zu diesem Begriff entwickele, einsichtig sei, daß die Beteiligung an den stillen Reserven nur im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorschriften erfolgen könne, somit keine Beteiligung an nicht aufgedeckten und unsicheren Reserven entgegen den handelsrechtlichen Regelungen in Betracht komme. Es ist zwar richtig, daß es sich bei dem Begriff der "stillen Reserven" um einen mehrdeutigen Begriff handelt, dessen genaue Definition und Abgrenzung selbst in den Fachkreisen umstritten ist. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Verbraucher keine konkreten Vorstellungen von diesem Begriff haben und deshalb mit der beanstandeten Werbung allenfalls die von der Beklagten angeführte Erwartung einer Beteiligung an den stillen Reserven, soweit dies rechtlich möglich und zulässig sei, verbinden.
69Der Senat ist davon überzeugt, daß jedenfalls ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher, selbst wenn diese nicht gewerblich tätig sind, bei dem Begriff der "stillen Reserven" an die regulären Wertzuwächse von Kapitalanlagen, wie z.B. der Immobilien, gegenüber deren "Buchwert" denken, die auch nach dem Vortrag der Beklagten den Hauptfall der stillen Reserven bilden. In diese Richtung zielt ersichtlich ebenfalls der Hinweis in dem Werbeprospekt der Beklagten: "Sie werden garantiert an den mit Ihren Beiträgen erwirtschafteten stillen Reserven beteiligt.", der zusätzlich geeignet ist, die Vorstellung des Verkehrs von den im Werbeprospekt angesprochenen stillen Reserven als den regulären Wertzuwächsen bei den - mit ihren Beiträgen geschaffenen - Kapitalanlagen zu fördern. Zu berücksichtigen ist außerdem die von der Beklagten selbst in der ersten Instanz angeführte gegenwärtige Diskussion der Öffentlichkeit zur Beteiligung der Versicherungsnehmer an den bei den Versicherungsunternehmen angesammelten stillen Reserven durch die erheblichen Wertzuwächse ihrer Kapitalanlagen, die vor ihrer Realisierung den Versicherungsnehmern nicht zugute kommen. Diese von der Beklagten auch bei der Erörterung der Sache im Berufungstermin bestätigte öffentliche Diskussion und Kritik gegenüber den Versicherungsunternehmen spiegelt sich ebenfalls in dem Bericht mit der Überschrift "Stille Reserven - mehr Transparenz ?"( in der Zeitschrift "Versicherungswirtschaft", Heft 23/1996, Bl. 59 d.A.), wieder, den die Beklagte mit der Klageerwiderung vorgelegt hat. Gerade vor diesem Hintergrund wird daher zumindest ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher die streitgegenständliche Werbung als Antwort der Beklagten auf die angeführte Diskussion und Kritik gegenüber den Versicherungsunternehmen verstehen und folglich - um so mehr - die in dem Prospekt als Neuheit herausgestellte garantierte Beteiligung an den stillen Reserven der Beklagten auf die (regulären) Wertzuwächse bei den Kapitalanlagen der Beklagten beziehen. Auch wenn diese Verbraucher dabei nicht erwarten werden, daß die Beklagte ihnen eine gesetzeswidrige Beteiligung an den stillen Reserven offeriert, verbinden sie somit mit den beanstandeten Werbeaussagen die aufgezeigten konkreten Vorstellungen hinsichtlich des Leistungsangebots der Beklagten. Daß schließlich bei den Verbrauchern solche Vorstellungen geweckt werden und nach der Überzeugung des Senats auch bewußt hervorgerufen werden sollen, bestätigt letztlich - ohne daß es hierauf entscheidend ankommt - auch das beanstandete Werbeverhalten der Beklagten, bei dem die Beteiligung an den nicht näher spezifizierten stillen Reserven in den Mittelpunkt einer mehrseitigen Werbebroschüre gestellt wird. Eine solche Werbeaktion wäre unverständlich, wenn nicht auch aus der Sicht der Beklagten der Verbraucher mit der beworbenen Beteiligung konkrete Vorstellungen verbinden würde, die ihn veranlassen können, sich näher mit dem Produkt der Beklagten zu befassen. Dabei gibt das gesamte Vorbringen der Beklagten deutlich zu erkennen, daß sie selbst dabei ersichtlich nicht von einer Kenntnis des durchschnittlichen Verbrauchers von dem Spezialfall des § 28o Abs. 2 HGB und einer davon beeinflußten Bewertung ihrer Werbung durch den Verbraucher ausgegangen ist.
70Entgegen der Ansicht der Beklagten kann jedoch auch keine Rede davon sein, daß der Verbraucher jedenfalls durch die in dem Werbeprospekt mit dem Hinweis "Dies garantieren wir Ihnen in den Versicherungsbedingungen" in bezug genommenen "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" (Bl. 54 f.) der Beklagten hinreichend über das Ausmaß seiner Beteiligung an den stillen Reserven aufgeklärt wird und es deshalb an einer Irreführung des Verkehrs fehle. Zum einen waren diese Versicherungsbedingungen der Beklagten der streitgegenständlichen Werbebroschüre nicht beigefügt und konnten bereits aus diesem Grund die durch die Werbung hervorgerufene Irreführung und dadurch veranlaßte Anbahnung oder Intensivierung eines geschäftlichen Kontakts des Interessenten zur Beklagten mit der sich daraus ergebenden Relevanz der Irreführung im Sinne von § 3 UWG nicht verhindern. Die Beklagte nimmt zudem mit dem angeführten Hinweis nicht zur näheren Erläuterung der angepriesenen Vorteile auf ihre Versicherungsbedingungen bezug, sondern lediglich zur Bekräftigung dafür, daß das, was in ihrer Werbung ausgelobt worden ist, durch die Versicherungsbedingungen garantiert wird. Selbst bei sorgfältiger Prüfung des beanstandeten Prospektes besteht deshalb für den durchschnittlichen Interessenten keine Notwendigkeit, in den Versicherungsbedingungen der Beklagten nach etwaigen Einschränkungen zu der in der mehrseitigen Werbebroschüre angepriesenen Beteiligung an den stillen Reserven nachzusehen. Die von der Beklagten angeführten Erwägungen des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 9. Juni 1983 "Kofferschaden" (GRUR 1983/654 f.) führen zu keiner anderen Beurteilung, denn diesen Ausführungen des Bundesgerichtshofs ist gerade nicht zu entnehmen, daß bei der Prüfung des Erklärungsinhalts einer Werbeaussage stets die in bezug genommenen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen seien. Im Streitfall kann im übrigen von einer Aufklärung des Verbrauchers durch die "Allgemeinen Bedingungen für die Rentenversicherung" der Beklagten um so weniger die Rede sein, weil die dort in § 17 enthaltene Erläuterung für eine solche Aufklärung ungeeignet ist. § 17 der Versicherungsbedingungen steht unter der Überschrift "Überschüsse" und erst im Fließtext des Absatzes 1 Satz 5 taucht der Begriff der stillen Reserven auf, mit einer wiederum so knappen Erläuterung, daß sie von den meisten Verbrauchern nicht verstanden wird.
71Eine entsprechende Aufklärung des Verkehrs über den tatsächlichen Umfang der von der Beklagten beworbenen Beteiligung an den stillen Reserven erfolgt ebenfalls nicht durch die "Allgemeinen Vertragshinweise" der Beklagten (Bl. 57 f. d. A.). Dies gilt bereits deshalb, weil diese "Allgemeinen Vertragshinweise" der streitgegenständlichen Werbebroschüre weder beigefügt waren noch in dieser Broschüre überhaupt erwähnt, geschweige denn in Bezug genommen werden. Zu dem Zeitpunkt, an dem der Interessent diese Vertragshinweise regelmäßig erhält (z.B. gemäß § 5 a VVG bei Stellung des Versicherungsantrags) hat damit die Werbung der Beklagten mit der darin enthaltenen Irreführung bereits ihre Wirkung entfaltet und eine sich eventuell aus den "Allgemeinen Vertragshinweisen" ergebende Aufklärung des Verbrauchers käme zu spät. Abgesehen davon ist der Senat ebenso wie das Landgericht der Ansicht, daß die in den "Allgemeinen Vertragshinweisen" der Beklagten enthaltenen Angaben nicht ausreichend deutlich und verständlich sind, um den durchschnittlichen Verbraucher über den Umfang der von der Beklagten gebotenen Beteiligung ihrer Versicherungsnehmer an den stillen Reserven aufzuklären.
72Die beanstandeten Werbeaussagen in der konkreten Form des Werbeprospekts der Beklagten sind nach alledem vom Landgericht zu Recht als grob irreführend bewertet worden. Diese Irreführung zumindest eines nicht unbeachtlichen Teils der Verkehrskreise ist auch relevant im Sinne von § 3 UWG. Es liegt auf der Hand und ergibt sich letztlich bereits aus den vorstehenden Erwägungen zur Irreführung, daß die in Rede stehende Werbung der Beklagten für eine neue, besondere Versicherungsleistung auf dem Gebiet der gerade derzeit im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Altersversorgung und ihrer Absicherung geeignet ist, einen nicht unbeachtlichen Teil der Verbraucher zu veranlassen, mit der Beklagten in geschäftlichen Kontakt zu treten und sich mit deren Versicherungsvertrag "SECHZIG PLUS 5" näher zu befassen. Dies gilt auch für diejenigen von der Beklagten in ihrem Berufungsvorbringen angeführten Verbraucher, die vor Abschluß eines Versicherungsvertrags insbesondere für die Altersversorgung und ihre Absicherung genauere Überlegungen anstellen und "üblicherweise" Vergleichsangebote einholen. Die streitgegenständliche Werbung mit der dort herausgestellten Besonderheit und Neuheit der Beteiligung an den stillen Reserven ist so angelegt, daß sie ebenfalls diese potentiellen Versicherungsnehmer, zumal wenn sie auf diesem Gebiet unerfahren sind, veranlassen kann und wird, Produkte anderer Versicherungsunternehmen, die die vermeintlichen Vorteile der Beklagten nicht bieten, von vornherein zu vernachlässigen.
73Der Tatbestand des § 3 UWG ist aber auch im übrigen erfüllt, denn die im Rahmen dieser Vorschrift gebotene Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Beklagten. Diese hat es ohne weiteres in der Hand, den Verbraucher durch entsprechende Hinweise in ihrer Werbung über die tatsächlich von ihr angebotenen Vorteile ihrer Versicherung "SECHZIG PLUS 5" zu informieren und auf diese Weise die aufgezeigte Irreführung des Verkehrs zu verhindern.
74Schließlich kann die Klägerin den sich aus § 3 UWG ergebenden Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend machen. Hierbei kann dahinstehen, ob die Klägerin als durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten unmittelbar Verletzte anzusehen ist. Zumindest ergibt sich die Klagebefugnis und Aktivlegitimation der Klägerin aus § 13 Abs. 2 Ziffer 1 UWG. Unstreitig bietet die Klägerin ebenso wie die Beklagte bundesweit Versicherungsleistungen an, ist also mit gleichen Leistungen auf dem selben Markt wie die Beklagte tätig. Der von der Klägerin verfolgte Verstoß der Beklagten gegen § 3 UWG ist auch im Sinne von § 13 Abs. 2 Ziffer 1 UWG geeignet, den Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Marktsegment wesentlich zu beeinträchtigen. Von einer solchen Beeinträchtigung ist schon wegen der mit der beanstandeten Werbung veranlaßten massiven Irreführung der Verbraucher gerade auf dem Bereich der derzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehenden Altersversorgung und ihrer Absicherung auszugehen.
75Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
76Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der Beklagten im Rechtsstreit.