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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
2Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht für verpflichtet erachtet, der Klägerin Schadensersatz für die Folgen des im Urteilstenor näher bezeichneten Unfall-ereignisses zu leisten. Die Ersatzverpflichtung beschränkt sich jedoch auf 2/3 des materiellen und immateriellen Schadens.
31.
4Soweit das Landgericht gemeint hat, die Beklagte habe nicht mit Nichtwissen bestreiten können, daß die Klägerin auf einem Salatblatt ausgerutscht ist, war dem nicht zu folgen. Anhaltspunkte dafür, daß ein gesetzlicher Vertreter der Beklagten oder einer ihrer Angestellten den Sturz der Klägerin beobachtet oder nach dem Sturz an Ort und Stelle eigene Feststellungen über die Ursache des Sturzes getroffen haben, werden weder von der Klägerin behauptet, noch war dafür sonst etwas ersichtlich. Die Beklagte verfügt damit nicht über eigene Erkenntnisse hinsichtlich des behaupteten Unfallgeschehens, sondern kennt nur die Sachdarstellung der Klägerin. Es ist damit kein Grund ersichtlich, weshalb sie diese Darstellung nicht mit Nichtwissen soll bestreiten können. Der Umstand, daß sie die Schadensmeldung der Klägerin (deren konkreter Inhalt zudem nicht bekannt ist, da sie sich nicht bei den Gerichts-akten befindet) und die darin enthaltene Unfalldarstellung an ihre Haftpflichtversicherung weitergeleitet hat, ist völlig belanglos, da darin weder ein "Anerkenntnis" hinsichtlich des behaupteten Unfallhergangs noch hinsichtlich der Einstandspflicht erblickt werden kann.
5Die Feststellung, daß die Klägerin auf einem Salat- oder Gemüseblatt ausgerutscht ist, kann allerdings nach der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme getroffen werden. Die Zeugin W., die einen glaubwürdigen Eindruck hinter-lassen hat, hat glaubhaft bestätigt, daß sie dort, wo die Klägerin gestürzt ist, entsprechende Blätter hat liegen sehen. Daß sie nicht unmittelbar beobachtet hat, daß die Klägerin auf eines dieser Blätter getreten ist, steht der getroffenen Feststellung nicht entgegen. Wenn sich der Sturz eines Fußgängers in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenstelle ereignet hat, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß diese für den Sturz ursächlich war (OLG München VersR 1974, 269; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 158; OLG Schleswig NJW-RR 1992, 796; zum Anscheinsbeweis für die Kausalität bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht s. auch BGH NJW 1994, 945).
62.
7Wenn bewiesen ist, daß ein Kunde eines Geschäfts auf einem Obst- oder Gemüserest ausgerutscht ist, wird von der Rspr. unmittelbar daraus der Schluß gezogen, der Betreiber des Geschäfts habe objektiv seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, da derartige Gefahrenstellen sich in stark frequentierten Geschäftsräumen nicht befinden dürfen (OLG München VersR a.a.O. u. VersR 1976, 1000; OLG Hamm VersR 1983, 43; OLG Schleswig a.a.O. 797; so wohl auch OLG Köln NJW 1972, 1050 = VersR 1972, 1148).
83.
9Soweit die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz des materiellen Schadens gerichtet sind, finden sie ihre Anspruchsgrundlage in dem Rechtsinstitut der Haftung für Verschulden bei der Vertragsanbahnung. Im Anwendungsbereich dieser Haftungsregeln führt die Feststellung einer objektiven Pflichtwidrigkeit in analoger Anwendung des § 282 BGB zur Umkehr der Beweislast (BGH NJW 1986, 2757; OLG München VersR 1974, 269; OLG Hamm a.a.O.; OLG Stuttgart VersR 1991, 441), d.h. der Geschäftsinhaber muß darlegen und beweisen, daß ihn und seine Angestellten kein Verschulden an dem ordnungswidrigen Zustand trifft.
10Diesen Anforderungen wird er nur dann gerecht, wenn er sowohl ein Organisationsverschulden ausschließt als auch Mängel bei der Ausführung der getroffenen Organisationsanordnungen. Ausreichender Vortrag der Beklagten, der zu dieser Entlastung führen könnte, ist jedoch nicht erfolgt.
11aa) Zu ersterem ist erforderlich, daß der Geschäftsinhaber konkret ausreichende Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen vorträgt (und bei Bestreiten des Geschädigten diese auch beweist).
12Die Beklagte hat dazu vorgetragen, es sei ständige Praxis gewesen, "daß der gesamte Fußboden der Obst- und Gemüseabteilung alle 15 Minuten gründlich gereinigt wurde. Darüberhinaus seien die Mitarbeiter ... ausdrücklich angewiesen, ständig auf den ordnungsgemäßen Zustand des Fußbodens - insbesondere in der Obst- und Gemüseabteilung sowie in der Molkereiabteilung - zu achten und auf den Boden gefallene Gemüsereste unverzüglich zu beseitigen"; die Einhaltung dieser Anleitung sei vom Marktleiter überwacht worden.
13Dieser Vortrag der Beklagten reicht nicht aus, um ein Organisationsverschulden auszuschließen. Zwar werden Reinigungsintervalle von ca. 15 Minuten und bei Bedarf zusätzlich erfolgende Reinigungen von der Rechtsprechung für grundsätzlich ausreichend erachtet (OLG Stuttgart u. OLG Koblenz jeweils a.a.O). Es wird jedoch gefordert, daß der Geschäftsinhaber nicht nur eine allgemeine Anweisung an das gesamte Personal gibt (das noch mit diversen anderen Aufgaben wie kassieren, Leergut wegräumen, Waren ins Regal sortieren, Einkaufswagen ordnen u.ä. betraut ist), es muß (müssen) vielmehr eine (oder mehrere) bestimmte Person(en) mit der Erfüllung der bedeutsamen Verkehrssicherungspflicht betraut bzw. sichergestellt werden, daß einer der Bediensteten für die Reinigung und Kontrolle des Bodenzustands in erster Linie verantwortlich ist (OLG Köln a.a.O.). Derartig konkret hat die Beklagte aber nicht vorgetragen, und zwar auch im Berufungsrechtszug nicht, obwohl die Klägerin bereits erstinstanzlich eine häufige Verschmutzung der Gemüseabteilung behauptet und das Bestehen einer allgemeinen Anordnung bestritten (GA 4), das Landgericht den Vortrag der Beklagten als nicht ausreichend bewertet hat und die Klägerin ihr Vorbringen in der Berufungserwiderung (GA 142) noch vertieft und behauptet, für solche regelmäßigen Überwachungs- und Säuberungsarbeiten fehle es in der fraglichen Filiale an Personal. Die Beklagte hat (entgegen der Ankündigung in ihrer Klageerwiderung) auch nicht einmal die "zuständige Mitarbeiterin der Obst- und Gemüseabteilung" namhaft gemacht.
14bb) Neben dem Bestehen einer allgemeinen und ausreichenden Anordnung betreffend die Reinigung der besonders gefährdeten Abteilungen des Geschäfts müßte die Beklagte desweiteren beweisen, daß diese Anordnung am Unfalltag auch praktiziert worden ist, der Sturz aber trotzdem nicht verhindert werden konnte, etwa weil das Blatt erst nach dem letzten Reinigungsgang kurz vor dem Erscheinen der Klägerin auf den Boden gefallen ist (OLG München VersR 1976, 1000; OLG Hamm a.a.O.; vgl auch OLG Köln -11. ZS- OLGR 1995, 128 = VersR 1995, 356 = NJW-RR 1995, 861). Dieser Beweis ist zur Entlastung erforderlich, da das bloße Bestehen einer generellen Anordnung nutzlos bleibt, wenn sie nicht auch tatsächlich beachtet wird und es deshalb zu gefahrenträchtigen Zuständen kommt. Konkreter Vortrag der Beklagten hierzu fehlt aber völlig. Die Beklagte hat nicht einmal ansatzweise vorgetragen, wann und von wem an dem Unfalltag die erforderlichen Reinigungen und Kontrollen durchgeführt worden sein sollen. Daß ihr das nach dem längeren Zeitablauf im jetzigen Zeitpunkt vielleicht schwer fällt oder nicht mehr möglich ist, kann ihr nicht zugute gehalten werden. Das Personal der Beklagten ist, wie die Zeugin W. bekundet hat, unmittelbar nach dem Unfall der Klägerin benachrichtigt worden. Die Klägerin hat ihre Ersatzansprüche zudem kurzfristig nach dem Unfall angemeldet. Es lag im wohlverstandenen eigenen Interesse der Beklagten, beweissichernd tätig zu werden.
154.
16Soweit die Klägerin immateriellen Schadensersatz begehrt, kommt Verschulden bei Vertragsschluß als Anspruchsgrund nicht in Betracht, sondern nur § 823 I BGB i.V.m. § 847 BGB. Im Rahmen deliktischer Haftung findet zwar keine Beweislastumkehr analog § 282 BGB statt, in der Rspr. ist jedoch anerkannt, daß dann, wenn der objektive Sorgfaltsverstoß und damit die Verletzung der äußeren Sorgfaltspflicht feststeht, dies die Verletzung der inneren Sorgfalt indiziert oder ein Anscheinsbeweis für sie spricht (BGH NJW 1986, 2757, 2758; OLG Schleswig a.a.O. 797; Palandt/Thomas, BGB, 57. Aufl., § 823 RN 61, jeweils m.w.N.).
17Da, wie bereits ausgeführt, der Vortrag der Beklagten zur Organisation der Reinigung und deren Durchführung am Unfalltag nicht den von der Rspr. aufgestellten und oben dargelegten Anforderungen entspricht, ist er nicht geeignet, die gegen die Beklagte sprechende Indizwirkung zu entkräften, noch weniger einen Anscheinsbweis, wenn ein solcher zu bejahen sein sollte.
185.
19Die Beklagte haftet der Klägerin jedoch nicht auf vollen Schadensersatz, vielmehr muß sich die Klägerin ein Mitverschulden (§ 254 BGB) anrechnen lassen, das mit 1/3 zu bewerten ist.
20Es ist allgemein bekannt, daß in Obst- und Gemüseabteilungen von Selbstbedienungsläden immer wieder Blätter oder sonstige Teile der Waren auf den Boden fallen, wenn die Kunden diese aus den Regalen nehmen, soweit erforderlich abwiegen und in ihre (regelmäßig mit einem Gitterboden ausgestatteten) Einkaufswagen legen; zudem können insbesondere von Kartoffeln und sonstigen Erdfrüchten auch Sand, Erdkrümel oder Feuchtigkeit auf den Boden gelangen. Daß dies auch in dem Geschäft der Beklagten bereits früher vorgekommen ist, ist der Klägerin selbst aufgefallen, wie sie bei ihrer Anhörung erklärt hat. Diese Umstände verlangen dem Kunden ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit ab, wenn er sich in den Abteilungen des Ladenlokals aufhält, die diese Gefahren aufweisen können. Er ist gehalten, dem Zustand des Bodens mehr Beachtung zu schenken und sich darüber zu vergewissern, ob er sich in einem sicheren Zustand befindet. Diese Erwägungen führen bei Stürzen von Kunden in Obst- und Gemüseabteilungen von Selbstbedienungs-geschäften im Regelfall dazu, daß ihnen ein Mitverschuldensvor-wurf zu machen ist (vgl. OLG Köln VersR 1972, 1148, 1150 u. NJW-RR 1996, 278, 279; OLG Hamm a.a.O.), zumal herumliegende Blätter oder Gemüsereste auf dem Boden meist eher zu erkennen sind als bloße Unebenheiten im Fußbodenbelag, da sie sich von diesem deutlicher abheben. Umstände, die es rechtfertigen würden, von dieser Beurteilung vorliegend abzuweichen, sind nicht ersichtlich. Es erscheint jedoch nicht gerechtfertigt, hier eine höhere Mithaftungsquote als 1/3 anzunehmen, da die Klägerin nach ihren unwiderlegten Angaben gestürzt ist, während sie den Einkaufswagen vor sich herschob, da hierdurch ihre Sichtmöglichkeit auf den Boden unmittelbar vor sich eingeschränkt war.
216.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
23Beide Parteien sind mit weniger als 60.000 DM beschwert.
24Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird abschließend auf 7.566,13 DM festgesetzt (vgl. Beschluß vom 5.3.1998).