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G r ü n d e:
2Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlich unerlaubten Parkens (§§ 12 Abs. 4 Satz 1, 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO i. V. m. § 24 StVG) zu einer Geldbuße von 30,00 DM verurteilt. Es hat festgestellt:
3"Am 26.06.1996 in der Zeit zwischen 10.41 Uhr und 10.45 Uhr parkte der Betroffene in der O.-Straße in A. den PKW ... in Fahrtrichtung links. Die O.-Straße, in der der Betroffenen auch wohnt, ist durch Verkehrszeichen 325/326 als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Das Befahren der O.-Straße ist in beiden Richtungen erlaubt. Schienen sind nicht verlegt."
4Der Betroffene, auf dessen Angaben dieser Sachverhalt beruht, hat die Auffassung vertreten, in einem verkehrsberuhigten Bereich sei es erlaubt, auf der linken Seite zu parken, weil es sich nicht um eine Straße im eigentlich Sinne handele. Dem ist das Amtsgericht mit folgenden Erwägungen entgegengetreten:
5"Gemäß § 12 Abs. 4 StVO ist zum Parken der rechte Seitenstreifen zu benutzen oder an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Links darf nur dann gehalten und geparkt werden, wenn auf der rechten Seite Schienen liegen oder wenn es sich um eine Einbahnstraße (Zeichen 220) handelt. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die O.-Straße ist weder als Einbahnstraße ausgewiesen noch sind dort Schienen verlegt. Eine Ausnahme vom Gebot des Rechtsparkens auch für verkehrsberuhigte Bereiche ist in der Straßenverkehrsordnung nicht vorgesehen. Der in § 12 Abs. 4 Satz 4 StVO enthaltene Ausnahmekatalog ist abschließend. Er betrifft auch verkehrsberuhigte Bereiche, da es sich hierbei um öffentliche Verkehrsflächen handelt, deren Benutzung in der Straßenverkehrsordnung geregelt ist."
6Gegen dieses Urteil wendet sich der Zulassungsantrag des Betroffenen mit der Sachrüge. Er vertritt weiterhin den Standpunkt, daß im vekehrsberuhigten Bereich das Linksparken zulässig sei.
7Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht begründet worden. Zwar trägt die zunächst zu den Akten gelangte Begründungsschrift entgegen § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i. V. m § 345 Abs. 2 StPO nicht die vollständige Unterschrift des Verteidigers Rechtsanwalt P., sondern lediglich das Kürzel "P.". Die daraufhin vorgenommenen Ermittlungen des Senats haben jedoch ergeben, daß dem Geschäftsstellenbeamten des Amtsgerichts fristgerecht sowohl das vollständig unterschriebene Original der Begründung als auch die nur mit "P." gekennzeichnete Durchschrift vorgelegt und von ihm mit dem Eingangsstempel des 30.01.1996 versehen worden sind. Durch eine dem Geschäftsstellenverwalter unterlaufene, vom Verteidiger nicht bemerkte Verwechslung ist sodann die nur eine Paraphe enthaltende Durchschrift zu den Akten gelangt, während das mit vollem Namen unterzeichnete Original dem Verteidiger für seine Handakten zurückgereicht worden ist. Danach steht fest, daß eine formgerechte Begründungsschrift rechtzeitig beim Amtsgericht eingegangen ist, mag sie auch infolge eines Versehens des Geschäftsstellenbeamten erst später zu den Akten gebracht worden seien. Daß irrtümlich die paraphierte Durchschrift zu den Akten genommen und das Unterschriebenen Original zurückgegeben worden ist, steht einem gerichtsinternen zeitweiligen Verlust der Begründungsschrift nach deren Eingang gleich und kann nicht zu einer Fristversäumnis führen. Da auch hier eine den Formerfordernissen entsprechende Begründung fristgerecht beim Amtsgericht eingetroffen ist, bedarf es ungeachtet der Tatsache, daß die Begründung durch einen vom Gericht zu vertretenden Irrtum verspätet zu den Akten gelangt ist, keiner Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Begründungsfrist, denn diese ist - wie dargelegt - eingehalten.
8Die gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des materiellen Rechts zuzulassende Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.
9Das nach den Feststellungen vom Betroffenen praktizierte Linksparken im verkehrsberuhigten Bereich (§ 42 Abs. 4 a StVO - Zeichen 325 -) war entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht verbotswidrig.
10§ 12 Abs. 4 Satz 1 StVO bestimmt, daß zum Parken der rechte Seitenstreifen (dazu gehören auch, sofern ausreichend befestigt, entlang der Fahrbahn angelegte Parkstreifen) zu benutzen ist, sonst muß an den rechten Fahrbahnrand herangefahren werden. Da der Seitenstreifen als der unmittelbare neben der Fahrbahn liegende Teil der Straße definiert wird (vgl. Vwv I zu § 2 Abs. 4 Satz 3 StVO; OLG Hamm DAR 1994, 409; Jargusch/Hentschel, StVR 34. Auflage, § 2 StVO Rn. 25), setzt die Regelung des § 12 Abs. 4 StVO die Existenz einer Fahrbahn voraus und ordnet an, daß entweder auf oder neben dieser rechts zu parken ist. Fahrbahn heißt der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße (vgl. Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 14. Auflage, § 2 Rn. 17), auf dem Fußgänger die in §§ 25, 26 StVO genannten Beschränkungen beachten müssen. So dürfen Fußgänger auf der Fahrbahn nur gehen, wenn die Straße weder Gehweg noch Seitenstreifen hat (§ 25 Abs. 1 Satz 2 StVO). Benutzen sie die Fahrbahn, müssen sie am Fahrbahnrand gehen, bei Dunkelheit oder schlechter Sicht einzeln hintereinander (§ 25 Abs. 1 Satz 3 und 4 StVO). Desweiteren haben Fußgänger Fahrbahnen zügig und auf kürzestem Weg zu überqueren, wobei vorhandene Fußgängerüberwege oder Markierungen zu benutzen sind (§ 25 Abs. 3 StVO). Demgegenüber gilt für verkehrsberuhigte Bereiche gemäß § 42 Abs. 4 a StVO - Zeichen 325 - folgendes: Fußgänger dürfen die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen (Kinderspiele sind überall erlaubt), der Fahrzeugverkehr muß Schrittgeschwindigkeit einhalten, die Fahrzeugführer dürfen die Fußgänger weder gefährden noch behindern, sondern müssen, sofern nötig, warten. Aus dem Vergleich zwischen den jeweiligen Funktionen beider Straßenteile und den unterschiedlichen Befugnissen ihrer Benutzer folgt, daß der verkehrsberuhigte Bereich keine "Fahrbahn" hat, sondern insgesamt eine Sonderfläche darstellt, auf der sowohl Gehen als auch Fahren erlaubt ist, letzteres aber nur mit erheblichen Einschränkungen. So wenig dem Fahrzeugverkehr vorbehaltene Straßenteile als Gehweg bezeichnet werden können, weil hier unter den Voraussetzungen der §§ 25, 26 StVO auch eine Benutzung durch Fußgänger stattfinden kann, so wenig dürfen Flächen, die in erster Linie für den Fußgängerverkehr freigegeben sind, dem Begriff "Fahrbahn" zugeordnet werden. Da der verkehrsberuhigte Bereich somit eine Sonderfläche ohne Fahrbahn ist, die Parkregelung des § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO aber nur für Fahrbahnen oder daneben liegende Seitenstreifen gilt, kann daraus ein generelles Linksparkvervot für den durch Zeichen 325 gekennzeichneten Sonderbereich nicht hergeleitet werden, wobei nach dem Inbegriff der Urteilsgründe davon auszugehen ist, daß der Betroffene zwar in Fahrtrichtung auf der linken Seite geparkt hat, jedoch innerhalb einer markierten Parkfläche.
11Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO (wie das Amtsgericht meint) Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes wäre, wonach für alle Straßenbereiche - also auch für Sonderflächen - das Prinzip des Rechtsparkens zu gelten hätte. Dagegen spricht indes § 12 Abs. 4 Satz 4 StVO, der das Linksparken in Einbahnstraßen (Zeichen 220) und dort, wo auf der rechten Seite Schienen liegen, für zulässig erklärt. Zwar könnte das Linksparken in Einbahnstraßen noch als gesetzlich bestimmte Ausnahme von einem allgemeinen Rechtsparkgebot betrachtet werden, weil hier eine Gefährdung durch Gegenverkehr nicht zu befürchten ist. Auf der anderen Seite zeigt die Zulässigkeit des Linksparkens, falls rechts Schienen verlegt sind, daß die Frage, wo geparkt werden darf, vom Gesetzgeber nicht nach einem übergeordneten Gesichtspunkt geregelt worden ist, sondern jeweils aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen. Sofern auf der rechten Seite Schienen liegen, darf hiernach trotz möglichen Gegenverkehrs links geparkt werden. Die dabei denkbare Gefährdung durch Fahrzeuge, welche die Gegenfahrbahn überqueren müssen, um Parkplätze auf der linken Straßenseite aufzusuchen oder von dort wieder auf den rechten Straßenteil zurückzukehren, hat der Gesetzgeber als nicht so schwerwiegend betrachtet, daß er sich veranlaßt gesehen hätte, das Linksparken in diesen Fällen zu verbieten. Ist das Linksparken somit schon auf Straßen mit Fahrbahnen unter bestimmten Voraussetzungen dort, wo es dem Gesetzgeber zweckmäßig erschien, zulässig, so kann für Sonderflächen, die nicht ausdrücklich der Regelung des § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO unterworfen sind, aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften kein allgemeines Postulat des Rechtsparkens entnommen werden. Hierfür gibt es um so weniger Grund, als der Fahrzeugverkehr im verkehrsberuhigten Bereich Schrittgeschwindigkeit einhalten muß, so daß die mit dem Kreuzen von "Gegenverkehr" verbundene (abstrakte) Gefahr insgesamt nicht von erheblichem Gewicht ist, selbst wenn erfahrungsgemäß das Gebot, Schrittgeschwindigkeit einzuhalten, nicht von allen Verkehrsteilnehmern stets befolgt wird.
12Da nach allem entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ein Verkehrsteilnehmer im verkehrsberuhigten Bereich innerhalb gekennzeichneter Parkflächen auch in Fahrtrichtung links parken darf, mußte der Betroffene unter Aufhebung des angefochtenen Urteils freigesprochen werden.
13Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO i. V. m. § 46 Abs. OWiG.