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T a t b e s t a n d:
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Kaskoentschädigung in Anspruch. Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung.
3Der Kläger war Eigentümer und Halter der Zugmaschine Marke Todorovic, München, Typ 33 T 36O PS Fahrzeug-Identifikations-Nummer .........., mit dem angebauten Ladekran Marke Epsilon, Typ E 2387. Das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen: ......... war als Langholztransporter eingesetzt. Für dieses Fahrzeug unterhielt der Kläger bei der Beklagten eine Teilkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung von 3OO,OO DM. Dem Vertrag der Parteien liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (im folgenden : AKB) zugrunde.
4Am 29. 3. 1993 gehen 17.OO Uhr geriet das Fahrzeug des Klägers in Brand und erlitt einen Totalschaden. Hierüber informierte der Kläger die Beklagte noch am Schadenstag oder am 3O. 3. 1993 - hierüber streiten die Parteien -. Der Kläger verfügte seinerzeit in seinem Betrieb über ca. 12 Nutz- und Lastfahrzeuge (Holzzüge, Kranwagen, Gliederzüge und Sattelzüge). Er ist vorsteuerabzugsberechtigt.
5Noch am 3O. 3. 1993 beauftragte die Beklagte den KfZ-Sachverständigen P. mit der Erstattung einer Fahrzeugbewertung. Der KfZ-Sachverständige P. besichtigte das Fahrzeug am 31. 3. 1993 bei der Firma M. in E., wohin es seitens des Klägers verbracht worden war. Im Rahmen der Besichtigung kam es zwischen dem KfZ-Sachverständigen P. und dem Kläger zu Verhandlungen über den Schadensfall, deren Verlauf im einzelnen zwischen den Parteien streitig ist. Der Kläger erklärte dem KfZ-Sachverständigen auf Befragen, daß er genaue Angaben zur Laufleistung des Fahrzeuges nicht machen könne, gab jedoch unter Vorbehalt eine Laufleistung von etwa 26O.OOO Kilometern an. Mit Fahrzeugbewertung vom 3O. 4. 1993 (Bl. 14 d. A.) schätzte der KfZ-Sachverständige P. den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs des Klägers auf netto 125.OOO,OO DM.
6Unter dem 3O. 3. 1993 wurden auf Formularen der Beklagten zwei Schadensmeldungen erstellt (Bl. 182 f. d.A.). Diese enthalten über dem Unterschriftenfeld folgenden teilweise fettgedruckten Text:
7"Vorstehende Fragen habe ich wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen beantwortet.
8Wir weisen Sie auf § 7 AKB hin. Danach sind Sie zur Aufklärung und Schadenminderung verpflichtet.
9Es ist mir bekannt, daß unwahre und bewußt unvollständige Angaben zur Versagung des Versicherungsschutzes führen, auch wenn dem Versicherer durch diese Angaben kein Nachteil entsteht."
10Unter dem 31. 3. 1993 beauftragte die Beklagte den Sachverständigen für Brandursachen M. aus Wiesbaden, die Ursache des Brandes am Fahrzeug des Kägers festzustellen. Der Sachverständige M. erstattete unter dem 21. 5. 1993 sein Gutachten (Bl. 95 ff. d.A.), das er mit zahlreichen Lichtbildern versah (Bl. 1O5 d.A. und Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 26. 8. 1996). In dem Gutachten führt der Sachverständige M. aus, aus der Instrumententafel hätten sich die Reste des Wegstreckenzählers herauslösen lassen. Bei Auswertung der teilweise erhaltenen Ziffernfolgen könne von einer Laufleistung von 556.136 km ausgegangen werden.
11Im April 1993 übersandte die Beklagte dem Kläger einen ergänzenden Fragebogen betreffend den vorliegenden Schadensfall. Diesen füllte der Kläger zunächst nicht aus. Erst nachdem ihm ein weiterer Fragebogen zugegangen war, füllte der Zeuge S. als Vertreter der Beklagten den Bogen nach Angaben des Klägers aus, der Kläger unterzeichnete den Bogen unter dem 14. 6. 1993 (Bl. 8O bis 84 d. A.). Die in dem Fragebogen enthaltene Frage nach Lauf- / Betriebsleistung des Fahrzeuges blieb unbeantwortet, die Frage nach Unfällen des Fahrzeuges wurde verneint. Über dem Unterschriftenfeld befindet sich folgender Hinweis:
12"Wir machen Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, daß Sie zur Aufklärung und Schadenminderung verpflichtet sind (§ 7 der dem Vertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung).
13Es ist mir bekannt, daß unwahre und/oder unvollständige Angaben zur Versagung des Versicherungsschutzes führen."
14Unter dem 13. 7. 1993 sandte die Beklagte den Fragebogen an den Kläger mit der Bitte zurück, die noch offenen Fragen zu beantworten. Der Kläger beauftragte deshalb seine Angestellte B. damit, sich mit der Firma M. in Verbindung zu setzen. Bei der Firma M. handelt es sich um den Betrieb, in dem das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers gewartet wurde. Die Angestellte B. des Klägers sollte bei der Firma M. die dort feststellbare Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges erfragen. In der Folgezeit wurde der Fragebogen der Beklagten durch den Vertreter S. der Beklagten und die Angestellte B. des Klägers gemeinsam ergänzend ausgefüllt und vom Kläger erneut unterzeichnet (Bl. 87 bis 91 d. A.). Als Lauf- / Betriebsleistung des Fahrzeuges wurden sowohl unter der Rubrik "abgelesen" als auch unter "Gesamtleistung" 235.4OO Kilometer angegeben.
15Anfang September 1993 holte der Kläger auf anwaltliche Veranlassung und zur Vorbereitung eines selbständigen Beweisverfahrens eine Bestätigung der Firma M. über die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges ein. Am 8. 9. 1993 wurde dem Kläger telefonisch seitens der Firma M. mitgeteilt, daß der streitgegenständliche LKW eine Laufleistung von ca. 32O.OOO Kilometern aufweise. Noch am selben Tag rief die Angestellte B. des Klägers bei der Beklagten an und teilte mit, man habe ein Telefax vorbereitet, das man an die Beklagte übermitteln wolle und in dem die Laufleistung des Fahrzeuges angegeben sei. Ebenfalls noch am 8. 9. 1993 übermittelte der Kläger der Beklagten per Telefax die Seite 4 des Fragebogens, in dem nunmehr als Laufleistung 32O.OOO Kilometer eingetragen war (Bl. 92 d.A.). Unter dem 11. 9. 1993 teilte die Firma M. dem Kläger die am 19. 3. 1993 abgelesene Laufleistung mit 328.128 km mit. Bereits unter dem 9. 9. 1993 lehnte die Beklagte Deckungsschutz unter Berufung auf Falschangaben des Klägers zur Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges ab (Bl. 61 f. d.A.).
16Mit Antragsschrift vom 12.10.1993 leitete der Kläger ein sebständiges Beweisverfahren ein, in dem aufgrund Beschlusses des Landgerichts Köln vom 10.11.1993 die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, zu dessen Wiederbeschaffungswert und dem Rest des ausgebrannten Fahrzeugs angeordnet wurde (Bl. 23 ff. d. Beiakte 23 OH 1/94 LG Köln). Auf das Gutachten des Sachverständigen D. vom 27.04.1994 wird Bezug genommen (Bl. 66 ff. der vorgenannten Akte).
17Der Kläger hat behauptet, er habe den Brand der Beklagten noch am Schadenstage, dem 29. 3. 1993 gemeldet. Der Vertreter S. der Beklagten habe die Ausfüllung des Fragebogens der Beklagten als lästige Formalie bezeichnet, da zwischen dem Kläger und dem KfZ-Sachverständigen P. ohnehin bereits eine Einigung zustandegekommen sei. Deshalb habe er - der Kläger - den Fragebogen zunächst überhaupt nicht ausgefüllt, die spätere Eintragung einer Laufleistung von 235.4OO km sei nicht bewußt falsch gemacht worden, sondern beruhe auf Gedankenlosigkeit. Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges zum Zeitpunkt des Brandes habe bei ca. 32O.OOO km gelegen. Er - der Kläger - nehme laufend Bankkredit in mindestens der Höhe der Klageforderung in Anspruch, den er bei rechtzeitiger Zahlung durch die Beklagte in entsprechender Höhe zurückgeführt hätte. Für den Kredit müsse er mindestens 11,5 % Zinsen zahlen (Beweis: Vorlage einer Zinsbescheinigung der Hausbank des Klägers; Zeugnis des Sachbearbeiters N. N. der Hausbank des Klägers).
18Der Kläger hat beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15O.OOO,OO DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 9. 9. 1993 zu zahlen.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie hat behauptet, der Kläger habe den Schaden erst am 3O. 3. 1993 gemeldet. Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges des Klägers habe, wie der Sachverständige M. zutreffend festgestellt habe, bei 556.136 km gelegen. Nach dem im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen D. habe das Fahrzeug offensichtlich des weiteren bei dem Kilometerstand 244.OOO einen Unfall erlitten.
23Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei infolge Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei. Der Kläger habe schon gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen P. falsche Angaben "ins Blaue hinein" gemacht und auch nicht plausibel erklärt, wie die Zahl 235.4OO km in den Fragebogen geraten sei. Die Berichtigung mit Fax vom 8. 9. 1993 habe die Pflichtverletzung nicht mehr beseitigen können.
24Gegen dieses ihm zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten am 24. 1. 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am Montag, dem 26. 2. 1996 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. 4. 1996 mit einem am 25. 4. 1996 bei dem Oberlandesgericht Köln eingegangenen Schriftsatz begründet.
25Der Kläger wiederholt und vertieft sein Vorbringen. Er meint, die Belehrung im Fragebogen der Beklagten sei unzureichend. Schon deshalb könne die Beklagte sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen. Darüber hinaus behauptet er, zwischen dem Vertreter S. der Beklagten und ihm sei auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen P. eine Regulierungsvereinbarung dahingehend getroffen worden, daß Bezahlung durch die Beklagte in Höhe von 125.OOO DM erfolge. Gegenüber dem Sachverständigen P. sei die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges einvernehmlich grob geschätzt worden; für P. sei die Laufleistung kein wesentlicher Faktor gewesen (Zeugnis: P., M., Freiburg). Die Schadenmeldungen unter dem 3O. 3. 1993 seien nicht von ihm unterschrieben worden, er habe diese Formulare nicht erhalten, es handele sich vielmehr um die Weitergabe einer telefonischen Schadenmeldung durch den Versicherungsagenten an die Beklagte (Beweis: Zeugnis S.). Die Laufleistung von 235.4OO km sei seiner Angestellten B. offensichtlich seitens der Firma M. mitgeteilt worden (Zeugnis: B., S.). Er habe seinerzeit nicht bewußt Einfluß auf die Höhe der Entschädigung durch eine zu niedrige Angabe der Laufleistung nehmen wollen, auf die Rechnungen der Wartungs- und Reparaturfirma M. habe er nicht ohne weiteres zugreifen können, weil diese nach Zahlung an den Steuerberater weitergeleitet würden. Bei einem LKW sei die Laufleistung weitaus weniger wichtig für die Wertschätzung als bei einem PKW. Dies gelte gleichermaßen für einen Brandschaden im Verhältnis zu Diebstahlsschäden. Die falsche Angabe der Laufleistung habe sich daher vorliegend nicht ausgewirkt (Beweis: Sachverständigengutachten). Schließlich - so meint der Kläger - falle ihm schweres Verschulden in Anbetracht der Umstände des Falles, insbesondere der Korrektur der Angaben zur Laufleistung durch Fax vom 8. 9. 1993, nicht zur Last. Der Wiederbeschaffungswert betrage 150.000,-- DM.
26Der Kläger beantragt,
27unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen Schlußanträgen des Klägers zu erkennen,
28vorsorglich: Zulässige oder erforderliche Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse leisten zu können.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen;
31der Berufungsbeklagten zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.
32Sie meint, der Kläger habe die Angaben gegenüber dem Sachverständigen P. ins Blaue hinein gemacht. Sie bestreitet, daß die Schadenmeldungen vom 3O. 3. 1993 nicht durch den Kläger unterschrieben seien. Daß der Angestellten B. des Klägers seitens der Firma M. ein Kilometerstand von 235.4OO mitgeteilt worden sei, sei nicht vorstellbar angesichts der Rechnungen, die der Sachverständige D. in seinem Gutachten gesammelt und ausgewertet hat. Sie meint, die Falschangaben des Klägers seien nicht folgenlos geblieben, eine eventuelle unvollständige Belehrung des Klägers sei daher unschädlich. Denn auf der Grundlage anderer Laufleistungen hätten die Sachverständigen P. und D. den Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlichen Fahrzeuges abweichend festgesetzt (Beweis: Zeugnis P. und D., Sachverständigengutachten). Außerdem seien die Falschangaben auch deswegen nicht folgenlos, weil seitens der Beklagten wenige Tage nach dem 13. 7. 1993 einer weiteren Regulierung nichts mehr im Wege gestanden habe, nachdem die Gutachten P. und M. ihr vorlagen. Angesichts einer tatsächlichen Laufleistung von 556.136 km liege der Wiederbeschaffungswert unter 1OO.OOO,OO DM (Beweis: Sachverständigengutachten, ergänzende Anhörung des Sachverständigen D.).
33Der Senat hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 29. 1O. 1996 (Blatt 2O2 d. A.), geändert durch Beschluß vom 7. 1. 1997 (Bl. 224 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. 2. 1997 (Bl. 23O ff. d. A.) Bezug genommen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat auch in der Sache weitgehend Erfolg.
37I.
38Allerdings kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, zwischen den Parteien sei eine wirksame "Regulierungsvereinbarung" zustande gekommen. Eine solche wird von dem Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Im übrigen stützt der Kläger sein Klagebegehren in Wahrheit auch nicht auf eine solche Vereinbarung, weil er nicht den von dem Kfz-Sachverständigen P. geschätzten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 125.000,-- DM geltend macht, sondern Zahlung von 150.00,-- DM begehrt.
39II.
40Dem Kläger steht gegen die Beklagte jedoch ein Anspruch auf Ersatzleistungen aus §§ 1, 49 VVG, 12 Abs. 1 Nr. I a, 13 AKB zu. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, daß die Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind, daß das bei ihr versicherte Fahrzeug des Klägers durch Brand zerstört worden ist.
41Die Beklagte ist auch nicht wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers gemäß § 7 Nr. V Abs. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VGG von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden.
42Allerdings hat der Kläger gegen die ihm nach § 7 Nr. I Abs. 2 Satz 3 AKB obliegende Pflicht, nach Eintritt des Versicherungsfalles alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann, objektiv verstoßen, in dem er zunächst gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen P. und sodann in dem Fragebogen vom 14. 6. 1993 unzutreffende Angaben über die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges machte. Sowohl die Angabe der Laufleistung mit etwa 26O.OOO km als auch und erst recht die mit 235.4OO km entsprachen nicht der wahren Laufleistung, die jedenfalls bei ca. 33O.OOO km lag, wie auch der Kläger nicht in Abrede stellte. Diese objektiv falsche Angaben führen jedoch nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten.
431.
44Auf Leistungsfreiheit kann die Beklagte sich schon deshalb nicht berufen, weil sie den Kläger nicht ordnungsgemäß belehrt hat. Nach der sogenannten Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, muß die folgenlose Verletzung der Obliegenheit generell geeignet gewesen sein, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden.
45Ferner muß den Versicherungsnehmer ein erhebliches Verschulden treffen und er muß ausreichend darüber belehrt worden sein, daß bewußt unwahre Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können, auch wenn dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht (vgl. BGH VersR 1982, 742 für die KfZ-Haftpflichtversicherung; BGH VersR 1984, 228 für Kaskoversicherung).
46Vorliegend sind diese Grundsätze anzuwenden, weil die Falschangaben des Klägers folgenlos geblieben sind. Folgenlos ist eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dann, wenn der Versicherer noch keine Leistungen aus dem Versicherungsvertragsverhältnis erbracht hat (Senat VersR 1996, 1143, 1144), die Verletzung also Einfluß weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat (vgl. die Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG). Selbst dann, wenn die Obliegenheitsverletzung bereits dazu geführt hat, daß der Versicherer die Einleitung eines Sachverständigenverfahren verlangt hat und hierdurch Kosten entstanden sind, ist die Obliegenheitsverletzung noch folgenlos verlaufen (BGH VersR 1978, 121, 122 f.). Soweit die Beklagte demgegenüber meint, die Falschangaben des Klägers seien nicht folgenlos geblieben, weil die Angaben zur Laufleistung sich auf die Werteinschätzungen der Sachverständigen ausgewirkt hätten und einer Regulierung im übrigen nichts im Wege gestanden habe, so geht sie insoweit von einem falschen Ansatz aus. Maßgeblich ist nicht, wie sich falsche Angaben des Versicherungsnehmers - hypothetisch - ausgewirkt hätten, wenn es zur Regulierung gekommen wäre, sondern allein, ob es tatsächlich zu derartigen Auswirkungen gekommen ist. Das ist jedoch vorliegend nicht der Fall.
47Der Kläger ist vorliegend auch nicht dahingehend zutreffend belehrt worden, daß bewußt unwahre Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen können, auch wenn der Beklagten hierdurch kein Nachteil entsteht. Daß der Kläger überhaupt und gegebenenfalls in welcher Form und mit welchem Inhalt belehrt worden ist, bevor er gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen P. Angaben zur Laufleistung machte, ist weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich. Die Belehrung in dem Fragebogen der Beklagten, die Kläger unter dem 14. 6. 1993 ausfüllte, ist unzureichend. Denn die Belehrung muß sich insbesondere darauf erstrecken, daß Leistungsfreiheit auch dann eintritt, wenn dem Versicherer durch die Falschangaben kein Nachteil entsteht (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. VersR 1967, 593, 594; VersR 1976, 383). Denn der Versicherer ist deshalb zur Belehrung seines Versicherungsnehmers verpflichtet, weil er ihm im allgemeinen geschäftlich und versicherungstechnisch überlegen ist und deshalb auf dessen Belange immer dort soweit wie möglich Rücksicht nehmen muß, wo der Versicherungsnehmer wegen seiner geringeren Vertrautheit mit dem Versicherungswesen erfahrungsgemäß besonders häufig Gefahr läuft, den mitunter lebenswichtigen Versicherungsschutz einzubüßen. Das gilt namentlich für die Rechtsfolgen bewußt unwahrer oder unvollständiger Angaben in der Schadensanzeige. Daß solche Angaben selbst dann zum vollen Rechtsverlust führen können, wenn sie für den Versicherer keinen Nachteil bewirkt haben, ist nämlich weitgehend unbekannt (BGH VersR 1967, 593, 594).
48Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß ihr Schadenmeldeformular, das auch vorliegend unter dem 3O. 3. 1993 zweifach ausgefüllt worden ist, diesen Anforderungen gerecht wird, mithin eine ordnungsgemäße Belehrung des Versicherungsnehmers enthält. Denn dieses Formular - und damit die dort enthaltene Belehrung - ist dem Kläger nicht zur Kenntnis gelangt. Es handelt sich offensichtlich - wie der Kläger vorträgt - um Niederschriften von telefonischen Schadenmeldungen durch den Kläger einerseits und den Vertreter der Beklagten S. andererseits. Das ergibt sich schon aus den auf den Schadenmeldungen erhaltenen Unterschriften. Das eine Formular, das im Kopf als "Schadenmeldung von Versicherungsnehmer" gekennzeichnet ist (Bl. 182 d.A.) enthält in der Unterschriftsrubrik die Eintragung:
49"lt Meldung des VN
50iA".
51Es folgt eine unleserliche Unterschrift, die aber offensichtlich nicht diejenige des Klägers ist. Das andere unter dem 3O. 3. 1993 erstellte Formular (Bl. 183 d.A.) ist im Kopf als "Schadenmeldung von H. S." gekennzeichnet und enthält eine unleserliche Unterschrift oder Unterschriftsparaphe, die jedoch ebenfalls mit derjenigen des Klägers offensichtlich nicht identisch ist. Beide Schadenmeldungen lassen daher in keinster Weise erkennen, daß diese vom Kläger selbst gefertigt oder daß diesem die Formulare auch nur zur Kenntnis gelangt sind. Da der Kläger dies im übrigen substantiiert bestreitet, hätte es der Beklagten oblegen, hierzu im einzelnen näher vorzutragen, wann und auf welche Weise der Kläger die Schadenmeldeformulare erhalten und hiermit die Möglichkeit gehabt haben soll, von der dort enthaltenen Belehrung Kenntnis zu nehmen. Hierzu hat die Beklagte jedoch nichts substantiiert vorgetragen.
52Schon mangels ordnungsgemäßer Belehrung des Klägers über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung kann die Beklagte sich folglich auf Leistungsfreiheit nicht berufen.
532.
54Zur Leistungsfreiheit führen die falschen Angaben des Klägers zur Laufleistung des ausgebrannten Fahrzeuges aber auch deshalb nicht, weil dem Kläger kein erhebliches Verschulden im Sinne der Relevanzrechtssprechung anzulasten ist. Kein erhebliches, sondern nur geringes Verschulden des Versicherungsnehmers liegt vor, wenn es sich nach den Umständen um ein Fehlverhalten handelt, daß auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. BGH VersR 1986, 1233, 1235; Senat r + s 1995, 2O6). Derartige besondere Umstände liegen vor, weil der Kläger die Angaben zur Laufleistung aus freien Stücken durch Telefax vom 8. 9. 1993 korrigierte und der Beklagten mit der Angabe einer Laufleistung von 32O.OOO km eine Laufleistung mitteilte, die nur geringfügig und unerheblich unter dem maßgeblichen richtigen Wert von etwa 33O.OOO km lag.
55In der Rechtsprechung ist allerdings die Frage umstritten, ob die Richtigstellung falscher, die Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers verletzender Angaben geeignet ist, die Obliegenheitsverletzung ungeschehen zu machen, die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 S. 1 VVG als widerlegt anzusehen oder jedenfalls erhebliches Verschulden des Versicherungsnehmers zu verneinen. Ein Teil der Rechtsprechung führt aus, entscheidend für den Wegfall der Leistungspflicht des Versicherers sei allein die unrichtige Angabe in der Schadenanzeige selbst. Die spätere Berichtigung falscher Angaben ändere an dem Eintritt dieser Rechtsfolge nichts mehr, der Verstoß gegen die Aufklärungspflicht könne nicht rückwirkend beseitigt werden (OLG Zweibrücken SP 1995, 47, 48; LG Hannover VersR 1996, 182, 183). Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte unterscheiden sich von dem vorliegenden jedoch insofern, als der Versicherer entweder dem Versicherungsnehmer ein weiteres Formular mit der Bitte um Beantwortung verschiedener Fragen zugeleitet (so OLG Zweibrücken aaO) bzw. konkret nachgefragt hatte (so LG Hannover aaO). Auch der Senat hat in einem Fall nicht vollkommen freiwilliger Korrektur Leistungsfreiheit des Versicherers bereits angenommen (r + s 1996, 298, 299). Das OLG Hamm sieht demgegenüber durch eine zeitlich nur wenige Tage nach Abgabe der Schadensanzeige erfolgte, offenbar vom Versicherer nicht veranlaßte Korrektur schon die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG als ausgeräumt (r + s 1996, 296; ebenso Prölss-Martin, VVG, 25. Auflage, § 6 Anm. 9 C a, Seite 119). Ebenso hat das OLG Karlsruhe (NJW - RR 1993, 99, 1O1) erhebliches Verschulden im Falle einer Verkehrsunfallflucht neben anderen Umständen auch mit der Erwägung verneint, der Fahrer habe die erforderlichen Feststellungen zu seiner Unfallbeteiligung zwar verspätet, aber noch zeitnah und aus eigenem Antrieb nachgeholt.
56Nach Auffassung des Senates ist in Fällen der vorliegenden Art, in denen der Versicherungsnehmer falsche Angaben vollkommen freiwillig korrigiert, ohne durch Nachfragen bzw. Auflagen des Versicherers, seine Angaben zu belegen, oder in anderer Weise durch den Versicherer hierzu veranlaßt worden zu sein, jedenfalls schweres Verschulden im Sinne der Relevanzrechtsprechung in der Regel zu verneinen. Die Rechtsprechung hat seit jeher bei der Prüfung von Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung betont, daß der die gesamte Rechtsordnung beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben in besonderem Maße im Versicherungsrecht gelte (BGH VersR 1968, 1155, 1156; VersR 197O, 241, 242; VersR 1977, 1O21, 1O22). Die Wertung des § 6 Abs. 3 VVG und das in dieser Vorschrift enthaltene Alles - oder - Nichts-Prinzip seien zwar grundsätzlich hinzunehmen, stellten aber eine Vertragsbestimmung von außergewöhnlicher Härte dar (BGH VersR 197O, 241, 242; VersR 1976, 383, 384), so daß in Einzelfällen die Anwendung des § 242 BGB aus besonderen Gründen gerechtfertigt sein könne (BGH VersR 1968, 1155, 1157). Dabei wird auf den Präventionszweck des § 6 Abs. 3 VVG abgestellt (BGH aaO; ebenso Prölss-Martin aaO) und als Grund für die einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 3 VVG eine gerechte Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile genannt (BGH VersR 1973, 174, 175; VersR 1978, 121, 122). In der Rechtsprechung ist weiterhin anerkannt, daß der Grundsatz von Treu und Glauben sogar geeignet ist, Leistungsfreiheit des Versicherers wegen arglistiger Täuschung des Versicherersnehmers Grenzen zu setzen (vgl. BGH r + s 1992, 42O für §§ 14 Nr. 2 AFB, 22 Nr. 1 VHB; OLG Hamm r + s 1995, 187, für § 22 Nr. 1 VHB).
57Ebenso muß in Fällen der vorliegenden Art der Grundsatz von Treu und Glauben der aus § 6 Abs. 3 VVG ansonsten folgenden Leistungsfreiheit des Versicherers Grenzen setzen. Wenn der Versicherungsnehmer freiwillig und ohne in irgendeiner Form durch den Versicherer hierzu veranlaßt worden zu sein, falsche Angaben korrigiert, sind schutzwürdige Interessen des Versicherers daran, daß die ursprünglichen falschen Angaben zur Leistungsfreiheit führen, nicht ersichtlich. Findet der Versicherer heraus, daß der Versicherungsnehmer Falschangaben gemacht hat, oder gibt der Versicherungsnehmer dies unter dem Zwang der Verhältnisse zu, weil er keine Möglichkeit mehr sieht, die Falschangaben aufrechtzuerhalten, tritt nach den Präventionszweck des § 6 Abs. 3 VVG Leistungsfreiheit des Versicherers ein, weil der Versicherungsnehmer es sonst ungestraft versuchten könnte, durch Falschangaben den Versicherer zur Erbringung von Leistungen oder jedenfalls überhöhten Leistungen zu veranlassen. In solchen Fällen wäre der Versicherer - und mit ihm die Gemeinschaft der Versicherten - Betrügern also schutzlos ausgeliefert, wenn Leistungsfreiheit verneint würde. Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn der Versicherungsnehmer aus eigenem Antrieb, ohne hierzu durch den Versicherer veranlaßt oder sonst gezwungen zu sein, seine falschen Angaben berichtigt. Wenn eine derartige Berichtigung mithin nicht bereits als ausreichendes Indiz dafür angesehen werden soll, vorsätzliches Verhalten des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt der Abgabe der falschen Angaben zu verneinen, so ist das dem Versicherungsnehmer anzulastende schuldhafte Verhalten jedenfalls ein solches, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag, mithin als gering anzusehen.
583.
59Ob etwas anderes dann gilt, wenn - mit dem Vortrag der Beklagten - von einer Laufleistung des ausgebrannten LKW des Klägers von 556.136 km zur Zeit des Schadensfalles ausgegangen werden müßte, ob in diesem Fall etwa eine Belehrung des Klägers nicht erforderlich gewesen wäre, weil ihm arglistiges Handeln oder hartnäckiges Festhalten an seinen falschen Angaben anzulasten wäre (vgl. dazu BGH VersR 1973, 174, 175; VersR 1976, 383), kann dahinstehen. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte ihr Vorbringen, das Fahrzeug des Klägers habe eine Laufleistung von über 5OO.OOO km aufgewiesen, nicht zu beweisen vermocht. Die Beklagte trägt jedoch insoweit die Beweislast.
60a)
61Nach dem Gutachten des Sachverständigen D. vom 27. 4. 1994, das dieser in dem selbständigen Beweisverfahren 23 OH 1/94 LG Köln erstattet hat (Blatt 66 ff. der vorgenannten Beiakten) spricht im Gegenteil vieles dafür, daß das Fahrzeug des Klägers zum Zeitpunkt des Schadensfalles eine Laufleistung von ca. 33O.OOO km aufwies. Zu diesem Ergebnis ist der Sachverständige D. durch Auswertung der von ihm eingesehenen, das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers betreffenden Rechnungen der Firma M. gelangt. Er hat diese in seinem Gutachten auf Seite 18 (= Blatt 83 der Akte 23 OH 1/94 LG Köln) im einzelnen aufgelistet und dazu ausgeführt, daß sich insgesamt gesehen ein in sich logisch und plausibel bzw. kontinuierlich ansteigender Kilometerverlauf ergebe. Diese anhand der Auflistung nachvollziehbare Wertung des Sachverständigen D. wird von der Beklagten auch nicht angegriffen. Die Beklagte legt nicht näher dar, wie sich die von ihr behauptete Laufleistung von mehr als 5OO.OOO km mit dieser Entwicklung der Laufleistung in Einklang bringen lassen soll.
62Der Sachverständige D. hat sich hiermit aber auch nicht benügt. Er hat darüber hinaus eigenständige nachträgliche Untersuchungen des Verschleißzustandes jedenfalls insoweit vorgenommen, als diese auf relativ einfachem Wege möglich waren, nämlich einerseits bezüglich des Radplanetengetriebes und anderseits des Tellerrades des Differenzialgetriebes der hinteren Hinterachse. Er hat insoweit an beiden Getrieben keine mechanischen Verschleißerscheinungen, insbesondere keine Pittingbildung (kleine punktionelle Materialausbrüche aus gehärteten Zahnflanken der Getriebezahnräder, entstehend durch Flächenpressung und Reibung der Zahnflanken aufeinander, wodurch es unter extrem hohen Lastwechselspielen zu Materialausbrüchen bzw. Abplatzungen infolge Materialermühung kommt) feststellen können. Da derartige Materialausbrüche - so führt der Sachverständige weiter aus - ab einer tatsächlich erbrachten Fahrleistung von über 5OO.OOO km sich jedoch regelmäßig deutlich abzeichnen, ergeben auch diese Untersuchungen keine positiven Anhaltspunkte für eine erheblich höher liegende tatsächliche Fahrleistung als der aufgrund der Reparaturrechnungen ermittelten.
63Auch diese sorgfältigen, in sich widerspruchsfreien, durch zahlreiche Lichtbilder belegten und infolgedessen nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen überzeugen den Senat. Sie werden von der Beklagten auch nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
64b)
65Das Gutachten des Sachverständigen D. wird im Ergebnis auch nicht durch die Ausführungen des Privatgutachters M. der Beklagten in seinem Gutachten vom 21. 5. 1993 erschüttert. Zwar hat dieser ausgeführt (Bl. 97 d.A.), aus der herausgelösten Instrumententafel und der unterschiedlichen Brandeinwirkung auf die Zahlenrollen des Wegstreckenzählers könne auf eine Laufleistung im Schadenszeitpunkt von 556.136 km geschlossen werden. Der sachverständige Zeuge W., der für den Privatgutachter M. der Beklagten bei der Ermittlung der Brandursache tätig war, der auch den Wegstreckenzähler aus dem streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers ausgebaut und begutachtet hat, hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat hierzu auch ergänzend ausgeführt. Nach seinen Feststellungen ist der Brand hinter dem Führerhaus bzw. zugleich auch unter dem Führerhaus im Getriebebereich des Fahrzeuges ausgebrochen, das Feuer habe sich von hier aus durch das Fußbodenblech der Fahrerkabine und die Seitenbleche in die Fahrerkabine hinein ausgebreitet. Nach seinen Erfahrungen beim Landeskriminalamt mit ca. 2OOO KfZ-Bränden und Versuchen mit ca. 2OO Kraftfahrzeugen, die in Brand gesteckt wurden, - so hat der Zeuge weiter ausgeführt -, zerstöre die in der Fahrerkabine entstandene Hitze zunächst die Glasscheibe der Tachouhr. Das Feuer könne sodann in das Dachgehäuse durch die Öffnung eindringen, die von den Ziffern des Wegstreckenzählers gebildet werde. Erfahrungsgemäß müßten dann diejenigen Zahlen die meisten Brandschäden aufweisen, die vor Ausbruch des Brandes im Wegstreckenzähler zu sehen gewesen seien. Aus den von ihm gefertigten, in der mündlichen Verhandlung in Vergrößerung vorgelegten Fotos sowie den von ihm gefertigten Schaubildern (Hülle 229 d.A.) ergebe sich aber, daß die Zahlenreihen von 556.136 bis 778.358 durch den Brand betroffen gewesen seien, die übrigen sieben mögliche Zahlenkombinationen dagegen nicht. Da das Hauptzahnrad durch den Brand nicht betroffen, jedoch mit anderen brandbeschädigten Stellen zusammengebacken gewesen sei, könne hieraus auch geschlossen werden, daß sich das Zahlenbild nach dem Brand nicht mehr habe in sich verschieben können, so daß eine der auf Skizze 1) niedergelegten Zahlenkombinationen zum Zeitpunkt des Brandes vorgelegen haben müsse. Auch wenn er sich insoweit nicht 1OO %ig festlegen könne, so müsse nach seiner Auffassung jedoch ein Tachostand von 556.136 oder gar darüber zur Zeit des Brandes vorgelegen haben.
66Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Feststellungen des Sachverständigen D. in seinem Gutachten vom 27. 4. 1994 grundlegend zu erschüttern und die Behauptung der Beklagten, zum Zeitpunkt des Brandes habe das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von 556.136 km aufgewiesen, zu beweisen. Der bei der Vernehmung des Zeugen W. anwesende Sachverständige D. hat nämlich bei seiner ergänzenden mündlichen Anhörung vor dem Senat anschaulich demonstriert, daß der Ausgangspunkt der Schlußfolgerungen des Zeugen W., durch den Brand müßten diejenigen Ziffern des Wegstreckenzählers am meisten betroffen worden sein, die durch die Öffnung des Tachogehäuses zu sehen gewesen seien, die mit anderen Worten die tatsächliche Laufleistung widergaben, nicht zwingend ist.
67Der Sachverständige D. hat zunächst ausgeführt, er stimme dem Zeugen W. insoweit zu, als sich zwar das gesamte Zahlenwerk verdreht haben könne, die einzelnen Ziffern untereinander jedoch festgebacken gewesen seien, sich relativ zueinander mithin nach dem Brand nicht mehr verändert haben dürften. Im übrigen hat er dem Zeugen W. jedoch widersprochen und ausgeführt, das meiste brennbare Material in der Führerkabine dürfte sich am Armaturenbrett, insbesondere bei den Kabeln befunden haben. Zu beachten sei weiterhin, daß der Tachometer bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers in einer rechteckigen Trägerplatte rechts vom Steuerrad eingelassen gewesen sei und sich in einer Schräglage befunden habe, wie insbesondere den Lichtbildern auf Seite 26 seines Gutachtens (Bl. 91 der Akte 23 OH 1/94) entnommen werden könne. Insbesondere dem oberen Lichtbild auf Seite 26 seines Gutachtens, auf dem die senkrecht stehende Führerhauskante deutlich zu erkennen sei, ließe sich eine Neigung des Armaturenbrettes und damit des Tachometers von etwa 3O ° bis 4O ° zur Vertikalen entnehmen. Wenn man nun zusätzlich davon ausgehe - so der Sachverständige weiter -, daß der Tachograph von unten beheizt, also brandbeschlagen worden sei, weil allgemeinen physikalischen Gesetzen folgend die Hitze senkrecht nach oben aufsteige, so folge daraus, daß die untere Hälfte des Zahlenbereichs des Wegstreckenzählers geschwärzt bzw. verbrannt sein müßte, die obere Hälfte dagegen nicht. Aus den vom Zeugen W. gefertigten Lichtbildern des Wegstreckenzählers, die in der mündlichen Verhandlung in Vergrößerung vorlagen, ergebe sich weiterhin, daß die Zahlenreihen von OO1.681 bis 445.O25 vollständig oder nahezu unversehrt geblieben seien, während die übrigen Zahlenreihen von 556.136 bis 99O.57O brandbedingt mehr oder weniger zerstört seien. Hieraus folge, daß diese Zahlenreihen sich - wie auf der mit "Diagramm 7" gekennzeichneten schematischen Darstellung erkennbar - in der unteren Hälfte der Ziffernrolle des Wegstreckenzählers befunden hätte. Weiter ergebe sich daraus zwingend, daß die Zahlenreihe 334.914 durch das in einem Winkel von 3O ° bis 4O ° nach oben zeigende Sichtfenster des Tachographen zu erkennen gewesen sei (die Darstellung im Diagramm 7 enthält nicht die kompletten Ziffernfolgen, sondern nur die jeweils erste Ziffer, die mithin bei der Anzeige der Laufleistung die Einhunderttausender kennzeichnet).
68Die im einzelnen nachvollziehbar begründeten Ausführungen des Sachverständigen D. überzeugen den Senat. Der Sachverständige hat die Verteilung und die räumliche Lage der in Betracht kommenden zehn verschiedenen Ziffernfolgen anhand eines Modells (einer Kerze, auf die die Ziffernfolgen aufgelegt waren) anschaulich demonstriert. Seine Prämissen, die Neigung des Armaturenbrettes einerseits und die physikalische Grundtatsache andererseits, daß Hitze senkrecht nach oben steigt, lassen sich den gefertigten und bei der Akte befindlichen Lichtbildern entnehmen bzw. sind allgemein bekannt. Daß seine Annahme, die im Sichtfenster des Wegstreckenzählers erkennbaren Ziffern hätte am meisten durch den Brand betroffen sein müssen, nicht zwingend ist, hat auf Befragen auch der Zeuge W. einräumen müssen. Auch er hat nicht mit letzter Sicherheit ausschließen können, daß durch Besonderheiten bedingt das Feuer mehr von unten in den Armaturenbereich gedrungen ist.
69Nach alledem neigt der Senat dazu, einen Tachometerstand von 334.914 km zum Zeitpunkt des Schadensfalles als bewiesen anzusehen, weil der Sachverständige D. diesen auf drei verschiedene Weisen ermittelt bzw. jedenfalls als pausibel erklärt hat. Das kann jedoch letztlich dahinstehen, da jedenfalls ein deutlich höherer Tachometerstand, wie ihn die Beklagte behauptet, nicht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als bewiesen angesehen werden kann, vielmehr als zumindest unwahrscheinlich angesehen werden muß.
704.
71Die Beklagte kann Leistungsfreiheit auch nicht daraus herleiten, daß der Kläger sich insoweit einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit schuldig gemacht habe, als er einen Unfall des streitgegenständlichen Fahrzeuges verschwiegen habe. Soweit die Beklagte sich auf die Auflistung der Tachometerstände im Gutachten D. (Bl. 83 d. A. 23 OH 1/94 LG Köln) stützt, weil dort bei der Rechnung vom 3O. 5. 1992 und einem Tachometerstand von 244.688 die Bemerkung "Unfall ?" angefügt ist, so ergibt sich daraus nicht, daß der Kläger einen Unfallschaden verschwiegen hätte. Die von dem Sachverständigen D. eingefügte Bemerkung "Unfall ?" ist nicht geeignet, einen Unfall substantiiert darzutun. Die Beklagte hat hierzu weiter auch nicht vorgetragen, den Gesichtspunkt in der Berufungsinstanz ohnehin nicht mehr aufgegriffen.
725.
73Ist die Beklagte daher nicht wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden, so ist sie dem Kläger gemäß § 13 Abs. 1 AKB zum Ersatz des Wiederbeschaffungswertes des streitgegenständlichen Fahrzeuges am Tag des Schadens verpflichtet. Dieser ist nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D. in seinem Gutachten vom 27. 4. 1994 mit brutto 15O.OOO,OO DM zu beziffern. Der Sachverständige hat sich zur Feststellung dieses Wiederbeschaffungswertes eingehend mit den Kaufrechnungen einerseits, der Wertschätzung durch den einschlägigen Fachmarkt andererseits (insbesondere im Hinblick darauf, daß das Fahrzeug nicht von einem renomierten LKW-Hersteller stammte), der Laufleistung und der angesichts des tatsächlichen Einsatzes dieses Fahrzeuges hiervon zu unterscheidender Betriebsleistung des Fahrzeuges eingehend auseinander gesetzt. Diese eingehenden und überzeugenden Ausführungen werden von den Parteien nicht angegriffen, der Senat hat keine Bedenken, ihnen zu folgen.
74Soweit die Beklagte die Ausführungen des Gutachters zur Höhe in der Berufungserwiderung in einem Teilbereich angreift, bleibt ihre Rüge ohne Erfolg. Soweit die Beklagte rügt, der Sachverständige habe Aufbauten und sonstige Nebenaggregate in seine Bewertung miteingezogen, diese seien jedoch - wie sich der zur Akte gereichten Fotodokumentation des Privatgutachters M. entnehmen lasse - weitgehend unbeschädigt geblieben, ist dies unsubstantiiert. Die Beklagte legt nicht dar, welche Aufbauten und Nebenaggregate ihrer Meinung nach unbeschädigt geblieben seien. Der Senat vermag dies den von dem Privatgutachter M. gefertigten Lichtbildern auch nicht zu entnehmen. Die Beklagte legt auch nicht dar, ob sie mit ihren Ausführungen die ansonsten unstreitige Tatsache in Frage stellen will, daß das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers im Sinne des § 13 Abs.4 AKB zerstört war. Ebensowenig trägt die Beklagte substantiiert vor, daß etwa Rest- oder Altteile im Sinne des § 13 Abs. 3 b AKB noch verwertbar gewesen seien, mithin auf die Ersatzleistung angerechnet werden müßten. Erst recht trägt die Beklagte nicht vor, mit welchen Beträgen dies gegebenenfalls geschehen sollte. Im übrigen hat der Sachverständige D. am Ende seines Gutachtens Ausführungen dazu gemacht, daß verwertbare Restteile nicht verblieben. Dies stellt die Beklagte nicht substantiiert in Frage. Einer Erläuterung des Gutachtens des Sachverständigen D. zur Höhe, wie von der Beklagten beantragt, bedurfte es daher mangels substantiierter Angriffe gegen dieses Gutachten und konkreter Fragestellungen an den Sachverständigen nicht. Im übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 4. 2. 1997 die bestehende Möglichkeit, dem Sachverständigen hierzu Fragen zu stellen, nicht genutzt.
75Der Kläger kann allerdings nicht, wie von ihm beantragt, Ersatz des Wiederbeschaffungswertes inklusive Mehrwertsteuer verlangen. Ihm steht nur ein Anspruch auf Ersatz des Nettowertes von 13O.434,78 DM zu, weil er vorsteuerabzugsberechtigt ist, ihm in Höhe der Mehrwertsteuer also kein Schaden entsteht. Von diesem Betrag ist darüber hinaus die vereinbarte Selbstbeteiligung von 3OO,OO DM abzuziehen.
766.
77Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB, 352 HGB. Die Beklagte hat sich durch die Deckungsablehnung vom 9. 9. 1993 selbst in Verzug gesetzt, einer Mahnung gemäß § 284 Abs. 2 BGB bedurfte es daher nicht mehr. Soweit der Kläger in erster Instanz einen höheren Schaden behauptet hat, hat er das Urteil nicht angegriffen.
787.
79Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 7O8 Nr. 1O, 711 ZPO.
80Streitwert für das Berufungsverfahren: 15O.OOO,OO DM
81Beschwer des Klägers: 19.865,22 DM
82Beschwer der Beklagten: 13O.134,78 DM