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T a t b e s t a n d :
2Beide Parteien sind Hersteller und Vertreiber von Arzneimitteln.
3Zu den Produkten der Beklagten zählt das Schmerzmittel "C.", ein Kombinationspräparat, das u.a. C. enthält. C. gehört zu den in der Anlage II zu § 1 Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes genannten Stoffen und ist in "C." in einer Zubereitung enthalten, wie sie in der Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz als sog. ausgenommene Zubereitung aufgeführt ist. Diese "ausgenommene Zubereitung" war als Ausnahmeregelung der Position C. erstmals mit der 5. BtMÄndV vom 18.01.1994 (BGBl I S. 99) in die Anlage II aufgenommen worden.
4"C." wird von der Beklagten als Muster an Ärzte abgegeben. Die Klägerin sieht hierin einen Verstoß gegen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in der Fassung gemäß Art. 1 Nr. 28 b des 5. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 09.08.1994 (BGBl. I S. 2071, 2078). Nachdem sie zunächst die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung im Verfahren 81 O 131/95 LG Köln gemäß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in Verbindung mit § 1 UWG auf Unterlassung der Abgabe von "C." als Muster an Ärzte in Anspruch genommen und am 21.07.1995 eine entsprechende Beschlußverfügung des Landgerichts Köln erwirkt hat, verfolgt sie ihr Unterlassungsverlangen im vorliegenden Hauptsacheverfahren weiter.
5Die Klägerin hat beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines gegen sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM zu unterlassen, das von ihr hergestellte und vertriebene Analgetikum "C." an Ärzte als Muster abzugeben.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, Präparate mit sog. "ausgenommenen Zubereitungen" im Sinne der Anlagen II und III zum Betäubungsmittelgesetz würden von dem Verbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht erfaßt. Dies gelte bereits deshalb, weil die Richtlinie 92/28/EWG des Rates vom 31.03.1992 über die Werbung für Humanarzneimittel, deren Umsetzung die Anfügung des Satzes 3 in § 47 Abs. 3 AMG durch das 5. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 09.08.1994 gedient habe, ein solches Verbot nicht verlange. Ein derartiges Verbot sei auch sachlich unnötig, denn es sei nicht nachvollziehbar, warum eine "Zubereitung", die ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes ausgenommen werde, ohne jeden ersichtlichen Grund auf einem Umweg - und das nur in einem Teilbereich, nämlich der Musterabgabe in § 47 AMG - diesen Betäubungsmitteln und Suchtstoffen doch wieder gleichgestellt würde. Der Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG spreche ebenfalls nicht für die von der Klägerin geltend gemachte Interpretation dieser Norm noch zwinge er gar zu einer derartigen Interpretation: "Als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind" eben nicht die "ausgenommenen Zubereitungen"; sie sind eben gerade "keine Stoffe oder Zubereitungen im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes".
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.
11Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht dem Unterlassungsbegehren der Klägerin antragsgemäß gemäß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in Verbindung mit § 1 UWG stattgegeben. Nach Ansicht des Landgerichts ist § 47 Abs. 3 S. 3 AMG dahingehend auszulegen, daß jede Zubereitung von C. (aufgeführt in Anlage II zum Betäubungsmittelgesetz) in einem Arzneimittel dessen Abgabe als Ärztemuster ausschließe. Ausschlaggebend hierfür sei insbesondere der Wortlaut der Vorschrift. Dort werde nicht pauschal auf "Stoffe oder Zubereitungen" im Sinne des § 2 BtMG verwiesen sondern auf diejenigen "Stoffe oder Zubereitungen", "die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind". "Als solcher ... aufgeführt" sei ein Stoff oder eine Zubereitung nach dem allgemeinen sprachlichen Verständnis jedoch dann, wenn die Erwähnung des Namens erfolge, unabhängig von den jeweiligen Modalitäten. Dies bedeute im Streitfall, daß die Verweisung in § 47 Abs. 3 S. 3 AMG lediglich eine dieser Vorschrift beizufügende Anlage ersetze, nicht aber bezwecke, Verbote und Verbotsausnahmen aus dem Betäubungsmittelgesetz zu übernehmen. Die unterschiedlichen Regelungsgebiete der insoweit betroffenen Gesetze ließen diese Möglichkeit auch problemlos offen, denn die Frage der Verschreibungsfähigkeit eines Medikamentes in ärztlicher Verantwortung könne durchaus freier geregelt werden als die Abgabe von Ärztemustern zu Werbezwecken. Ob die vorstehend dargelegte Auslegung die einzige mögliche Auslegung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG sei, könne offen bleiben. Auf jeden Fall sei sie eine der möglichen und zugleich sehr naheliegenden Auslegungen mit der Folge, daß der Zweck der Regelung einschließlich des insoweit geäußerten Willens des Gesetzgebers entscheide. Der Gesetzgeber habe sich jedoch eindeutig im Sinne dieser Auslegung geäußert. Angesichts des jedenfalls nach Auslegung eindeutigen Regelungsgehalts des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG komme es nicht darauf an, ob die Richtlinie 92/28/EWG ein derart umfassendes Verbot fordere oder ob ein derartiges Verbot aus gesundheitspolitischen Gründen geboten oder bzw. zumindest sinnvoll sei. Soweit die Beklagte Verstöße gegen die Artikel 2,3 und 12 des Grundgesetzes rüge, sei der Tatsachenvortrag der Beklagten nicht ausreichend für eine derartige Beurteilung.
12Wegen der weiteren Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
13Gegen dieses ihr am 30.01.1996 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.02.1996 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 05.06.1996 fristgerecht begründet.
14Die Beklagte wiederholt und vertieft mit ihrem Berufungsvorbringen ihren Vortrag aus der ersten Instanz. Sie macht geltend, § 47 Abs. 3 S. 3 AMG verstoße unter Zugrundelegung der vom Landgericht dieser Vorschrift beigemessenen Reichweite gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG. Art. 12 Abs. 1 GG umfasse ebenso wie Art. 2 Abs. 1 GG u.a. die Werbung für Arzneimittel, wozu auch die kostenlose Abgabe von Mustern an Ärzte gehöre. Die Musterabgabe könne danach auf der Ebene der einfachen Berufsausübungsregelung eingeschränkt werden, sofern ein vernünftiges Staatsziel dafür geltend gemacht werden könne, die Maßnahme zur Erreichung dieses Staatszieles notwendig sei und kein offenbares Mißverhältnis zwischen dem erreichbaren Nutzen und den Nachteilen für die Wettbewerber im Markt auftrete. Nach den entsprechenden Grundsätzen sei auch die Zulässigkeit der in Rede stehenden Einschränkung der Musterabgabe im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 GG zu beurteilen, denn auch die Zulässigkeit einschränkender Regelungen der Handlungsfreiheit sei nur zu bejahen, wenn die Maßnahmen vernünftig, notwendig und verhältnismäßig seien. Ein vernünftiges Staatsziel für die Erstreckung des Musterabgabeverbotes auf die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen im Sinne der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes sei jedoch nicht zu erkennen. Ersichtlich habe der Gesetzgeber mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht der Überschwemmung des Marktes mit Muster begegnen wollen, sondern habe die Gelegenheit zu einem spezifischen Mißbrauch mit solchen Arzneimitteln begrenzen wollen, mit deren Einnahme eine ernsthafte Gefahr der Entstehung von Sucht verbunden sein könne. Diese Ausrichtung des Musterabgabeverbots an wirklichen Gefährdungspotentialen dieser Art werde dadurch unterstrichen, daß der Gesetzgeber dabei ohne Schaffung eigener Listen für die Werbebeschränkungen auf die Anhänge II und III des Betäubungsmittelgesetzes Bezug genommen habe. Von diesem Ansatz her mache es jedoch keinen Sinn, wenn man sich zwar an den in diesen Anlagen erwähnten Substanzen orientiere, nicht aber an den Relevanzschwellen, die zu der Gefährdungsabschätzung dazu gehörten. Die Auflistung der in den Anhängen II und III des Betäubungsmittelgesetzes genannten Substanzen sowie die sogenannten "ausgenommene Zubereitungen" stünden nicht isoliert und zufällig nebeneinander, sondern bildeten ein in sich geschlossenes System der Bewertung und der Differenzierung zwischen relevanten und nicht relevanten Gefährdungspotentialen. Lege man danach ein bestimmtes Gefährdungsprofil zugrunde, das das Musterabgabeverbot steuern solle, entscheide sich danach nicht nur, welche Stoffe auf die Liste kommen, sondern auch, von welcher geringfügigen Konzentration an eine Gefährdung nach Maßstäben praktischer Vernunft auszuschließen sei. Das Musterabgabeverbot an Ärzte erscheine deshalb nur dann als systemgerecht, wenn es an die sich aus den Anlagen II und III zum Betäubungsmittelgesetz ergebenden betäubungsmittelrechtlichen Rechtsfolgen sinnvoll anknüpfe: Soweit der Arzt Medikamente selbst verschreiben könne, solle er auch Musterabgaben in die Hand bekommen, um Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln im Dialog mit den Patienten zu machen. Erstrecke man dagegen das Verbot auf die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen", werde der sachliche Zusammenhang zwischen der arzneimittelrechtlichen Werbebeschränkung und der betäubungsmittelrechtlichen Gefährdungsabschätzungsliste auseinandergerissen. Es sei jedoch nicht nachzuvollziehen, welche besondere Gefährdung damit verbunden sein solle, daß der Arzt ein neues Medikament nicht aufgrund des Studiums schriftlicher Prospekte verschreibe, sondern weil es ihm als Muster kostenlos an die Hand gegeben sei.
15Ein vernünftiges Staatsziel für das in Rede stehende Musterabgabeverbot auch für sogenannte "ausgenommene Zubereitungen" ließe sich jedoch ebenfalls dann nicht erkennen, wenn man die Mißbrauchsgefahr eher beim Handel und bei Arzneimittelvertretern sehen wollte. Anhaltspunkte dafür, daß Gratismuster von Arzneimitteln im großen Umfang an den Arztpraxen vorbei auf den Markt gelangten, seien dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 nicht zu entnehmen. Wäre es anders, würde sich im übrigen auch aufdrängen, die Vertriebswege stärker zu kontrollieren, anstatt Ärzten den Zugang zu praktischen Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln zu erschweren.
16Soweit im Gesetzgebungsverfahren für die Vorschrift des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG die Erwägung eine Rolle gespielt habe, die EG-Richtlinie 92/28/EWG zwinge zu einer Erstreckung des Musterabgabeverbots auf sogenannte "ausgenommene Zubereitungen", sei dies längst widerlegt, wie sich aus dem Aufsatz von W. in Pharma Recht 1993/325 ff. ergebe.
17Fehle es jedoch nach alledem bereits an einem vernünftigem Staatsziel, lasse sich erst recht nicht nachweisen, daß über die bereits schon bestehenden Einschränkungen für die Musterabgabe in den Absätzen 3 und 4 des § 47 AMG hinaus eine weitere drastische Einschränkung der Werbung für neue Arztmittel erforderlich gewesen sei, um einem Mißbrauch von Arzneimitteln mit potentiell suchterzeugenden Stoffen vorzubeugen. Diesem Zweck genügten bereits die seit der 4. AMG-Novelle bestehenden Regulative des § 47 Abs. 4 AMG, die eine Überschwemmung der Arztpraxen mit Gratismustern ausschlössen. Der AMG-Erfahrungsbericht 1993 habe deshalb auch festgestellt, daß diese Regulative bei verantwortungsvoller Einhaltung und wirksamer Überwachung die erkannten Probleme zurückdrängen könnten. Die Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG verstoße daher in der ihr vom Landgericht beigelegten Auslegung eindeutig gegen das Übermaßverbot.
18Schließlich sei der sowohl im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG als auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Die Musterabgabe sei, wie von W. aaO. nachdrücklich hervorgehoben, nicht nur Ausfluß der grundrechtlich vorgegebenen freien Berufsausübung, sondern ebenfalls eine gesundheitspolitisch durchaus wünschenswerte, wenn nicht sogar gebotene Maßnahme. Dies bestätigten auch die Erwägungsgründe der EG-Richtlinie 92/27/EWG sowie der AMG-Erfahrungsbericht 1993. Die Musterabgabe diene einer rascheren Einführung neuer Arzneimittel und damit einer besseren Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Dies gelte auch für neue Arzneimittel, die als "ausgenommene Zubereitung" in ganz geringfügigem Umfang und unterhalb jeder Gefahrenschwelle potentiell suchterzeugende Stoffe enthielten. Vor diesem Hintergrund müßten die Erwägungen, die zum Musterabgabeverbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG geführt haben, ein erhebliches Gewicht haben, um eine weitere Beschränkung des Musterabgabewesens zu rechtfertigen. Ersichtlich habe jedoch eine derartige Abwägung im Gesetzgebungsverfahren nicht stattgefunden. Für alle Arzneimittelhersteller sei aber mit Händen zu greifen, daß sich die Einführung neuer Arzneimittel in den Markt deutlich verzögere, wenn die Ärzte nicht mehr durch Musterabgaben, sondern allein über Informationsschriften zur Erprobung von Arzneimittel veranlaßt werden könnten. Insbesondere Unternehmen mit nur einigen wenigen Arzneimitteln seien angesichts des außerordentlich hohen und immer weiter steigenden finanziellen Aufwands für Forschung, Zulassung und Markteinführung neuer Arzneimittel in besonderer Weise darauf angewiesen, die Arztpraxen möglichst rasch mit Musterabgaben zu versorgen und damit die Erprobungsphase in Gang zu setzen. Auch ein gutes Arzneimittel könne keine Erträge abwerfen, wenn es sich zu langsam durchsetze und letztlich von neuen Angeboten überrollt werde. Diese unterschiedliche Betroffenheit der Hersteller hätte in die gesetzgeberische Abwägung mitberücksichtigt werden müssen, bevor man sich zu einer weiteren Verschärfung des Musterabgabeverbotes bereitfand. Die besondere Betroffenheit einzelner Hersteller auf dem deutschen Markt für schwächere zentral wirksame A. werde deutlich, wenn man zudem berücksichtige, daß sich das Musterabgabeverbot in der vom Landgericht ausgeführten Auslegung nur auf einige dieser Medikamente erstrecke, auf andere, wie zum Beispiel auf "T.", nicht. Eine Wettbewerbsverzerrung sei damit unübersehbar.
19Daraus ergebe sich zugleich, daß auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sei. Es sei eindeutig verfassungswidrig, wenn bei gleicher potentiell suchterzeugender Wirkung, wenn auch deutlich unterhalb der in den Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes konzipierten Gefährdungsschwelle, die einen Arzneimittel - wie "C." - vom Musterabgabeverbot umfaßt würden, die anderen - wie "T." - dagegen nicht.
20Die Auslegung des § 47 Abs. 3 Satz 3 AMG, die das Landgericht der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegt habe, verstoße daher gegen Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG und zwinge dazu, die Vorschrift verfassungskonform dahin auszulegen, daß sogenannte ausgenommene Zubereitungen vom Musterabgabeverbot nicht erfaßt würden. Gerade von der Annahme des Landgerichts her, daß mehrere Auslegungsmöglichkeiten des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG bestünden, hätte das Landgericht bei verfassungskonformer Auslegung zu einer entsprechenden Interpretation der Vorschrift kommen müssen. Stelle man sich dagegen auf den Standpunkt, daß eine verfassungskonforme berichtigende Auslegung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG angesichts des Wortlauts der Norm und der Äußerung des Gesetzgebers im Regierungsentwurf zur 5. AMG-Novelle nicht möglich sei, sei zumindest eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
21Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 05.06.1996 und 31.10.1996 verwiesen.
22Die Beklagte beantragt,
23unter Abänderung des Urteils des LG Köln vom 18.01.1996 - 81 O 190/95 - die Klage abzuweisen;
24hilfsweise,
25das Verfahren auszusetzen und im Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG die Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG insoweit verletzt, als das Musterabgabeverbot mittels der Verweisung auf die Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes auch auf ausgenommene Zubereitungen erstreckt ist.
26Die Klägerin beantragt,
27Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
28Auch die Klägerin ergänzt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Recht § 47 Abs. 3 S. 3 AMG einen nach Auslegung eindeutigen Regelungsgehalt beigemessen und deshalb auch die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes von dieser Vorschrift als erfaßt angesehen. Der Gesetzgeber habe ausweislich des Wortlautes des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG diese ausgenommenen Zubereitungen in das Verbot der Musterabgabe einbezogen und habe dies, wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs zur 5. AMG-Novelle ergebe, exakt auch tun wollen. Für eine verfassungskonforme Auslegung, wie sie von der Beklagten geltend gemacht werde, bleibe danach kein Raum, denn dies setze voraus, daß nach Auslegung einer Norm mit den anerkannten Methoden mehrere Verständnismöglichkeiten gegeben seien.
29Im übrigen, so meint die Klägerin, vermöchten die von der Beklagten angeführten Erwägungen zur verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit der vom Landgericht durch Auslegung ermittelten Reichweite des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht zu überzeugen, so daß auch eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend dem Hilfsbegehren der Beklagten nicht in Betracht käme. Es könne keine Rede davon sein, daß mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG keine legitimen Zwecke des Gemeinwohls verfolgt würden. Auch der Arzneimittelbericht 1993 (BT-Drs. 12/5226, S. 23) lasse erkennen, daß es trotz der bereits 1986 eingeführten Absätze 3 und 4 des § 47 AMG Probleme im Bereich der Musterabgabe gegeben habe. Hinzu komme, daß es sich bei den Werbebeschränkungen des AMG um Regelungen handele, die insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit verpflichtet seien. Der Schutz dieses Rechtsguts liege im öffentlichen Interesse und dürfe daher auch mit Mitteln angestrebt werden, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingriffen. Der Gesetzgeber sei dabei nicht auf die Mittel der reinen Gefahrenabwehr beschränkt, sondern könne den verschärften Sicherheitsstandard der Risikovorsorge anlegen. Dies zwinge den Gesetzgeber zu Prognoseentscheidungen, durch die er zu erwartende tatsächliche Entwicklungen abzuschätzen habe. Die dem Gesetzgeber insoweit zustehende Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Eignung des eingesetzten Mittels und auch seiner Erforderlichkeit erlaubten dem Gesetzgeber jedoch auch, psychotrope Stoffe generell, also unabhängig von den ausnahmsweise erlaubten Zubereitungen des Betäubungsmittelrechts, von der Musterabgabe auszunehmen. Die vom deutschen Gesetzgeber verabschiedete Vorschrift des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG entspreche dabei exakt den Vorgaben von Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie über die Werbung für Humanarzneimittel (92/28/EWG), ohne daß es dabei eines Rückgriffs auf Art. 11 Abs. 2 dieser Richtlinie bedürfe.
30§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG werde nach alledem hinlänglich durch die Verfolgung legitimer Gemeinwohlbelange gerechtfertigt, so daß ein Verstoß der Norm gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht gegeben sei. Dieses Ergebnis lasse sich nicht durch die Behauptung der Beklagten relativieren, ein Musterabgabeverbot, das auch die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen umfasse, sei unter dem Gesichtspunkt der optimalen Krankenversorgung kontraproduktiv. Die Musterabgabe diene vorrangig der Markteinführung eines Präparats und der anschließenden Marktpflege, nicht der besseren Erprobung. Durch die schnelle Verfügbarkeit der vom Hersteller überlassenen Musterpackungen entstehe insbesondere ein Wettbewerbsvorteil gegenüber verwandten Produkten anderer Hersteller oder gegenüber Produkten ähnlicher Wirkung, für die mangels sofortiger Verfügbarkeit ein Apothekenrezept ausgestellt werden müßte. Eine derartige Werbestrategie im Interesse eigener Produkte sei sicherlich legitim. Angesichts anderer Möglichkeiten der Werbung gefährde ihr Ausschluß in Teilbereichen des Arzneimittelmarktes jedoch nicht die Information der Ärzte. Unter Berücksichtigung des hohen Ausbildungsstandes der deutschen Ärzteschaft und der anderen Informationsmöglichkeiten für die Ärzte könne nicht davon ausgegangen werden, daß allein der Umstand der Verfügbarkeit von Musterpackungen über die medizinische Zukunft eines Medikaments entscheide. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber mit werbebeschränkenden Maßnahmen legitimerweise auch den Zweck verfolgen könne, außer den Gefahren des Fehlgebrauchs von Arzneimitteln ebenfalls einem Zuvielgebrauch entgegenzuwirken. Es sei nicht auszuschließen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auch diesen Zweck hinsichtlich Arzneimittel mit psychotropen Stoffen verfolge. Damit gefährde aber die gesetzgeberische Maßnahme gerade nicht eine optimale Krankenversorgung, sondern setze umgekehrt die gesetzgeberischen Zielvorstellungen zur Eindämmung des Verbrauchs bestimmter Arzneimittel um.
31Entgegen der Ansicht der Beklagten könne jedoch ebenfalls nicht von einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, Art. 3 Abs. 1 GG, durch § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in der vom Landgericht dargelegten Auslegung ausgegangen werden. Dies gelte auch hinsichtlich der von der Beklagten geforderten Gleichbehandlung von C.haltigen "ausgenommenen Zubereitungen" einerseits und dem Schmerzmittel T. andererseits. Das sei schon deshalb der Fall, weil punktuelle Ungenauigkeiten nicht immer zu vermeiden seien und die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz einschließlich der Bezugnahmen auf diese Anlagen daher nicht bereits deshalb insgesamt verfassungswidrig sein könnten, weil diese Listen hinsichtlich einzelner Zubereitungen noch unvollständig seien. Hinsichtlich der von der Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Arzneimittel müßte zudem davon ausgegangen werden, daß die dort enthaltenen Zubereitungen ganz bewußt nicht von den Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz erfaßt würden, weil diese Zubereitungen auch in höheren Konzentrationen nach der Einschätzung des Verordnungsgebers nicht die Gefahrenschwelle überschritten, welche eine Einstufung als "Betäubungsmittel" rechtfertigen könnte. Das Gefährdungspotential von Substanzen wie T. (in dem Schmerzmittel "T.") sei daher grundsätzlich ein anderes als dasjenige von Stoffen und Zubereitungen, die in den Anlagen II und III zum Betäubungsmittelgesetz verzeichnet seien. Hierin liege zugleich der Differenzierungsgrund zwischen den genannten Gruppen von Zubereitungen, welcher es rechtfertige, die eine Gruppe den aus der Aufnahme in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz für die Musterabgabe resultierenden Rechtsfolgen zu unterwerfen und die andere nicht.
32Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen der Klägerin in der zweiten Instanz wird auf die Berufungserwiderungsschrift der Klägerin vom 16.09.1996 Bezug genommen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
34Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
35Die als unmittelbar Verletzte oder jedenfalls nach § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG klagebefugte und aktivlegitimierte Klägerin verlangt von der Beklagten gemäß § 1 UWG in Verbindung mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG zu Recht, daß diese es unterläßt, ihr Analgetikum "C." als Muster an Ärzte abzugeben.
36Das beanstandete Wettbewerbshandeln der Beklagten verstößt gegen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG.
37Das Arzneimittel C. enthält C., damit einen der in den Anlagen II des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführten Wirkstoffe, die gemäß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG zum Eingreifen des mit dieser Vorschrift ausgesprochenen Musterabgabeverbots führen. Daß C. das C. in einer Zusammensetzung aufweist, die der in der Anlage II des Betäubungsmittelgesetzes zur Position "C." genannten "ausgenommenen Zubereitung" entspricht, und C. infolgedessen kein Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtmG darstellt, ist unerheblich. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß sich das Verbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auch auf diese "ausgenommene Zubereitung" von C. erstreckt.
38Für diese Interpretation des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG spricht ganz maßgeblich der Wortlaut der Vorschrift. Dieser beschränkt sich nicht darauf, die ihrer Zusammensetzung nach von dem Musterabgabeverbot umfaßten Arzneimittel durch eine bloße Verweisung auf die Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes zu beschreiben. Vielmehr signalisiert bereits der in den §§ 1 und 2 sowie in den Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes nicht verwendete Einschub "als solche" in dem Hinweis des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG "Stoffe oder Zubereitungen im Sinne des § 2 des Betäubungsmittelgesetzes ... , die als solche in Anlage II oder III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind", daß eine modifizierte Verweisung auf die in der Vorschrift genannten Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes gewollt ist. Die Wortbedeutung dieses Einschubs nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestätigt dies, denn danach werden die Worte "als solche" dazu verwendet, um kenntlich zu machen, daß es nur auf die so bezeichnete Sache ("die Sache als solche") unabhängig von ihren jeweiligen konkreten Modalitäten ankommen soll. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG muß deshalb nach diesem Wortlaut dahin verstanden werden, daß es für das Eingreifen des Musterabgabeverbots nur darauf ankommt, ob in einem Arzneimittel ein in den Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes genannter Stoff oder eine dort genannte Zubereitung als solche enthalten ist ungeachtet der jeweiligen konkreten Konzentration und Zubereitungsart, damit auch ungeachtet etwaiger in den Anlagen für bestimmte Zubereitungsarten genannter Ausnahmen wie die "ausgenommenen Zubereitungen".
39Es ist sehr fraglich, ob der Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG überhaupt ein anderes Verständnis zuläßt; auch die Beklagte vermochte in beiden Instanzen keine Argumente anzuführen, die geeignet wären, insoweit eine andere Auslegung zu begründen. Selbst wenn man jedoch den Wortlaut der Norm nicht als eindeutig erachtete, ergibt die Wortinterpretation der Vorschrift als ein sich auch auf die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen im Sinne der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes erstreckendes Musterabgabeverbot jedenfalls das Verständnis, welches vom Wortlaut des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nachdrücklich nahegelegt wird. Tatsächlich war aber eine derartige, die "ausgenommenen Zubereitungen" umfassende Reichweite des Musterabgabeverbots vom Gesetzgeber auch gewollt, so daß ein etwaiger, nach dem Wortlaut der Norm möglicherweise noch verbleibender Restzweifel zum Regelungsgehalt dadurch behoben wird und § 47 Abs. 3 S. 3 AMG jedenfalls unter Einbeziehung der sogenannten historischen Auslegungsmethode so zu verstehen ist, wie durch den Wortlaut nahegelegt.
40Im Regierungsentwurf zur 5. AMG-Novelle, mit der die streitgegenständliche Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG am 09.08.1994 in das Arzneimittelgesetz eingefügt worden ist, heißt es hierzu (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelgesetz § 47 AMG, Stichwort "5. Änderungsgesetz"):
41"Die Änderungen in den Absätzen 3 und 4 ergeben sich aus der Richtlinie 92/28/EWG.
42Danach dürfen keine Muster von Arzneimitteln abgegeben werden, die psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe im Sinne der internationalen Übereinkommen enthalten. Dies betrifft auch sogenannte "ausgenommene Zubereitungen" im Sinne des Betäubungsmittelrechtes."
43Gerade bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen kommt der im Gesetzgebungsverfahren deutlich werdenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ein erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu, sofern diese Regelungsabsicht in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat und Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offen lassen (vgl. BVerfGE 11/126, 130; BVerfGE 54/277, 297 f.). Bei dem erst am 09.08.1994 in das Arzneimittelgesetz eingeführten § 47 Abs. 3 S. 3 AMG handelt es aber um eine zeitlich und sachlich neue Regelung im Sinne dieser Grundsätze, bei der der Wille der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, das Musterabgabeverbot ebenfalls auf die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes zu erstrecken, aus den bereits dargelegten Erwägungen deutlich im Wortlaut der Norm zutage tritt.
44Sinn und Zweck des in Rede stehenden Musterabgabeverbots und seine systematische Stellung im Gesetz geben keinen Anlaß zu einer abweichenden Interpretation seiner Reichweite.
45§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG ist eine der in § 47 Abs. 3 und Abs. 4 AMG niedergelegten Regulative des Musterabgabewesens. Die schon mit dem 2. Änderungsgesetz vom 16.08.1986 (BGBl I/1286) eingeführten Bestimmungen des § 47 Abs. 3 und Abs. 4 waren geschaffen worden, um "die Menge der Arzneimittelmuster zu begrenzen und das Musterabgabewesen aus Gründen der Arzneimittelsicherheit überschaubar zu halten" (vgl. dazu AMG-Erfahrungsbericht 1993, BT-Ds 12/5226, S. 23; amtliche Begründung zum 2. AMG-Änderungsgesetz, zitiert bei Kloesel/Cyran, aaO., § 47 AMG) und dadurch der damals festgestellten Gefahr der Ausuferung des Musterabgabewesens zu begegnen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ergänzt diese auf die Begrenzung des Umfangs und des Abgabeweges zielenden Regelungen durch eine sich an den in den Arzneimittelmustern enthaltenen Stoffen und Zubereitungen anknüpfende Beschränkung. Erfaßt werden dabei alle Arzneimittelmuster, die Wirkstoffe enthalten, welche wegen ihrer potentiellen Gefährlichkeit als Betäubungsmittel in den Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes aufgeführt sind und - im Grundsatz - den besonderen Voraussetzungen und Kontrollen des Betäubungsmittelgesetzes einschließlich der dort genannten Strafandrohungen unterworfen sind. Daß sich § 47 Abs. 3 Satz 3 AMG dabei nur an der generellen potentiellen Gefährlichkeit dieser Substanzen und ihrer Zubereitungen orientiert, nicht aber die dortigen Wertungen zur konkreten Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit bestimmter Zubereitungsarten (wie den sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen") übernimmt, macht die Norm nicht sinn- und systemwidrig. Im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes geht es darum, einerseits dem großen Problem der Suchtgefahr mit geeigneten Verboten und Kontrollmaßnahmen (einschließlich Strafdrohungen) entgegenzuwirken, andererseits aber auch sicherzustellen, daß Arzneimitteln mit Substanzen, die wegen ihrer potentiellen Gefährlichkeit als Betäubungsmittel in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden sind, in geeigneten Zubereitungen im Einzelfall Patienten zur Behebung von Krankheitszuständen zur Verfügung stehen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG beschäftigt sich demgegenüber ausschließlich mit der Bewerbung der Arzneimittel durch Abgabe von Gratismustern an Ärzte und die anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG genannten Verkehrskreise, ohne daß damit die Abgabe der regulären Arzneimittel an den Patienten eingeschränkt wird. Schon deshalb stellt es keinen Widerspruch zum Betäubungsmittelgesetz und dessen Wertungen dar, wenn § 47 Abs. 3 S. 3 AMG zwar an die Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes anknüpft, was den Vorteil hat, daß keine eigenen Listen aufgestellt werden müssen und Änderungen der erwähnten Anlagen sich automatisch auch auf die Reichweite des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auswirken, aber den Umfang des Werbeverbots nicht an der konkreten Gefährlichkeit bestimmter Zubereitungen im Einzelfall ausrichtet, sondern das Musterabgabeverbot weiterfaßt, indem die Norm nur auf die "grundsätzliche" Einstufung der Substanzen als Betäubungsmittel abstellt.
46Auch unter dem Blickwinkel des Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie 92/28/EWG vom 31. März 1992 über die Werbung für Humanarzneimittel (ABL. Nr. L 113/13), dessen Umsetzung § 47 Abs. 3 S. 3 AMG dient, ergibt sich kein Anlaß, das in Rede stehende Musterabgabeverbot in einer anderen Weise zu beurteilen, als dies nach den vorstehenden Erörterungen vom Wortlaut der Norm und der Begründung des Regierungsentwurfs zur 5. AMG-Novelle vorgegeben wird. Eine Diskrepanz zwischen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG und der erwähnten europarechtlichen Vorschrift besteht bereits deshalb nicht, weil Art. 11 Abs. 2 der EG-Richtlinie 92/28/EWG den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit einräumt, die Abgabe von Mustern bestimmter Arzneimittel über Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie hinaus einzuschränken. Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie läßt sich jedoch auch ohne Heranziehung des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie dahin verstehen, daß nach dieser europarechtlichen Vorgabe ebenfalls die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" vom Musterabgabeverbot erfaßt sein sollen. Nach Art. 11 Abs. 1 g der EG-Richtlinie dürfen "keine Muster von Arzneimitteln abgegeben werden, die psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe im Sinne der internationalen Übereinkommen enthalten". Die Vorschrift verweist damit auf das Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe vom 30.03.1961 (BGBl II/1211) und auf das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe vom 21.02.1971 (BGBl II/1239). Dem Übereinkommen von 1961 (in dessen Anlagen II und III C. bzw. Zubereitungen von C. aufgeführt sind) lassen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die gegen die Auslegung des Art. 11 Abs. 1 g der Richtlinien als ein sich auch auf "ausgenommene Zubereitungen" erstreckendes Musterabgabeverbot sprechen könnten. Auch die Beklagte macht derartige Anhaltspunkte nicht geltend. Das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe kennt ebenfalls den Begriff der "ausgenommenen Zubereitungen", wie aus Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 des Übereinkommens hervorgeht. Es handelt sich dabei um Zubereitungen psychotroper Stoffe, die bei Vorliegen der im Übereinkommen genannten Voraussetzungen den Vertragsparteien die Möglichkeit geben, diese Zubereitungen von bestimmten in dem Übereinkommen vorgesehenen Kontrollmaßnahmen auszunehmen, wobei das Übereinkommen zugleich anführt, von welchen Kontrollmaßnahmen nicht befreit werden kann. In Art. 3 Abs. 4 des Übereinkommens von 1971 wird sodann geregelt, unter welchen Voraussetzungen es wieder zur Aufhebung der Ausnahme für die Zubereitung kommen kann. Die sogenannte "ausgenommene Zubereitung" im Sinne des Übereinkommens von 1971 stellt danach eine den einzelnen Vertragsparteien eingeräumte Möglichkeit dar, eine Ausnahmeregelung zu schaffen, ändert aber nichts daran, daß der psychotrope Stoff, der in der Zubereitung enthalten ist, eine psychotrope Substanz bzw. ein Suchtstoff im Sinne des Übereinkommens von 1971 ist. Der Wortlaut des Art. 11 Abs. 1 g der Richtlinie 92/28/EWG, der allein darauf abstellt, ob in den Arzneimittelmustern psychotrope Substanzen oder Suchtstoffe im Sinne der internationalen Übereinkommen enthalten sind, legt daher entgegen der Ansicht von W., Pharma Recht 1993/325 f. 328, ebenso wie § 47 Abs. 3 S. 3 AMG die Auslegung nahe, daß auch die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" von diesem Musterabgabeverbot erfaßt sein sollen. Diese Interpretation steht nicht im Widerspruch zu den Erwägungsgründen der EG-Richtlinie. Dort wird zwar anerkannt, daß die Abgabe von Arzneimittelmustern an Ärzte "unter Einhaltung bestimmter einschränkender Bedingungen" möglich sein soll, "damit sich diese mit neuen Arzneimitteln vertraut machen und Erfahrungen bei deren Anwendung sammeln können". Die Erwägungsgründe der EG-Richtlinie weisen jedoch zugleich darauf hin, daß die Arzneimittelwerbung strengen Voraussetzungen und einer wirksamen Kontrolle zu unterwerfen ist, wobei bei den Arzneimittelmustern - wie schon erwähnt - die "Einhaltung bestimmter einschränkender Bedingungen" als notwendig erachtet wird.
47§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG als ein auch die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen umfassendes Verbot steht daher im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Musterabgabeverbots.
48Bei Berücksichtigung aller erörterten Auslegungsmethoden ist somit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG als ein auch die sogenannten "ausgenommene Zubereitungen" im Sinne der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes umfassendes Musterabgabeverbot zu verstehen. Hat aber diese Vorschrift danach einen eindeutigen Regelungsgehalt, besteht schon deshalb keine Möglichkeit, sie jedenfalls im Wege der verfassungskonformen Auslegung in anderer Weise zu interpretieren. Voraussetzung für eine derartige Auslegung wäre nämlich, daß eine Vorschrift mehrere Verständnismöglichkeiten zuläßt (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. BVerfGE 31/119, 132; BVerfGE 32/372, 383), was jedoch bei § 47 Abs. 3 S. 3 AMG nicht der Fall ist. Die von der Beklagten geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG bei Erstreckung des Verbots auf die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" könnte somit allenfalls gemäß Art. 100 Abs. 1 GG Anlaß geben, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Aber auch dies kommt nicht in Betracht, denn § 47 Abs. 3 S. 3 AMG verstößt weder gegen Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG noch sonst gegen Verfassungsrecht.
49§ 47 Abs. 3 S. 3 AMG regelt das Werbeverhalten der pharmazeutischen Unternehmen bei der Abgabe von Arzneimittelmuster an Ärzte und an die anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG genannten Verkehrskreise. Damit berührt dieses Musterabgabeverbot den Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, zu dem auch das Verhalten im Wettbewerb einschließlich der Werbung gehört (BVerfG NJW 1993/1969 m.w.N.).
50Werbebeschränkungen betreffen jedoch regelmäßig nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern nur dessen Ausübung (BVerfGE 9/213, 221; BVerfG NJW 1993/1969). Im Streitfall gilt - ersichtlich auch nach dem Verständnis der Beklagten - nichts anderes. Die Regelung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG beschränkt lediglich die Möglichkeit der Pharmaunternehmen, Gratismuster bestimmter Arzneimittel abzugeben und dergestalt für diese Präparate zu werben. Damit wird durch § 47 Abs. 3 S. 3 AMG weder das Werbemittel der Musterabgabe völlig abgeschafft noch den Pharmaunternehmen hinsichtlich der von dieser Norm erfaßten Arzneimittel jegliche Möglichkeit genommen, die Ärzte und die anderen in § 47 Abs. 3 S. 1 AMG angeführten Verkehrskreise über ihre Produkte zu informieren. Vielmehr verbleiben den Pharmaunternehmen zahlreiche andere Werbeformen wie insbesondere die Veröffentlichung in Fachpublikationen, das Übersenden von Fachinformationen, die Durchführung von Fachveranstaltungen und die Vorstellung der Produkte bei den einzelnen Ärzten durch die Arzneimittelvertreter. Das Musterabgabeverbot beinhaltet damit keine Beschränkung der Berufswahl und stellt auch keine Berufsausübungsregelung dar, die wegen ihrer einschneidenden Wirkung wie ein Eingriff in das Recht der Berufswahl zu werten wäre (vgl. dazu BVerfGE 17/269, 276; BVerfGE 25/1,12). Die Zulässigkeit der in § 47 Abs. 3 S. 3 AMG enthaltenen Berufsausübungsregelung bestimmt sich deshalb im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG danach, ob diese Regelung durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist (BVerfGE 9/213, 221; BVerfGE 68/193, 198; BVerfGE NJW 1993/1969, 1970 m.w.N.). § 47 Abs. 3 S. 3 AMG genügt diesen Anforderungen.
51Wie bereits erörtert hatten sich die mit dem 2. AMG-Änderungsgesetz vom 16.08.1986 in das AMG eingefügten Beschränkungen der Musterabgabe als notwendig erwiesen, um aus Gründen der Arzneimittelsicherheit den festgestellten Problemen - insbesondere dem Ausufern des Musterabgabewesens - zu begegnen. Die erkannten Probleme waren dabei derart erheblich, daß die Bundesregierung 1986 vom Bundestag aufgefordert worden war, "die Entwicklung bei der Abgabe von Arzneimittelmuster zu beobachten, um gegebenenfalls bei mißbräuchlicher Anwendung entsprechende Maßnahmen zu veranlassen" (Beschluß des Deutschen Bundestages zum 2. AMG-Änderungsgesetz, abgedruckt in BT-Ds 12/5226, S. 56). Aus dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 (BT-Ds 12/5226, S. 23) geht hervor, daß die Neuregelung der Musterabgabe durch das 2. AMG-Änderungsgesetz es nicht geschafft hat, die Probleme im Musterabgabewesen auszuräumen. Die Bundesregierung gelangt zwar in dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 zu der Feststellung, daß die bisherige Regelung zur Abgabe von Arzneimittelmustern sachgerecht sei. Ersichtlich erkennt aber auch die Bundesregierung an, daß immer noch Problemebestanden haben, wenn es in dem AMG-Erfahrungsbericht 1993 heißt:
52"Bei verantwortungsvoller Einhaltung und durch wirksame Überwachung dieser Regulative können die erkannten Probleme zurückgedrängt werden."
53Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Betäubungsmittelgesetzes kann kein Zweifel bestehen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG in der streitgegenständlichen Auslegung hinreichenden Gründen des Gemeinwohls entspricht. Das Musterabgabeverbot unterstützt die Ziele des Betäubungsmittelgesetzes, insbesondere im Interesse der allgemeinen Gesundheit zur Bekämpfung der Suchtgefahr durch die in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes angeführten Stoffe und Zubereitungen den Verkehr mit diesen Substanzen wirksam zu kontrollieren und einzugrenzen, indem z.B. eine erleichterte Abgabe derartiger Arzneimittelmuster an den Patienten verhindert wird und darüber hinaus auch einem möglichen Mißbrauch bei der Entsorgung solcher Arzneimittel mit Betäubungsmittel auf diese Weise begegnet werden kann. Daß dabei das Verbot auch die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes umfaßt, erhöht dessen Effektivität. Kommt es nämlich nur darauf an, ob ein Arzneimittelmuster einen Stoff oder eine Zubereitung als solche im Sinne der erwähnten Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes enthält, und bedarf es deshalb keiner Prüfung, ob eventuell der Stoff oder die Zubereitung eine der in den Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes angeführten sehr komplexen Zusammensetzungen der sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" aufweist, erleichtert dies den Überwachungsbehörden die Kontrolle der Einhaltung des Musterabgabeverbots für Arzneimittel mit Suchtstoffen. Das sich auch auf die "ausgenommenen Zubereitungen" erstreckende Musterabgabeverbot unterstützt schließlich auch die im AMG-Erfahrungsbericht 1993 ersichtlich nicht ohne Grund angeführte Bestrebung, einem Ausufern des Muster-Abgabewesens wirksam zu begegnen, hier auf dem sensiblen Bereich der Betäubungsmittel.
54Daß das Musterabgabeverbot mit diesem weiten Bereich zur Erreichung der verfolgten, durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigten Zwecke geeignet ist, liegt auf der Hand. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ist jedoch zur Erreichung der verfolgten Zwecke auch erforderlich. Hierbei war zu beachten, daß dem Gesetzgeber bei wirtschaftsordnenden Maßnahmen, wie bei dem in Rede stehenden Musterabgabeverbot, hinsichtlich der Auswahl und der Gestaltung der Maßnahme ein weiterer Ermessungsbereich zuzugestehen ist. Eine gesetzliche Regelung ist deshalb nicht schon dann als unangemessen und deshalb als verfassungswidrig anzusehen, wenn es Lösungen gibt, die gegenüber der gesetzlichen Regelung gewisse Vorzüge aufweisen. Vielmehr können diese Lösungen nur dann eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot begründen, wenn sie sachlich dasselbe leisten und dabei die Freiheit des Einzelnen weniger einschränken (BVerfGE 25/1,19 f.). Die von der Beklagten angeführte "schonendere" Maßnahme gegenüber der gesetzlichen Regelung - ein Musterabgabeverbot, das sich vollständig an der Gefährdungseinschätzung der Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes ausrichtet und damit nicht die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" umfaßt - wäre aber kein Mittel, mit dem die von der gesetzlichen Regelung angestrebten Ziele in gleich wirksamer Weise gefördert würden. Hierbei kann auf die vorstehenden Erörterungen zu Sinn und Zweck des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG und seine Wirkungsweise zurückgegriffen werden. Hauptziel des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ist es, im Interesse des allgemeinen Gesundheitsschutzes einem Mißbrauch von Arzneimitteln mit Wirkstoffen, die Suchtgefahren auslösen können, vorzubeugen, indem mit dem Musterabgabeverbot der möglichen Gefahr entgegengetreten wird, daß derartige Arzneimittelmuster in den Arztpraxen in erleichterter Weise an den Patienten gelangen können, aber auch der Gefahr eines Mißbrauchs zum Beispiel bei der Entsorgung verfallener Arztmuster begegnet wird. Gerade bei Arzneimitteln mit Betäubungsmitteln ist - soll das Musterabgabeverbot seine Wirkung entfalten - eine effektive Kontrolle des Verbots geboten, zumal sich ausweislich des AMG-Erfahrungsberichts 1993 (BT-Ds 12/5226, S. 23, gezeigt hat, daß die bereits früher eingeführten Regulative der Musterabgabe zumindest einer wirksamen Überwachung bedürfen, um die immer noch bestehenden Probleme eines Ausuferns des Musterabgabewesens zurückzudrängen. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG schafft in der jetzigen Fassung, die unter Außerachtlassung der teilweise sehr komplexen Ausnahmeregelungen für die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" nur darauf abstellt, ob Arzneimittel Wirkstoffe der in den Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes genannten Art, in welcher Konzentration und Zubereitung auch immer aufweisen, eine klare Grenzziehung zwischen den erlaubten und den verbotenen Arzneimittelmustern. Dadurch kann die Überwachung des Verbots erleichtert und damit zugleich seine Einhaltung und Wirksamkeit gefördert werden. Demgegenüber stellt es eine Erschwerung der Kontrolle mit den sich daraus ergebenden Gefahren bei einer unzureichenden Überwachung des Verbots dar, wenn sich die Überprüfung der Arzneimittelmuster nicht nur darauf erstrecken muß, ob Stoffe der Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes darin enthalten sind, sondern auch, in welcher Zubereitung und ob die jeweilige Zubereitung den Anforderungen einer "ausgenommenen Zubereitung" entspricht. Angesichts der zahlreichen Medikamente, die auf dem deutschen Markt sind, und der großen Zahl der Ärzte kann dieser Umstand trotz der gemäß § 47 Abs. 4 AMG jährlich nur erlaubten zwei Muster je Arzt bei der Prüfung der Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung gegenüber einem die sogenannten ausgenommenen Zubereitungen nicht umfassenden Musterabgabeverbots nicht vernachlässigt werden.
55Soweit die Beklagte geltend macht, § 47 Abs. 3 S. 3 AMG sei in der streitgegenständlichen Auslegung schon wegen der durch die anderen Regulative herbeigeführten Beschränkungen der Musterabgabe, insbesondere wegen der in § 47 Abs. 4 AMG enthaltenen Begrenzung, übermäßig, steht dem bereits entgegen, daß § 47 Abs. 3 S. 3 AMG aus sachgemäßen Gründen des Gemeinwohls eine andere Zielsetzung als die übrigen Muster-Begrenzungen verfolgt, nämlich die Beschränkung der Abgabe von Arzneimittelmuster mit Stoffen und Zubereitungen, die grundsätzlich als gefährlich einzuschätzen sind. Im übrigen gilt auch hier, daß die Regelung des § 47 Abs. 4 AMG zwar die Musterabgabe gegenüber dem einzelnen Arzt (und den anderen in § 47 Abs. 3 S. 3 AMG genannten Verkehrskreise) einschränkt, angesichts der großen Zahl der auf dem Markt befindlichen Medikamente und der großen Zahl der Ärzte dieser Umstand aber nichts daran ändert, daß entsprechende Mengen mit der sich daraus ergebenden Mißbrauchsgefahr in den Verkehr gelangen.
56Die gesetzliche Regelung des § 47 Abs. 3 S. 2 AMG ist daher entsprechend den dargelegten Grundsätzen erforderlich und verstößt nicht gegen das Übermaßverbot.
57Schließlich kann keine Rede davon sein, daß das Musterabgabeverbot die Berufsausübung unzumutbar einschränkt. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, daß die Abgabe von Arzneimittelmuster sowohl im AMG-Erfahrungsbericht 1993 als auch in den Erwägungsgründen der EG-Richtlinie 92/28/EWG als Informationsmöglichkeit der Ärzte anerkannt wird. § 47 Abs. 3 S. 3 AMG führt aber nicht zu einer vollständigen Abschaffung der Musterabgabe, sondern untersagt eine derartige Abgabe nur hinsichtlich bestimmter Arzneimittel. Dieses Verbot hat zudem nicht zur Folge, daß damit eine Information des Arztes über diese Produkte nicht mehr möglich ist. Vielmehr bleiben, wie bereits erörtert, den Pharmaunternehmen zahlreiche, von ihnen unstreitig auch seit langem genutzte Werbemöglichkeiten wie zum Beispiel die Vorstellung des Produkts im persönlichen Gespräch durch den Arzneimittelvertreter, die Übersendung von ausführlichen Fachinformationen, die Publikation entsprechender Informationen in den Fachzeitschriften oder auch die Information im Rahmen von Fachveranstaltungen. Es ist nicht ersichtlich, daß diese Werbemöglichkeiten zur Information der Ärzte nicht ausreichend sind. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß die Abgabe von Gratismuster an Ärzte, wie die Beklagte meint, für die Erprobung der Produkte durch die Ärzte unabdingbar sei. Jedem Arzneimittel geht, bevor es auf den Markt gelangt, unstreitig eine umfangreiche Erprobung voraus, deren Ergebnisse sich in den ausführlichen Fachinformationen zum Medikament niederschlagen. Bei dem einzelnen Arzt kann es daher nur darum gehen, zu testen, ob ein bestimmtes Medikament auch bei dem konkreten Patienten die in den Fachinformationen genannten Wirkungen entfaltet und für diesen Patienten verträglich ist. Der Arzt, der eines der beiden ihm pro Jahr abgegebenen Arzneimittelmuster einem Patienten zur Verfügung stellt, erprobt damit dieses Arzneimittelmuster nicht anders als derjenige Arzt, der einem Patienten das ihm zum Beispiel durch Publikationen in der Fachliteratur bekannt gewordene Arzneimittel verschreibt. Nach alledem überschreitet § 47 Abs. 3 S. 3 AMG bei Gesamtabwägung zwischen der Schwere des mit dieser Regelung verbundenen Eingriffs in das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG und den Gründen, die zu diesem Eingriff geführt haben, nicht die Grenze der Zumutbarkeit. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, daß es bei § 47 Abs. 3 S. 3 AMG um den Schutz der menschlichen Gesundheit geht, damit um ein besonders hohes Schutzgut, dessen Schutz auch mit Mitteln angestrebt werden darf, die in das Grundrecht der Berufsfreiheit empfindlich eingreifen (BVerfGE 17/268, 276).
58Liegt danach ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG nicht vor, vermag Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls keine Verfassungswidrigkeit des streitgegenständlichen Musterabgabeverbots zu begründen. Auch insoweit geht es nur um die Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit in der Form der Werbefreiheit, also um den schon bei Art. 12 Abs. 1 GG geprüften Aspekt. Art. 2 Abs. 1 GG wird daher durch das spezielle Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt (vgl. BVerfG NJW 1993/1969, 1971).
59Es fehlt jedoch ebenfalls an einem Verstoß des § 47 Abs. 3 S. 3 GG gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
60Die Beklagte sieht die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG darin, daß als Folge der nur eingeschränkten Verweisung des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG auf die Anlagen II und III des Betäubungsmittelgesetzes das Arzneimittel C., dessen C.gehalt unterhalb der betäubungsmittelrechtlich vorgegebenen Relevanzschwelle liege, von dem Musterabgabeverbot erfaßt werde, nicht jedoch das mit diesem Arzneimittel konkurrierende Schmerzmittel T., weil die in T. enthaltene psychotrope Substanz T. weder von der EG-Richtlinie 92/28/EWG noch von den Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes erfaßt werde. Es fehlt jedoch an einem ausreichenden Sachvortrag der Beklagten, um - gegenbenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen - beurteilen zu können, ob T. tatsächlich in vergleichbarer Weise gefährlich ist wie C. und die Arzneimittel C. und T. infolgedessen ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt werden. Zu einem derartigen Vortrag der Beklagten bestand Anlaß, nachdem die Klägerin die Vergleichbarkeit der sich gegenüberstehenden Substanzen bestritten hat und die Beklagte selbst in ihrer Berufungsbegründung vom 05.06.1996 (Bl. 10 = Bl. 149 d.A.) Zweifel gegenüber einer Vergleichbarkeit von C. und T. vorträgt, wenn es dort heißt, daß C. eine zweifache, wenn auch jeweils ganz geringe suchterzeugende Wirkung aufweise, die gerade dem C. zueigen sei und möglicherweise dazu geführt habe, warum T. nicht in die Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz aufgenommen worden ist. Die Beklagte war bereits in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts auf die Notwendigkeit weiterer Darlegungen zu T. bzw. T. hingewiesen worden. Der Senat hat die Beklagte im Berufungstermin ebenfalls darauf hingewiesen, worauf die Beklagte erklärt hat, ein weiterer Vortrag zu T. bzw. T. erfolge nicht.
61Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist zudem auch aus folgenden Erwägungen zu verneinen: Die Bewertung, welche Wirkstoffe allein oder in bestimmten Zubereitungen wegen ihrer Gefährlichkeit als Betäubungsmittel anzusehen und den besonderen Anforderungen des Betäubungsmittelgesetzes zu unterwerfen sind, unterliegt einer ständigen Diskussion. Wirkstoffe oder Zubereitungen, die zunächst als unbedenklich oder wenig gefährlich eingeschätzt werden, können sich später als gefährlich herausstellen oder zumindest Anlaß zu einer verschärften Beobachtung geben; neue Substanzen, die Suchtgefahr auslösen können, werden entdeckt. Die mehrfachen Änderungen, die die Anlagen I, II und III des Betäubungsmittelgesetzes bis zu ihrer vorerst letzten Änderung durch die 5. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 18.01.1994 (BGBL I, 99) erfahren haben, spiegeln diese Entwicklung deutlich wieder (vgl. dazu z.B. den Überblick bei Körner, Betäubungsmittelgesetz, 4. Aufl., 1996, § 1 BtmG Rdnr. 8 bis 22). Schon vor diesem Hintergrund kann der Umstand, daß eine einzelne Substanz, wie eventuell T. (das ausweislich Körner, a.a.O., Anhang AMG Rdnr. 51 darauf beobachtet wird, ob es als Opiatersatzstoff mißbraucht wird), - noch - nicht in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes verzeichnet ist, nicht dazu führen, diese Listen mit den auf sie verweisenden Gesetzesvorschriften, wie hier § 47 Abs. 3 S. 3 AMG, gemäß Art. 3 Abs. 1 GG als verfassungswidrig anzusehen, auch wenn diese Substanz möglicherweise das gleiche suchtgefährdende Potential wie die anderen in den Anlagen genannten Substanzen aufweist. Derartige punktuelle Ungenauigkeiten hängen mit der Besonderheit der hier zu regelnden Materie zusammen, bei der sich oftmals erst nach längerer Beobachtung die Sucht- bzw. Mißbrauchsgefahr bestimmter Substanzen und Zubereitungen ausreichend sicher beurteilen läßt und wo es deshalb schon fast zwangsläufig ist, daß eine Erfassung aller hier in Rede stehenden Substanzen in den Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz nie vollständig sein wird.
62Das Musterabgabeverbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG steht daher, auch soweit es die sogenannten "ausgenommenen Zubereitungen" der Anlagen II oder III des Betäubungsmittelgesetzes erfaßt, im Einklang mit den Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Daß die in Rede stehende Norm unter anderen Aspekten gegen Verfassungsrecht verstoßen könnte, ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht geltend gemacht.
63Die damit vorliegende Zuwiderhandlung der Beklagten gegen § 47 Abs. 3 S. 3 AMG erfüllt zugleich den Tatbestand des § 1 UWG. Dies gilt schon deshalb, weil das Musterabgabeverbot aus den oben angeführten Erwägungen dem Schutzgut der Gesundheitsvorsorge dient und damit eine sogenannte wertbezogene Vorschrift darstellt, deren Verletzung ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG begründet. Im übrigen setzt sich die Beklagte bewußt über das Verbot des § 47 Abs. 3 S. 3 AMG hinweg, um auf diese Weise einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor ihren Mitbewerbern zu gewinnen, die - wie die Klägerin - ersichtlich dieses Verbot respektieren, so daß das Vorgehen der Beklagten auch unter diesem Aspekt einen Verstoß gegen § 1 UWG darstellt (vgl. zu diesen Grundsätzen Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 646 m.w.N.).
64Die Klägerin ist aktivlegitimiert, den sich somit aus § 1 UWG in Verbindung mit § 47 Abs. 3 S. 3 AMG ergebenden Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Unabhängig davon, ob die Klägerin als unmittelbar Verletzte der in Rede stehenden Wettbewerbshandlung der Beklagten anzusehen ist, ist sie jedenfalls gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG aktivlegitimiert, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht. Wie die Beklagte stellt die Klägerin A. her und vertreibt diese bundesweit. Daß die Wettbewerbshandlung der Beklagten im Sinne von § 13 Abs. 1 Ziff. 1 UWG geeignet ist, den Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt wesentlich zu beeinträchtigen, ist schon angesichts der Marktstärke der Beklagten im Hinblick auf die von ihrer Handlung ausgehenden erhebliche Nachahmungsgefahr entsprechender Wettbewerbsverletzungen durch andere Pharmaunternehmen zu bejahen.
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
66Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
67Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht dem Wert des Unterliegens der Beklagten im Rechtsstreit.