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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin, die zusammen mit ihren drei Söhnen Miterbin in ungeteilter Erbengemeinschaft nach ihrem am 2. Januar 1993 verstorbenen Ehemann Herrn P.- C. E. ist, macht mit der Klage Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen von ihr behaupteter fehlerhafter Behandlung des Erblassers durch die Beklagten zu 1) und 2) geltend.
3Der am 10. April 1936 geborene Erblasser hatte sich in den Jahren 1976 bis 1986 sowie 1988 Vorsorgeuntersuchungen der Prostata bei seinem Hausarzt Dr. med. H. unterzogen, welche jeweils unauffällige Befunde ergeben hatten. Lediglich im Jahre 1976 war bei dem Erblasser eine Prostatitis aufgetreten. Nachdem Dr. H. bei einer erneuten Krebsvorsorgeuntersuchung am 6. November 1990 bei der digitorektalen Prostatauntersuchung einen auffälligen Befund festgestellt hatte, überwies er den Erblasser zur weiteren Abklärung an den Urologen Dr. med. B.. Dieser befundete am 8. November 1990 eine palpatorisch zwar nicht vergrößerte Prostata, jedoch eine randförmige Verhärtung des linken Prostatalappens. Die von Dr. B. veranlaßte zweimalige Überprüfung der prostataspezifischen Antigene (nachfolgend: PSA- Werte) ergab deutlich über der Norm liegende Werte; für den 26. November 1990 wurde ein PSA- Wert von 19,2 ng/ml ermittelt. Wegen "dringenden Verdachts auf ein Prostata- Carcinom" (so die Formulierung in dem Arztbrief des Dr. B. vom 28. November 1990, Bl. 27 d.A.) hielt Dr. B. eine weitere Abklärung durch eine transrektale Sonographie sowie eine Stanzbiopsie der Prostata für erforderlich und wies den Erblasser zur entsprechenden stationären Untersuchung in das von der Beklagten zu 3) betriebene Krankenhaus ein. Die stationäre Aufnahme des Erblassers in der urologischen Abteilung des Krankenhauses, in welcher der Beklagte zu 1) Chefarzt und der Beklagte zu 2) Oberarzt war, erfolgte am 29. November 1990. Am 30. November 1990 führte der Beklagte zu 2) bei dem Erblasser eine transperineale Prostatastanzbiopsie durch. Im Operationsbericht ist dazu folgendes niedergelegt: "Im Bereich des linken Prostataseitenlappens tastet man einen suspekten Befund, der in Lokalanästhesie mit einer Freseniusnadel biopsiert wird. Es gelingt, 3 einwandfreie Zylinder zu stanzen, die zur Histologie gegeben werden."
4Der histologische Bericht des Pathologen Prof. Dr. Pf. vom 3. Dezember 1990, demzufolge drei Gewebszylinder von bis zu 1,3 cm Länge eingesandt worden waren, beschreibt das Ergebnis der pathologisch- anatomischen und histologischen Begutachtung wie folgt: "Spärliches Prostatagewebe mit Gruppen hyperplastischer Drüsen. Krebsgewebe liegt nicht vor." Wegen der Einzelheiten des histologischen Befundberichtes wird auf das in den Anlagen zu den Gerichtsakten befindliche Krankenblatt der Beklagten zu 3) für den Erblasser verwiesen. Am 3. Dezember 1990 wurde der Erblasser aus der stationären Behandlung entlassen. In dem Arztbrief des Beklagten zu 1) an den Internisten Dr. med. von E. vom 3. Dezember 1990 wurde um Lokalbefundkontrolle und Urinkontrolle gebeten. Am 6. Dezember 1990 suchte der Erblasser den Beklagten zu 1) in der Ambulanz auf. Der Beklagte zu 1) empfahl ihm eine Kontrolle der PSA- Werte in drei sowie eine erneute Vorsorgeuntersuchung in sechs Monaten. Ferner erklärte er dem Erblasser, daß es sich bei dem auffälligen Befund um ein Prostataadenom handele und kein Anhalt für ein Karzinom vorliege.
5Am 13. März 1991 fand eine erneute Kontrolle der PSA- Werte im Krankenhaus der Beklagten statt. Diese ergab einen Wert von über 30 ng/ml. Am 19./20.3 1991 erfragte der Erblasser bei dem Beklagten zu 1) telefonisch den Befund, wobei der Inhalt dieses Telefonats zwischen den Parteien streitig ist. Am 21. März 1991 trat der Erblasser eine 12- tägige Reise an und suchte nach seiner Rückkehr den Beklagten zu 1) am 9. April 1991 wieder auf. Der Beklagte zu 1) empfahl eine erneute Stanzbiopsie. Der Erblasser, der zunächst die Meinung eines weiteren Facharztes einholen wollte, stellte sich am 14. April 1991 bei dem Urologen Dr. Sp. in K. vor. Dieser nahm am 25. April 1991 eine ultraschallkontrollierte Biopsie der Prostata vor, deren histologischer Befund ein "mäßig bis gering differenziertes Prostatakarzinom in der Stanzbiopsie des linken Prostatalappens, Malignitätsgrad 2- 3" ergab. Bei der ebenfalls durchgeführten PSA- Kontrolle wurde ein Wert von 50ng/ml ermittelt. Eine ambulant durchgeführte Knochenszintigraphie ergab keinen Anhalt für das Vorliegen von Knochenmetastasen.
6Am 13. Mai 1991 wurde der Erblasser im Städtischen Krankenhaus K. in K. zur Durchführung einer transuretralen Resektion der Prostata (TUR- P), radikalen Orchiektomie sowie zur Mamillenbestrahlung stationär aufgenommen. Die TUR- P und die Orchiektomie wurden am 16. Mai 1991 durchgeführt. Die histologische Begutachtung des entnommenen Prostatamaterials zeigte eine noduläre Prostatahyperplasie; Anteile des vordiagnostizierten Prostatakarzinoms waren nicht nachweisbar. Am 24. Mai 1991 wurde der Erblasser aus der stationären Behandlung entlassen. In dem Entlassungsbericht vom 4. Juni 1991 ist als Diagnose "Prostatacarcinom Stadium C (T3, G3, Nx, Mo)" angegeben.
7Nachdem der Erblasser in der Folgezeit Hüftschmerzen geklagt hatte und in der erneuten Knochenszintigraphie ein Anreicherungsherd im rechten Os acetabulum festgestellt worden war, ergab eine am 13. Dezember 1991 durchgeführte Kernspintomographie des Beckens den dringenden Verdacht auf eine Metastase des rechten Acetabulums mit Beteiligung des Schambeins. Wegen ossärer Metastasierung des rechten Hüftgelenks und des rechten Os pubis wurde der Erblasser in der Zeit vom 17. Dezember 1991 bis 21. Januar 1992 in der R.- J.- Klinik in B. zur Durchführung einer Bestrahlung des rechten Hüftgelenks und des rechten Os pubis stationär aufgenommen. Weitere stationäre Behandlungen in der R.- J.- Klinik erfolgten in der Zeit vom 9. Februar 1992 bis 4. März 1992, 22. März 1992 15. April 1992, 27. April bis 11. Mai 1992 und vom 12. bis 27. Mai 1992. Eine dabei durchgeführte Ganzkörperskelettszintigraphie zeigte eine Metastasierung im Bereich der Schädelkalotte, des Rippenansatzes der siebten Rippe rechts, der Iliosakralfuge rechts, der Umgebung des rechten Hüftgelenks, des oberen Pfannenerkers links und der vorderen Beckenschaufel links. Eine Kernspintomographie der Wirbelsäule wies eine Metastasierung der ersten BW Körpers nach. Am 14. Juli 1992 erfolgte eine erneute stationäre Aufnahme des Erblassers in der Robert- Janker- Klinik, wo der Erblasser schließlich am 2. Januar 1993 verstarb.
8Am 3. August 1996 hat die Klägerin vor dem Landgericht Bonn gegenüber dem Beklagten zu 1) Klage erhoben; dem Beklagten zu 2) ist die Klage am 22. und der Beklagten zu 3) am 5. August 1996 zugestellt worden.
9Die Klägerin hat behauptet, die Behandlung ihres Ehemannes durch die Beklagten zu 1) und 2) sei ungenügend gewesen. Mit Rücksicht auf den auffälligen Befund sei die Durchführung der transperinealen Stanzbiopsie durch den Beklagten zu 2) nicht ausreichend gewesen. Auch die weitere Behandlung bzw. Behandlungsempfehlung durch den Beklagten zu 1) sei unzureichend gewesen. Da mit der Möglichkeit eines sehr aggressiv wachsenden bösartigen Tumors zu rechnen gewesen sei, hätte der Beklagte zu 1) bei der Besprechung am 3. Dezember 1990 dem Erblasser engmaschigere Kontrollen empfehlen müssen; insbesondere hätte wegen der bekannten Fehlerquote umgehend eine erneute Stanzbiopsie durchgeführt werden müssen. Bei sach- und zeitgerechter Behandlung ihres Ehemannes wäre, so hat die die Klägerin weiter behauptet, dessen Heilung möglich gewesen. Darüber hinaus hat sie den Standpunkt vertreten, daß ihr Ehemann über anderweitige Diagnosemöglichkeiten nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.
10Die Klägerin hat die Erstattung von Beerdigungskosten in Höhe von 6.343,41 DM verlangt sowie Ersatz weiterer materieller Schäden in Höhe von insgesamt 22.450,14 DM; insoweit wird auf die Schadensaufstellungen in der Klageschrift (Bl. 15 bis 17 und Bl. 17- 22 d. A.) Bezug genommen. Zu dem mit ihrem Feststellungsantrag geltend gemachten Unterhaltsschaden hat die Klägerin behauptet, daß der Erblasser bei rechtzeitiger Diagnosestellung und anschließender sachgerechter Behandlung noch auf Jahre hinaus arbeitsfähig geblieben wäre.
11Die Klägerin hat beantragt,
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141. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie, Herrn M.- A. E., Herrn C.- M. E. sowie Herrn K. -S. E. zur gesamten Hand DM 6.343,41 nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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172. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie, Herrn M.- A. E., Herrn C.- M. E. sowie Herrn K.- S. E. zur gesamten Hand 22.450,14 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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203. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie, Herrn M.- A. E., Herrn C.- S. E. sowie Herrn K.- A. E. zur gesamten Hand ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 50.000,- DM, dessen Höhe im übrigen in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
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234. festzustellen, daß die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr den ihr entstandenen und noch entstehenden Unterhaltsschaden zu ersetzen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
24Die Beklagten haben beantragt,
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27die Klage abzuweisen.
28Sie haben die gegen sie gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen und behauptet, entsprechend den Erkenntnissen der Schulmedizin vorgegangen zu sein. Ferner haben sie geltend gemacht, daß auch eine frühere Diagnose, insbesondere auch bereits im Dezember 1990, an dem Verlauf der Erkrankung nichts geändert hätte.
29Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß seinem Beweisbeschluß vom 30. September 1996 (Bl. 191- 145 d.A.) durch Einholung eines schriftlich erstatteten und mündlich erläuterten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. En.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bl. 179- 189 d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 12. Februar 1997 (Bl. 203- 210 d.A.) Bezug genommen.
30Mit seinem am 24. März 1996 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß den Beklagten zu 2) und 3) keine Behandlungsfehler nachgewiesen seien und daß ferner zweifelhaft geblieben sei, daß eine frühere Wiederholung der Stanzbiopsie zu einem wesentlich anderen Krankheitsverlauf geführt hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 230- 245 d.A.) Bezug genommen.
31Gegen dieses ihr am 3. April 1997 zugestellte Urteil hat der Klägerin am 30. April 1997 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel mit einem am 30. Juni 1997 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf ihren rechtzeitigen Antrag bis zu diesem Tag verlängert worden war.
32Die Klägerin, die ihr Klageziel in vollem Umfang weiterverfolgt, ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie stellt sich auf den Standpunkt, daß es einen groben Behandlungsfehler dargestellt habe, daß nach dem negativen Befund der von dem Beklagten zu 2) durchgeführten Biopsie nicht umgehend ein weiteres Mal biopsiert und dem Erblasser statt dessen eine erneute PSA- Kontrolle nach drei Monaten empfohlen wurde. Angesichts der bei dem Erblasser bestehenden Besonderheiten- hochgradiger Karzinomverdacht angesichts des palpatorischen Befundes und der weit außerhalb der Norm liegenden PSA- Werte, unsichere Ausschlußdiagnostik der Biopsie, verhältnismäßig niedriges Lebensalter des Erblassers - habe eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines aggressiven Tumors gesprochen, weshalb noch im Dezember 1990 eine erneute Biopsie hätte vorgenommen werden müssen. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. En. trage diesen Gesichtspunkten nicht Rechnung. Es sei zudem in sich widersprüchlich, weil der Sachverständige zum einen darauf hingewiesen habe, daß das von dem Beklagten zu 1) empfohlene Kontrollintervall auf den Erkenntnissen der Schulmedizin, daß Prostatakarzinome im allgemeinen langsam wachsen, beruhe, andererseits aber eingeräumt habe, daß Krebspatienten mit einem noch verhältnismäßig jugendlichen Lebensalter wie der Erblasser meistens einen undifferenzierten, schnell wachsenden Prostatakrebs hätten. Die Klägerin hält deshalb die Einholung eines anderweitigen Gutachtens für erforderlich, zumal das Gutachten auch im Hinblick auf die Beurteilung der Kausalität in sich nicht stimmig sei; der Sachverständige habe darauf hingewiesen, daß der Erfolg einer kurativen Behandlung davon abhängig gewesen wäre, ob sich bereits im November/ Dezember 1990 Metastasen gebildet hatten und dies- anders als ursprünglich in seinem schriftlichen Gutachten- bei seiner mündlichen Anhörung als weniger wahrscheinlich bezeichnet. Es sei davon auszugehen, so trägt die Klägerin weiter vor, daß zumindest eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit dafür bestanden habe, daß der Erblasser bei rechtzeitiger Diagnose von seiner Krebserkrankung vollständig hätte geheilt werden können. Verbleibende Kausalitätszweifel müßten zu Lasten der Beklagten gehen, da sie der Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers treffe. Der Beklagte zu 2) sei ebenso wie der Beklagte zu 1) einstandspflichtig, weil er das Behandlungskonzept des Beklagten zu 1) mitgetragen habe, wie sich unter anderem daraus ergebe, daß er den Entlassungsbericht mitunterschrieben habe. Angesichts seiner exponierten Stellung als Operateur habe es ihm oblegen, sich ein eigenes Bild zu machen und dem Beklagten zu 1) zu verdeutlichen, daß dessen Behandlungskonzept nicht sachgerecht sei.
33Die Klägerin beantragt,
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36das angefochtene Urteil abzuändern und nach Maßgabe ihrer erstinstanzlichen Schlußanträge zu erkennen.
37Die Beklagten beantragen,
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40die Berufung zurückzuweisen.
41Die Beklagten treten den Berufungsangriffen der Klägerin entgegen. Unter anderem bezweifeln sie, daß der Erblasser zum Zeitpunkt der von dem Beklagten zu 2) durchgeführten Biopsie bereits an einem Prostatakarzinom erkrankt war, und weisen darauf hin, daß es wissenschaftliche Untersuchungen gebe, wonach bei Patienten mit einem PSA- Wert um 20,0 ng/ml nur eine Karzinomwahrscheinlichkeit von 75% Prozent bestehe. Im übrigen verteidigen sie das erstinstanzliche Urteil, soweit es ihnen günstig ist.
42Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
43E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
44Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht eingelegt und in prozeßordnungsgemäßer Weise begründet worden. In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch nicht gerechtfertigt.
45Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Den Beklagten zu 2) trifft bereits deshalb keine Einstandspflicht, weil ihm Behandlungsfehler nicht vorzuwerfen sind. Eine Haftung des Beklagten zu 1)- für dessen Versäumnisse die Beklagte zu 3) gemäß §§ 31, 89 BGB aufzukommen hätte- scheidet zumindest deshalb aus, weil die Klägerin den ihr obliegenden Beweis dafür, daß die Krankheit des Erblassers einen wesentlich anderen Verlauf genommen hätte, wenn das Prostatakarzinom des Erblassers alsbald nach der fehlgeschlagenen transperinealen Biopsie des Beklagten zu 2) durch eine erneute Biopsie festgestellt worden wäre, nicht führen kann.
461) Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. En., an dessen hoher fachlicher Kompetenz der Senat ebensowenig Zweifel hat wie das Landgericht, ist zwar davon auszugehen, daß das am 26. April 1991 festgestellte Prostatakarzinom bereits zum Zeitpunkt der von dem Beklagten zu 2) vorgenommenen Stanzbiopsie vorhanden war und bei einer alsbaldigen Wiederholung der Biopsie auch festgestellt worden wäre. Wie Prof. Dr. En. in seinem schriftlichen Gutachten und bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht erläutert hat, sprach im November/Dezember 1990 nicht nur der deutlich erhöhte PSA- Wert von 19,2 ng/ml, der für sich allein genommen noch nicht hinreichend aussagekräftig sein mag, dafür, daß bei dem Erblasser ein Prostatakarzinom vorlag, sondern es kam noch der verdächtige digitorektale Tastbefund hinzu. Patienten mit einer solchen Konstellation seien bereits, so hat es Prof. Dr. En. unter Hinweis auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung aus dem Jahre 1996 in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, zu 91 % Karzinomträger. Wie Prof. Dr. En. darüber hinaus klar verdeutlicht hat, läßt sich aufgrund der im April/ Mai 1991 getroffenen Feststellungen, die einen PSA- Wert bei 50ng/ml sowie ein Tumor- Stadium C und ein Tumor- Grading G3 und Mo, ferner ein kapselüberschreitendes Wachstum im craniellen linken Prostatalappen ergeben haben, sowie schließlich auch mit Rücksicht auf die im Dezember 1991 festgestellte Knochenmetastasierung in der Rückschau der sichere Schluß ziehen, daß das Karzinom im Dezember bereits 1990 vorhanden war und bei wiederholter Stanzbiopsie auch diagnostizierbar gewesen wäre. Die von den Beklagten in der Berufungserwiderung insoweit geäußerten Zweifel teilt der Senat nicht, auch wenn, wie die Beklagten behaupten, wissenschaftliche Studien ergeben haben mögen, daß bei einem PSA- Wert von 20ng/ml nur eine Karzinom- Wahrscheinlichkeit von 75% bestehe. Der im November 1990 festgestellte PSA- Wert war für den Sachverständigen gerade nicht das einzige Kriterium für seine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung, sondern nur ein indizieller Faktor unter einer ganzen Reihe aussagekräftiger Hinweise.
472) Dem Beklagten zu 2) kann allerdings, wie das Landgericht zutreffend gemeint hat, nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß das Prostatakarzinom nicht bereits im Dezember 1990 erkannt wurde. Wie von der Klägerin auch nicht mehr angezweifelt wird, besteht nach dem Gutachten von Prof. Dr. En. kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagten zu 2) bei der Durchführung der Biopsie unsachgemäß vorgegangen sein könnte. Die transperineal erfolgte dreimalige Stanze war weder im Hinblick auf den Zugangsweg noch im Hinblick auf ihre Anzahl zu beanstanden. Eine ultraschallgesteuerte transrektale Biopsie wäre vorliegend zwar eventuell erfolgversprechender gewesen. Jedoch sind transperineale Prostatastanzbiopsien bei suspektem Tastbefund in der Praxis ebenso üblich und damit lege artis. Der Operationsbericht gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür her, daß dem Beklagten zu 2) im Zuge des Eingriffs irgendwelche Fehler unterlaufen sein könnten. Der Umstand, daß kein verdächtiges Material gewonnen werden konnte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Die Fehlerquote von Stanzbiopsien ist auch bei sachgerechter Ausführung verhältnismäßig hoch; nach den von Prof. Dr. En. bei seiner mündlichen Anhörung gemachten Angaben liegt die Treffsicherheit nur bei 60 bis 80 %. Folgt hieraus auch, wie der Sachverständige weiter erläutert hat, bei klinischpalpatorischem Karzinomverdacht die Forderung nach einer weiteren Befunderhebung, so trifft jedenfalls nicht den Beklagten zu 2) der Vorwurf, nicht dafür gesorgt zu haben, daß die Biopsie umgehend wiederholt würde, weil er mit der weiteren Behandlung des Klägers, eines Wahlleistungspatienten des Beklagten zu 1), nicht befaßt war. Insbesondere war er nicht an dem ambulanten Gespräch am 6. Dezember 1990 beteiligt, bei dem der Beklagte zu 1) dem Erblasser zu einer erneuten PSA- Bestimmung nach drei Monaten und einer Vorsorgeuntersuchung nach sechs Monaten riet. Eine Einstandspflicht des Beklagten zu 2) kann auch nicht damit begründet werden, daß er den Arztbrief vom 3. Dezember 1990 mitunterzeichnet hat. Dies geschah ersichtlich lediglich in seiner Funktion als Operateur. Da schließlich nicht ersichtlich ist, daß der Beklagte zu 2) selbst einen Anhaltspunkt dafür hatte, daß die Probeentnahmen unzureichend waren -die in dem histologischen Bericht enthaltene Charakterisierung des entnommenen Materials als "spärlich" reicht dafür nach Auffassung des Senats nicht-, kann es dem Beklagten zu 2) nicht zum Vorwurf gereichen, daß er den Beklagten zu 1) nicht auf die Notwendigkeit einer alsbaldigen Wiederholung der Biopsie hinwies.
483) Demgegenüber neigt der Senat zwar zu der Auffassung, daß der Beklagte zu 1) das ihm nach den Darlegungen von Prof. Dr. En. zustehende Ermessen bei der Beurteilung, in welchem Zeitintervall eine erneute Biopsie vorzunehmen sei, vorwerfbar nicht richtig ausgeübt hat, indem er zu einer erneuten Kontrolle der PSA- Werte nach drei Monaten riet. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ist zum einen zwar zu entnehmen, daß diese Empfehlung angesichts des normalerweise langsamen Wachstums eines Prostatakarzinoms der Schulmedizin entsprochen habe, womit er ersichtlich das übliche Vorgehen gemeint hat (Bl. 205 d.A.). Zum anderen hat er aber darauf hingewiesen, daß im Hinblick auf das noch verhältnismäßig junge Alter des Erblassers eher mit einem undifferenzierten und deshalb aggressiven, schnellwachsenden Tumor zu rechnen gewesen sei. Hiermit steht die Erklärung des Sachverständigen in Einklang, daß wohl die Mehrzahl der Urologen sich für eine raschere Wiederholung der Biopsie entschieden hätte. Der Sachverständige hat ferner bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, daß man bei dem Erblasser angesichts des hohen PSA- Wertes "sicher" schneller eine neue Biopsie hätte durchführen sollen (Bl. 207/208). Nach Auffassung des Senats deuten diese Erläuterungen darauf hin, daß es unter den konkreten Umständen unter Berücksichtigung des medizinischen Standards wohl doch zu fordern gewesen wäre, den Erblasser in einem erheblich kürzeren Intervall zu einer erneuten Biopsie wieder einzubestellen, auch wenn der Sachverständige betont hat, daß die Empfehlung einer Wiederholung der PSA- Kontrolle in drei Monaten regelhaft gewesen sei.
49Dies kann jedoch letztlich dahinstehen. Denn die Feststellung, daß die von dem Beklagten zu 1) gegebene Empfehlung vorwerfbar fehlerhaft war, würde der Klägerin im Ergebnis nicht weiterhelfen, weil ihre Ansprüche jedenfalls an dem erforderlichen Kausalitätsnachweis scheitern müssen. Der Sachverständige Prof. Dr. En. hat nachvollziehbar dargelegt, daß begründete Zweifel daran bestehen, daß bei einer frühzeitigeren Entdeckung des Karzinoms noch eine kurative Behandlung möglich gewesen wäre und die Krankheit des Erblassers damit einen günstigeren Verlauf genommen hätte. Eine kurative Behandlung im Dezember 1990 - wie etwa eine radikale Prostatektomie oder eine Bestrahlung - wäre, wie Prof. Dr. En. nachvollziehbar dargelegt hat, nur dann erfolgversprechend gewesen, wenn sich das Karzinom zu diesem Zeitpunkt noch nicht kapselübergreifend entwickelt hatte. Hierunter ist zu verstehen, daß weder ein kapselüberschreitendes Wachstum noch ein (bereits im Frühstadium klinisch latent möglicher) Lymphknoten- oder Knochenmetastasenbefall vorliegen durfte. An der letztgenannten Voraussetzung hat der Sachverständige ernstliche Zweifel geäußert und plausibel dargelegt, daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit - an späterer Stelle hat der Sachverständige sogar eine hohe Wahrscheinlichkeit angenommen (Bl. 207 d.A.)- dafür spreche, daß bereits im Dezember 1990 eine Metastasierung vorlag, auch wenn, was indessen nicht aussagekräftig sei, das im April 1991 durchgeführte Knochenszintigramm noch keinen Nachweis erbracht hat. Bei einem PSA- Wert von annähernd 20ng/ml, wie er hier im November 1990 festgestellt worden war, ist, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung erläutert hat, nach der allgemeinen Statistik bereits von einer Metastasierungsrate von 30 bis 50% auszugehen. Hier kommt nach seinen einleuchtenden Darlegungen entscheidend hinzu, daß in der Statistik das Tumorgrading nicht berücksichtigt ist, der Erblasser aber unter einem von Beginn an schlecht differenzierten, aggressiven Tumor litt, der das Metastasierungsrisiko individuell erhöhte. Diese Einschätzung hat der Sachverständige entgegen der Interpretation der Klägerin nicht zurückgenommen, indem er im Zuge seiner weiteren Befragung erklärt hat, es lasse sich nicht widerlegen, daß, bezogen auf den Erblasser, die Wahrscheinlichkeit von Metastasen geringer war (Bl. 208). Mit diesem Satz hat der Sachverständige nach dem Verständnis des Senats lediglich klargestellt, daß statistische Werte keinen Beweis für den Einzelfall liefern. An der Überzeugungskraft der auf die konkreten Fallmerkmale bezogenen Argumentation des Sachverständigen, daß mit Wahrscheinlichkeit von einer Metastasierung im Erstuntersuchungszeitpunkt auszugehen sei, ändert sich hierdurch nichts.
50War es aber bereits im Zeitpunkt der Erstuntersuchung zu einer Metastasierung gekommen, dann kam für die Prognose des Erblassers das schlechte Tumor- Grading wiederum erschwerend hinzu. Die Prognose ist in solchen Fällen sehr ungünstig, eine kurative Therapie kaum noch denkbar (Bl. 206). Als Indiz dafür, daß auch bei einer im Dezember 1990 begonnenen Behandlung der Krankheitsverlauf kaum besser gewesen wäre, hat der Sachverständige einleuchtend die Tatsache bezeichnet, daß bei dem Erblasser zeitlich kurzfristig nachweisbare Knochenmetastasen aufgetreten sind. Hieraus läßt sich, wie dem Senat auch aus anderen Prozessen bekannt ist, auf einen in besonderem Maße aggressiven Charakter der Tumorerkrankung schließen.
51Der Senat erachtet ebenso wie das Landgericht diese von großer Sachkunde getragenen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. En. für überzeugend. Die Überlegung des Senats, ob der Rat des Beklagten zu 1) zu dem üblichen Kontrollintervall nicht doch als vorwerfbarer Fehler anzusehen ist, mindert die Überzeugungskraft des Gutachtens insgesamt nicht, zumal in diese Beurteilung auch rein rechtliche, von dem Sachverständigen ohnehin nicht zu beantwortende Fragen einfließen. Von der Einholung eines anderweitigen Gutachtens konnte jedenfalls zu den kausalen Zusammenhängen kein besserer Aufschluß erwartet werden, so daß der Senat keinen Anlaß gesehen hat, dem entsprechenden Antrag der Klägerin nachzukommen.
52Die verbleibenden Zweifel jedenfalls müssen sich zum Nachteil der Klägerin auswirken, da nach allgemeinen Beweisgrundsätzen der Patient für den Kausalzusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden beweispflichtig ist. Beweiserleichterungen können der Klägerin nicht zugute kommen, und zwar unabhängig davon, wie man die Fehleinschätzung des Beklagten zu 1), ihre Vorwerfbarkeit vorausgesetzt, rechtlich einordnet: Ob als Behandlungsfehler in Gestalt einer unzutreffenden Sicherheitsaufklärung, ob als Diagnosefehler oder als Verstoß gegen wesentliche Befunderhebungspflichten. Keinesfalls ließe sich die Empfehlung des Beklagten zu 2) als grob fehlerhaft, also als ein Verstoß gegen elementare Behandlungsgrundsätze bzw. ein fundamentaler Irrtum, wie er einem Arzt in der Situation des Beklagten zu 1) schlechterdings nicht unterlaufen dürfte, charakterisieren, so daß eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin nach den vom BGH für grobe Behandlungs- und Diagnosefehler entwickelten Grundsätzen (vgl. dazu Steffen, Neue Entwicklungslinien des Arzthaftungsrechts, 6. Aufl., S. 196, 198/199) nicht in Betracht kommt. Dies gilt auch im Hinblick auf die dem Erblasser am 6. Dezember 1990 mitgeteilte Diagnose, es handele sich um ein Prostataadenom; denn tatsächlich lag ein solches, wie nach den Erläuterungen des Sachverständigen die histologischen Befunde gezeigt haben, zusätzlich zu dem verdächtigen Befund auch vor. Für den hohen PSA- Wert von 19,2 ng /ml gab es, wie Prof. Dr. En. erläutert hat, ebenso wie für den auffälligen Tastbefund anderweitige, nicht auf ein Karzinom hindeutende Erklärungen. So konnte etwa die seitliche Verhärtung mit der früher durchgemachten Prostatitis in Zusammenhang gebracht werden. Wenn diese Erklärungen auch unter den gegebenen Umständen nicht sonderlich zwingend waren, so lassen sie es jedenfalls nicht als gänzlich verfehlt erscheint, daß der Beklagte zu 1) keine sofortige Wiederholung der Biopsie vorschlug, sondern das im Regelfall übliche Abwarten der weiteren Entwicklung in einem überschaubaren Intervall empfahl. Da sich - wie oben ausgeführt- jedenfalls auch keine Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, daß die Krankheit einen entscheidend besseren Verlauf genommen hätte, wenn sie im Dezember 1990 erkannt und einer Behandlung zugeführt worden wäre, würde es der Klägerin im Ergebnis auch nichts nützen, wenn man dem Beklagten zu 1) einen Verstoß gegen zweifelsfrei bestehende Befunderhebungspflichten zur Last legte. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. die Nachweise bei Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, Rdn. 121) könnte eine Beweislastumkehr der Klägerin wegen eines solchen Fehlers nur dann zugute kommen, wenn der ungünstige Krankheitsverlauf bei dem Erblasser mit Wahrscheinlichkeit auf die unzureichende Befunderhebung zurückzuführen gewesen wäre (vgl. dazu Nixdorf VersR 1996, 160f), d.h., eine gute Möglichkeit dafür bestanden hatte, daß bei frühzeitiger Erkennung des Prostatakarzinoms eine kurative Behandlung zum Erfolg geführt hätte. Hiervon kann nach dem Gutachten von Prof. Dr. En. indessen nicht ausgegangen werden.
53Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 14. Oktober 1997 gibt zu einer anderweitigen Beurteilung keinen Anlaß.
54Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
55Wert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Klägerin:
5688.793,55 DM