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T a t b e s t a n d :
2Mit der Klage nimmt der am 4. Juli 1991 geborene Kläger die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung nach einer von ihm am 23. Oktober 1993 erlittenen Schädelfraktur in Anspruch. Wie zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz unstreitig geworden ist, ist die durch die Schädelfraktur bedingte Gehirnblutung bei dem Kläger aufgrund ärztlicher Versäumnisse des Beklagten zu 3) und der seinerzeit im Krankenhaus der Beklagten zu 1) diensthabenden Ärztin Dr. K. zu spät erkannt und behandelt worden, weshalb der Kläger einen bei rechtzeitiger Entlastung des Hämatoms vermeidbaren, zum Teil irreversiblen Gehirnschaden erlitten hat.
3Der Kläger war am Morgen des 23. Oktober 1993 aus einem Hochstuhl mit dem Kopf voran auf einen Holzfußboden gestürzt und hatte sich dabei eine Fraktur der rechten Temporalschuppe zugezogen. Er wurde um 20.00 Uhr, nachdem sich bei ihm Erbrechen und eine Eintrübung bemerkbar gemacht hatten, in dem von der Beklagten zu 1) betriebenen Krankenhaus von der damals als Ärztin im Praktikum tätigen Zeugin Dr. K. auf der Kinderabteilung stationär aufgenommen, deren Chefarzt der ursprüngliche Beklagte zu 2) ist. Der Beklagte zu 3), der den Kläger gegen 21.00 Uhr untersuchte, ist dort Oberarzt und hatte in jener Nacht sog. Hintergrunddienst. In den Morgenstunden wurde der Kläger somnolent. Nachdem ein daraufhin von dem Beklagten zu 3) veranlaßtes craniales CT den Befund eines epiduralen Hämatoms ergeben hatte, wurde der Kläger mit dem Rettungshubschrauber in die neurochirurgische Universitätsklinik B. verlegt. Dort wurde um 11.15 Uhr notfallmäßig eine erste Bohrlochtrepanation mit anschließender osteoplastischer Trepanation und Ausräumung des Hämatoms vorgenommen. Danach wurde der Kläger auf der Intensivtherapiestation intensivmedizinisch betreut. Ein Kontroll- Computertomogramm zeigte am 25. Oktober 1993 einen Infarkt im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri posterior rechts. Am 26. Oktober 1993 wurde der Kläger extubiert. Es stellte sich eine anfänglich deutliche linksseitige Hemiparese heraus, die sich langsam zurückbildete. Darüber hinaus ergab sich der Verdacht auf eine homonyme Hemianopsie nach links. Am 8. November 1993 wurde der Kläger in häusliche Pflege entlassen mit dem klinisch weiterhin bestehenden Bild einer homonymen linksseitigen Hemianopsie und noch diskret nachweisbarer Hemiparese links, die sich in einer Minderbeweglichkeit von Arm und Bein äußerte. Mit Rücksicht hierauf mußte sich der Kläger in der Folgezeit einer intensiven krankengymnastischen und psychomotorischen Therapie unterziehen. Als andauernde Schäden sind bei dem Kläger ein leichtes Hemisyndrom mit Störung der beidhändigen Koordination und Beeinträchtigung der Feindosierung der motorischen Fähigkeiten eingetreten, ferner eine Einschränkung des Gesichtsfeldes nach links sowie neuropsychologisch erhebliche Leistungseinschränkungen bei der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung.
4Mit seiner vor dem Landgericht B. erhobenen Klage hat der Kläger neben den Beklagten zu 1) und 3) auch dem Chefarzt der Kinderabteilung, dem früheren Beklagten zu 2.), schwerwiegende Versäumnisse im Hinblick auf seine ärztliche Versorgung in der Nacht auf den 24. Oktober 1993 vorgeworfen. Er hat behauptet, daß im Falle einer zutreffenden Auswertung der nach seiner Aufnahme am Abend des 23. Oktober 1993 von der Zeugin Dr. K. veranlaßten Röntgenaufnahmen bzw. einer rechtzeitigen Anfertigung eines cranialen Computertomogramms das epidurale Hämatom früher hätte erkannt und ausgeräumt worden wäre, wodurch seine zum Teil irreversible Hirnschädigung vermieden worden wäre.
5Der Kläger hat Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz verlangt. An materiellen Schäden hat der Kläger unter anderem durch ärztliche Behandlungen und verschiedene Therapien bedingte Fahrtkosten, erhöhten Zeitaufwand seiner Eltern für seine Betreuung sowie Kosten für die Anschaffung von Geschicklichkeitsspielzeug in Höhe von insgesamt 34.643,99 DM entsprechend seiner in seiner Klageschrift (Bl. 8- 10 d.A.) enthaltenen Auflistung geltend gemacht. Ferner hat er ein Schmerzensgeld von 50.000,- DM sowie eine Schmerzensgeldrente von monatlich 500,- DM für angemessen gehalten.
6Der Kläger hat beantragt,
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9die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
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151. an ihn 34.643,99 DM nebst 15% Zinsen ab dem 11. Mai 1996 (Datum der Klagezustellung) zu zahlen;
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182. an ihn ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4% Zinsen seit dem 11.5.1996 zu zahlen;
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213. an ihn eine Schmerzensgeldrente, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen;
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244. festzustellen, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihm alle aufgrund der am 23./24. Oktober 1993 erfolgten fehlerhaften Behandlung in Zukunft entstehenden Schäden zu ersetzen, soweit diese nicht auf öffentlich- rechtliche Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
25Die Beklagten haben beantragt,
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28die Klage abzuweisen.
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32Sie haben die ihnen vorgeworfenen Behandlungsfehler bestritten und außerdem behauptet, daß auch eine frühzeitigere Verlegung in die Neurochirurgische Universitätsklinik nichts an dem weiteren Verlauf geändert hätte, insbesondere nichts an dem Eintritt etwaiger Schäden.
33Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung sowie durch Einholung eines schriftlich erstatteten und mündlich erläuterten kinderneurologischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. K. (nebst psychologischem Zusatzgutachten der Diplom- Psychologin F.) sowie eines ebenfalls schriftlich erstatteten und mündlich erläuterten neurochirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. K..
34Mit seinem am 3. März 1997 verkündeten Urteil hat das Landgericht die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, daß dem mit der Behandlung des Klägers nicht befaßten Beklagten zu 2) keine Versäumnisse zur Last zu legen, ihm insbesondere auch keine Organisationsfehler vorzuwerfen seien.
35Gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben. Gestützt auf die vorgenannten Gutachten, hat das Landgericht festgestellt, daß infolge vorwerfbarer Versäumnisse des Beklagten zu 3) und der Zeugin Dr. K. die Diagnose und Behandlung der durch die Schädelfraktur bei dem Kläger verursachten Gehirnblutung verzögert worden sei. Als Folge hiervon habe der Kläger anhaltende Schäden in Gestalt eines linksseitigen Hemisyndroms, visueller Wahrnehmungsstörungen und einer deutlichen Störung der Persönlichkeitsentwicklung davongetragen, deren Ausmaß für die Zukunft jedoch noch nicht hinreichend sicher zu erfassen sei. Aus diesem Grunde hat das Landgericht dem Kläger im Hinblick auf die bis zur letzten mündlichen Verhandlung am 5. Februar 1997 erlittenen Beeinträchtigungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 DM zugesprochen. Den weitergehenden Schmerzensgeldanspruch des Klägers hat es als derzeit unbegründet abgewiesen. An materiellem Schadensersatz hat das Landgericht dem Kläger insgesamt 15.484,99 DM zuerkannt. Hierin enthalten sind unter anderem Fahrtkosten für Fahrten zu Ärzten, Kliniken und Therapeuten und zum wöchentlichen Schwimmen mit den Eltern in B (letzteres zur Hälfte) bis zum 14. Februar 1996, Gutachterkosten sowie die Kosten für die Anschaffung von Geschicklichkeitsspielzeug. Darüber hinaus hat das Landgericht dem Kläger eine Entschädigung für den Zeitaufwand der Eltern zugebilligt, der durch die vermehrte Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit des Klägers entstanden ist, wobei es einen geschätzten Mehrbedarf von einer Stunde pro Tag zugrundegelegt hat. Als Stundensatz hat das Landgericht dabei 15,- DM zugebilligt. Dem Feststellungsantrag hat das Landgericht in vollem Umfang entsprochen.
36Wegen der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 264- 284 d.A.) Bezug genommen.
37Gegen dieses ihm am 11. März 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. April 1997 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am 12. Juni 1997 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf seinen rechtzeitigen Antrag bis zu diesem Tag verlängert worden war. Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Berufung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 1997 zurückgenommen.
38Der Kläger, der sein erstinstanzliches Klagebegehren gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) -mit Ausnahme der ihm zur Hälfte aberkannten Fahrtkosten für das wöchentliche Schwimmen- unter Anpassung an den zwischenzeitlichen Zeitablauf vollen Umfanges weiterverfolgt, meint, daß der mit der notwendigen Begleitung zu Arztbesuchen, Krankengymnastik und anderen Therapien verbundene Zeitaufwand seiner Eltern zu Unrecht nicht anerkannt worden sei. Auch sei der vom Landgericht zugebilligte Mehrbedarf an Pflege- und Betreuungsleistungen der Eltern mit einer Stunde pro Tag zu niedrig angesetzt. Da er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus sehr verstört gewesen sei, dazu auch praktisch alles neu habe erlernen müssen und durch seine gravierenden Behinderungen noch heute vielfältiger Unterstützung bedürfe, müßten wenigstens zwei Stunden pro Tag in Ansatz gebracht werden; dies zu einem Stundensatz von 16,- DM und nicht lediglich von 15,- DM. Das vom Landgericht zugebilligte Schmerzensgeld hält der Kläger, selbst unter Berücksichtigung der vom Landgericht vorgenommenen zeitlichen Begrenzung, für bei weitem zu niedrig. Zur Erläuterung der nach seiner Auffassung von den Beklagten zu verantwortenden Beeinträchtigungen und Beschwerden trägt der Kläger unter anderem vor, daß er seit der Entlassung aus dem Krankenhaus vor Berührungen am Kopf große Angst gehabt habe. Er habe sich deshalb zum Beispiel nicht die Zähne geputzt, weshalb sämtliche Zähne wegen kariösen Befalls hätten gezogen werden müssen. Wegen des Schocks und der starken Kopfschmerzen, die er habe ertragen müssen, habe er fürchterliche Ängste aushalten müssen und sei im ersten halben Jahr nach der Operation nachts mehrmals aufgewacht. Noch immer habe er nachts schreckliche Alpträume. Er sei im sozialen Umgang isoliert, da er von den anderen Kindern wegen seiner Behinderungen abgelehnt werde. Da ein Teil seiner Behinderungen irreversibel sei- so der Gesichtsfeldverlust links und die Unmöglichkeit , räumlich zu sehen -, müsse ihm, so trägt der Kläger weiter vor, auch eine Rente zugesprochen werden.
39Zu seinem Zinsanspruch Kläger vor, daß die Eltern entsprechend verzinsliche Darlehen vorzeitig abgelöst hätten, wenn die Beklagten alsbald Zahlungen geleistet hätten.
40Der Kläger beantragt,
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43unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils
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461. die Beklagten zu 1) und 3) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in Höhe von 50.000,- DM nebst 8,06 % Zinsen von 45.000,- DM und nebst 7,53 % Zinsen von weiteren bis zu 50.000,- DM , jeweils seit dem 11.5.1996, als angemessen erachtet wird, sowie eine in das Ermessen des Gerichts gestellte monatliche Schmerzensgeldrente;
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492. die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger auf die materiellen Schäden einen Betrag von 48.314,99 nebst 7,75% Zinsen seit dem 11.5.1996 zu zahlen;
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523. festzustellen, daß die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle aufgrund der am 23./24. 10.1993 erfolgten fehlerhaften Behandlung zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergangen sind,
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55sowie
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58dem Kläger nachzulassen, zur Abwendung der Zwangsvollstreckung Sicherheit auch durch Bankbürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
59Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen,
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62die Berufung zurückzuweisen,
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65ihnen zu gestatten, Sicherheit auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen zu können.
66Die Beklagten zu 1) und 3) treten dem Berufungsvorbringen des Klägers hinsichtlich der Anspruchshöhe entgegen. Unter anderem machen sie geltend, daß der nicht in ihre Verantwortung fallende Sturz des Klägers Ursache der von dem Kläger geschilderten Ängste und Erschwernisse sei. Hinsichtlich des Pflege- und Betreuungsmehraufwandes der Eltern vertreten sie den Standpunkt, daß es sich dabei um vermehrte elterliche Zuwendung handele, die als solche nicht erstattungsfähig sei.
67Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
68E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
69Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie frist- und formgerecht eingelegt und prozeßordnungsgemäß begründet worden. Sie ist auch zu einem Teil begründet.
70Der Anspruchsgrund hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 3) ist zwischen den Parteien im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr im Streit, nachdem das sachverständig beratene Landgericht mit zutreffender Begründung gemeint hat, daß die Beklagten zu 1) und 3) dem Kläger dafür einzustehen haben, daß seine Gehirnblutung zu spät diagnostiziert wurde und demzufolge erst neurochirurgisch behandelt werden konnte, als sich infolge des andauernden Hirndrucks bereits irreversible Schäden eingestellt hatten. Auf die aus Sicht des Senats nicht ergänzungsbedürftigen Gründe des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit verwiesen.
71Hinsichtlich der Anspruchshöhe war das erstinstanzliche Urteil allerdings teilweise abzuändern, und zwar im Hinblick auf das zuerkannte Schmerzensgeld sowie den durch den Pflegemehrbedarf des Klägers verursachten materiellen Schadensersatzanspruch. Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner gemäß § 847 BGB einen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,- DM sowie gemäß §§ 823 bzw. 831 BGB - gegenüber der Beklagten zu 1) auch aus dem zugunsten des Klägers abgeschlossenen Behandlungsvertrag-, auf Erstattung der in der Zeit vom 10. November 1993 bis zum 24. September 1997 entstandenen materiellen Schäden (unter Einbeziehung des erstinstanzlich zugesprochenen Schadensersatzes) in Höhe von insgesamt 30.737,99 DM.
721) Das dem Kläger zugesprochene Schmerzensgeld war unter Wegfall der vom Landgericht vorgenommenen zeitlichen Begrenzung auf den Betrag von 70.000,- DM heraufzusetzen. Dieser Betrag ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung vergleichbarer Schädigungen erforderlich und angemessen, um dem Kläger für die bereits erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen und die zukünftig voraussehbar noch anhaltenden körperlichen und geistigen Einbußen einen gewissen Ausgleich in Geld zu verschaffen. Die Voraussetzungen für ein solch umfassendes Schmerzensgeld, welches einer späteren weiteren Entschädigung für die Zukunft nur noch insoweit Raum gibt, als objektiv nicht erkennbare oder nicht vorhersehbare Verletzungsfolgen hinzukommen (vgl. dazu BGH NJW 1980, 2754), liegen nach Auffassung des Senats vor, weil die Schadensentwicklung bei dem Kläger im wesentlichen abgeschlossen ist und eine durchgreifende Besserung nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht erwartet werden kann.
73Für die Bemessung des Schmerzensgeldes waren zum einen die Schmerzen und Unannehmlichkeiten zu berücksichtigen, die für den Kläger mit der sich an den neurochirurgischen Eingriff anschließenden intensivmedizinischen Behandlung verbunden waren. Auch wenn das epidurale Hämatom in jedem Fall einen Entlastungseingriff erforderlich gemacht hätte, so liegt doch auf der Hand, daß sich der äußerst kritische Zustand des Klägers, in dem erst die Operation ausgeführt werden konnte, erschwerend sowohl auf den Eingriff selbst wie auch die notwendige postoperative Versorgung des Klägers ausgewirkt hat. Dafür spricht auch der Entlassungsbericht der Neurochirurgischen Abteilung vom 25. November 1993, demzufolge sich der Kläger nur langsam erholte. Hinzu kommen die durch die neurologische Schädigung des Klägers erforderlich gewesenen Behandlungen und Therapien, die- wie etwa auch die zeitweise abgesetzte Krankengymnastik- ein Kleinkind wie hier den Kläger, der sich den Sinn und die Notwendigkeit solcher zum Teil unangenehmer und schmerzhafter Behandlungen nicht erklären konnte, besonders belasten. Allerdings hätte der in jedem Fall notwendige Eingriff zur Entlastung des Hämatoms und die damit verbundenen Begleitumstände dem Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls Ängste eingeflößt, so daß zum Beispiel die Furcht des Klägers vor Berührungen am Kopf und seine hiermit im Zusammenhang stehende Abwehrhaltung allenfalls zu einem geringen Teil den Beklagten angelastet werden kann. Von daher ist ihnen auch der von dem Kläger behauptete Verlust seiner kariösen Zähne nicht zuzurechnen, dem gegenüber im übrigen auch der Einwand des Mitverschuldens Platz greifen würde. Im Vordergrund der für die Schmerzensgeldbemessung maßgeblichen Gesichtspunkte stehen zweifellos die anhaltenden neurologischen Schäden des Klägers, nämlich die noch in leichterer Form vorhandene Hemiparese, die den Kläger ungeschickt macht und in seinem Arbeitstempo verlangsamt, die linksseitige Hemianopsie, die sein Gesichtsfeld nach links einschränkt, und die von dem Sachverständigen Dr. K. als gravierend bezeichneten visuellen Wahrnehmungsstörungen des Klägers. Diese wirken sich nach der übereinstimmenden Beurteilung des Kinderneurologen Dr. K. und der mit der Zusatzbegutachtung befaßten Psychologin F. auf das gesamte Entwicklungsniveau des Klägers sowie seine Fähigkeit zur Selbststrukturierung und Handlungsplanung aus . In ihrem Zusatzgutachten vom 14. Januar 1997 (Bl. 183/ 184 d.A.) hat die Psychologin nach umfassenden Tests festgestellt, daß die Wahrnehmungsfähigkeiten des Klägers in allen von ihr überprüften visuellen Bereichen erheblich gestört sind und ihm die Zusammenschau und Integration visueller Reize nur unzulänglich gelingt. Der Kläger hat wesentliche Schwächen bei der Unterscheidung visuellen Materials wie insbesondere auch beim räumlich- gegenständlichen Sehen, sein visuelles Kurzzeitgedächtnis und das räumliche Gedächtnis sind ebenso wie seine visuell- konstruktiven Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt. Hinzu kommt eine Störung der visuomotorischen Koordination, die sich bei den Untersuchungen augenfällig darin manifestiert hat, daß der Kläger nicht in der Lage war, gegenständlich zu zeichnen. Diese Störungen haben, wie der Sachverständige Dr. K. bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht verdeutlicht hat, erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Leistungsniveau des Klägers und seine Persönlichkeitsentwicklung: Der Kläger, der bereits ein Bewußtsein für seine Beeinträchtigungen entwickelt hat, betont sein Sprachvermögen und weicht beim räumlich- visuellen Wahrnehmungsbereich aus. Er ist reizbar und zieht sich zurück, wodurch es zu erheblichen Defiziten in seinen Sozialkontakten zu Gleichaltrigen kommt. Der als Folge dieser neuropsychologischen Störungen insgesamt nicht altersgemäße mentale Entwicklungszustand des Klägers läßt, wie Dr. K. in Übereinstimmung mit der psychologischen Zusatzgutachterin ausgeführt hat, eine Einschulung in die Regelschule aus derzeitiger Sicht nicht angeraten erscheinen.
74Eine durchgreifende Besserung ist nach den vom Landgericht eingeholten Gutachten, die aus der Sicht des Senats keiner Ergänzung bedürfen, nicht zu erwarten. Dr. K. hat zwar in seinem schriftlichen Gutachten den Standpunkt vertreten, daß mit Rücksicht auf die Plastizität der weiteren Gehirnentwicklung für die Zukunft Kompensationen nicht auszuschließen seien (Bl. 239). Wie seine mündlichen Erläuterungen deutlich gemacht haben, besteht eine vorsichtig optimistische Prognose allerdings nur im Hinblick auf die motorischen Fähigkeiten des Klägers. Hingegen hat sich der Sachverständige im Hinblick auf die visuellen Wahrnehmungsstörungen für die Zukunft des Klägers deutlich zurückhaltend geäußert, da die Störungen noch immer gravierend sind. Eine realistische Aussicht auf einen vollständigen Ausgleich hat Dr. K. bei seiner mündlichen Anhörung verneint und sich auch pessimistisch im Hinblick auf die Aussichten des Klägers gezeigt, dereinst eine Regelschule zu besuchen. Dies alles macht nach Auffassung des Senats deutlich, daß bei dem Kläger so umfassende, seine persönliche Entwicklung erkennbar nachteilig beeinflussende Schäden zu verzeichnen sind, daß von der zukünftigen Entwicklung keine wesentlichen Verbesserungen zu erwarten sind, die einer abschließenden Schmerzensgeldbemessung im Wege stünden. Die Summe der Beeinträchtigungen erfordert mit Rücksicht auf die Dauerschädigungen einen verhältnismäßig hohen Betrag; andererseits ist der Kläger in seiner Persönlichkeit nicht schwerstgeschädigt, wie insbesondere sein in dem psychologischen Zusatzgutachten festgestelltes Leistungsvermögen in den Bereichen zeigt, die von den visuellen und visuomotorischen Fähigkeiten unabhängig sind. Ein Schmerzensgeldbetrag von 70.000,- DM erscheint unter diesen Umständen angemessen. Die vom Kläger geltend gemachten weiteren Umstände rechtfertigen keine nochmalige Erhöhung dieses Betrages. Das Verschulden des Beklagten zu 3) erscheint zwar auch dem Senat schwerwiegend; es tritt jedoch als Element der dem Schmerzensgeld innewohnenden Genugtuungsfunktion hinter dem hier entschieden im Vordergrund stehenden Ausgleichscharakter des Schmerzensgeldes zurück. Auch der Umstand, daß bislang noch keine Zahlungen von den Beklagten geleistet worden sind, ist nicht geeignet, den Schmerzensgeldbetrag zu erhöhen, nachdem erstmalig im ersten Rechtszug die wesentlichen Gesichtspunkte für eine Haftung der Beklagten zu 1) und 3) geklärt worden sind und der Zeitraum, der seither wie auch insgesamt verstrichen ist, noch nicht als unzumutbar lang erachtet werden kann.
75Für eine Schmerzensgeldrente - deren Höhe, wie dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers zu entnehmen ist, jedenfalls 500,- DM betragen sollte- ist daneben kein Raum. Eine zu dem Schmerzensgeldkapital hinzutretende Rente kommt nur bei schwersten Schädigungen und dabei grundsätzlich auch nur dann in Betracht, wenn sich die Beeinträchtigung des Geschädigten immer wieder erneuert und immer wieder von ihm schmerzlich empfunden wird (vgl. die Nachweise bei Palandt/ Thomas, BGB- Komm., 54. Aufl. § 847 Rdn. 12). Vorliegend ist, wie sich unter anderem aus dem Gutachten Dr. K./F. ergibt, zu erwarten, daß der Kläger lernen wird, mit seinen Beeinträchtigungen zurechtzukommen. In diese Richtung deutet auch der Entwicklungsbericht des Kinderarztes Dr. Z. vom 3. Juli 1997 (Bl. 393/394 d.A.), der eine positive Entwicklung des Klägers im Bereich der sozialen Interaktionen beschreibt. Unter diesen Umständen ist eine abschließende Kapitalabfindung angezeigt. Der im Urteilstenor enthaltene Feststellungsvorbehalt gewährleistet, daß für Spätfolgen oder Komplikationen, die nach derzeitigem Sachstand zwar möglich, aber noch nicht absehbar sind, Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld geltend gemacht werden kann.
762) Der Kläger hat ferner einen über das erstinstanzliche Urteil hinausgehenden Anspruch auf Ersatz der von seinen Eltern geleisteten Betreuung.
77a) Für die Begleitung durch seine Eltern zum Kinderarzt, zur Kinderklinik, zur Krankengymnastik, zur Spieltherapie und zum Schwimmen in der Zeit zwischen dem 9./10. November 1993 und 14. Februar 1996- wie es sich aus der Aufstellung des Klägers in der Klageschrift Bl. 8/9 d. A. ergibt- steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.840,- DM zu. Es handelt sich insoweit nicht um vermehrte elterliche Zuwendung, welche sich mangels nachteiliger vermögensmäßiger Auswirkungen der Schadensersatzpflicht entzieht, sondern um Leistungen der Eltern des Klägers, welche auch von Hilfskräften hätten erbracht werden können und somit einen Marktwert haben, der als verletzungsbedingter Vermögensschaden von dem Kläger gegenüber den Beklagten geltend gemacht werden kann (vgl. zu dieser Abgrenzung BGHZ 106, 28, 31). Der Einsatz der Eltern bei der Begleitung des Klägers zu notwendigen Arztbesuchen oder zu den verschiedenen Therapien ist eine Tätigkeit, die zum Beispiel im Falle der Verhinderung der Eltern ebensogut von Dritten hätte besorgt werden können, die für ihre Dienste selbstverständlich eine Vergütung hätten verlangen können. An der Notwendigkeit der Arztbesuche bzw. der Angemessenheit der Therapien besteht nach dem erstinstanzlichen Urteil, welches dem Kläger unangefochten die jeweiligen Fahrtkosten zugesprochen hat, kein Zweifel. Das Landgericht hat, gestützt auf die zustimmenden Äußerungen des Sachverständigen Dr. K., darüber hinaus auch das wöchentliche Schwimmen in Beklagte. als Rehabilitationsaufwand anerkannt, allerdings mit der - von dem Kläger nicht angegriffenen- Maßgabe, daß insoweit nur die Hälfte anerkennungsfähig ist, da das Schwimmen zum Teil auch der normalen Freizeitbeschäftigung von Eltern und Kind zuzurechnen ist. Der von dem Kläger angegebenen Stundenaufwand erscheint dem Senat, dem bei der Schätzung insoweit gemäß § 287 ZPO ein Ermessen eingeräumt ist, in Anbetracht der Entfernungen und der jeweils nach der Auflistung Bl. 8/9 zu besorgenden Angelegenheit angemessen, wobei für das Schwimmen in B. aus den dargelegten Gründen die Hälfte der angegebenen Stundenzahl, also 150 Stunden, zu veranschlagen sind. Insgesamt ergibt sich damit ein Zeitaufwand von 365 Stunden. Den hierfür zuzubilligenden Stundensatz schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO, auf 16,- DM. Dabei hat er sich von der Überlegung leiten lassen, daß es sich bei den diesbezüglichen Tätigkeiten der Eltern des Klägers um Dienste einfacherer Art handelt, die in ihrer Wertschätzung jedoch über Putzleistungen und ähnlichen Handreichungen liegen. Da für die letzgenannten Tätigkeiten in den hier zu beurteilenden Zeiträumen im allgemeinen bereits Stundenlöhne von ca. 15,- DM zu zahlen waren, erschien dem Senat für die Leistungen der Eltern eine Entschädigung von 16,- DM pro Stunde angemessen. Darauf, ob die Eltern des Klägers mit ihrer angestammten beruflichen Tätigkeit einen höheren Stundenlohn hätten erzielen können, kommt es nicht an. Nicht die bei ihnen entstandenen Vermögenseinbußen sind für den Schadensersatzanspruch des Klägers entscheidend, sondern das, was der Kläger für ihre Leistungen als marktgerechten Preis hätte zahlen müssen.
78b) Soweit der Kläger einen allgemein vermehrten Pflege- und Betreuungsaufwand der Eltern - nunmehr bis zum Abschluß der Berufungsinstanz- über den ihm vom Landgericht zuerkannten Schadensersatz hinaus geltend macht, hat seine Berufung teilweise Erfolg: Begründet ist, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, seine Beanstandung, daß der zuerkannte Stundensatz mit 15,- DM zu niedrig veranschlagt sei. Insoweit stehen dem Kläger 16,- DM pro Stunde zu. Es hat auch entsprechend der von dem Kläger vorgenommenen zulässigen Klageerweiterung eine Fortschreibung bis zur letzten mündlichen Verhandlung, also bis zum 24. September 1997 zu erfolgen. Daran, daß der Kläger nach wie vor infolge seiner Behinderungen und Beeinträchtigungen vermehrter Betreuung bedarf, besteht kein Zweifel. Jedoch muß die Berufung insoweit erfolglos bleiben, als der Kläger geltend macht, der Mehraufwand betrage statt einer Stunde pro Tag jedenfalls zwei Stunden. Auch die in dem nachgelassenen Schriftsatz des Klägers vom 13. Oktober 1997 enthaltenen Beschreibungen lassen nicht erkennen, daß das, was die Eltern zur Betreuung des Klägers an Mehraufwand erbringen mußten, in dem hier entscheidenden Zeitraum um mehr als eine Stunde pro Tag den Zeitaufwand übersteigt, den die Betreuung eines gleichaltrigen "gesunden" Kindes erfordert. Kleinere Kinder wie hier der jetzt gerade im Vorschulalter befindliche Kläger bedürfen bei sorgfältiger Erziehung nach den Kenntnissen und Erfahrungen des Senats auch als "gesunde" Kinder während des Tages einer nahezu ununterbrochenen Betreuung, so daß der Mehraufwand, der bei dem Kläger durch dessen Behinderungen entstanden ist, vergleichsweise geringfügig erscheinen muß und mit einer Stunde pro Tag angemessen abgedeckt erscheint. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, daß hiervon nur der allgemeine Mehraufwand erfaßt ist; für speziell notwendige Betreuungsleistungen- wie eben die Begleitung zu konkret darzulegenden, schädigungsbedingten Arztbesuchen etc.- kann der Kläger bei entsprechenden Nachweis gesonderten Schadensersatz beanspruchen. Der Senat verkennt nicht, daß sich mit fortschreitendem Alter des Klägers andere Relationen ergeben können, wenn sich nämlich der Kläger nicht wie andere Kinder altersgerecht zur Selbständigkeit hin entwickeln wird. Für diesen Fall indes hält ihm der Feststellungstitel weitergehende Schadensersatzleistungen offen.
79Auf der Basis der vorstehenden Berechnungsansätze ergibt sich mithin ein durch die Betreuungsleistungen der Eltern entstandener Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von insgesamt 22.608,- DM (1413 Tage zu je 16,- DM).
80Zusammen mit den vom Landgericht bereits zuerkanten Schadenspositionen ergibt sich damit ein materieller Schadensersatzanspruch des Klägers in Höhe von insgesamt 30.737,99 DM.
813) Der Zinsanspruch des Klägers ist nur im Rahmen des gesetzlichen Zinssatzes, also in Höhe von 4% begründet. Auf den bei den Eltern des Klägers dadurch entstandenen Zinsschaden, daß diese die ihnen gewährten Kredite nicht vorzeitig haben ablösen können, kommt es nicht an. Das dem Kläger zustehende Geld ist nicht bestimmungsgemäß dazu da, Schulden der Eltern zu tilgen. Einen eigenen Schaden hat der Kläger auch in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Oktober 1997 nicht schlüssig dargetan.
82Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
83Wert des Berufungsverfahrens:
84Bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 24.9.1997 : 228.314,99 DM,
85danach: 105.760,- DM
86Beschwer der Parteien: Jeweils unter 60.000,- DM
87(Bei der Beschwer der Beklagten war zu berücksichtigen, daß sich der Wert des Feststellungstenors dadurch, daß dem Kläger ein höheres abschließendes Schmerzensgeld zugesprochen wurde, verringerte, wobei der Senat hierfür ein Fünftel des mehr zugesprochenen Betrages, also 10.000,- DM , angenommen hat)