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Tatbestand:
2Die H. war Halterin eines Kraftfahrzeugs, für das sie bei der Beklagten unter anderem eine Kraftfahrunfallversicherung abgeschlossen hatte. Vereinbart war die Geltung der allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB) vom Juli 1988, Abschnitt D, §§ 16 - 23. Am 13. Oktober 1989 erlitt der Kläger mit diesem Fahrzeug einen Unfall, als dessen Folge er sich unter anderem einen Tibiakopf- und Wadenbeinbruch rechts sowie Frakturen beider Arme und der linken Hand zuzog. In den Jahren 1990 und 1991 war ihm eine Fortbewegung nur mittels Unterarmgehstützen möglich. Am 12. Juli 1990 und 28. August 1991 kam es zu weiteren Unfällen, die nach Darstellung des Klägers darauf beruhten, daß die Gehstöcke wegrutschen. Die Stürze führten zu Oberschenkelbrüchen rechts, wobei jeweils unterschiedliche Bereiche betroffen waren.
3Der Kläger verlangte Invaliditätsentschädigung gemäß der Gliedertaxe in Höhe von 3/20 Armwert rechts, 7/20 Armwert links und 15/20 Beinwert rechts. Die Beklagte akzeptierte für die Beschädigung des rechten Beines nur eine Entschädigung von 3/8 Beinwert, weil nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 25. Februar 1993 der zu diesem Zeitpunkt festzustellende Dauerschaden des rechten Beines (15/20 Beinwert) nur zur Hälfte dem Unfallereignis vom 13. Oktober 1989 anzulasten sei.
4Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse auch die aufgrund der Stürze vom Juli 1990 und August 1991 eingetretenen weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen entschädigen, weil diese adäquat kausale Folgen des Unfalls vom 13. Oktober 1989 seien und deshalb eine weitere -rechnerisch unstreitige- Invaliditätsentschädigung von 65.000,00 DM klageweise geltend gemacht.
5Er hat beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.000,00 DM nebst 6 % Zinsen seit dem 28. August 1993 zu zahlen.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie hat mangelnde Aktivlegitimation des Klägers gerügt, bestritten, daß die Stürze vom Juli 1990 und August 1991 adäquat kausal auf den Unfall vom Oktober 1989 zurückzuführen seien und ferner die Auffassung vertreten, daß jeder Unfall gesondert abgerechnet werden müsse.
10Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage stattgegeben.
11Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie hält die Rechtsauffassung des Landgerichts, die Unfälle vom Juli 1990 und August 1991 seien als adäquat kausale Folgen des Unfalls vom Oktober 1989 bei der Bemessung der Invalidität zu berücksichtigen, für falsch. Dem ersten Unfall sei, bezogen auf das rechte Bein, (nur) eine Invalidität von 6/20 Beinwert zuzuordnen, die restlichen 9/20 würden auf den Unfall vom August 1991 entfallen. Im Übrigen habe es an einer neuen Feststellung im Sinne von § 22 AKB gefehlt.
12Sie beantragt,
13unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
14Der Kläger beantragt,
15Die Berufung zurückzuweisen.
16Er tritt der Berufung entgegen, verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, daß auf den dritten Unfall überhaupt nur 1/20 Beinwert entfalle.
17Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils sowie die im Berufungsrecht gewechselten Schriftsätze verwiesen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die form- und fristgerecht eingelegte sowie prozeßordnungsgemäß begründete Berufung ist in der Sache nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben, weil sich die von der Beklagten zu entschädigende Invalidität, bezogen auf das rechte Bein, auf 15/20 Beinwert beläuft.
20Nach § 20 I (1) Satz 1 AKB entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung, wenn der Versicherte einen Unfall im Sinne von § 18 I, II AKB erleidet und der Unfall zu einer Invalidität geführt hat. Daß der Kläger am 13. Oktober 1989 einen Unfall im Sinne der Bedingungen erlitten hat, ist unstreitig. Dieser Unfall hat unter anderem zu einer dauernden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des rechten Beines des Klägers geführt (Invalidität), und zwar unmittelbar und allein in Folge der durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeeinträchtigung zu einem Grad von mindestens 6/20 Beinwert und darüber hinaus mittelbar, nämlich in Folge weiterer Ereignisse, die im Rechtssinne aber Folgen der unfallereignisbedingt erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen sind, zu weiteren 9/20 Beinwert. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, daß insoweit eine adäquat kausale Verknüpfung besteht. Da die Beklagte dies im Berufungsrechtszug nicht mehr in Abrede stellt, braucht der Senat dies nicht erneut zu begründen und kann auf das angefochtene Urteil Bezug nehmen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
21Versichert sind sowohl die unmittelbaren als die mittelbaren Folgen. Es seit langem anerkannt, daß insoweit lediglich adäquate Kausalität, nicht aber die unmittelbare Herbeiführung der die Invalidität letztlich ausmachenden Gesundheitsbeeinträchtigung durch das Unfallereignis erforderlich ist (vgl. schon BGH Versicherungsrecht 1962, 341). Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß sämtliche durch den Unfall im Sinne von § 18 AKB adäquat kausal verursachten Gesundheitsschäden zu berücksichtigen sind, sofern sie innerhalb der in § 20 I (1) Satz 3, 22 (4) AKB geregelten Fristen eingetreten und bedingungsgemäß geltend gemacht worden sind. Daß davon solche Gesundheitsschäden ausgenommen sein sollen, die auf Ereignissen beruhen, die für sich genommen Unfälle im Sinne der Definition des § 18 AKB sind, selbst wenn sie in adäquat kausalem Zusammenhang mit dem die Entschädigungspflicht auslösenden Erstunfall stehen, erschließt sich dem Bedingungswerk nicht. Es wäre Sache der Beklagten als Versicherer gewesen, die von ihr in Anspruch genommene Einschränkung in Bedingungswerk unmißverständlich zum Ausdruck zu bringen. Nach dem in § 20 I (1) AKB verwendeten Sprachgebrauch ("führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung ...") ist, wie auch sonst im Zivilrecht, adäquate Kausalität gemeint.
22Die Beklagte meint zu Unrecht, dieses Ergebnis werde dem System der privaten Unfallversicherung nicht gerecht. Sie verkennt zunächst, daß "Abrechnungsschwierigkeiten" wegen Folgeunfällen bei solchen Versicherungsnehmern bzw. Versicherten schon nicht auftreten können, die wegen der Folgen solcher Unfälle gar nicht versichert sind. Gleiches gilt, wenn sie bei anderen Versicherern Unfallversicherungen unterhalten. Dann kann es -wie auch sonst- wegen desselben Unfalls zu einer mehrfachen Entschädigung kommen, wobei freilich §§ 21 AKB, 8 AUB 88 bzw. 10 AUB 61 zu berücksichtigen sind. Kommt es unter der Geltung eines einheitlichen, fortbestehenden Unfallversicherungsvertrags zu mehreren Unfällen, die adäquat kausal auf einem Erstunfall beruhen und entsprechend der vom Senat vertretenen Auffassung diesem "zuzuordnen" sind, wird der Versicherungsnehmer bzw. der Versicherte nicht "doppelt" zu entschädigen sein, weil die Folgen der Folgeunfälle im Rahmen der Regulierung des Erstunfalls bereits berücksichtigt sind. Ist allerdings die Versicherungssumme zwischenzeitlich erhöht worden, wird dies entsprechend bei der Feststellung der aus den Folgeunfällen resultierenden Invalidität zu berücksichtigen sein. Derartige isolierte Feststellungen werden ohnehin auch sonst mit Blick auf §§ 11 IV AUB 88, 13 (3) a AUB 61 zu treffen sein.
23Schließlich bleibt anzumerken, daß sich der Senat nicht mehr mit der Frage zu befassen braucht, ob der Kläger die Fristen nach §§ 20 Abs. 1 (1) Satz 3, 22 (4) AKB versäumt hat, nachdem die Beklagte ausdrücklich erklärt hat, sie berufe sich nicht auf die Versäumung irgendeiner Frist (Bl. 290 b d. A.). Soweit sie an ihrer Auffassung festzuhalten scheint, die Folgen des Unfallereignisses vom 28. August 1991 seien nicht zu berücksichtigen, weil es weder zu einer Erst- geschweige denn einer Neufeststellung des Invaliditätsgrades gekommen sei, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Sie hatte es vorprozessual übernommen, durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens den Grad der aus dem Unfall vom 13. Oktober 1989 resultierenden Invalidität feststellen zu lassen. Bereits während des laufenden Verfahrens hat der Kläger dann auf die Folgeunfälle hingewiesen und deren Berücksichtigung verlangt. Darin lag konkludent der Antrag auf Neubemessung. Nachdem sich die Erstellung des Gutachtens verzögerte und schließlich das Gutachten des Dr. F. vorlag, das jener für die Unitas-Versicherung gefertigt hatte, hat die Beklagte von eigenen Feststellungen Abstand genommen und das Gutachten des Dr. F. zur Abrechnungsgrundlage gemacht. Dieses Gutachten enthält aber gleichsam eine Erst- und eine Neubemessung, weil es zum einen auf die Invalidität abstellt, die allein auf dem Unfall vom 13. Oktober 1989 beruht, und zum andern auf die Gesamtinvalidität unter Einbeziehung der Folgeunfälle. Damit ist in Ansehung der besonderen Umstände des Regulierungsverfahrens den Bestimmungen des § 22 (4) AKB Genüge getan.
24Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
25Wert der Beschwer für die Beklagte: über 60.000,00 DM.