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Vertragliches Wettbewerbsverbot
HGB § 74 Die bloße Aufhebung des Anstellungsvertrages und die dabei getroffene Regelung, daß sämtliche Ansprüche ,aus dem Anstellungsverhältnis und aus Anlaß von dessen Beendigung erledigt" sein sollen, läßt wegen der erst nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses eintretenden Wirkung eines Wettbewerbsverbotes und der daran geknüpften Karenzentschädigung keinen sicheren Schluß darauf zu, daß keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden sollen. Was die Parteien ,erledigen" wollten, ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände gem. §§ 133, 157 BGB festzustellen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger verlangt von der Beklagten Karenzentschädigung für die Zeit vom 1.1.1995 bis zum 31.10. 1995 wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.
3Aufgrund eines schriftlichen Anstellungsvertrags vom 2.5.1989/30.5.1989 (Bl. 10 ff. d.A.), der durch schriftlichen Vertrag vom 14.7.1992 teilweise abgeändert und im übrigen verlängert wurde, war der Kläger bis zum 31.12.1994 für die Beklagte als deren Geschäftsführer im Bereich Marketing und Vertrieb tätig. Seine Jahresbruttovergütung, die sich aus Festbezügen und Tantiemen zusammensetzte, betrug zuletzt etwa 412.000,- DM. In Ziffer 12 des Anstellungsvertrages hatten die Parteien ein Wettbewerbsverbot vereinbart, das auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses für die Dauer von 2 Jahren gelten sollte. Die Beklagte verpflichtete sich, dem Kläger während dieser Zeit die Hälfte seiner letzten Bezüge fortzuzahlen. Am 13.6.1994 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, nach dessen Ziffer 1 das Arbeitsverhältnis auf Wunsch und Veranlassung der Beklagten zum 31.12.1994 beendet und der Anstellungsvertrag aufgehoben wurde. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sollte der Kläger eine Abfindung in Höhe von 1 Mio. DM erhalten. Neben der Regelung weiterer Einzelheiten des Ausscheidens des Klägers enthält Ziffer 10 der Vereinbarung folgende Klausel: , Mit der Erfüllung der vorstehenden Verpflichtungen sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus den genannten Verträgen und aus Anlaß der Beendigung des Anstellungsverhältnisses erledigt." Das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung sind in dem schriftlichen Aufhebungsvertrag nicht erwähnt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Regelung wird auf den Inhalt des Aufhebungsvertrages, Bl. 40 ff. d.A., Bezug genommen. Das Wettbewerbsverbot war Gegenstand der ersten Unterredung des Klägers am 10.3.1994 mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten Herrn Dr. A. W. über die Auflösung des Geschäftsführervertrags. Mit Schreiben vom 11.1.1995 bat der Kläger die Beklagte, ihm die Karenzentschädigung zu überweisen.
4Der Kläger hat behauptet, es sei ihm seit seinem Ausscheiden bei der Beklagten nicht gelungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Er hat die Auffassung vertreten, das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und die Entschädigungspflicht der Beklagten seien weder schriftlich noch mündlich aufgehoben worden, eine Einigung hierüber sei nicht erzielt worden. Der Kläger hat behauptet, über das Wettbewerbsverbot sei während der Verhandlungen nur einmal, nämlich bei dem Gespräch am 10.3.1994 gesprochen worden. Herr Dr. W. habe in dieser Besprechung erklärt, man könne das Wettbewerbsverbot unter Umständen unter der Prämisse aufheben, daß der Kläger sich einverstanden erkläre, nicht zum Hauptkonkurrenten der Beklagten, der Firma M. zu gehen. Eine Einigung hierüber sei nicht erfolgt.
5Der Kläger hat beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 173.800,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.11.1995 zu zahlen.
7Die Beklagte hat beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte hat behauptet, es sei sehr wohl eine Einigung über die Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erzielt worden. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Aufhebung des Anstellungsvertrags und aufgrund der in der Aufhebungsvereinbarung enthaltenen Ausgleichsklausel sei auch die Wettbewerbsvereinbarung aufgehoben.
10Durch Urteil vom 27.9.1996 - 42 0 9/96 -, auf das wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Entschädigungsanspruch des Klägers sei aufgrund der Ausgleichsregelung in Ziffer 10 des Aufhebungsvertrags entfallen. Nach Wortlaut, Stellung im Zusammenhang der Gesamtregelung und dem Gang der Verhandlungen, nach dem auch der Kläger eine Gesamtlösung angestrebt habe, sei die Ausgleichsklausel dahin auszulegen, daß auch das Wettbewerbsverbot und die Entschädigungspflicht hätten entfallen sollen.
11Gegen dieses ihm am 4.10.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.10.1996 Berufung eingelegt, die er nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 30.12.1996 begründet hat.
12Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Auffassung, eine allgemeine Ausgleichsklausel vernichte zukunftsbezogene Ansprüche aus einem Dienstverhältnis nur dann, wenn der Anspruch ausdrücklich in der Ausgleichsklausel bezeichnet sei. Daß die Parteien eine Aufhebung zukunftsbezogener Ansprüche und insbesondere des Karenzentschädigungsanspruchs des Klägers nicht gewollt hätten, ergebe sich insbesondere aus der Regelung der Versorgungszusage , im übrigen auch aus dem Gang der dem Aufhebungsvertrag vorausgegangenen Verhandlungen.
13Der Kläger beantragt,
14das Urteil des Landgerichts Aachen in dem Verfahren 42 0 9/96 vom 27.9.1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 173.800,- nebst 4 % Zinsen seit dem 23.11.1995 zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
16die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen;
17bei einem Vollstreckungsschutzausspruch der Beklagten zu gestatten, Sicherheit durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen.
18Auch die Beklagte wiederholt und vertieft zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe alle maßgeblichen Auslegungskriterien berücksichtigt und ausgeschöpft. Der Wortlaut der Ausgleichsklausel sei eindeutig. Aus dem Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des Aufhebungsvertrags ergebe sich, daß dieser das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien endgültig und abschließend habe regeln sollen. Das im Urteil des Landgerichts erwähnte Urteil des Bundesarbeitsgerichts, auf das sich der Kläger berufe, betreffe einen nicht vergleichbaren Fall. Hinzu komme, daß in den Verhandlungen am 10. und 17.3.1994 auch das Wettbewerbsverbot angesprochen worden sei. Es sei unzutreffend, daß Herr Dr. A. W. als damaliger Gesprächspartner des Klägers nicht bereit gewesen sei, das Wettbewerbsverbot uneingeschränkt aufzuheben, sondern es auf ,M." habe beschränkt wissen wollen. Vielmehr sei man sich über die Aufhebung des Wettbewerbsverbots einig gewesen. Ohne Aufhebung des Wettbewerbsverbots hätte sich die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung von 1 Mio. DM nie bereit gefunden. Über die Beibehaltung von Ziffer 2.3. der Versorgungszusage vom 2./30.5.1989, die ein Wettbewerbsverbot anspreche, könne der Wille der Parteien, das Wettbewerbsverbot beizubehalten, nicht festgestellt werden. Es stelle allenfalls ein Versäumnis der Parteien dar, daß man die einzelnen Ziffern der Versorgungszusage nicht mehr darauf geprüft habe, ob sie vielleicht mit der Aufhebung des Wettbewerbsverbots in Widerspruch stünden.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
21Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
22I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung in der geltend gemachten Höhe von 173.800,- DM aus der in Ziffer 12 des zwischen den Parteien geschlossenen Anstellungsvertrags getroffenen Wettbewerbsvereinbarung zu.
231. Weder das Wettbewerbsverbot noch der Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung sind durch den zwischen den Parteien am 13.6.1994 geschlossenen Aufhebungsvertrag aufgehoben worden. Ausdrücklich regelt der Aufhebungsvertrag die Rechte aus der Wettbewerbsvereinbarung nicht. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß die Wettbewerbsvereinbarung mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses und der Aufhebung des Anstellungsvertrages gegenstandslos geworden ist oder von der in Ziffer 10 des Aufhebungsvertrages enthaltenen Ausgleichsklausel erfaßt ist. Vielmehr sind diese Regelungen des Aufhebungsvertrages gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und sämtlicher Umstände dahin auszulegen, daß sowohl das Wettbewerbsverbot als auch der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Karenzentschädigung fortbestehen sollten.
24a) Zwar haben die Ansprüche aus der Wettbewerbsvereinbarung ihre Grundlage in dem - aufgehobenen - Anstellungsvertrag. Allein ausgehend vom Wortlaut der Aufhebungsvereinbarung entfällt daher mit der Aufhebung des Anstellungsvertrages und der Erledigung der sich hieraus ergebenden Ansprüche auch die Grundlage für die Ansprüche aus der Wettbewerbsvereinbarung. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck einer Wettbewerbsvereinbarung ist aber die in der Aufhebungsvereinbarung getroffene Regelung nicht eindeutig in dem Sinne zu verstehen, daß hierdurch auch die Rechte aus der Wettbewerbsvereinbarung entfallen sollten.
25Kennzeichnend für Ansprüche aus einer Wettbewerbsvereinbarung, nämlich einerseits das Wettbewerbsverbot, andererseits die Zahlung der Karenzentschädigung, ist, daß sie erst nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses fällig werden. Sie sind ihrem Wesen nach von vornherein für die sich an das Anstellungsverhältnis anschließende Karenzzeit geschaffen worden ( BAG AP Nr. 39 zu § 74 HGB Bl. 926, 927, 928; Grüll, Die Konkurrenzklausel, 4. Aufl. S. 65; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote (1995) Rn 494; Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 4. Aufl. Rn 574). Für beide Vertragsparteien können sie - je nach den Umständen - nach Beendigung des Vertrages erhebliche Bedeutung gewinnen. Nicht nur für den ausscheidenden Arbeitnehmer ist die zu zahlende Entschädigung ein wesentlicher Faktor bei der Beendigung des Anstellungsverhältnisses, sondern vielfach wird auch der Arbeitgeber erheblichen Wert auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots legen. Allein die Beendigung des Anstellungsverhältnisses und die Beendigung und Aufhebung des Anstellungsvertrages lassen daher keinen hinreichend sicheren Schluß darauf zu, daß die Parteien auch die gerade für den Fall der Beendigung des Anstellungsverhältnisses bedeutsamen Ansprüche aus der Wettbewerbsvereinbarung aufheben wollten. Allein der formale Gesichtspunkt, daß auch die Wettbewerbsvereinbarung ihre Grundlage im - aufgehobenen - Anstellungsvertrag hat, läßt auf den Willen der Parteien, auch die Wettbewerbsvereinbarung aufzuheben, keinen hinreichenden Schluß zu. Es ist vielmehr im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich die Aufhebung des Anstellungsvertrages auch auf das Wettverbots bezieht (vgl. Bauer, aaO Rn 574).
26Aus dem gleichen Grunde erfaßt auch die Klausel über die Erledigung sämtlicher Ansprüche ,aus dem Anstellungsverhältnis und aus Anlaß von dessen Beendigung" jedenfalls nicht eindeutig und ohne weiteres Ansprüche, die erst nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses Bedeutung erlangen und, wie insbesondere der Anspruch auf Karenzentschädigung, fällig werden sollen. Die Erledigung der Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und dessen Beendigung dient jedenfalls zunächst und in erster Linie der Abwicklung des beendeten Anstellungsverhältnisses und der sich hieraus ergebenden wechselseitigen Ansprüche im Zeitpunkt der Beendigung. Die Formulierung ,aus Anlaß der Beendigung" spricht eher dafür, daß eine Begrenzung der erfaßten Ansprüche auf den Zeitpunkt der Beendigung des Anstellungsverhältnisses vorgesehen war, während nachvertragliche Ansprüche nicht geregelt sein sollten. Ob der Klausel nach dem Willen der Parteien eine weitergehende Bedeutung auch für die erst nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses fällig werdenden Ansprüche zukommt, ob die Parteien insbesondere das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigung miterledigen wollten, kann jedenfalls nur unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Vereinbarung, der vorausgegangenen Verhandlungen der Parteien und sämtlicher übrigen Umstände gemäß §§ 133, 157 BGB festgestellt werden.
27Soweit die Beklagte meint, das dieser Auffassung zugrunde liegende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.10.1981 (aaO) betreffe einen mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Fall einer einseitig ausgestellten Ausgleichsquittung, die unter besonderen Umständen erteilt worden sei, ist dies zwar im Grundsatz zutreffend. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch erkennbar den Inhalt der Ausgleichsquittung, dem Erklärenden stünden keine weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung zu, nicht für eindeutig, sondern für auslegungsfähig
28Fortsetzung: 22 U 225/96A Datensatznummer: 2043