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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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3Die formell unbedenkliche Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet. Die Voraussetzungen für den Erlaß der von der Verfügungsklägerin beantragten einstweiligen Verfügung sind nicht gegeben.
41.
5Ein Verfügungsanspruch läßt sich aus dem Vortrag der Verfügungsklägerin, die Verfügungsbeklagte sei insoweit ungerechtfertigt bereichert, als sie eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erlangt habe, die nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihr und der Im. (später umfirmiert in In-Plan) nicht geschuldet sei, nicht herleiten.
6Zwar trifft es zu, daß in den §§ 4.5 und 7.3 des Bauleistungsvertrags vom 11.1.1993 nicht bestimmt wird, daß es sich bei den Gewährleistungsbürgschaften, die die Verfügungs-klägerin zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts beibringen kann, um solche auf erstes Anfordern handeln müsse. Auch aus § 17 VOB/B, der durch die Bezugnahme in § 2.4 des Vertrags möglicherweise ergänzend herangezogen werden kann, ergibt sich eine derartige Qualifizierung der Bürgschaft nicht. Die Verfügungsklägerin hat gleichwohl nicht glaubhaft gemacht, daß eine Vereinbarung über die Beibringung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht getroffen worden ist. Da sie einen Anspruch aus § 812 BGB geltend macht, obliegt es ihr, darzutun und zu beweisen (bzw. im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen), daß ein Rechtsgrund für die von ihr erbrachte Leistung nicht besteht. Daraus folgt, daß sie vorliegend glaubhaft machen muß, daß eine mündliche Zusatzvereinbarung zu dem schriftlichen Vertrag über die Qualität der als Ersatz für den Sicherheitseinbehalt beizubringenden Bürgschaft nicht erfolgt ist. Dem hat sie nicht genügt.
7Der Umstand, daß nach § 11.5 des Vertrags vom 11.1.1993 schriftliche Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen und dies auch für die Abbedingung der Schriftform gelten soll, steht der Berufung auf eine mündliche Vereinbarung durch die Verfügungs-beklagte nicht entgegen. Unabhängig davon, ob derartige Klauseln überhaupt mit Erfolg einer mündliche Abrede entgegengehalten werden können, wäre eine Berufung der Klägerin hierauf treuwidrig. Es geht nämlich nicht darum, ob die Verfügungsklägerin aus einer solchen mündlichen Vereinbarung auf deren Erfüllung in Anspruch genommen werden könnte, vielmehr hätte sie diese Vereinbarung durch Übersendung der Bürgschaftsurkunde bereits wissentlich und willentlich erfüllt. Dann kann sie aber nicht nachfolgend sich eines anderen besinnen und die Bürgschaft unter Berufung auf rein formelle Gesichtspunkte wieder zurückfordern; jedenfalls unter Vollkaufleuten könnte ein solches Verhalten rechtlich nicht gebilligt werden.
8Die unstreitigen und von der Verfügungsbeklagten glaubhaft gemachten weiteren Umstände lassen es als keineswegs fernliegend erscheinen, daß die I. die Bürgschaft vom 7.4.1994 im ausdrücklichen Auftrag der Verfügungsklägerin als eine solche auf erstes Anfordern ausgestellt hat, weil dies den von der Verfügungsklägerin mit der Im. getroffenen Vereinbarungen entsprach. So ist zum einen bereits zu bedenken, daß eine Bank eine von ihr angeforderte Bürgschaft grundsätzlich nur dann als Bürgschaft auf erstes Anfordern ausstellen wird, wenn dies von ihrem Auftraggeber so gewünscht wird, zumal sie anderenfalls auch Schadensersatzansprüchen ihres Kunden ausgesetzt wäre, die dazu führen würden, daß sie nach erfolgter Inanspruchnahme durch den Gläubiger nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen bei ihrem Kunden Rückgriff nehmen könnte. Daß eine Bank Bürgschaften auch ohne dahingehenden Auftrag des Kunden quasi routinemäßig immer als solche auf erstes Anfordern ausstellt, erscheint in hohem Maße unwahrscheinlich; daß die Bank versehentlich die Bürgschaft mir einer höheren Qualität ausstattet als gewünscht, ist jedenfalls nicht naheliegend. Die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Korrespondenz mit der I. ist nicht geeignet, diese Vermutungen zu entkräften. Denn zwar ist in dem Auftrag vom 6.4.1994 in der Rubrik "Wortlaut der Avalurkunde" die Alternative "Bürgschaft auf erstes Anfordern" nicht offenkundig angekreuzt. In der Rubrik findet sich jedoch ein maschinenschriftliches Kreuz, das eindeutig keiner der dort aufgeführten Alternativen zugeordnet werden kann. Auch wenn sich dieses Kreuz nicht auf die "Bürgschaft auf erstes Anfordern" beziehen sollte, sondern auf die räumlich näher stehende Textstelle "Text gemäß Sonderweisung/Anlage", wäre der Inhalt des erteilten Auftrags nicht transparent, da dann die zugehörige "Sonderweisung/Anlage" nicht vorgelegt worden ist. Unklarheiten verbleiben auch insoweit, als in dem Auftragsschreiben auf "umseitige Bedingungen für das Avalgeschäft" und die AGB der Bank Bezug genommen wird, deren Inhalt nicht bekannt ist. Das Übersendungsschreiben der I., das bezüglich des Inhalts des ihr erteilten Auftrags weiteren Aufschluß geben könnte, ist nach dem - nicht glaubhaft gemachten - Vorbringen der Verfügungsklägerin nicht auffindbar.
9Ebenfalls wenig wahrscheinlich ist es, daß der als Hauptabteilungsleiter Finanzen/Steuern bei der Verfügungsklägerin tätige Prokurist Dr. D. bei Übersendung der Bürgschaftsurkunde an die Im. mit Schreiben vom 12.4.1994 nicht erkannt haben soll, daß die Bürgschaft in der Form, wie sie von der I. ausgestellt worden ist, über die mit der Im. getroffenen Vereinbarungen in einem wesentlichen Punkt hinausging. Auch hierzu fehlt es an konkretem - und glaubhaft gemachtem - Vortrag der Verfügungsklägerin.
10Weitere Indizien dafür, daß die Bürgschaft vom 7.4.1994 mit dem erteilten Inhalt den Abreden der Vertragsparteien entsprochen haben könnte, finden sich im prozessualen Verhalten der Verfügungsklägerin. So wird in der Antragsschrift ausdrücklich ausgeführt, die I. habe sich "entsprechend der Vereinbarung verpflichtet, auf erstes Anfordern zu zahlen." Daß diese Formulierung "mißverständlich" sei, kann der Verfügungsklägerin nicht zugegeben werden, die Formulierung ist vielmehr eindeutig. Daß die gewählte Formulierung versehentlich inhaltlich falsch war, ist zwar nicht von vornherein auszuschließen, aber im Hinblick darauf, daß dem Justitiar und Prokuristen Schüchtle der Verfügungsklägerin die Antragsschrift ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vor ihrer Einreichung bei Gericht vorgelegt worden ist, auch nicht gerade naheliegend, da davon auszugehen sein dürfte, daß der Justitiar vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens sowohl die Bürgschaftsurkunde als auch die Vorgänge der Verfügungsklägerin über die mit der Im. getroffenen Vereinbarungen eingehend gesichtet und einer eigenständigen kritischen Prüfung unterzogen hat. Bei dieser Gelegenheit hätte die später beklagte Diskrepanz zwischen Bürgschaftsurkunde und Vertragstext eigentlich nicht unbemerkt bleiben dürfen. Auch fällt in diesem Zusammenhang auf, daß der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung nicht auf das - auf Anhieb schlagend erscheinende - Argument der ungerechtfertigten Bereicherung wegen einer ohne Rechtsgrund erlangten "höherwertigen" Bürgschaft gestützt wurde, obwohl auch den sonstigen Mitarbeitern der Verfügungsklägerin, die nach Erhalt des Schreibens der I. vom 18.6.1996 mit der Nachricht über die bevorstehende Inanspruchnahme durch die Verfügungsbeklagte mit dem Vorgang befaßt waren, hätte auffallen müssen, wenn die Bürgschaft über den vereinbarten Inhalt hinausging, da das Bestreben der Verfügungsklägerin ja gerade dahin ging, eine Inanspruchnahme ihres Bürgen durch die Verfügungsbeklagte möglichst zu verhindern; stattdessen wurde der Antrag auf Gründe gestützt, die gegenüber einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht durchzugreifen vermögen, worauf weiter unten noch eingegangen wird.
11Sprechen die vorstehend dargelegten Gründe bereits in ganz erheblichem Umfang gegen die Verfügungsklägerin, so wird dies durch die von der Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Urkunden noch weiter verstärkt. Denn wie sich daraus ergibt, hat auch die D. eine Kontrakterfüllungsbürgschaft vom 13.5.1993 für die Verfügungsklägerin (ersichtlich in Erfüllung von § 4.4 des Vertrags vom 11.1.1993) ausgestellt, die als solche auf erstes Anfordern formuliert ist, obwohl auch in der genannten Vertragsbestimmung diese Qualität der Bürgschaft nicht gefordert wird. Daß auch diese Bank ohne einen entsprechenden Auftrag der Verfügungsklägerin eine höherwertige Bürgschaft übernommen hat, erscheint wenig wahrscheinlich; ein demzufolge zu vermutender Auftrag der Verfügungsklägerin läßt es aber als naheliegend erscheinen, daß dem wiederum eine entsprechende Abrede mit der Im. zugrundeliegt. Dies wird schließlich auch durch die eidesstattliche Versicherung des früheren Geschäftsführers H. der Im. vom 13.3.1997 bestätigt, der erklärt, die Verfügungsbeklagte habe die vollständige Zahlung des Kaufpreises für das Bauobjekt an die Im. u.a. davon abhängig gemacht, daß es sich (bei der zur Abtretung vorgesehenen) Bürgschaft um eine solche auf erstes Anfordern handeln müsse und daß dies von ihm an den zuständigen Mitarbeiter der Im. weiter gegeben worden sei, damit dies bei den Gesprächen mit der Verfügungsklägerin berücksichtigt werde. Daß die Verfügungsbeklagte bezüglich der Bürgschaft hohe qualitative Anforderungen stellte, wird zudem belegt durch den weiter eingereichten Schriftwechsel betreffend die Anerkennung als Zoll- und Steuerbürgen.
12Auffällig ist zudem, daß ausweislich des vorgelegten Schreibens der Verfügungsklägerin an die Im. GmbH vom 20.1.1994 diese selbst den Text für eine (Zahlungs-)Bürgschaft der Garanti Bankasi für den Bauabschnitt Passage und Neumarkt Mitte entworfen hat, die die Verpflichtung zur Zahlung bis zu 19 Mio DM auf erstes Anfordern enthält. Bezüglich desselben Bauabschnitts hatte diese Bank auch bereits unter dem 17.12.1993 eine Kontrakterfüllungsbürgschaft über ca. 940.000 DM "auf erstes schriftliches Anfordern" für die Verfügungsklägerin übernommen. Bürgschaften dieser Art waren danach bei der Abwicklung des Projekts Senftenberg offensichtlich keineswegs ungewöhnlich, und es erscheint ausgeschlossen, daß Bürgschaften mit dieser Qualität samt und sonders bewußt ohne entsprechende Verpflichtung oder allesamt versehentlich ausgestellt worden sind.
132.
14Der Verfügungsantrag kann auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, die Verfügungs-klägerin werde in unzulässiger Weise doppelt belastet, weil die Im. trotz Erhalt der Gewährleistungsbürgschaft den Sicherungseinbehalt von 5 % nicht ausbezahlt und sich gegenüber der eingeklagten Restwerklohnforderung mit der Aufrechnung wegen angeblicher Gewährleistungsansprüche befriedigt habe. Dieses Vorbringen der Verfügungsklägerin ist von der Verfügungsbeklagten in zulässiger Weise bestritten worden, da es sich um einen Sachverhalt handelt, der sich der eigenen Wahrnehmung der Verfügungsbeklagten entzieht und diese an dem fraglichen Rechtsstreit nicht beteiligt ist. Die Verfügungsklägerin hat ihren Sachvortrag jedoch nicht glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung ist auch nicht entbehrlich, da die behaupteten Tatsachen nicht gerichtsbekannt sind. Das fragliche Verfahren ist beim Senat nicht anhängig und war es auch bislang nicht. Das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Landgerichts vom 17.12.1996 im Hauptsacheverfahren 85 O 173/96 LG Köln = 12 U 40/97 OLG Köln enthalten zu diesem Punkt auch keine Feststellungen.
15Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bestehen auch Bedenken, ob ein Verfügungsgrund gegeben ist. Grundsätzlich ist Voraussetzung für einstweilige Verfügungen, durch die die Auszahlung von Bürgschaftsbeträgen aufgrund von Bürgschaften auf erstes Anfordern verhindert werden soll, daß dem Verfügungskläger der Verlust des Geldbetrags oder ein sonstiger schwerwiegender Nachteil droht. Der bloße Umstand, daß möglicherweise ein Rechtsstreit um die Berechtigung der Inanspruchnahme geführt werden muß, ist insoweit nicht ausreichend, da bei Bürgschaften dieser Art geradezu systemimmanent -Grundsatz: "Erst zahlen, dann prozessieren"- (vgl. OLG Düsseldorf OLGReport 1995, 29, 30). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Durchsetzbarkeit eines Rückforderungsanspruchs der Verfügungsklägerin gefährdet wäre, sind jedoch nicht vorgetragen, jedenfalls aber nicht glaubhaft gemacht. Diese Frage bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung.
163.
17Die von der Verfügungsklägerin zur Begründung ihres Verfügungsantrags vorgebrachten drei Gründe waren nicht geeignet, den Erlaß einer einstweiligen Verfügung zu rechtfertigen. Sie betreffen lediglich die Frage, ob gegen sie gerichtete Gerwährleistungsansprüche bestehen und ob sie ihre Werklohnansprüche gegen die Im. realisieren kann (deren Existenz zudem umstritten ist, da umfangreiche Gewährleistungsansprüche aufgerechnet worden sein sollen). Es sind typische Einwendungen, die einer Bürgschaft auf erstes Anfordern grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden können; ihre Berechtigung ist erst im nach erfolgter Zahlung zu führenden Rückforderungsprozeß zu klären (vgl. statt vieler BGH BauR 1987, 353, 356). Auch das Vorbringen der Verfügungsklägerin zur Einrede des nicht erfüllten Vertrags gehört in diese Kategorie von Einwendungen, die dem Rückforderungsprozeß vorbehalten sind.
184.
19Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung OLG München BauR 1995, 859 = NJW-RR 1996, 534 hilft nicht weiter. Das OLG hat dort (im Anschluß an verschiedene andere Oberlandesgerichte) eine Klausel in AGB des Auftraggebers für unwirksam erachtet (§ 9 AGBG), durch die dieser sich das Recht einräumt, einen bestimmten Prozentsatz des Werklohns für längere Zeit einzubehalten. Es fehlt aber schon konkreter Vortrag dazu, warum es sich bei dem vorliegenden Vertrag nicht um einen Individualvertrag handeln soll (das äußere Erscheinungsbild spricht nicht für die Bejahung von AGB oder Formular-vertrag), und wenn es sich um vorformulierte Bedingungen handeln sollte, ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß es sich um solche der Verfügungsklägerin handelt, was keines-wegs fernliegend wäre, da es sich bei ihr um ein größeres Unternehmen handelt, das ständig auf dem Bausektor tätig ist, und daß Unternehmen dieser Art nur unter Zugrundelegung ihrer AGB Verträge schließen, kommt erfahrungsgemäß häufig vor.
20Das OLG München hat in seiner Entscheidung desweiteren ausgeführt, es verstoße gegen § 9 AGBG, wenn der Auftraggeber in seinen AGB bestimme, daß der - unzulässige - formularmäßige Gewährleistungseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden könne. Diese Überlegung ist vorliegend aber in keiner Weise einschlägig, da der schriftliche Vertrag eine derartige Bürgschaft gerade nicht vorsieht. Wenn die Bürgschaft auf erstes Anfordern vereinbart war, dann zweifellos aufgrund einer Individualabrede. Wenn sie aber sogar nur versehentlich übergeben worden sein sollte, was die Klägerin gerade geltend macht, läßt sich aus der Entscheidung des OLG München erst recht nichts relevantes herleiten.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
22Streitwert. 550.000 DM