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G r ü n d e :
2Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen (vorsätzlichen) Verstoßes gegen §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b ABBG (Autobahnbenutzungsgebührengesetz für schwere Nutzfahrzeuge) zu einer Geldbuße von 500,-- DM verurteilt. Es hat festgestellt:
3"Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma H. Sch. u. Sohn GmbH & Co. KG. Diese ist...Halterin einer Sattelzugmaschine...und eines Sattelanhängers...Beide Fahrzeuge haben ein zulässiges Gesamtgewicht von je 14.000 kg. Mit dem Sattelanhänger wirbt die Firma für ihre Armaturen... Im Prospekt heißt es u.a.: 'Hellerleuchtet und vollklimatisiert werden hier die zahlreichen Armaturserien übersichtlich gezeigt.' Bei einer Kontrolle am 17.03. 1995 auf der Bundesautobahn A 44...wurde festgestellt, daß die Firma Sch. mit den vorgenannten Fahrzeugen als Fahrzeugkombination eine Bundesautobahn benutzte, obwohl nach dem ABBG...Gebühr nicht entrichtet und nicht gestundet worden war..."
4Der Auffassung des Betroffenen, die Fahrzeugkombination unterliege nicht der Gebührenpflicht, ist das Amtsgericht nicht gefolgt. Es hat seinen gegenteiligen Standpunkt folgendermaßen begründet:
5"Wie der Betroffene selbst ausführt, dient der Sattelzug der Beförderung von Ausstellungsgut, nämlich Armaturen, aus der eigenen Produktion der Firma Sch. zu den diversen Ausstellungsorten. Das ist Güterkraftverkehr. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beförderung der Armaturen nur zum Vorzeigen bzw. zum Werben geschieht. Denn im Gegensatz zu § 4 Abs. 2 GüKG in Verbindung mit § 1 Nr. 19 Freistellungsverordnung sieht das ABBG für eine solche Beförderung keine Ausnahme vor. Vielmehr bestätigt gerade diese Ausnahmeregelung, daß es sich auch bei einer solchen Beförderung um eine Beförderung von Gütern handelt. Denn sonst wäre sie nicht notwendig gewesen."
6Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge.
7Das Rechtsmittel hat Erfolg.
8Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.
9Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 b ABBG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs im Sinne von § 1 Abs. 1 ABBG oder als Person, die über den Gebrauch eines solchen Motorfahrzeugs bestimmt, die Benutzung einer Bundesautobahn mit diesem Fahrzeug anordnet oder zuläßt, obwohl die geschuldete Gebühr weder entrichtet noch gestundet worden ist. Der Verstoß kann mit Geldbuße bis zu 10.000,-- DM geahndet werden (§ 4 Abs. 2 ABBG). Diese Regelung gilt nach § 1 Abs. 1 ABBG für Kraftfahrzeuge im Sinne des Art. 2 der Richtlinie 93/89/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Oktober 1993. Gemeint sind danach Kraftfahrzeuge und Fahrzeugkombinationen, die ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt sind und deren zulässiges Gesamtgewicht mindestens 12.000 kg (= 12 Tonnen) beträgt.
10Zwar handelt es sich entgegen der Auffassung der Verteidigung bei der Beförderung von Ausstellungsgut in einem Sattelauflieger als fahrbahrem Ausstellungsraum um Güterkraftverkehr. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 2 GüKG i.V.m. § 1 Nr. 19 Freistellungsverordnung, wonach die Beförderung in besonders eingerichteten Vorführungswagen zum ausschließlichen Zwecke der Werbung oder Belehrung von den Vorschriften des GüKG ausgenommen wird. Die Ausnahmeregelung zeigt, daß auch jene Beförderung grundsätzlich als Güterkraftverkehr gelten soll.
11Nach dem Inbegriff der getroffenen Feststellungen ist die Fahrzeugkombination jedoch nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt. "Ausschließlich" im Sinne von Art. 2 der Richtlinie bedeutet, daß der alleinige Zweck des Kraftfahrzeugs oder der Fahrzeugkombination die Güterbeförderung sein muß. Wird das Kraftfahrzeug dagegen auch oder gar vorwiegend zu anderen Zwecken als der Güterbeförderung eingesetzt, fällt es weder unter Art. 2 der Richtlinie noch unter die darauf bezugnehmenden Vorschriften des ABBG. Das läßt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Richtlinie und des ABBG ableiten, wonach die Einführung der Autobahnbenutzungsgebühr in erster Linie der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen bei den europäischen Transportunternehmen dienen, also Benutzer betreffen sollte, die zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Kraftfahrzeuge, die mangels ausschließlicher Bestimmung für den Güterverkehr nicht an diesem Wettbewerb teilnehmen und in ihn eingreifen, werden danach nicht erfaßt. Wäre es die Absicht des Gesetzes gewesen, alle schweren Kraftfahrzeuge, mit denen hin und wieder Güter befördert werden, der Gebührenpflicht zu unterwerfen, hätte es der Beschränkung auf solche Fahrzeuge, die "ausschließlich" dem Gütertransport dienen, nicht bedurft. In dem Begriff der "ausschließlichen" Bestimmung für den Güterkraftverkehr liegt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts das wesentliche Unterscheidungsmerkmal. Eine Ausnahmeregelung wie in § 1 Nr. 19 der Freistellungsverordnung für solche Kraftfahrzeuge, die sich nur gelegentlich mit der Güterbeförderung befassen und sonst einem anderen Zweck dienen, ist nach dem klaren Wortlaut der hier einschlägigen Vorschriften nicht erforderlich. Im Gegenteil hätte es der Gesetzgeber klarstellen müssen, wenn er neben den "ausschließlich" für die Güterbeförderung eingesetzten Kraftfahrzeugen auch andere Fahrzeuge, die solche Voraussetzungen nicht erfüllen, in die Gebührenpflicht hätte einbeziehen wollen.
12Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Fahrzeugkombination der Firma Sch. nicht ausschließlich für den Güterkraftverkehr bestimmt war. Zwar wurde und wird damit unter anderem Ausstellungsgut (Armaturen) von Ort zu Ort befördert, jedoch diente das Fahrzeug in erster Linie als Ausstellungsraum für die Produkte der Firma. Es leuchtet ein, daß das Schwergewicht der Bestimmung nicht im Transportbereich liegt, sondern darin, die Fahrzeugkombination als Ausstellungsraum, in dem sich die Produkte der Firma Sch. präsentieren lassen, nutzen zu können. Der Transport der Ausstellungsstücke zum jeweiligen Ausstellungsort ist im Gesamtkonzept bei lebensnaher Betrachtung lediglich von untergeordneter Bedeutung und greift in den Wettbewerb derjenigen Transportunternehmen, die "ausschließlich" Güterverkehr betreiben, nicht ein.
13Da für die Fahrzeugkombination der Firma Sch. nach allem keine Autobahnbenutzungsgebühr nach den Bestimmungen des ABBG entrichtet zu werden brauchte, war der Betroffene aus Rechtsgründen freizusprechen.
14Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 467 StPO i.V.m. § 46 OWiG.