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G r ü n d e :
2Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 120,00 DM festgesetzt. Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. In seinem Zulassungsantrag hat der Betroffene im wesentlichen folgendes ausgeführt:
3"Das angefochtene Verwerfungsurteil ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil es nicht hinreichend erkennen läßt, warum das Gericht von den drei Möglichkeiten des § 74 OWiG gerade die Einspruchsverwerfung gewählt hat. Dies muß jedoch - für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar - in dem Verwerfungsurteil dargelegt werden (vgl. Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 74, Rn. 35-35 b).
4Da feststand, daß der Betroffene seinerzeit den auf ihn zugelassenen Pkw gesteuert hatte, sprach nichts gegen eine Verhandlung ohne den Betroffenen, zumal die beiden von dem Gericht geladenen Zeugen erschienen waren. Auch ohne den Betroffenen wäre daher eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen. Zumindest in einem derartigen Fall reicht die nichtssagende Formulierung, es seien "keine Gründe ersichtlich ..., die gegen eine Verwerfung sprechen", nicht aus.
5Ebenso ist es im Hinblick auf den (o.g.) Grund, der für eine Verhandlung in Abwesenheit des Betroffenen sprach, ohne Bedeutung, daß nicht ausdrücklich "Einwendungen gegen eine Verwerfung erhoben" worden sind. Dies wäre auch wenig sinnvoll gewesen, da das Gericht - wie in derartigen Fäl-len üblich - erkennbar zur Verwerfung des Einspruchs ent-schlossen war."
6Der Senat hat durch Beschluß vom 24.11.1995 - Ss 599/95 (Z) - 300 Z - den Zulassungsantrag als unzulässig verworfen. Zur Begründung heißt es in dieser Entscheidung:
7"Die Verfahrensrüge, das Verwerfungsurteil enthalte keine Begründung dafür, weshalb die Hauptverhandlung nicht trotz des unerlaubten Ausbleibens des Betroffenen gemäß § 74 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 OWiG in seiner Abwesenheit durchgeführt worden sei, ist schon nicht zulässig erhoben, weil besondere Umstände, die es dem Amtsgericht hätten nahe legen müssen, von einer Einspruchsverwerfung abzusehen und die Hauptverhandlung ohne persönliche Anwesenheit des Betroffenen durchzuführen, in der Begründung des Zulassungsantrags entgegen § 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG i.V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht vorgetragen worden sind (vgl. SenE vom 26. Oktober 1995 - Ss 567/95 (Z) - m.w.N.).
8Eine Sachrüge ist der Begründung nicht zu entnehmen."
9Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 03.01.1996 - am gleichen Tag bei Gericht eingegangen - hat der Betroffene erneut beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, und beantragt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die als unzulässig bewertete Begründung der Rechtsbeschwerde einem Fristversäumnis gleichzustellen und das Verschulden des Verteidigers dem Betroffenen nicht zuzurechnen sei.
10Der Schriftsatz enthält ferner Ausführungen zu der Rüge, das Amtsgericht lasse in seinem Urteil nicht erkennen, warum es von den drei Möglichkeiten des § 74 OWiG gerade die Einspruchsverwerfung gewählt hat. Zur Sachrüge heißt es in diesem Schriftsatz:
11"Erstaunlicherweise wird die Verwerfung der Rechtsbeschwerde (nebst Zulassungsantrag) als unzulässig von dem 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln auch damit begründet, daß "eine Sachrüge ... der Begründung nicht zu entnehmen" ist. Dies erscheint mir nicht unzweifelhaft, soll aber hier nicht näher verfolgt werden, da im Rahmen der vorliegenden Rechtsbeschwerdebegründung nunmehr die
12S a c h r ü g e
13erhoben wird. Daß dies im vorliegenden Fall bisher nicht geschehen ist, beruht auch darauf, daß gerade der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln die Auffassung vertritt, die Sachrüge führe bei Verwerfungsurteilen gemäß § 74 II OWiG "nur zur Überprüfung, ob die Prozeßvoraussetzungen vorliegen oder Verfahrenshindernisse bestehen"."
14Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist unbegründet, wobei die Rechtzeitigkeit des Antrags (§ 45 Abs. 1 StPO) unterstellt wird.
15Zwar ist nach der Verwerfung einer Revision bzw. einer Rechtsbeschwerde oder eines Zulassungsantrags wegen Unzulässigkeit nach § 349 Abs. 1 StPO grunsätzlich Wiedereinsetzung möglich (RGSt 53, 287; BGHSt 25, 89, 91; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO, 42. Aufl. § 349 Rdnr. 25). Dies wird auch für Fälle anerkannt, in denen das Rechtsmittel unzulässig ist, weil die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 StPO nicht beachtet ist, da durch eine wegen Formmangels unzulässige Revision bzw. Rechtsbeschwerde die Begründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO nicht gewahrt wird (RGSt 67, 197; OLG Hamburg NJW 1965, 312; OLG Hamm MDR 1978, 507; OLG Zweibrücken Strafverteidiger 1991, 550; Lemke in Alternativkommentar zur StPO § 44 Rdnr. 10; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 44 Rdnr. 9; Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 44 Rdnr. 6). Dieser Grundsatz kann aber nicht dazu führen, daß unabhängig von den Gründen der Unzulässigkeit der Revision bezüglich jeder Art von Rügen Wiedereinsetzung gewährt werden kann. Ob überhaupt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen gewährt werden kann (vgl. hierzu BGH NStZ 1993, 245 = BGHR StPO § 44 Verschulden 1), bedarf keiner Entscheidung. Wiedereinsetzung kann jedenfalls nicht zur Nachbesserung einer bereits erhobenen Verfahrensrüge gewährt werden. Dies ist anerkannt für Fälle, in denen eine andere Rüge ordnungsgemäß erhoben und die Revision deswegen zulässig ist (vgl. BGH NStZ 1985, 181; wistra 1992, 28; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1 = NStE StPO § 44 Nr. 10; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3 = NStE StPO § 44 Nr. 17). Dies muß aber auch gelten, wenn keine andere Rüge ordnungsgemäß erhoben und die Revision daher unzulässig ist.
16Es liegt kein triftiger Grund vor, demjenigen Betroffenen, dessen Verteidiger keine einzige Rüge ordnungsgemäß erhoben hat, die Möglichkeit zu geben, alle Rügen nachzuschieben und auch den Vortrag zu den schon unvollständig erhobenen Verfahrensrügen zu vervollständigen, während demjenigen, dessen Verteidiger wenigstens die Sachrüge erhoben hat, eine Nachbesserung verwehrt sein soll. Eine uneingeschränkte Nachbesserung im Wege der Wiedereinsetzung nach Verwerfung des Rechtsmittels wegen Unzulässigkeit könnte dazu verführen, daß der Verteidiger bei der Begründung von Verfahrensrügen sich darauf verläßt, daß er immer noch die Möglichkeit zu ergänzendem Vortrag hat, wenn ihm das Rechtsbeschwerdegericht in der Verwerfungsentscheidung nach § 349 Abs. 1 StPO mitgeteilt hat, warum die erhobene Verfahrensrüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Die Regelung in § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO würde im Ergebnis außer Kraft gesetzt, wenn der Betroffene nach Hinweis auf die formalen Mängel der Rechtsmittelbegründungsschrift durch den Verwerfungsbeschluß des Senats unter Hinweis auf Verteidigerverschulden seine zunächst nicht formgerecht angebrachte Verfahrensrüge nachbessern könnte (vgl. BGH NStE StPO § 44 Nr. 10; BGH wistra 1992, 28). Das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist kann nicht dazu dienen, die Form- und Fristgebundenheit der Revisionsbegründung nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu unterlaufen (BGHR StPO § 44 Satz 1 Verfahrensrüge 3).
17Dem Betroffenen kann daher wegen der Rüge, das Amtsgericht habe seine Wahlmöglichkeit nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht hinreichend begründet, keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Diese Verfahrensrüge (vgl. hierzu BayObLG VRS 83, 56; Senatsentscheidungen VRS 70, 458 und 72, 442; Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 74 Rdnr. 48 b) hat der Betroffene schon mit dem ersten Zulassungsantrag erhoben, ohne allerdings gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO Tatsachen in einem Umfang vorzutragen, daß der Senat schon aufgrund dieses Vortrags - ohne Einblick in die Akten - hätte prüfen können, ob eine Verhandlung in Abwesenheit des Betroffenen nahegelegen und daher die gleichwohl vorgenommene Einspruchsverwerfung näherer Begründung bedurft hätte (vgl. BayObLG VRS 66, 288; OLG Hamm VRS 74, 446; OLG Köln, 3. Strafsenat, VRS 65, 287). Nachdem der Senat die Verfahrensrüge deshalb im Verwerfungsbeschluß vom 24.11.1995 als unzulässig angesehen hat, kann der Betroffene zur Ergänzung dieser schon erhobenen und beschiedenen Verfahrensrüge keine Wiedereinsetzung erhalten.
18Auch zur nachträglichen Erhebung der Sachrüge kann im vorliegenden Fall keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Im Wiedereinsetzungsantrag, mit dem nun die Sachrüge ausdrücklich erhoben wird, heißt es:
19"Daß dies im vorliegenden Fall bisher nicht geschehen ist, beruht auch darauf, daß gerade der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln die Auffassung vertritt, die Sachrüge führe bei Verwerfungsurteilen gemäß § 74 Abs. 2 OWiG nur zur Überprüfung, ob die Verfahrensvoraussetzungen vorliegen oder Verfahrenshindernisse bestehen."
20Daraus ergibt sich, daß der Verteidiger bewußt auf die Erhebung der Sachrüge verzichtet hat, weil sie zur Überprüfung des Verwerfungsurteils nicht geeignet sei. Eine solche Handlungsweise war durchaus sinnvoll, da die Sachrüge nur zur Überprüfung der Prozeßvoraussetzungen und eventueller Verfahrenshindernisse geführt hätte, aber mangels materiell-rechtlichen Gehalts des angefochtenen Urteils nicht geeignet war, zu einer Prüfung der Frage zu führen, ob das Amtsgericht den Einspruch rechtsfehlerfrei verworfen hat (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. SenE VRS 72, 442). Wenn aber ein Betroffener - sei es auch durch Erklärung seines bevollmächtigten Verteidigers - bewußt auf die Erhebung einer Rüge verzichtet, kann ihm insoweit keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dient nur dazu, Rechtsnachteile zu beseitigen, die dadurch entstanden sind, daß jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten; die Möglichkeit der Wiedereinsetzung besteht aber nicht in Fällen, in denen bewußt von einem Rechtsmittel (vgl. hierzu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 42. Aufl., § 44 Rdnr. 5; Senatsentscheidungen vom 05.09.1995 - Ss 456/95 - und vom 22.09.1995 - Ss 479/95) oder einer speziellen Revisions- bzw. Rechtsbeschwerderüge kein Gebrauch gemacht wird, auch nicht, wenn der Verteidiger - wie im vorliegenden Fall - nicht bedacht hat, daß das Fehlen einer Sachrüge zur Verwerfung wegen Unzulässigkeit führen kann, falls die Verfahrensrüge nicht den Formvorschriften des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Eine derartige Fehleinschätzung des Verteidigers stellt kein Hindernis im Sinne des § 44 StPO dar (vgl. BayObLGSt 1970, 148; BayObLG bei Rüth DAR 1974, 181; OLG Düsseldorf NStE StPO § 44 Rdnr. 30; Pentz NJW 1962, 1236, 1237).
21Das Wiedereinsetzungsgesuch ist daher unbegründet. Der erneute Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da die nun vorgelegte Rechtsmittelbegründung nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangen ist.