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G r ü n d e:
2I.
3Der Antragsteller ist seit dem 15.12.1967 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht C.-R. und dem Landgericht D. zugelassen. Mit Urkunde vom 3.9.1973 wurde er außerdem zum Notar mit dem Amtssitz in C.-R. bestellt.
4Mit Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Dortmund vom 22.12.1987 erging gegen den Antragsteller ein Verweis, weil er unter Verstoß gegen § 7 DO Not seit dem 23.6.1983 die Urkundenrolle nicht mehr geführt hatte.
5Mit einer weiteren Disziplinarverfügung vom 7.1.1992 wurde gegen den Antragsteller wegen verschiedener Dienstpflichtverletzungen eine Geldbuße von 2.000,00 DM verhängt. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde sowie ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung blieben ohne Erfolg, wobei wegen der Einzelheiten der dem Antragsteller vorgeworfenen Dienstvergehen auf die Senatsentscheidung vom 21.12.1992 - 2 X (Not) 5/92 - verwiesen wird (Bl. 88 f. Disz.H II).
6Ab Februar 1994 wurde der Antragsteller von Firmen der S.-Gruppe, die vornehmlich in den neuen Bundesländern auf dem Immobiliensektor tätig waren, mit Beurkundungen beauftragt. Zu dieser Zeit war der Antragsteller noch als Einzelanwalt tätig, ging jedoch danach eine Bürogemeinschaft mit den Rechtsanwälten K. u.a. ein. Dort hatte er auch die Möglichkeit, das infolge der Kontakte zu der S.-Gruppe sprunghaft gestiegene Urkundsaufkommen büromäßig besser zu bewältigen (1991: 60 Geschäfte; 1992: 86; 1993: 115: bis 5.9.1994: 439). Aufgrund eines Berichts des Präsidenten des Landgerichts M. vom 5.8.1994 über Treuhandverstöße eines im dortigen Bezirk ansässigen Notars im Zusammenhang mit Beurkundungen, an denen Firmen der S.-Gruppe als Verkäufer beteiligt waren, erfolgte am 9., 12. und 14.9.1994 eine Prüfung der Verwahrungsgeschäfte des Antragstellers. Daraufhin leitete der Präsident des Landgerichts D. unter dem 11.10.1994 disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den Antragsteller ein.
7In der Folgezeit entwickelten sich folgende Verfahren:
81.
9Auf Anregung der Notarkammer verfügte der Präsident des Oberlandesgerichts H. am 19.12.1994 die vorläufige Amtsenthebung des Antragstellers gem. den §§ 54 Abs. 1 Nr. 2, 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO. Der Bescheid wurde darauf gestützt, daß der Antragsteller bei Grundstücksgeschäften in einer Vielzahl von Fällen durch eine vorzeitige Auszahlung von hinterlegten Geldern an die zu der S.-Gruppe gehörenden Verkäuferfirmen "L. und Partner", "MSW" und "BEG" ein nur als mangelhaft zu bezeichnendes Pflichtverständnis im Umgang mit anvertrauten Geldern offenbart und damit Erwerbern von Grundstücken bzw. finanzierenden Banken ein nicht hinnehmbares Risiko zugemutet habe.
10Gegen diesen am 28.12.1994 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller mit einem am 24.1.1995 eingegangenen Schriftsatz Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt (Ausgangsverfahren 2 X (Not) 3/95).
112.
12Unter Bezugnahme auf die Gründe des Bescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts H. vom 19.12.1994 eröffnete der Antragsgegner mit einem am 23.1.1995 zugestellten Bescheid vom 17.1.1995 dem Antragsteller, daß dessen Amtsenthebung in Aussicht genommen sei, weil die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtssuchenden gefährde. Hiergegen richtet sich ein weiterer, am 23.2.1995 eingegangener Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Verfahren 2 X (Not) 5/95).
133.
14Unter dem 27.1.1995 leitete der Antragsgegner das förmliche Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein und enthob ihn - gestützt auf die §§ 54 Abs. 5, 96 S. 1 BNotO i. V. m. § 91 DO NW - erneut vorläufig seines Amtes. Einen hiergegen eingelegten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Senat mit Beschluß vom 24.7.1995 - 2 X (Not) 6/95 - zurückgewiesen.
15Dem Antragsteller wird wegen der Abwicklung von Verwahrungsgeschäften im Zusammenhang mit der S.-Gruppe im wesentlichen folgendes zur Last gelegt:
16Der Antragsteller läßt sich dahin ein, er habe der Vertreterin der S.-Gruppe Frau P., einer Volljuristin, besonderes Vertrauen entgegen gebracht. Auch hätten Erkundigungen im Mai/Juni über eine Auskunftei nichts Nachteiliges über die Gruppe ergeben. Aufgrund von Auskünften bei den Kreditinstituten habe Frau P. jeweils Kenntnis von eingegangenen Geldern gehabt. Sie habe ihm dann in der Regel mitgeteilt, daß die Auszahlungsvoraussetzungen vorlägen. Im allgemeinen hätte als letztes Glied nur noch die Auflassungserklärung gefehlt. Er sei dann gebeten worden, die Erklärungen vorzubereiten; man - Frau P. - werde sie bei den Grundbuchämtern einreichen lassen. Daraufhin sei die Auszahlung vorgenommen worden, wobei es wegen der Vielzahl der Verträge zu Pannen gekommen sein könne.
18Der Antragsteller macht hierzu geltend, daß den Grundbuchämtern für die Eigentumsumschreibung der einzelnen Wohnungseigentumseinheiten in der Regel die Vorlage der Vorkaufsrechtsatteste bzw. Genehmigungen nach der Grundstücksverkehrsordnung für die jeweiligen Gesamtobjekte genügt habe. Deren Vorliegen habe er sich jeweils von den Vertragsparteien bestätigen lassen. Gleichwohl seien - aus seiner Sicht überflüssigerweise - noch entsprechende Anträge bzgl. der Einzelobjekte eingereicht worden.
20oder
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27Der Antragsteller beruft sich darauf, daß er selbst oder seine Büroangestellte dann, wenn Treuhandauflagen der Banken von den Hinterlegungsanweisungen der Vertragsparteien abgewichen hätten, jeweils bei den Banken angerufen habe, damit diese auf einige Auflagen, z.B. die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen, verzichteten. An die genauen Einzelfälle könne er sich nicht mehr erinnern.
29Auch insoweit räumt der Antragsteller den Vorwurf als solchen ein, macht aber geltend, daß er wegen der zu beachtenden Treuhandauflagen teilweise direkt von den Banken angesprochen worden sei. Bei den übrigen Massen sei er davon ausgegangen, daß keine entsprechenden Treuhandauflagen gegenüber dem vorher tätig gewesenen Notar bestanden hätten bzw. Auflagen bereits erfüllt gewesen seien.
31Wegen weiterer Dienstvergehen, die Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind, wird auf den Senatsbeschluß vom 24.7.1995 verwiesen.
32Der Antragsteller beantragt,
33Die Antragsgegner beziehen sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und beantragen,
36die Anträge auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
37Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
38Die Akten 2 X (Not) 6/95 OLG Köln, die Personalakten III W 385 des Antragsgegners zu 1. sowie I W 1327 des Antragsgegners zu 2. nebst einem Beiheft, 3 Disziplinarhefte I W 104 LG D. sowie ein Anlagenband I W 104 mit Ablichtungen aus dem Vorgang des Untersuchungsführers im Disziplinarverfahren haben vorgelegen und waren Gegenstand der Verhandlung.
39II.
40Der gegen den Bescheid des Antragsgegners zu 1. vom 17.1.1995 gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 50 Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 111 BNotO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat er keinen Erfolg.
41Die Ankündigung des Antragsgegners zu 1., den Antragsteller seines Notaramtes zu entheben, ist rechtmäßig. Es ist daher festzustellen, daß die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO vorliegen.
42Zutreffend hat der Antragsgegner zu 1. angenommen, daß die Art der Wirtschaftsführung des Antragstellers die Interessen der Rechtssuchenden gefährdet.
43Der Antragsteller hat sich im Zusammenhang mit Verwahrungsgeschäften für die S.-Gruppe in einer Vielzahl von Fällen, die in dem Bescheid des Antragsgegners zu 2. vom 19.12.1994 näher aufgelistet sind, über Treuhandauflagen bzw. Hinterlegungsanweisungen hinweggesetzt und Gelder der Erwerber aus den neuen Bundesländern vorzeitig ausgezahlt. Dies wird von ihm, was den jeweiligen äußeren Geschehensablauf betrifft, auch eingeräumt. Die Gründe, die er zur Rechtfertigung seines Verhaltens aufgezeigt hat, vermögen ihn nicht zu entlasten, wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 24.7.1995 - 2 X (Not) 6/95 - , auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ausgeführt hat. Es hat sich im Gegenteil - wie die zwischenzeitlichen Ermittlungen im Disziplinarverfahren ergeben haben - herausgestellt, daß die von dem Antragsteller durch die vorzeitige Auszahlung von Geldern gesetzte hohe Gefahr für das Vermögen der Erwerber bzw. der finanzierenden Kreditinstitute sich realisiert hat und jedenfalls in einem Fall bereits ein Vermögensschaden eingetreten ist.
44In den Akten des Untersuchungsführers finden sich Strafanzeigen von Käufern, die sich durch die S.-Gruppe betrogen fühlen. Bereits am 3.7.1995 waren bei der Staatsanwaltschaft D. 15 Ermittlungsverfahren aus diesem Komplex anhängig. Vor allem haben die Eheleute Sp. (Masse Nr. 50/94; vgl. Fall 24 der tabellarischen Auflistung in der Verfügung des Antragsgegners zu 2. vom Seite 19.12.1994) sich inzwischen an die Notarkammer gewandt und wollen Amtshaftungsansprüche geltend machen. Sie haben nämlich am 7.9.1995 ein Versäumnisurteil gegen die Verkäuferin auf Rückzahlung einer - schon vor der Beurkundung - geleisteten Anzahlung sowie auf eine Anweisung an den Antragsteller zur Auskehrung der von ihnen hinterlegten ca. 112.000,00 DM an sie bzw. an die finanzierende Bank, die B., erwirkt. Dieser Titel ist, soweit er auf die Abgabe einer Willenserklärung der Verkäuferin gegenüber dem Antragsteller gerichtet ist, wiederum ins Leere gelaufen, weil der Antragsteller entgegen der Treuhandauflage der B. schon am 19.8.1994 eine Auszahlung veranlaßt hatte und das Geld nicht mehr da ist.
45In rechtlicher Hinsicht teilt der Senat die Auffassung der Antragsgegner, daß die Art der Behandlung der Verwahrungsgeschäfte, bei denen sich der Antragsteller bedenkenlos und ohne Rücksicht auf die Belange der Käufer bzw. finanzierenden Kreditinstitute den Interessen der Verkäuferfirmen untergeordnet hat, unter § 50 Abs. 1 Nr. 7, 2. Alt. BNotO zu subsumieren ist.
46Das Gesetz stellt in allgemeiner Form nur darauf ab, ob entweder "die wirtschaftlichen Verhältnisse" des Notars selbst oder "die Art seiner Wirtschaftsführung" Ursache einer - konkreten - Gefährdung von Rechtssuchenden sind. Deshalb genügt es nach dem Zweck der Vorschrift, daß die Art der Behandlung fremder Gelder erhebliche Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit begründet (vgl. BGH, Beschluß vom 12.10.1990 - NotZ 21/89 - = BGHR BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 7 - Interessengefährdung 1 - = DNotZ 1991,93). Die Voraussetzungen dieser Norm können daher z.B. dann erfüllt sein, wenn Treueverletzungen bzgl. der Mandantengelder oder auch sonstige Verletzungen der Bestimmungen der DONot über die getrennte Aufbewahrung fremder Gelder und ihre sorgfältige Aufzeichnung im Masse- und Verwahrungsbuch in Betracht kommen (vgl. Seybold/Schippel/Vetter, BNotO, 6. Auflage, § 50 Rdn. 30 f). Eine Differenzierung in einzelne Fallgruppen ist im Gesetz gerade nicht vorgesehen. Deshalb sind von der "Art der Wirtschaftsführung" nicht nur notariatsinterne Pflichtverletzungen erfaßt, die zu einer Gefährdung von Vermögensinteressen Rechtssuchender führen, etwa eine Vermengung von Fremd- und Eigengeldern, sondern in gleicher Weise auch solche im Zusammenhang mit der Abwicklung von Verwahrungsgeschäften nach außen hin. Sie betreffen ebenfalls die Art und Weise des "Wirtschaftens" des Notars mit fremdem Geld und sind deswegen vom Zweck des Gesetzes her, das denjenigen, der dem Notar Vermögenswerte anvertraut hat, schützen will, von der 2. Alt. des § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO erfaßt. Sinn und Zweck der Abwicklung eines Kaufgeschäftes über Anderkonten ist es, vertragswidrigem Verhalten vorzubeugen. Die Nichtbeachtung von Treuhandauflagen im Zusammenhang mit derartigen Geschäften, also eine Pflichtverletzung, die den Kernbereich notarieller Tätigkeit betrifft, impliziert geradezu eine Gefährdung der Rechtssuchenden, da bereits mit der vorzeitigen Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises die konkrete Gefahr begründet wird, daß ein Käufer z.B. im Falle der gerade im Immobilienbereich nicht seltenen Insolvenz der Verkäuferin oder der Eintragung eines Zwangsversteigerungsvermerks vor eigener dinglicher Absicherung Gelder verliert.
47Bereits nach der derzeitigen Gesetzeslage und unabhängig von der vorgesehenen Klarstellung in der neugefaßten Nr. 8 des § 50 BNotO gemäß dem noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Dritten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze erfüllt mithin die Art und Weise, in der der Antragsteller bei der Abwicklung der Verwahrungsgeschäfte verfahren ist, einen Tatbestand, bei dem er seines Amtes zu entheben ist.
48III.
49Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Antragsgegners zu 2. vom 19.12.1994 ist ebenfalls nicht begründet.
50Wie ausgeführt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Nr. 7 BNotO vor. Die Entschließung des für einstweilige Schutzmaßnahmen nach § 40 AVNot NW zuständigen Antragsgegners zu 2., den Antragsteller deswegen vorläufig gem. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO seines Amtes zu entheben, läßt angesichts des von dem Antragsteller gesetzten hohen Gefährdungspotentials Ermessensfehler nicht erkennen, sondern war im Gegenteil im Interesse der rechtssuchenden Bevölkerung geradezu geboten.
51IV.
52Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO in Verbindung mit §§ 200, 201 Abs. 1, 40 Abs. 4 BRAO, 13 a FGG.
53Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 111 Abs. 4 Satz 2 BNotO in Verbindung mit §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO.