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T a t b e s t a n d :
2Die Beklagte und ihr inzwischen verstorbener Ehemann beauftragten die Klägerin im Sommer 1990 mit Umbauarbeiten an ihrem Haus Im B. in B. H.-S.. Die Klägerin erteilte ihnen am 5.12.1990 eine Rechnung, mit der sie in 14 Einzelpositionen insgesamt 122.126,12 DM berechnete, davon "für etwaige Mängel" 10 % = 12.212,61 DM abzog, 14 % Mehrwertsteuer zu- und eine Vorauszahlung von 40.000,- DM absetzte und so zu einem Schlußbetrag von 85.301,40 DM gelangte.
3Die Beklagte und ihr Ehemann hatten bereits am 30.11.1990 wegen zahlreicher angeblicher Mängel der Werkleistung ein Beweissicherungsverfahren in die Wege geleitet. Bevor der dort beauftragte Sachverständige B. sein Gutachten erstattet hatte, erhob die Klägerin gegen sie im Verfahren 2 O 273/91 LG Bonn Zahlungsteilklage über 52.914,82 DM. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus Positionen 5-7, 9, 11 f. der Rechnung vom 5.12.1990 zuzüglich Mehrwersteuer. Das Landgericht erachtete in seinem Urteil vom 10.12.1991 insoweit unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen B. eine Vergütung in Höhe von 39.940,51 DM für gerechtfertigt, setzte davon einen Teil der geleisteten Vorauszahlung von 20.831,12 DM ab und verurteilte die Beklagte und ihren Ehemann zur uneingeschränkten Zahlung von 19.109,39 DM und zur Zahlung weiterer 3.498,- DM Zug um Zug gegen Erbringung verschiedener Leistungen.
4Auf Antrag der Klägerin vom 30.12.1992 erließ das Amtsgericht Hagen am 8.1.1993 - Zustellung am 13.1.1993 - einen Mahnbescheid folgenden Inhalts:
5"Nicht rechtshängiger Teil i.H.v. 86.308,95 DM aus Rechnung vom 5.12.1990 abz. 19.168,88 DM, 6.902,81 DM und 1.000,- DM 59.237,26 DM."
6Auf den Widerspruch der Beklagten und ihres Ehemannes gab das Amtsgericht das Verfahren am 18.2.1993 an das Landgericht Bonn ab. Der dortige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle forderte durch Verfügung vom 2.3.1993, zugestellt am 8.3.1993, gemäß § 697 Abs. 1 ZPO den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zur Klagebegründung binnen zwei Wochen auf. Dieser bat mit Schreiben vom 16.3.1993 wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unmittelbar zwischen den Parteien um Fristverlängerung bis 30.4.1993. Aufgrund richterlicher Verfügung vom 18.3.1993 wurde er darauf hingewiesen, daß eine Verlängerung der Frist nicht möglich sei und das Verfahren als ruhend betrachtet werde. Die Klagebegründung erfolgte mit einem am 8.3.1995 bei der gemeinsamen Annahmestelle der Justizbehörden Bonn eingegangenen Schriftsatz.
7Die Klägerin hat vor dem Landgericht beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 59.094,55 DM nebst 16,25 % Zinsen seit dem 1.1.1991 zu zahlen, hiervon 4.878,06 DM nebst 16,25 % Zinsen seit dem 1.1.1991 Zug um Zug gegen Übergabe einer Speichertreppe.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat gegen den Anspruch selbst verschiedene Einwendungen erhoben und sich außerdem auf Verjährung berufen. Dazu hat sie vorgetragen: Die Zustellung des Mahnbescheides habe die - zweijährige - Verjährungsfrist nicht unterbrechen können, weil die Forderung im Mahnbescheidantrag nicht hinreichend bestimmt worden sei. Jedenfalls sei eine Unterbrechung der Verjährung gemäß §§ 213 S. 1, 212 a S. 1, 211 Abs. 2 BGB am 2.3.1993 - Datum der Verfügung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 697 Abs. 1 ZPO - beendet worden, so daß die Verjährung vor Eingang der Klagebegründung am 8.3.1995 eingetreten sei.
12Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Beklagte zur Zahlung von 48.071,03 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13.1.1993 verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen. Zu der Verjährungseinrede hat es ausgeführt: Die Klageforderung sei entgegen der Auffassung der Beklagten im Mahnbescheidantrag hinreichend individualisiert worden. Hinsichtlich der Beendigung der Verjährungsunterbrechung komme es nicht auf das Datum der Verfügung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle an, sondern auf den Zugang der Aufforderung am 8.3.1993, so daß die Verjährung bei Einreichung der Klagebegründung am 8.3.1995 noch nicht eingetreten gewesen sei.
13Mit der Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Beklagte das Ziel der gänzlichen Klageabweisung weiter. U.a. ergänzt und vertieft sie ihren Vortrag zur Einrede der Verjährung.
14Sie beantragt,
15unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
16Die Klägerin beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Sie tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts, die in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zur Information beigezogenen Akten 16 H 21/90 AG Bonn und 2 O 273/91 LG Bonn Bezug genommen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache selbst Erfolg. Der restlichen Werklohnforderung der Klägerin steht die Einrede der Verjährung entgegen.
22Das Landgericht hat angenommen, daß die Klägerin wegen Nichtbefolgung der Aufforderungen der Beklagten zur Nachbesserung in den Schreiben vom 16.9. und 12.11.1992 - zuletzt mit Fristsetzung zum 20.11.1992 - das Recht zur Mangelbeseitigung verloren habe mit der Folge, daß nunmehr ein Abrechnungsverhältnis entstanden sei. Das ist zutreffend und wird auch von der Beklagten nicht angegriffen. Ist danach unabhängig von der Frage nach der Abnahme des Werkes von der Fälligkeit der restlichen Werkohnforderung spätestens Ende November 1992 auszugehen, lief von da ab die zweijährige Verjährungsfrist gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Sie wurde gemäß §§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB, 693 Abs. 2 ZPO am 30.12.1992 unterbrochen. Die hiergegen von der Beklagten geäußerten Bedenken teilt der Senat nicht. Allerdings kann ein Mahnbescheid die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nur unterbrechen, wenn die Forderung nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch weitere Informationen im Mahnbescheid hinreichend individualisiert ist (vgl. BGH NJW 93, 862; 95, 2230). Der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch muß durch die Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden können, daß er über einen Vollstreckungsbescheid Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann und daß dem Schuldner die Beurteilung möglich ist, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Welche zusätzlichen Angaben erforderlich sind, läßt sich nicht allgemein festlegen. Die Art und der Umfang der notwendigen Angaben hängen im Einzelfall vor allem von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab.
23Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes: Der mit dem Mahnbescheid verfolgte Anspruch konnte, da es ein weiteres Rechtsverhältnis der Parteien nicht gab, nur aus dem Bauvertrag bezüglich des Hauses der Beklagen herrühren. Die Bezeichnung des Ausgangsbetrages von 86.308,95 DM als "Teil" machte der Beklagten deutlich, daß es noch einen weiteren, hier nicht verfolgten Teil der Werklohnforderung gab bzw. gegeben hatte. Sie wußte aber, daß über einen Teil des Anspruchs ein Rechtsstreit geführt worden war. Das ließ es als ihr zumutbar erscheinen, das Urteil aus dem Vorprozess herauszusuchen und durchzulesen. Dabei wäre sie auf Seite 28 auf den dort als "nicht rechtshängig" bezeichneten Ausgangsbetrag des Mahnbescheids gestoßen. Welche Beträge davon im Mahnbescheid in Abzug gebracht wurden, brauchte sie nicht näher zu interessieren; denn gegen das, was ihr günstig war, mußte sie sich naturgemäß nicht verteidigen. Abgesehen davon ergaben sich jedenfalls die Abzugsbeträge von 19.168,88 DM und 6.902,81 DM ebenfalls unmittelbar aus dem Urteil im Vorprozess.
24Gemäß §§ 213 S. 1, 212 a S. 1, 211 Abs. 2 S. 1 BGB endete, da das weitere Verfahren in Stillstand geriet, die Unterbrechung der Verjährung mit der letzten Prozeßhandlung des Gerichts; das war die Aufforderung zur Klagebegründung gemäß § 697 Abs. 1 ZPO. Da die Klägerin erstmals durch den am 8.3.1995 eingegangenen, die Klagebegründung enthaltenden Schriftsatz den Rechtsstreit im Sinne von § 211 Abs. 2 S. 2 BGB weiter betrieb, hängt die Entscheidung davon ab, ob die letzte Prozeßhandlung des Gerichts als am 2. (Verfügung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) bzw. 5. (Eingangs- und Abvermerk der Kanzlei) oder 8. (Zustellung) 3.1993 geschehen anzusehen ist. Hierzu werden in der Rechtsprechung - ohne nähere Begründung - gelegentlich auch nur im Wege von obiter dicta - unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das OLG München (NJW-RR 88, 896; ihm folgend von Feldmann in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 211 Rdnr. 9) stellt auf die Vornahme der Prozeßhandlung ab, da sie zwangsläufig vor dem Zugang bei der entsprechenden Partei erfolge. In dem entschiedenen Fall handelte es sich um die Mitteilung vom Eingang eines Widerspruchs gegen den Mahnbescheid in Verbindung mit der Aufforderung zur Zahlung des weiteren Kostenvorschusses (§§ 695 ZPO, 65 GKG). Das OLG Hamm (MDR 94, 106) scheint die gleiche Auffassung zu vertreten. Der entschiedene Fall ist dem vorliegenden vergleichbar. In gleicher Richtung hat sich das Reichsgericht (RGZ 77, 324, 327, 331) geäußert, indem es ausgeführt hat: "Weiterhin kann es auch nicht zweifelhaft sein, daß der Beschluß des Gerichtsvorsitzenden vom 29. Januar 1906 (mit der Aufforderung an den Kläger zu weiterem Vortrag) eine Prozeßhandlung des Gerichts im Sinne von § 211 Abs. 2 S. 1 darstellt". Der Bundesgerichtshof hat unterschiedliche Entscheidungen der jeweiligen Vorinstanz zu der hier umstrittenen Frage gebilligt (vgl. NJW 79, 809 - Übersendung; 81, 1550 - Absendung; l83, 2699 - Zugang; 84, 2102 - Zustellung). In seiner jüngsten Entscheidung hierzu (NJW-RR 95, 1335) hat er das Problem ausdrücklich angesprochen, ohne sich jedoch abschließen dazu äußern zu müssen.
25Der Senat schließt sich der Auffassung an, nach der auf den Zeitpunkt der Vornahme der gerichtlichen Handlung bzw. ihrer Entäußerung abzustellen ist. Das Landgericht hat für seine gegenteilige Auffassung maßgeblich darauf abgestellt, daß die Aufforderung gemäß § 697 Abs. 1 ZPO, weil sie eine Frist in Lauf setzt, in entsprechender Anwendung von § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO zuzustellen sei. Daraus läßt sich indessen nichts Entscheidendes gewinnen, weil beispielsweise die Mitteilung vom Eingang eines Widerspruchs und/oder die Aufforderung zur Zahlung eines weiteren Prozeßkostenvorschusses, die unzweifelhaft eine Prozeßhandlung i.S.v. § 211 Abs. 2 S. 1 BGB darstellen, einer Zustellung nicht bedürfen. Andererseits besteht das unabweisbare Bedürfnis, für den erneuten Beginn einer unterbrochenen Verjährungsfrist einen von Zufällen unabhängigen Zeitpunkt festzustellen zu können. Das ergibt sich aus den Materialien zu § 211 BGB, die in der zitierten Entscheidung des Reichsgerichts und von Planck (4. Aufl. § 211 Anm. 2) übereinstimmend wie folgt wiedergegeben werden: "Nach § 174 Abs. 2 des I. Entwurfs zum BGB sollte die Unterbrechung der Verjährung zufolge der Klageerhebung mit dem Zeitpunkt endigen, in welchem ein Stillstand des Prozesses eintritt. Um einen festeren Zeitpunkt für die Beendigung der Unterbrechung zu gewinnen, ist von der 2. Kommission die letzte Prozeßhandlung der Parteien oder des Gerichts als maßgebend für die Beendigung der Unterbrechung bestimmt worden". Diesem Erfordernis kann für alle denkbaren Fälle in gleicher Weise nur Genüge getan werden, wenn die Vornahme der Prozeßhandlung als für den Fristbeginn maßgeblich erachtet wird. Der Adressat der Prozeßhandlung - hier: die Klägerin - wird dadurch auch nicht in unbilliger Weise beeinträchtigt; denn er wird im Kopf des Schreibens über das Datum der gerichtlichen Verfügung informiert und kann sein weiteres prozessuales Verhalten darauf einstellen.
26Vorliegend hatte danach die Verjährungsfrist spätestens am 5.3.1993 erneut zu laufen begonnen, so daß die Verjährung bei Einreichung der Klagebegründung bereits eingetreten war.
27Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
28Der Streitwert für die Berufungsinstanz und der Wert der durch dieses Urteil für die Klägerin begründeten Beschwer betragen 48.071,03 DM.
29Gemäß § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen, da die Frage nach der Auslegung der Vorschrift des § 211 Abs. 2 S. 1 BGB von grundsätzlicher Bedeutung ist.