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Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Soest vom 04.06.2024 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 47.700,00 EUR.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 13.12.2023 die Scheidung der am 21.03.1997 geschlossenen Ehe beantragt.
4Aus der Ehe sind die inzwischen volljährigen Kinder Y. (geb. 00.00.0000) und X. (geb. 00.00.0000) hervorgegangen. Beide Kinder wohnen seit mehreren Jahren nicht mehr im Elternhaus. Vielmehr haben sie zunächst in Köln studiert und sind nur in etwa 14-tägigem Rhythmus nach Hause gefahren; mittlerweile lebt der Sohn in Frankfurt und die Tochter in Mannheim.
5Im Übrigen wird auf die Darstellung des Sachverhalts im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
6Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 04.06.2024 (Bl. 71 ff. eA OLG) zurückgewiesen.
7Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Trennung der Beteiligten innerhalb der ehelichen Immobilie durch das Gericht nicht festgestellt werden könne. Einem Getrenntleben innerhalb der gemeinsamen Immobilie gem. § 1567 Abs. 1 BGB stehe insbesondere die beiderseitige Nutzung des ehelichen Badezimmers trotz weiterer zwei Bäder und die gemeinsame Nutzung des im Schlafzimmer befindlichen Kleiderschranks entgegen. Angesichts des äußerst großzügigen Zuschnitts des 380 qm großen Hauses sei es den Eheleuten – auch unter Einbeziehung der Appartements der nicht mehr im Haus wohnhaften Kinder – ohne weiteres möglich gewesen, zwei mit Ausnahme der Küche weitestgehend getrennte Lebensbereiche zu schaffen und so eine konsequentere Trennung vorzunehmen. Unabhängig hiervon sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin weiterhin das Gemeinschaftskonto der Beteiligten mit 1.700,00 EUR/monatlich bespeise und dem Konto zugleich Gelder für ihre privaten Ausgaben entnehme. Es finde damit offensichtlich weiterhin eine gemeinsame Wirtschaftsführung statt, welcher es zumindest in dieser Form im Falle einer Trennung nicht mehr bedürfe.
8Da die Antragstellerin eine unzumutbare Härte im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB nicht dargelegt habe, könne die Ehe nicht geschieden werden.
9Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 18.06.2024 eingegangene Beschwerde der Antragstellerin vom 17.06.2024 (Bl. 80 f. eA OLG).
10Die Antragstellerin meint, das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft den Ablauf des Trennungsjahres verneint. Es bedürfe keiner „vollkommenen Trennung“ innerhalb der ehelichen Wohnung, vielmehr genüge ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Schon nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten lägen die Voraussetzungen für ein Getrenntleben vor, da kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werde und zwischen den Ehegatten keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestünden. Die verbleibenden Gemeinsamkeiten stellten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich dar.
11Überdies habe sie zwischenzeitlich einen eigenen Kleiderschrank in dem ausschließlich von ihr genutzten Büro-/Schlafzimmer aufgebaut und ihre Lebensmittel in einem zweiten in der Küche aufgestellten Kühlschrank separiert. Ferner werde sie zukünftig das Badezimmer der Tochter nutzen. Selbst gelegentliche Zusammentreffen der Eheleute erfolgten nicht. Die Antragstellerin vermute, dass der
12Antragsgegner sich schon eine eigene Unterkunft organisiert habe, da er immer ohne Gepäck über einen unbestimmten Zeitraum das Haus verlasse.
13Das unstreitig - neben diversen getrennten Konten - vorhandene Gemeinschaftskonto stehe einem Getrenntleben nicht entgegen. Die beteiligten Eheleute seien auf verschiedenen Ebenen noch wirtschaftlich verbunden, etwa im Hinblick auf Unterhaltszahlungen, Versicherungen und Fahrzeuge der Kinder oder für die Bedienung der Annuitäten der im Miteigentum beider Eheleute stehenden Immobilien. Diese Zahlungen erfolgten von dem gemeinsamen Konto. Die Mieteinnahmen aus den gemeinsamen Immobilien flössen auf ein separates Konto des Antragsgegners, von dem dieser Gelder auf das Gemeinschaftskonto überweise. Auf das Mietenkonto habe sie, die Antragstellerin, keinen Zugriff; sie erhalte auch keine Auskünfte über die Mieten und die Ausgaben. Über das Gemeinschaftskonto würden keine Ausgaben für die gemeinschaftlichen Immobilien abgewickelt, sondern nur Mieteinkünfte in Form von Umbuchungen vom Mietkonto auf das Gemeinschaftskonto empfangen. Um alle etwaigen Kosten zu decken, habe sie stets einen Teil ihres Gehalts auf das Gemeinschaftskonto überwiesen, wenngleich sie auch aufgrund der fehlenden Zahlungen des Antragsgegners auf Trennungsunterhalt und der Vorenthaltung der ihr zustehenden anteiligen Mieten von diesem Konto wieder Abhebungen, etwa für Kleidung und Haushaltshilfe, getätigt habe. Die wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten könne angesichts der hälftigen Miteigentumsanteile an Immobilien und angesichts der gemeinsamen unterhaltsbedürftigen Kinder nicht von heute auf morgen beendet werden.
14Der Antragsgegner bestreite die Trennungsvoraussetzungen wider besseren Wissens lediglich deshalb, um keine Auskunft zu seinen Vermögensverhältnissen erteilen zu müssen und keinen Zugewinn an die Antragstellerin zahlen zu müssen. Auf außergerichtliche Schreiben zum Unterhalt und zum Zugewinn habe er nicht reagiert.
15Die Antragstellerin beantragt,
16die am 21.03.1997 vor dem Standesamt A. unter der Heiratsregisternummer 8/1997 geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden und den Beschluss des Familiengerichts Soest vom 14.05.2024 aufzuheben.
17Der Antragsgegner beantragt,
18die Beschwerde zurückzuweisen.
19Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und verweigert auch in zweiter Instanz seine Zustimmung zur Scheidung.
20Zur Begründung beruft er sich darauf, dass jedenfalls bis zur Entscheidung des Amtsgerichts zwischen den Parteien eine häusliche Gemeinschaft bestanden habe. Die Antragstellerin habe den Kleiderschrank im Schlafzimmer sogar dann genutzt, wenn er sich dort aufgehalten habe. Die in der Beschwerdebegründung aufgeführten Umgestaltungen seien erst nach der Verkündung des angefochtenen Beschlusses vorgenommen worden. Von ihm, dem Antragsgegner, würden auch weiterhin vielfältige Aufgaben im gemeinsamen Haushalt ausgeübt, die die Antragstellerin gerne entgegennehme, so etwa Instandhaltungsmaßnahmen am gemeinsamen Haus, die Entsorgung des gemeinsamen Mülls, die Pflege der Außenanlagen, die Bestellung von Getränken für die gesamte Familie und die Reinigung der gemeinsam genutzten Räume.
21Die Auflösung des Gemeinschaftskontos, auf das sein Einkommen fließe, sei von der Antragstellerin selbst verweigert worden. Von diesem Gemeinschaftskonto würden „Studium, Taschengeld, Auslandsaufenthalte, Wohnungen, Autos, Versicherungen der Kinder ca. 60.000 EUR im Jahr, Steuern, Versicherungen, Dienstleistungen Eigenheim, Strom, Wasser, Gas, TV, Telekom etc.“ bezahlt. Die Antragstellerin bediene sich bis heute vom gemeinsamen Konto, und zwar über den von ihr eingezahlten Betrag hinaus. Ihre Mastercard sei bis zum Sommer 2024 ebenfalls über dieses Konto gelaufen.
22Der Antragsgegner meint, der Antragstellerin seien die Mieteinnahmen für die im gemeinsamen Eigentum stehenden Wohnungen schon aufgrund der gemeinsamen Steuererklärung bekannt.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug.
24Die Beteiligten sind im Termin vom 14.01.2024 gem. § 128 Abs. 1 S. 1 FamFG persönlich angehört worden.
25II.
26Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat liegen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gem. § 1565 BGB nicht vor.
27Nach § 1565 Abs. 1 BGB kann die Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, d.h. wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Da ein Härtefall gem. § 1565 Abs. 2 BGB weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, ist des Weiteren erforderlich, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB – die eine zwingende Beweisregel i.S.d. § 292 S. 1 ZPO darstellt – kommt nicht zum Tragen, da der Antragsgegner auch in zweiter Instanz der Scheidung explizit widersprochen hat.
28Die so skizzierten Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe lagen weder zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vor noch sind sie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegeben.
291.
30Allerdings ist die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Antragstellerin und Antragsgegner aufgehoben.
31Unter der Lebensgemeinschaft der Ehegatten ist das Ganze des ehelichen Verhältnisses, primär aber die wechselseitige innere Bindung der Ehegatten zu verstehen. Die häusliche Gemeinschaft umschreibt dagegen die äußere Realisierung dieser Lebensgemeinschaft in einer beiden Ehegatten gemeinsamen Wohnstätte. Im Verhältnis zueinander ist die Lebensgemeinschaft der Ehegatten der umfassendere Begriff; die häusliche Gemeinschaft bezeichnet nur einen äußeren, freilich nicht notwendigen Teilaspekt dieser Gemeinschaft (BGH, Urteil vom 7. November 2001 – XII ZR 247/00, juris Rn. 9 m.w.N.; Thormeyer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 1565 BGB (Stand: 15.11.2022), Rn. 5).
32Für die Feststellung, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht, kommt es nicht darauf an, ob das, was typischerweise zu einer normalen ehelichen Lebensgemeinschaft gehört, noch vorzufinden ist oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, von welchen subjektiven Vorstellungen die konkrete
33Lebensgemeinschaft der Ehegatten des jeweiligen Falles geprägt war. Diese können Umstände für belanglos gehalten haben, die für andere Ehegatten wichtig sind (BGH, Urteil vom 30. November 1994 – IV ZR 290/93 –, BGHZ 128, 125-135, Rn. 16). Es kommt insofern auf das Maß der Gemeinsamkeit an, das sich die Ehegatten erhalten haben (OLG Hamm, Urteil vom 19. September 2013 – I-10 U 109/99 –, Rn. 52, juris; Grüneberg/Siede, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1565 Rn. 2).
34Vorliegend fehlt es an jedweden Gemeinsamkeiten, die sich die Ehegatten aus ihrer in der Vergangenheit gelebten Lebensgemeinschaft erhalten haben. Zwischen den Ehegatten ist unstreitig, dass in den letzten Jahren keine Kommunikation, keine gemeinsamen Mahlzeiten und keinerlei gemeinsame Freizeitaktivitäten mehr stattfanden. Aus der persönlichen Anhörung der Beteiligten ergibt sich, dass dies in der Vergangenheit anders war. So hat der Antragsgegner unwidersprochen erklärt, dass er und seine Ehefrau früher die von dieser eingekauften und zubereiteten Mahlzeiten gemeinsam eingenommen hätten, teilweise hätten sie auch auswärts in einem Restaurant gegessen. Auch die Freizeit sei teilweise gemeinsam verbracht worden, etwa mit fernsehen und mit häufigen gemeinsamen Reisen. Zudem nächtigten ursprünglich beide Ehegatten in einem Schlafzimmer. Auch dies wurde in den letzten Jahren geändert, wenn es vom Antragsgegner auch mit seinem Schnarchen begründet worden ist. Danach ist festzustellen, dass die konkrete Lebensgemeinschaft, wie die hiesigen Eheleute sie sich vorgestellt hatten und wie sie sie in der Vergangenheit gelebt haben, in den letzten beiden Jahren nicht mehr besteht. Eine eheliche Lebensgemeinschaft ohne jegliche Gemeinsamkeiten und Berührungspunkte ist auch schlechterdings nicht vorstellbar.
352.
36Es kann nicht erwartet werden, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufgenommen wird, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB.
37Für die fehlende Erwartung der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft reicht es nicht aus, wenn nicht feststeht, ob den Ehegatten eine Wiederherstellung gelingen wird. Vielmehr kann ein Scheitern der Ehe nicht festgestellt werden, wenn beide Ehegatten auch nur zu einem Versöhnungsversuch bereit sind (BGH, Urteil vom 30. November 1994 – IV ZR 290/93 –, BGHZ 128, 125-135, Rn. 21).
38Im vorliegenden Fall ist ein bereits im Jahr 2019 unternommener Versöhnungsversuch der Ehegatten gescheitert. Die Mediation des Steuerberaters – die sich allerdings wohl nur auf die Finanzen bezog – war gleichfalls nicht erfolgreich. Maßgebend ist letztlich aber, dass die Antragstellerin mit ihrem Verhalten deutlich gemacht hat, dass eine Versöhnung für sie nicht mehr in Betracht kommt. Der Umstand, dass sie ihr Scheidungsbegehren trotz der fehlenden Zustimmung des Antragsgegners weiterverfolgt und gegen den ihren Scheidungsantrag zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt hat, zeigt eindeutig, dass sie die Fortsetzung bzw. Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft, wie sie und der Antragsgegner sie verstanden haben, nachhaltig und endgültig ablehnt.
393.
40Dem Ausspruch der Scheidung steht indessen entgegen, dass das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen ist.
41a)
42Die Ehegatten leben getrennt, wenn eine häusliche Gemeinschaft zwischen ihnen nicht mehr besteht (objektive Voraussetzung) und zumindest ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht mehr herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (subjektive Voraussetzung).
43Im Rahmen der objektiven Voraussetzungen ist es nicht erforderlich, dass ein Ehegatte aus der ehelichen Wohnung auszieht, denn eine häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB). Einer „vollkommenen Trennung“ bedarf es insoweit nicht, vielmehr genügt ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung (BGH, Urteil vom 11. April 1979 - IV ZR 77/78, NJW 1979, 1360, beck-online), was zum einen danach verlangt, dass die Eheleute getrennt wohnen und schlafen, mithin das Getrenntleben auch nach außen erkennbar wird (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. März 2015 – 10 UF 87/15 –, Rn. 29, juris). Ein räumliches Nebeneinander ohne persönliche Beziehung oder Gemeinsamkeit steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 14. Juni 1978 - IV ZR 164/77, NJW 1978, 1810, beck-online). Zum anderen erfordert dieser objektive Gesichtspunkt, dass die Eheleute keinen gemeinsamen Haushalt mehr führen und keine wesentlichen persönlichen Beziehungen mehr bestehen, verbleibende Gemeinsamkeiten müssen sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich für das eheliche Zusammenleben darstellen. Zwar ist hier grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, jedoch hindern vereinzelt bleibende Versorgungsleistungen bzw. Handreichungen der Ehegatten füreinander ohne besondere Intensität oder Regelmäßigkeit ein Getrenntleben nicht; auch muss ein freundschaftlicher, anständiger und vernünftiger Umgang der Ehegatten miteinander nicht ausgeschlossen sein (BeckOGK/Kappler, BGB, Stand 01.08.2021, § 1567 Rn. 36 ff.). Ob eine häusliche Gemeinschaft noch besteht, wird schließlich immer von dem Bild der häuslichen Gemeinschaft dieser Ehegatten vor der Krise der Ehe zu bewerten sein, also im Blick auf den ehemals gemeinschaftlichen Haushalt (MüKoBGB/Weber, 9. Aufl. 2022, § 1567 Rn. 11).
44Soweit es den Trennungswillen als subjektive Voraussetzung für die Feststellung des Getrenntlebens betrifft, ist eine Prognose vorzunehmen, bei welcher unter Anlegung eines objektiven Maßstabs zu entscheiden ist, ob die Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 14. Juni 1978 – IV ZR 164/77 –, Rn. 10, juris; zum Ganzen: OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. März 2024 – 1 UF 160/23 –, Rn. 38 f., juris).
45b)
46Nach diesen Maßstäben lebten die beteiligten Ehegatten jedenfalls bis zum Sommer 2024 nicht getrennt.
47aa)
48Die von der Antragstellerin vorgenommenen Änderungen – Aufstellen eines eigenen Kleiderschranks in ihrem Büro/Schlafzimmer, Aufstellen eines eigenen Kühlschranks und dadurch Separieren der jeweils eingekauften Lebensmittel, Nutzung unterschiedlicher Bäder – erfolgten erst nach dem erstinstanzlichen Beschluss vom 04.06.2024. Ob unter Berücksichtigung dieser Veränderungen eine räumliche Trennung i.S.d. § 1567 BGB herbeigeführt worden ist, braucht der Senat nicht zu beurteilen. Ist nämlich erst aufgrund dieser Maßnahmen ein Getrenntleben zu bejahen, hätte dies zur Folge, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung frühestens im Sommer 2025 vorliegen können. Auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hat dies mithin keinen Einfluss.
49bb)
50Ausgehend von der räumlichen Situation, wie sie sich auch für das Amtsgericht darstellte, steht einer räumlichen Trennung der Ehegatten jedenfalls die gemeinsame Nutzung des Elternbadezimmers und die beiderseitige Nutzung des im Schlafzimmer befindlichen Kleiderschranks entgegen. Damit haben die Eheleute keine tatsächliche und konsequente Absonderung aller Lebensbereiche und folglich kein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß an Trennung vorgenommen.
51Das „Höchstmaß der Trennung“ erfordert, dass die Räume, insbesondere Bäder, die doppelt vorhanden sind, zwischen den Ehegatten zur alleinigen Benutzung aufzuteilen sind (OLG München, Urteil vom 4. Juli 2001 – 12 UF 820/01, BeckRS 2001, 31155930 Rn. 24, beck-online; Staudinger/Reuß, BGB, Neubearbeitung 2024, § 1567, Rn. 78 f.; Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, BGB, 7. Aufl. 2020, § 1567 Rn. 22).
52Eine derartige Aufteilung des Hauses, insbesondere der Bäder, haben die Ehegatten (zumindest) vor Juni 2024 nicht vorgenommen.
53Es ist unstreitig, dass es in dem gemeinsamen Haus, das eine Wohnfläche von etwa 380 qm aufweist, insgesamt drei Badezimmer gibt, nämlich ein geräumiges Elternbadezimmer und zwei kleinere Badezimmer, die sich jeweils in den weitgehend abgetrennten Appartements der Kinder befinden. Ebenso unstreitig ist, dass die auswärts wohnenden Kinder im vergangenen Jahr nur maximal alle 14 Tage ins Elternhaus zurückgekehrt sind. Danach wäre es der Antragstellerin problemlos möglich gewesen, ein anderes Bad als das Elternbadezimmer zu nutzen. Auch wenn die Badezimmer in den Appartements der Kinder kleiner und nicht so komfortabel wie das Elternbadezimmer sind, stellte sich eine entsprechende Handhabung – und zwar auch vor dem Hintergrund der gehobenen ehelichen Lebensverhältnisse – angesichts des Umstandes, dass es nur um den begrenzten Zeitraum des Trennungsjahres geht, für die Antragstellerin nicht als unzumutbar dar. Den 24 und 22 Jahre alten Kindern, die sich nur gelegentlich an Wochenenden oder in den Ferien im Elternhaus aufhielten, wäre es gleichfalls zuzumuten gewesen, sich in diesen recht überschaubaren Zeiträumen ein Bad zu teilen; alternativ hätte eines der Kinder die den Eltern zugewiesenen Bäder mitbenutzen können.
54Unstreitig hat die Antragstellerin bis Juni 2024 auch den Kleiderschrank im Elternschlafzimmer genutzt und in diesem weiterhin ihre komplette Kleidung aufbewahrt und nach Bedarf entnommen. Ob sie dem Schrank auch dann Kleidung entnommen hat, wenn sich der Antragsgegner im Schlafzimmer befand – so seine Behauptung im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Senat –, kann dahinstehen. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass es in einer Immobilie mit einer Wohnfläche von 380 qm auch in dieser Hinsicht die Möglichkeit einer konsequenteren Trennung gab. Die Antragstellerin hätte ihre Kleidung etwa in einem der Appartements der Kinder unterbringen können oder, wie es im Sommer 2024 dann auch praktiziert worden ist, in ihrem Büro-/Schlafzimmer einen weiteren Kleiderschrank aufstellen können.
55Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 13.01.2025 darauf verweist, dass eine gemeinschaftliche Nutzung von Elternbadezimmer und Schlafzimmer tatsächlich nicht vorliege, weil die Räume zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig genutzt worden seien, geht diese Rechtsansicht fehl. Es kommt nicht auf die gleichzeitige Nutzung an, sondern darauf, ob (doppelt vorhandene) Räume überhaupt weiterhin von beiden Ehegatten genutzt werden.
56Aus Gründen der Rechtssicherheit ist nämlich zu verlangen, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild abgesonderte Lebensbereiche der Eheleute festzustellen sind; gerade dieser Umstand rechtfertigt die Vermutungswirkungen des § 1566 BGB. Ehegatten, die mit dem Getrenntleben die Scheidung einleiten wollen, sollen aufgrund der Regelung des § 1567 Abs. 1 BGB eine vollständige Trennung ihrer beiderseitigen Lebensbereiche anstreben, selbst wenn sie wirtschaftlich bedrängt sind. Außerdem entspricht es dem Zweck des durch § 1565 Abs. 2 BGB grundsätzlich geforderten Trennungsjahres, wenn sich die Ehegatten möglichst frühzeitig über die Realitäten einer vollständigen Trennung nebst ihren Langzeitwirkungen klarwerden und prüfen, ob sie sie aushalten. Es besteht daher kein überzeugender Grund, ihnen die wirtschaftlichen und sonstigen Unannehmlichkeiten, die ihnen nach der Scheidung nicht erspart bleiben, vor der Scheidung auf dem Felde der gesetzlichen Anforderungen an das Getrenntleben und damit an die Scheidungsvoraussetzungen nicht zuzumuten (OLG München, Urteil vom 4. Juli 2001 – 12 UF 820/01, BeckRS 2001, 31155930 Rn. 23, 31, beck-online). An dieser äußerlich erkennbaren Absonderung der Lebensbereiche fehlt es aber, wenn beide Ehegatten – wie hier – nicht nur die nur einmal vorhandenen Räume wie Küche, Waschkeller, Eingangsbereich und Treppenhaus, sondern trotz einer Vielzahl von Räumen und Badezimmern weiterhin das gleiche Badezimmer sowie den Kleiderschrank im Elternschlafzimmer nutzen. Dadurch werden zudem unnötige zusätzliche Berührungspunkte zwischen den Ehegatten, etwa durch persönliche Begegnungen oder aber auch nur durch das Zugänglichmachen persönlicher und intimer Dinge, geschaffen.
57Die Ehegatten haben schließlich auch über die übrigen Räume wie etwa das Wohn- und Esszimmer keine Nutzungsregelung getroffen. Beide Ehegatten haben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung geschildert, dass die Nutzung des Wohnzimmers situativ erfolge: Sitze der Antragsgegner im Wohnzimmer, gehe die Antragstellerin in ihr Büro. Auch der Antragsgegner hat erklärt, dass man sich ohne besondere Nutzungsvereinbarung arrangiere; die Ehegatten gingen sich gegenseitig aus dem Weg. Dass eine derartige Handhabung zu vermeidbaren Berührungspunkten führt, liegt auf der Hand: Die Antragstellerin hat selbst erklärt, dass sie häufig nicht wisse, ob ihr Ehemann zuhause sei, dieser komme zu allen Tages- und Nachtzeiten. Daraus folgt, dass sie bei Nutzung des gemeinsamen Bades, des Kleiderschrankes im Elternschlafzimmer, des Wohnzimmers, der Küche oder sonstiger Räume mit Ausnahme ihres eigenen Schlafraumes jederzeit damit rechnen musste, dem Antragsgegner zu begegnen.
58Die Entscheidung des OLG Koblenz vom 09.06.2023, auf die sich die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 13.01.2025 beruft, steht dieser rechtlichen Würdigung des Senats nicht entgegen. Das OLG Koblenz führt – in Übereinstimmung mit den vom Senat zitierten Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen – aus, dass Ehegatten nur dann innerhalb der Ehewohnung getrennt leben, wenn sie dabei das Höchstmaß einer Trennung in allen Lebensbereichen herbeigeführt haben, das nach den realen Möglichkeiten des Einzelfalles erreichbar ist. Die gemeinsame Nutzung der der Versorgung und Hygiene dienenden Räume (Küche, Toilette, Bad, Waschküche) schließe – wenn solche Räume nur einmal vorhanden seien – jedoch die Annahme eines Getrenntlebens nicht aus. Es dürfe dazu kein gemeinsamer Haushalt mehr geführt werden und es dürften keine wesentlichen, persönlichen Beziehungen mehr bestehen, insbesondere keine wechselseitigen Versorgungsleistungen mehr erbracht werden. Gelegentliche Handreichungen stünden allerdings der Annahme des Getrenntlebens nicht entgegen (OLG Koblenz, Beschluss vom 9. Juni 2023 – 7 UF 172/23 –, Rn. 20, juris). Auch das OLG Koblenz verlangt damit die Herbeiführung des erreichbaren Höchstmaßes an Trennung, das die gemeinsame Nutzung doppelt vorhandener Räume ausschließt.
59cc)
60Fehlt es damit an der erforderlichen räumlichen Trennung innerhalb der Ehewohnung, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu der Frage, ob die zumindest bis Sommer 2024 gegebene wirtschaftliche Verflechtung der Ehegatten durch ein gemeinsames Konto, das von beiden Ehegatten bespeist wurde und von dem die Antragstellerin unbestimmte Beträge zur eigenen privaten Verwendung entnahm, der Annahme eines Getrenntlebens entgegensteht.
61III.
62Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 97 ZPO, die Wertfestsetzung folgt aus § 43 FamGKG.
63Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
64Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG). Entgegen der
65Rechtsauffassung der Antragstellerin steht die Entscheidung des Senats nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH oder zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen.