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Das Berufungsgericht kann im Falle eines unzulässigen Teilurteils, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits – jedenfalls bei Sachdienlichkeit – auch ohne einen darauf gerichteten Antrag an sich ziehen und darüber mitentscheiden, soweit es erforderlich ist, um den Verfahrensfehler zu beseitigen.
Die Frage der Inhaltsgleichheit zweier AGB-Klauseln beurteilt sich nach der im Wettbewerbsrecht entwickelten Kerntheorie. Danach ist jede Änderung einer Klausel, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lässt, vom Verbot umfasst, d. h. die in Rede stehenden Klauseln müssen im Wesentlichen denselben Inhalt haben.
Gibt der Klauselverwender mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung einer vorausgehenden Abmahnung ohne inhaltliche Einschränkungen nach, führen die allgemeinen Auslegungsregelungen zu der (widerlegbaren) Vermutung, dass sich der Verwender dahingehend binden will, sämtliche vom Abmahnenden an der ursprünglichen Klausel beanstandeten Rechtsverstöße einzustellen.
Dabei ist aber nicht nur die Identität der Verstoßnorm, sondern der gesamte Inhalt der Unwirksamkeitsbegründung in einer Abmahnung heranzuziehen, um der Frage der Inhaltsgleichheit nachzugehen, so dass es zur Beurteilung der Inhaltsgleichheit auch darauf ankommt, welchen konkreten Regelungsgehalt bzw. Anwendungsbereich die Klauseln in tatsächlicher Hinsicht haben.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.07.2024 verkündete Teilurteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (25 O 315/23) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 28.05.2023 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
2I.
3Der Kläger, ein gemäß § 4 UKlaG qualifizierter Verbraucherverband, nimmt die Beklagte, die ein Schwimmbad in R. mit einem Jahresumsatz von ca. zwei Millionen Euro betreibt, in erster Linie wegen eines seiner Ansicht nach gegebenen Verstoßes gegen eine zwischen den Parteien getroffene Vertragsstrafenvereinbarung auf Zahlung einer Vertragsstrafe und hilfsweise wegen der (abermaligen) Verwendung einer seiner Ansicht nach unwirksamen Klausel in den von der Beklagten zuletzt verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch.
4Dem liegt im Wesentlichen Folgendes zugrunde:
5Jedenfalls im Februar 2017 verwandte die Beklagte in ihrer Haus- und Badeordnung folgende Klausel: „Bei Verlust der Zugangsberechtigung, von Garderobenschrank- oder Wertfachschlüsseln, Datenträgern des Zahlungssystems oder Leihsachen, wird ein Pauschalbetrag in Rechnung gestellt, der den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigt. Dem Gast ist der Nachweis gestattet, dass ein Schaden überhaupt nicht oder in geringerer Höhe entstanden ist. Der Gast hat Sorge dafür zu tragen, dass eine missbräuchliche Nutzung des Datenträgers ausgeschlossen ist. Der Verlust des Datenträgers ist unverzüglich mitzuteilen.“
6Nach Abmahnung durch den Kläger, die er darauf stützte, dass die Klausel sowohl wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot als auch wegen der Begründung einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung unwirksam sei, verpflichtete sich die Beklagte mit einer Unterlassungserklärung nach dem sog. neuen Hamburger Brauch vom 12.04.2017, die der Kläger unter dem 03.05.2017 annahm, dazu, es zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende und inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf eine solche Klausel zu berufen: „Bei Verlust der Zugangsberechtigung, von Garderobenschrank- oder Wertfachschlüsseln, Datenträgern des Zahlungssystems oder Leihsachen wird ein Pauschalbetrag in Rechnung gestellt, der den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigt.“
7Im März 2023 verwandte die Beklagte in ihrer Haus- und Badeordnung folgende Klausel: „3.6 Verlust des ChipCoins a) Bei Verlust der Zugangsberechtigung von Garderobenschrank oder Wertfachschlüsseln, Datenträgern des Zahlungssystems oder Leihsachen (im folgenden "Chip" genannt), wird bei Verlassen des geschlossenen Badebereiches eine Sicherheitsleistung i.H.v. 80,-€ erhoben, da der abhanden gekommene Chip erst nach Schließung des Bades eindeutig zugeordnet werden kann. Der Gast wird gebeten bei der Verlustanzeige in einem hierfür bereitliegendem Formular seinen Namen, Kontodaten und den ungefähren Zeitpunkt der Ankunft (Eintrittszeit) anzugeben, um eine Zuordnung zu erleichtern. Der Differenzbetrag zwischen der Sicherheitsleistung und der tatsächlich ermittelten Chipbelastung wird unverzüglich auf das vom Gast angegebene Konto überwiesen und es wird dem Gast eine Abrechnung mit den Belastungen auf dem Chip übersandt. Um eine missbräuchliche Nutzung des Chips zu verhindern, wird der Gast gebeten, den Verlust eines Chips unverzüglich mitzuteilen, damit dieser gesperrt werden kann.“
8Dies nahm der Kläger zum Anlass, die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben dazu aufzufordern, die Verwendung dieser Klausel sofort einzustellen und wegen eines Verstoßes gegen die von der Beklagten am 12.04.2017 abgegebene Unterlassungserklärung eine Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 € zu zahlen, wobei Letzteres erfolglos blieb.
9Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands sowie wegen der von den Parteien in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
10Mit dem vom Kläger angefochtenen Teilurteil hat das Landgericht die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen. Über den Hilfsantrag hat das Landgericht noch keine Entscheidung getroffen.
11Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Zahlungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, da die von der Beklagten mit der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 12.04.2017 für den Fall eines erneuten schuldhaften Verstoßes versprochene Vertragsstrafe nicht verwirkt sei. Dabei könne dahinstehen, ob die von der Beklagten zuletzt verwandte AGB-Klausel unwirksam sei. Denn ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Vertragsstrafe scheitere bereits daran, dass die von der Beklagten zuletzt verwandte AGB-Klausel nicht inhaltsgleich mit derjenigen sei, deren Verwendung sie mit der Unterlassungserklärung vom 12.04.2017 zu unterlassen versprochen habe. Von der Verwendung einer inhaltsgleichen Klausel im Sinne des § 9 Nr. 3 UKlaG könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Klausel, zu deren Unterlassung sich die Beklagte vertraglich verpflichtet habe, und die nunmehr beanstandete Klausel im Wesentlichen denselben, durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt aufwiesen und im Hinblick auf ihre (Un-)Wirksamkeit zweifelsfrei derselben rechtlichen Beurteilung durch das Gericht unterworfen wären. Dies sei vorliegend indes nicht der Fall. Die seinerzeit von der Beklagten abgegebene und vom Kläger angenommene Unterlassungserklärung habe eine AGB-Klausel zum Gegenstand, wonach der Besucher des Schwimmbads im Falle des – auch schuldlosen – Verlusts der in der damaligen Klausel bezeichneten körperlichen Gegenstände (Zugangsberechtigung, Garderobenschrank- oder Wertfachschlüssel, Datenträger des Zahlungssystems, Leihsachen) einen betragsmäßig nicht festgelegten pauschalierten Schadensersatz zu zahlen haben sollte. Hiervon weiche die nunmehr beanstandete Klausel in entscheidender Weise ab, indem sie bei Verlust dieser Gegenstände die Entrichtung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 80,00 € durch den Badegast und die Erstattung des Differenzbetrags zwischen der Sicherheitsleistung und der – nach Wiederauffinden und/oder Zuordnung des in Verlust geratenen Chips – ermittelten tatsächlichen Chipbelastung durch die Beklagte vorsehe. Insoweit stelle sich im Hinblick auf die von der Beklagten nunmehr verwendete Klausel – anders als bei der ehemals verwandten Klausel – die zwischen den Parteien umstrittene Rechtsfrage, ob diese überhaupt eine Schadensersatzpflicht des betroffenen Badegastes statuiere. Bereits dies spreche entscheidend dafür, dass es sich nicht um inhaltsgleich Klauseln handele.
12Hiergegen wendet sich der Kläger mit der von ihm eingelegten Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
13Er ist der Ansicht, das Landgericht habe den zwischen den Parteien im Jahr 2017 geschlossenen Unterlassungsvertrag fehlerhaft ausgelegt, indem es hierbei das Interesse des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt habe, die Verwendung der seinerzeit beanstandeten Klausel aus allen ihre Unwirksamkeit begründenden Rechtsgründen, die Gegenstand der Auseinandersetzung der Parteien im Abmahnverfahren gewesen seien, dauerhaft zu verbieten. Da sich die Beklagte auf die Abmahnung des Klägers vom 15.02.2017, mit der ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und – unabhängig davon – ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Statuierung einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung geltend gemacht wurde, uneingeschränkt dazu verpflichtet hat, die seinerzeit beanstandete Klausel weiter zu verwenden, sei ihr Unterlassungsversprechen gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass sich der Unterlassungswille hinsichtlich der Frage der Inhaltsgleichheit auf alle vom Kläger dargelegten Unwirksamkeitsgründe bezieht. Die vom Unterlassungsgläubiger – hier: dem Kläger – in der Abmahnung dargelegten Rechtsverstöße seien in einem solchen Fall als der rechtliche Kern der zu unterlassenden Klausel anzusehen. Da die Beklagte mit der nunmehr von ihr verwendeten Klausel aus den vom Kläger näher ausgeführten Gründen ohne jeden Zweifel weiter gegen das Verbot der Statuierung einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht verstoße, sei es demnach für die Frage der Inhaltsgleichheit der in Rede stehenden Klauseln unerheblich, dass ein Verstoß gegen das Transparenzverbot nicht weiter zu besorgen sei. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt habe, die aktuell von der Beklagten verwendete Klausel knüpfe an den bloßen Verlust der darin bezeichneten körperlichen Gegenstände keine unmittelbaren negativen Folgen, beruhe dies auf einer groß fehlerhaften Auslegung der Klausel, die gemäß § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel zulasten des Verwenders zu erfolgen habe. Danach sei die zuletzt von der Beklagten verwendete Klausel so auszulegen, dass die im Verlustfall zu entrichtende Sicherheitsleistung von 80,00 € bei dem Verlust von Garderobenschrank- oder Wertfachschlüssel sowie von Leihsachen als endgültiger Schadensersatzbetrag einbehalten werde, da in diesen Fällen eine tatsächliche Chipbelastung schon nicht schadensrelevant sei, so dass eine Abrechnung nicht stattfinden könne. Unabhängig davon begründe die Klausel auch hinsichtlich der Belastungen auf dem in Verlust geratenen Datenträger des Zahlungssystems eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung des betreffenden Badegasts. Denn die Klausel differenziere nicht danach, ob die „tatsächlich ermittelte Chipbelastung“ durch den Konsum des Badegasts vor dem Verlust des Datenträgers oder durch eine missbräuchliche Verwendung durch Dritte entstanden ist. Schließlich ist der Kläger der Ansicht, das Landgericht sei nach seinem Rechtsstandpunkt gehalten gewesen, auch über den hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag zu entscheiden. Denn aufgrund der gebotenen teleologischen Reduktion des § 6 UKlaG in der seit dem 13.10.2023 geltenden Fassung (nF) sei das Landgericht auch zur Entscheidung über den durch Klageerweiterung vom 28.11.2023 anhängig gemachten Hilfsantrag berufen.
14Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen,
151. an ihn 4.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit dem 28.05.2023 zu zahlen,
16hilfsweise,
172. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, in Haus- und Badeordnungen und anderen die Nutzung von Freizeit- und Saunabädern regelnden Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung entsprechender Verträge auf eine solche Klausel zu berufen:
18Bei Verlust der Zugangsberechtigung von Garderobenschrank oder Wertfachschlüsseln, Datenträgern des Zahlungssystems oder Leihsachen (im folgenden "Chip" genannt), wird bei Verlassen des geschlossenen Badebereiches eine Sicherheitsleistung i.H.v. 80,-€ erhoben, da der abhanden gekommene Chip erst nach Schließung des Bades eindeutig zugeordnet werden kann. Der Gast wird gebeten bei der Verlustanzeige in einem hierfür bereitliegendem Formular seinen Namen, Kontodaten und den ungefähren Zeitpunkt der Ankunft (Eintrittszeit) anzugeben, um eine Zuordnung zu erleichtern.
19Der Differenzbetrag zwischen der Sicherheitsleistung und der tatsächlich ermittelten Chipbelastung wird unverzüglich auf das vom Gast angegebene Konto überwiesen und es wird dem Gast eine Abrechnung mit den Belastungen auf dem Chip übersandt. Um eine missbräuchliche Nutzung des Chips zu verhindern, wird der Gast gebeten, den Verlust eines Chips unverzüglich mitzuteilen, damit dieser gesperrt werden kann.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
23Von der Darstellung des weitergehenden Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen und wegen des weiteren Berufungsvorbringens auf die von den Prozessparteien zur zweitinstanzlichen Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
24II.
25Die zulässige – insbesondere gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
261.
27Dabei ist vorauszuschicken, dass dem Senat eine Entscheidung in der Sache nicht verwehrt ist.
28Zwar handelt es sich bei dem angefochtenen Urteil aus den vom Senat bereits mit Hinweisschreiben vom 29.11.2024 dargelegten Gründen, auf die an dieser Stelle Bezug genommen werden kann, um ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil. Dieser wesentliche Verfahrensmangel rechtfertigt gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 3 ZPO – auch ohne entsprechenden Verfahrensantrag – grds. die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht.
29Allerdings kann das Berufungsgericht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle eines unzulässigen Teilurteils, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits – jedenfalls bei Sachdienlichkeit (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 13.10.2000 – V ZR 356/99 –, NJW 2001, 78 (79); Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 538 ZPO, Rn. 55 mwN) – auch ohne einen darauf gerichteten Antrag an sich ziehen und darüber mitentscheiden, soweit es erforderlich ist, um den Verfahrensfehler zu beseitigen. Denn § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO erlaubt nach einem unzulässigen Teilurteil lediglich die Zurückverweisung ohne Antrag einer Partei, schreibt sie aber nicht vor (vgl. statt vieler vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 – XII ZB 38/21 –, Rn. 16, juris mwN; Urteil vom 13. Oktober 2008 – II ZR 112/07 –, Rn. 7, juris mwN; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 538 Rn. 74, beck-online).
30Folglich kann der Senat in Ausübung des ihm insoweit eingeräumten Ermessens eine eigene Sachentscheidung treffen und dabei – soweit erforderlich – den vom Landgericht noch nicht beschiedenen Hilfsantrag an sich ziehen. Denn der Rechtsstreit ist insgesamt entscheidungsreif und die Begründetheit von Haupt- und Hilfsantrag im Wesentlichen unter Heranziehung derselben Rechtsfragen zu beurteilen. Zudem hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es sich gemäß § 6 Abs. 1 UKlaG nF ohnehin für erstinstanzlich unzuständig erachtet und deshalb ggf. – sollte die Entscheidung über den Hilfsantrag bei ihm noch anfallen – die Abtrennung und Verweisung des Hilfsantrags an das Oberlandesgericht beabsichtigt. In Anbetracht dieser Umstände ist eine einheitliche Entscheidung des Senats in der Sache sachdienlich.
312.
32Die danach vom Senat inhaltlich zu bescheidende Klage hat bereits mit dem Hauptantrag Erfolg, so dass eine Entscheidung über den Hilfsantrag schon nicht anfällt und der Senat diesen deshalb letztlich nicht an sich ziehen muss.
33a.
34Der Kläger hat gemäß § 339 BGB i. V. m. der zwischen den Parteien im Mai 2017 zustande gekommenen Vertragsstrafenvereinbarung einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafe in Höhe von 4.500,00 €, weil die Beklagte der aus der Vereinbarung folgenden Unterlassungspflicht zuwidergehandelt hat.
35aa.
36Mit der von ihr am 12.04.2017 abgegebenen Unterlassungserklärung, die der Kläger am 03.05.2017 angenommen hat, hat sich die Beklagte verpflichtet, es zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende und inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden oder sich bei der Abwicklung von Verträgen auf eine solche Klausel zu berufen: „Bei Verlust der Zugangsberechtigung, von Garderobenschrank- oder Wertfachschlüsseln, Datenträgern des Zahlungssystems oder Leihsachen wird ein Pauschalbetrag in Rechnung gestellt, der den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden nicht übersteigt.“
37bb.
38Hiergegen hat sie durch die Verwendung der nunmehr vom Kläger beanstandeten Klausel verstoßen, weil diese – entgegen der Sichtweise des Landgerichts – inhaltsgleich zu der in dem Unterlassungsvertrag bezeichneten Klausel ist.
39(1)
40Die Frage der Inhaltsgleichheit zweier Klauseln beurteilt sich nach der im Wettbewerbsrecht entwickelten Kerntheorie. Danach ist jede Änderung einer Klausel, die den Kern der Verletzungshandlung unberührt lässt, vom Verbot umfasst, d. h. die in Rede stehenden Klauseln müssen im Wesentlichen denselben Inhalt haben (vgl. Köhler/Feddersen/Köhler/Alexander, 43. Aufl. 2025, UKlaG § 9 Rn. 3, beck-online; MüKoZPO/Micklitz/Rott, 6. Aufl. 2022, UKlaG § 5 Rn. 34, beck-online). Das vom Unterlassungsschuldner abgegebene Strafversprechen unterliegt dabei den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB, wobei es keinen allgemeinen Grundsatz gibt, dass ein Strafversprechen im Zweifel eng auszulegen ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 5 U 156/09 –, Rn. 12, juris; LG München I, Urteil vom 30. Juni 2016 – 12 O 17879/15 –, Rn. 33, juris). Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist vielmehr der wirkliche Wille der Vertragsparteien, zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck und die Interessenlage der Vertragschließenden heranzuziehen sind (BGH, Urteil vom 03.07.2003 – I ZR 297/00 –, NJW-RR 2003, 1278, beck-online; BGH, Urteil vom 25.01.2001 – I ZR 323/98 –, Rn. 15 – 16, juris).
41Danach ist eine Klausel jedenfalls dann inhaltsgleich, wenn kein Zweifel bestehen kann, dass sie den Kern der Verletzungshandlung unberührt lässt und das Gericht sie ebenso beurteilt hätte wie die in dem Strafversprechen bezeichnete Klausel (vgl. LG München I, Urteil vom 30. Juni 2016 – 12 O 17879/15 –, Rn. 34, juris mwN). Zudem stellt es bereits ein Indiz für die Inhaltsgleichheit der Klauseln dar, wenn die neue Klausel gegen dieselben Normen der Inhaltskontrolle verstößt wie die in dem Strafversprechen bezeichnete (vgl. MüKoZPO/Micklitz/Rott, 6. Aufl. 2022, UKlaG § 5 Rn. 34, beck-online). Diese Auslegung entspricht dem Zweck eines Unterlassungsvertrags, der regelmäßig darin liegt, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr auszuräumen und die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2003 – I ZR 297/00 –, Rn. 21, juris).
42Gibt der Klauselverwender mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung einer vorausgehenden Abmahnung ohne inhaltliche Einschränkungen nach, führen die allgemeinen Auslegungsregelungen demnach zu der (widerlegbaren) Vermutung, dass sich der Verwender dahingehend binden will, sämtliche vom Abmahnenden an der ursprünglichen Klausel beanstandeten Rechtsverstöße einzustellen. Diese bilden dann den für die Reichweite des Unterlassungswillens maßgeblichen Kern des Regelungsgehalts. Dabei ist aber nicht nur die Identität der Verstoßnorm, sondern der gesamte Inhalt der Unwirksamkeitsbegründung in einer Abmahnung heranzuziehen, um der Frage der Inhaltsgleichheit nachzugehen (vgl. MüKoZPO/Micklitz/Rott, 6. Aufl. 2022, UKlaG § 5 Rn. 34, beck-online mwN). Folglich kommt es zur Beurteilung der Inhaltsgleichheit auch darauf an, welchen konkreten Regelungsgehalt bzw. Anwendungsbereich die Klauseln in tatsächlicher Hinsicht haben.
43(2)
44Nach diesen Maßgaben stellen sich die streitgegenständlichen AGB-Klauseln als inhaltsgleich dar.
45(a)
46Dabei ist zunächst zu berücksichtigten, dass der Kläger die ursprünglich von der Beklagten verwandte Klausel unter zwei nebeneinander stehenden, rechtlichen Gesichtspunkten beanstandet hat, namentlich wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot und wegen der unzulässigen Statuierung einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung. Hierauf hat die Beklagte eine zwar modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben, die jedoch keine Einschränkungen inhaltlicher Art aufwies, so dass nach den vorstehenden Grundsätzen zu vermuten ist, dass sich die Beklagte vertraglich dazu verpflichten wollte, sämtliche vom Kläger beanstandeten Rechtsverstöße einzustellen. Anhaltspunkte, die gegen diese Vermutung sprechen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr sprechen neben dem Wortlaut des Vertragsstrafeversprechens und der Art und Weise seines Zustandekommens auch der damit verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien für ihre Richtigkeit. Denn für die Beklagte war es nur auf diese Weise möglich, die durch den ursprünglichen Rechtsverstoß begründete Wiederholungsgefahr auszuräumen. Spiegelbildlich hierzu kam es dem Kläger erkennbar darauf an, sämtliche durch die ursprünglich beanstandete Klausel begründeten Rechtsverstöße für die Zukunft, sei es durch dieselbe oder eine Klausel vergleichbaren Inhalts zu unterbinden.
47(b)
48Hinzu kommt, dass die Klauseln in tatsächlicher Hinsicht denselben Anwendungsbereich haben. Denn beide Regelungen verhalten sich zu den Folgen, die an den Verlust der in ihnen bezeichneten körperlichen Gegenstände, die überdies in beiden Klauseln identisch sind, durch den Badegast geknüpft werden.
49(c)
50Schließlich verstößt die nunmehr vom Kläger beanstandete Klausel – jedenfalls teilweise – gegen dieselbe Norm wie die in dem Strafversprechen bezeichnete, da auch sie an den Verlust der in ihr bezeichneten körperlichen Gegenstände, die gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässige Rechtsfolge eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs knüpft.
51In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Klausel ihrem Wortlaut nach keine Schadensersatzpflicht vorsieht, sondern (lediglich) eine im Verlustfall zu erbringende Sicherheitsleistung, über die anhand der tatsächlich ermittelten Chipbelastung abzurechnen ist. Denn die gemäß § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel zu Lasten des Verwenders – hier der Beklagten – auszulegende Klausel kann nur so verstanden werden, dass die Sicherheitsleistung in allen den Fällen einbehalten wird, in denen eine Abrechnung mit der „tatsächlich ermittelten Chipbelastung“ – d. h. eine Aufrechnung (§ 398 BGB) mit den auf dem Chip verbuchten Forderungen gegenüber dem Badegast – letztlich nicht möglich ist. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn nicht der Chip selbst, sondern die anderen in der Klausel benannten Gegenstände, insbesondere „Leihsachen“, in Verlust geraten, weil insoweit eine Abrechnung mit einer Belastung auf dem Chip schon gedankenlogisch ausgeschlossen ist.
52Darüber hinaus ist es auch nicht ausgeschlossen, dass der in Verlust geratene Chip nicht wieder auffindbar und auch eine Zuordnung der darauf enthaltenen Daten zu dem betreffenden Badegast nicht möglich ist, so dass eine Abrechnung mit der „tatsächlich ermittelten Chipbelastung“ aus diesem Grund nicht möglich ist. Dies hat die Beklagte in der vor dem Landgericht stattgefundenen mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, indem sie auf zwei Fälle dieser Art verwiesen hat. Dabei ist es für die rechtliche Einordnung – d. h. die Frage der (Un-)Wirksamkeit der Klausel – jedoch unerheblich, ob und in welchem Umfang derartige Sachverhalte bereits eingetreten sind und wie die Beklagte in diesen Fällen verfahren ist. Vielmehr reichen die bloße Möglichkeit entsprechender Sachverhaltskonstellationen und die von der Klausel daran geknüpften Rechtsfolgen aus, um ihre Unwirksamkeit zu begründen.
53Schließlich führt die Klausel überdies auch – worauf der Kläger zutreffend hinweist – zu einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung des Badegasts für solche auf dem Chip gebuchten Belastungen, die nicht durch den betreffenden Badegast veranlasst, sondern auf eine missbräuchliche Verwendung des Chips durch einen Dritten zurückzuführen sind. Denn in diesem Umfang kann der Beklagten allenfalls ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Badegast zustehen, wobei die von der Beklagten zuletzt verwandte Klausel gemäß § 305c Abs. 2 BGB dahingehend auszulegen ist, dass der Badegast für so begründete Schadensersatzforderungen auch im Falle des schuldlosen Handelns aufzukommen haben soll.
54Damit verstößt (auch) die zuletzt von der Beklagten verwandte Klausel derart offensichtlich gegen das Verbot der Begründung einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzhaftung, dass – anders als das Landgericht dies gewertet hat – kein Zweifel daran bestehen kann, dass sie im Hinblick auf ihre Unwirksamkeit ebenso zu beurteilen ist, die in dem Strafversprechen bezeichnete Klausel.
55(d)
56Die Tatsache, dass die zuletzt von der Beklagten verwendete Klausel – anders als die ursprüngliche Klausel – nicht zugleich auch gegen das Transparenzverbot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) verstößt, weil der pauschalierte Schadenseratzbetrag mit 80,00 € nunmehr hinreichend klar geregelt ist, spricht nicht gegen die Inhaltsgleichheit der Klauseln. Andernfalls drohten widersprüchliche Ergebnisse. Sofern nämlich die Beklagte die Höhe des im Verlustfall zu leistenden Schadensersatzes einerseits und den die Schadensersatzpflicht begründenden Verschuldensmaßstab anderseits in zwei eigenständigen Klauseln geregelt hätte, was ihr als Klauselverwenderin freisteht, und sich wegen der aus der Intransparenz einerseits und dem Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB andererseits folgenden Unwirksamkeit dieser Regelungen jeweils zur Unterlassung verpflichtet hätte, bestünde fraglos keine Veranlassung, die Inhaltgleichheit der unverändert fortbestehenden Klausel über die verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung in Zweifel zu ziehen, (nur) weil sie die Klausel über die Höhe des Schadensersatzes derart umgestaltet, dass sie nicht weiter gegen das Transparenzgebot verstößt.
57cc.
58Das Verschulden der Beklagten wird vermutet, wenn – wie hier – eine objektive Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsvereinbarung gegeben ist, so dass sich die Beklagte entlasten muss (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm/Feddersen, § 13a UWG, Rn. 28 mwN.). Konkretes Vorbringen der Beklagten hierzu ist indes nicht ersichtlich.
59dd.
60Die vom Kläger nach Ermessen festgesetzte und mit der Klage geltend gemachte Höhe der Vertragsstrafe hat die Beklagte schon nicht angegriffen. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass diese nicht der Billigkeit entspreche, wofür ungeachtet dessen insbesondere mit Blick auf den Jahresumsatz der Beklagten in Millionenhöhe auch nichts spricht.
61b.
62Da der Beklagten der Mahnbescheid des Amtsgerichts Wedding in dem der Streitsache vorgelagerten Mahnverfahren am 27.05.2023 zugestellt worden ist, folgt der Zinsanspruch des Klägers in geltend gemachter Höhe aus §§ 288, 291 BGB i. V. m. § 700 Abs. 2 ZPO.
63III.
64Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
65Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits hinreichend geklärt, dass zur Beurteilung der Inhaltsgleichheit von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die in der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Kerntheorie heranzuziehen sind, die ihrerseits ebenfalls als höchstrichterlich geklärt anzusehen sind. Darüber hinaus stellen sich im vorliegenden Fall keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr beruht die zu treffende Entscheidung auf der Auslegung der streitgegenständlichen Vertragsstrafenvereinbarung und der von der Beklagten verwandten Klauseln anhand der gegebenen Einzelfallumstände durch den Senat.