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Zu den von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG erfassten Produkten gehören auch nicht befüllte Ersatz-Tanks für E-Zigaretten.
Zu den Anforderungen an die Darlegung der Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) in einer lauterkeitsrechtlichen Abmahnung.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.01.2024 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum (12 O 66/23) – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet Bestandteile für E-Zigaretten zu verkaufen und zu versenden, ohne sicherzustellen, dass keine Abgabe an Kinder und Jugendliche erfolgt, wie geschehen beim Versand des Artikels „P. 2ml Ersatz Pod 2er Pack“.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist.
Das Versäumnisurteil der 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum vom 10.10.2023 (12 O 66/23) wird – unter Aufhebung dieses Versäumnisurteils im Übrigen – insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte folgende Handlungen begangen hat:
„Verkauf und Versand von Bestandteilen von E-Zigaretten im geschäftlichen Verkehr, ohne sicherzustellen, dass keine Abgabe an Kinder und Jugendliche erfolgt“,
und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Handlungen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die durch ihre Säumnis im schriftlichen Vorverfahren verursachten Kosten; die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 7% und die Beklagte zu 93%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 5% und die Beklagte zu 95%.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Soweit die Beklagte zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist, kann sie die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 € abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen kann die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
G r ü n d e
2A.
3Die Klägerin vertreibt E-Zigaretten, Zubehör/Ersatzteile für E-Zigaretten, E-Liquids, Aromen, Spirituosen u.a. über den Online-Shop in ihrem Internetauftritt „www.F..de“ (Internetausdruck: Anlage K1 = Blatt 8-17 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte), über die Internetplattform „V.“ sowie über sechs Ladenlokale in E., N., O., H., S. und U.. Nach ihren Angaben ist sie die größte Händlerin für Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ auf der Internetplattform „V.“.
4Die Beklagte vertreibt über die Internetplattform „V.“ u.a. Ersatzteile und Zubehör für E-Zigaretten (Internetausdruck: Anlage K2 [= Blatt 18-23 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte] sowie Anlage K3 [= Blatt 24-25 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte]).
5Am 30.06.2023 bot die Beklagte auf der Internetplattform „V.“ das Produkt „P. Pod 2ml | 2 Stück pro Packung | für die P. E-Zigarette“ an (Screenshot: Blatt 4 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte). Es handelt sich bei diesem Produkt um einen bei der Abgabe durch die Beklagte leeren, d.h. nicht mit einer Flüssigkeit befüllten, Tank (Ersatzteil) für ein bestimmtes E-Zigaretten-Modell. Erwerber dieses Produkts können diesen Tank mit einem E-Liquid, d.h. der in einer E-Zigarette zu verdampfenden Flüssigkeit, befüllen.
6Die Klägerin veranlasste zumindest einen Testkauf des vorbezeichneten Produktes. Weder bei der Bestellung des Produktes auf der Internetplattform „V.“ am 30.06.2023 noch bei der Auslieferung des Produktes am Folgetag durch die Post erfolgte eine wie auch immer geartete Überprüfung des Alters des Bestellers bzw. des Empfängers der Lieferung.
7Mit einem auf den 30.06.2023 datierten anwaltlichen Schriftsatz (Anlage K6 = Blatt 28-33 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Die Art des Versandes des vorbezeichneten Produktes verstoße gegen die Regelung in § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG). Die Klägerin forderte die Beklagte zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung und – unter Fristsetzung bis zum 14.07.2023 – zur Erstattung von Abmahnkosten (Rechtsanwaltsvergütung, berechnet nach einem Gegenstandswert von 50.000,00 €) in Höhe von 2.002,41 € auf. Zur Aktivlegitimation der Klägerin führten die anwaltlichen Vertreter der Klägerin in der Abmahnung Folgendes aus: „Unsere Mandantin vertreibt wie Sie e-Zigaretten und Teile von e-Zigaretten vornehmlich über F..de. Unsere Mandantin ist seit dem Jahr 2016 tätig. Im Jahr 2021 hat sie entsprechend der Veröffentlichung im Unternehmensregister einen Jahresüberschuss in Höhe von 788.685,25 EUR erzielt und vertreibt somit diese Waren in nicht nur unerheblichem Maße im Sinne des § 8 Abs. 3 UWG.“
8Die Beklagte teilte der Klägerin nach Erhalt der Abmahnung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.07.2023 (Anlage K7 = Blatt 34 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) mit, eine Rückmeldung werde „im Laufe der Woche“ erfolgen. Tatsächlich erfolgte eine solche Rückmeldung nicht.
9Die Klägerin hat gegenüber dem Landgericht die Argumentation aus ihrer Abmahnung wiederholt und vertieft. Sie hat ergänzende Angaben zur ihrer Anspruchsberechtigung gemacht und nähere Ausführungen zu ihrer Auffassung gemacht, von der Regelung in § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG seien auch nicht befüllte Ersatz-Tanks erfasst.
10Auf Antrag der Klägerin hat die 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum die Beklagte mit einem am 10.10.2023 im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteil verurteilt,
11an die Klägerin 2.002,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 15.07.2023 zu zahlen und
12der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte folgende Handlungen begangen hat:
13„Verkauf und Versand von Bestandteilen von e-Zigaretten im geschäftlichen Verkehr, ohne sicherzustellen, dass keine Abgabe an Kinder und Jugendliche erfolgt“,
14und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Handlungen sowie unter Angabe des Gewinns,
15sowie festgestellt,
16dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die durch die vorbezeichneten Verletzungshandlungen entstanden sind.
17Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
18Die Klägerin hat ihre Klage nach der Einspruchseinlegung – nachdem die Beklagte zu einer wegen des hier in Rede stehenden Sachverhaltes erlassenen einstweiligen Verfügung keine Abschlusserklärung abgegeben hatte – um einen Unterlassungsantrag erweitert.
19Die Klägerin hat dementsprechend vor dem Landgericht zuletzt beantragt,
20das Versäumnisurteil vom 10.10.2023 aufrechtzuerhalten und
21die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet Bestandteile für e-Zigaretten zu verkaufen und zu versenden, ohne sicherzustellen, dass keine Abgabe an Kinder und Jugendliche erfolgt, wie geschehen beim Versand des Artikels „P. 2ml Ersatz Pod 2er Pack“.
22Die Beklagte hat beantragt,
23das Versäumnisurteil vom 10.10.2023 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
24Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die von der Klägerin vorgerichtlich ausgesprochene Abmahnung genüge den in § 13 Abs. 2 UWG aufgestellten inhaltlichen Anforderungen nicht. Insbesondere habe die Klägerin in der Abmahnung keine ausreichenden Angaben zu ihrer Aktivlegitimation gemacht. Darüber hinaus habe sie, die Beklagte, keine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen: Nicht befüllte Ersatz-Tanks für E-Zigaretten seien von der Regelung in § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG nicht erfasst.
25Mit dem angefochtenen, am 16.01.2024 verkündeten Urteil hat die 12. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt und das Versäumnisurteil vom 10.10.2023 insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte darin zur Zahlung und zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist. Im Übrigen hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen; in den Entscheidungsgründen des Urteils führte das Landgericht hierzu aus, der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten sei bereits unzulässig.
26Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
27Die Beklagte beantragt,
28das angefochtene Urteil teilweise abzuändern, das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 10.10.2023 insgesamt aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
29Die Klägerin beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Die Klägerin ist der Auffassung, die Berufung sei bereits unzulässig: Die Berufungsbegründungsschrift vom 23.03.2024 sei von zwei Rechtsanwälten (Rechtsanwalt G. und Rechtsanwalt C.) einfach signiert und sodann über das beA-Postfach des Rechtsanwalts C. an das Gericht übermittelt worden. Es sei vor diesem Hintergrund unklar, wer für die Berufungsbegründung die Verantwortung übernehme. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil, soweit dieses von der Beklagten im Berufungsverfahren angegriffen wird.
32Soweit in den Gründen dieses Urteils Fundstellen in der Gerichtsakte angegeben sind, wird wegen der Einzelheiten auf die jeweils dort befindlichen Dokumente verwiesen.
33B.
34Die – zulässige – Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet, und teilweise begründet, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung wendet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
35I. Zulässigkeit der Berufung
36Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere formgerecht begründet worden: Die Berufungsbegründungsschrift vom 23.03.2024 (Blatt 27-38 der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) ist von Rechtsanwalt C. einfach signiert und sodann über das beA-Postfach des Rechtsanwalts C. an das Gericht übermittelt worden. Hierdurch wird hinreichend deutlich, dass (jedenfalls) Rechtsanwalt C. die Verantwortung für den Schriftsatz übernimmt. Dies genügt den Vorgaben in § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Dass der Schriftsatz zusätzlich noch von Rechtsanwalt G. einfach signiert worden ist, ist unschädlich.
37II. Begründetheit der Berufung
381. Unterlassungsanspruch
39Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wendet. Die Klage ist mit dem – zulässigen (insbesondere hinreichend bestimmten, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) – Unterlassungsantrag begründet.
40Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG.
41a) Die Klägerin ist als Mitbewerberin der Beklagten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Der Senat vermag dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens der Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin als solche in Abrede stellen will und die hierzu von der Klägerin gemachten Angaben (insbesondere die Angabe der Klägerin, sie sei die größte Händlerin für Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ auf der Internetplattform „V.“) bestreiten will. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte, als der Senat die Aktivlegitimation der Klägerin erörterte, die Anspruchsberechtigung der Klägerin als solche nicht in Abrede gestellt. Die Beklagte vertritt vielmehr (lediglich) die Auffassung, die Klägerin habe ihre Anspruchsberechtigung in der vorgerichtlichen Abmahnung nicht ausreichend dargelegt.
42b) Die Beklagte hat mit dem Angebot des Produktes „P. Pod 2ml | 2 Stück pro Packung | für die P. E-Zigarette“ im Internet und der anschließenden Auslieferung dieses Produktes ohne eine wie auch immer geartete Überprüfung des Alters des Bestellers bzw. des Empfängers gegen die Regelung in § 10 Abs. 3 und 4, § 1 Abs. 4 JuSchG verstoßen.
43aa) Nach § 10 Abs. 3 JuSchG dürfen Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden. Nach § 10 Abs. 4 JuSchG gilt § 10 Abs. 3 JuSchG auch für nikotinfreie Erzeugnisse, wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie für deren Behältnisse. § 1 Abs. 4 JuSchG definiert den Begriff des „Versandhandels“ im Sinne des JuSchG als „jedes entgeltliche Geschäft, das im Wege der Bestellung und Übersendung einer Ware durch Postversand oder elektronischen Versand ohne persönlichen Kontakt zwischen Lieferant und Besteller oder ohne dass durch technische oder sonstige Vorkehrungen sichergestellt ist, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt, vollzogen wird.“ § 10 Abs. 3 und 4 wurden durch das „Gesetz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor den Gefahren des Konsums von elektronischen Zigaretten und elektronischen Shishas“ vom 03.03.2016 (BGBl. 2016 I, S. 369) mit Wirkung ab dem 01.04.2016 in das JuSchG eingefügt und stellen Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG dar.
44bb) Zu den von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG erfassten Produkten gehören auch nicht befüllte Ersatz-Tanks für E-Zigaretten (so im Ergebnis auch bereits der Senat in seinem – nicht veröffentlichten – Hinweisbeschluss vom 02.03.2021 in dem Berufungsverfahren I-4 U 185/20 [siehe Blatt 86-88 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte]), mithin auch das hier streitgegenständliche Produkt.
45Dem Gesamtzusammenhang der Regelung in § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG ist zu entnehmen, dass von dieser Regelung jedenfalls auch „elektronische Zigaretten“ erfasst werden sollen, wobei es im Ergebnis dahinstehen kann, ob elektronische Zigaretten, in denen nikotinhaltige Flüssigkeiten verdampft werden (können), bereits von § 10 Abs. 3 JuSchG erfasst werden und § 10 Abs. 4 JuSchG lediglich – erweiternd – nikotinfreie elektronische Zigaretten (namentlich nikotinfreie Einwegprodukte) in den Regelungsbereich miteinbezieht oder ob elektronische Zigaretten insgesamt erst von § 10 Abs. 4 JuSchG erfasst werden.
46Der Senat hat bereits entschieden, dass unter dem Begriff des „Behältnisses“ im Sinne von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG ein „Nachfüllbehälter“ im Sinne des Tabakerzeugnisrechts zu verstehen ist (OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2017 – I-4 U 162/16 –, juris, Rdnrn. 54, 58), wobei § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tabakerzeugnisgesetz – TabakerzG) für das deutsche Tabakerzeugnisrecht die Begriffsbestimmungen des Artikels 2 der „Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG“ (im Folgenden: Richtlinie 2014/40/EU) übernimmt (und diese teilweise sogar noch zur weiteren Erhöhung des Schutzniveaus erweitert). Es ist kein überzeugender Grund ersichtlich, den Begriff der „elektronischen Zigaretten“ im Sinne von § 10 Abs. 3 und 4 JuSchG nicht auch im tabakerzeugnisrechtlichen Sinne, d.h. entsprechend der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2014/40/EU, auszulegen (a.A. OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.05.2022 – 6 U 362/21 –, juris, Rdnr. 47); nur so können Wertungswidersprüche vermieden werden und nur so kann das vom Gesetzgeber angestrebte besonders hohe Schutzniveau für Kinder und Jugendliche erreicht werden.
47Nach Art. 2 Nr. 16 der Richtlinie 2014/40/EU bezeichnet der Begriff „elektronische Zigarette“ „ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks verwendet werden kann, oder jeden Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Elektronische Zigaretten können Einwegprodukte oder mittels eines Nachfüllbehälters oder eines Tanks nachfüllbar sein oder mit Einwegkartuschen nachgeladen werden.“
48Von dieser Definition wird fraglos auch das hier streitgegenständliche – noch nicht mit einer Flüssigkeit befüllte – Produkt erfasst.
49cc) Eine wie auch immer geartete Überprüfung des Alters des Bestellers bzw. des Empfängers hat weder während des Bestellprozesses noch im Rahmen der Auslieferung des Produktes stattgefunden.
50c) Der Verstoß ist spürbar im Sinne des § 3a UWG.
51d) Gesichtspunkte, die geeignet wären, die aufgrund des begangenen Verstoßes tatsächlich zu vermutende Wiederholungsgefahr auszuräumen, sind nicht ersichtlich.
522. Auskunftsanspruch
53Die Berufung ist teilweise begründet, soweit sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Auskunftserteilung wendet.
54a) Der auf die Verurteilung zur Auskunftserteilung gerichtete Klageantrag ist zulässig.
55Dem Gesamtzusammenhang des Vorbringens der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie Auskunft nur über solche Handlungen begehrt, die mit der streitgegenständlichen Verletzungshandlung identisch oder kerngleich sind. Mit diesem Inhalt ist der Klageantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
56b) Der Klageantrag ist indes nur teilweise begründet.
57Der geltend gemachte Auskunftsanspruch findet seine Grundlage dem Grunde nach in § 242 BGB, er dient der Ermöglichung der Geltendmachung eines im vorliegenden Falle zu Gunsten der Klägerin möglicherweise bestehenden Schadensersatzanspruches nach § 9 Abs. 1 UWG. Dass die Beklagte im Hinblick auf die streitgegenständliche Verletzungshandlung ohne Verschulden gehandelt hat, ist nicht ersichtlich. Da das Landgericht den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten lediglich als unzulässig abgewiesen hat, ist die Klägerin auch nicht daran gehindert, nach der Auskunftserteilung gegebenenfalls eine bezifferte Schadensersatzklage zu erheben.
58Da die Klägerin im Wege des Schadensersatzes hier allerdings nicht die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen kann, steht ihr kein Anspruch auf Auskunftserteilung über die von der Beklagten erzielten Gewinne zu (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 30.12.2021 – I-4 U 135/20 –, juris, Rdnrn. 119, 121).
593. Abmahnkosten
60Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet.
61Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten nach § 13 Abs. 3 UWG nicht zu. Die Abmahnung entspricht nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 2 UWG. Sie enthält entgegen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG keine ausreichenden Angaben zur Anspruchsberechtigung (Aktivlegitimation) der Klägerin.
62a) Seit der Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG mit Wirkung ab dem 01.12.2021 durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ können Mitbewerber lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche nur noch dann geltend machen, wenn sie „Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen“. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des vorgenannten Gesetzes soll hiermit der Anspruchsgeltendmachung durch Unternehmer entgegengewirkt werden, deren geschäftliche Tätigkeit ihrem Umfang nach die Zubilligung der Anspruchsberechtigung nicht rechtfertigt, etwa weil die Unternehmer nur einige wenige Waren zu überteuerten Preisen auf einem Portal anbieten, kurz nach Anmeldung des Gewerbes bereits eine hohe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen haben oder sich im Insolvenzverfahren befinden; daher muss ein Mitbewerber, der Ansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend macht, nachweisen, dass er tatsächlich in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreibt oder nachfragt wie derjenige, der die unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hat (vgl. BT-Drucksache 19/12084, S. 26). Bereits hieraus folgt, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit und Frequenz der Geschäftstätigkeit nicht auf den Gesamtumfang der unternehmerischen Tätigkeit abzustellen ist, sondern auf den Vertrieb und die Nachfrage gerade derjenigen Waren oder Dienstleistungen, die das Wettbewerbsverhältnis zum Anspruchsgegner begründen sollen. Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach durch das Erfordernis der qualifizierten Mitbewerberstellung Missbrauchsmöglichkeiten vorgebeugt werden soll, die sich aus einer nur pro forma, aber nicht ernsthaft und nachhaltig betriebenen Geschäftstätigkeit ergeben und die sich durch ein Missverhältnis der Abmahntätigkeit zur sonstigen Geschäftstätigkeit auszeichnen können (BGH, Urteil vom 24.02.2022 – I ZR 128/21 – [Zweitmarkt für Lebensversicherungen II], juris, Rdnr. 14 m.w.N.). Hieraus ergibt sich, dass die ernsthaft und nachhaltig betriebene Geschäftstätigkeit nicht nur allgemein, sondern konkret im Bereich der vom Abgemahnten vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen bestehen muss. Andernfalls wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, weil dann für einen Abmahner, der hinsichtlich der von ihm nachhaltig vertriebenen oder nachgefragten Waren oder Dienstleistungen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer steht, die Möglichkeit bestünde, durch das gelegentliche oder gar einmalige Vertreiben einer die Mitbewerbereigenschaft begründenden Ware oder Dienstleistung die Aktivlegitimation gegenüber dem Verletzer zu generieren, was ersichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt ist. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass in dem in dem dortigen Verfahren nach der Zurückverweisung wiedereröffneten Berufungsverfahren anlässlich der Prüfung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG (nur) diejenigen Geschäftstätigkeiten der dortigen Klägerin in den Blick zu nehmen seien, die sich als gleichartig zu den von der dortigen Beklagten angebotenen Dienstleistungen darstellten (BGH, a.a.O., Rdnr. 26).
63Weil das Gesetz von „Vertrieb“ und „Nachfrage“ spricht, reicht darüber hinaus das bloße Anbieten von Waren oder Dienstleistungen nicht aus (BT-Drucksache 19/12084, S. 26; Köhler/Feddersen, UWG, 43. Aufl. [2025], § 8 Rdnr. 3.29c m.w.N.).
64b) Aus der Verschärfung der materiellen Anforderungen an die Anspruchsberechtigung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG folgt auch eine Steigerung der Darlegungslast in der Abmahnung. Die Abmahnung muss Angaben zu diesen verschärften Anforderungen enthalten; in der Regel kommen hierzu Angaben über Größenkategorien der Verkaufszahlen in Betracht (vgl. Köhler/Feddersen, a.a.O., § 13 Rdnr. 14).
65c) Diesen Anforderungen wird die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung nicht gerecht. Ihr lässt sich nicht entnehmen, in welcher Größenordnung die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ vertrieb. Die Abmahnung enthielt zwar die Angabe eines (früheren) Jahresüberschusses. Der Abmahnung lässt sich indes nicht entnehmen, wie sich der genannte Betrag auf die einzelnen Produktsegmente des durchaus breit gefächerten Warensortiments der Klägerin verteilte. Die Angabe der Internetadresse der Klägerin in der Abmahnung ist ohne Bedeutung: Die gesetzlich erforderlichen Angaben müssen in der Abmahnung selbst enthalten sein, der bloße Hinweis auf Recherchemöglichkeiten reicht nicht aus. Im Ergebnis ohne entscheidende Bedeutung ist auch der Vortrag der Klägerin, sie, die Klägerin, müsse der Beklagten schon zum Zeitpunkt der Abmahnung bekannt gewesen sein, weil die Beklagte schon damals auf der Internetplattform „V.“ „hunderte“ Artikel angeboten habe, die zeitgleich auch von ihr, der Klägerin, angeboten worden seien, und man auf der genannten Internetplattform auch „seine Konkurrenz sehe“. Die Beklagte mag auf diese Weise vielleicht einen Überblick über den Umfang des Angebotes der Klägerin gehabt haben. Dies reicht allerdings, wie oben dargestellt, nicht aus. Dass die Beklagte auch Kenntnisse über den tatsächlichen Vertriebserfolg der Klägerin hatte oder zumindest hätte haben müssen, lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen. Erst recht lässt sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen, woher die Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Zuganges der Abmahnung hätte wissen müssen, dass die Klägerin die größte Händlerin für Waren aus dem Produktsegment „E-Zigaretten“ auf der Internetplattform „V.“ ist.
66C.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 97 Abs. 1, § 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
68Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 ZPO.